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389 lines
18 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. XI ZR 457/16
  5. Verkündet am:
  6. 10. Oktober 2017
  7. Herrwerth
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 174 Satz 1
  19. Die Telefaxkopie einer Originalvollmacht ist keine Vollmachtsurkunde im Sinne
  20. des § 174 Satz 1 BGB.
  21. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 457/16 - OLG Koblenz
  22. LG Mainz
  23. ECLI:DE:BGH:2017:101017UXIZR457.16.0
  24. -2-
  25. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  26. vom 10. Oktober 2017 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, die
  27. Richter Dr. Grüneberg und Maihold sowie die Richterinnen Dr. Menges und
  28. Dr. Derstadt
  29. für Recht erkannt:
  30. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats
  31. des Oberlandesgerichts Koblenz vom 29. Juli 2016 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten
  32. erkannt worden ist.
  33. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
  34. und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
  35. an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  36. Von Rechts wegen
  37. -3-
  38. Tatbestand:
  39. 1
  40. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf den Abschluss von zwei Verbraucherdarlehensverträgen gerichteten Willenserklärungen der Kläger.
  41. 2
  42. Die Kläger schlossen mit der Beklagten zwecks Finanzierung einer Immobilie zwei Darlehensverträge, einmal aufgrund ihrer Vertragserklärung vom
  43. 29. Januar 2006 zur Nr.
  44. 001 über 175.000 € mit einem auf 15 Jahre
  45. festen Zinssatz von nominal 4% p.a. und zum anderen aufgrund Antrags der
  46. Beklagten vom 15. Februar 2006 und Annahme der Kläger vom 28. Februar
  47. 2006 zur Nr.
  48. 002/003 über 75.000 € zu einem auf zehn Jahre festen
  49. Zinssatz von nominal 3,95% p.a. Der Sicherung der Ansprüche der Beklagten
  50. diente ein Grundpfandrecht. Die Beklagte belehrte die Kläger bei Abschluss der
  51. Darlehensverträge über ihr Widerrufsrecht zum einen und zum anderen wie
  52. folgt:
  53. -4-
  54. -5-
  55. -6-
  56. -7-
  57. -8-
  58. 3
  59. Der vorinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Kläger äußerte in einem
  60. Telefaxschreiben der Verbraucherzentrale H.
  61. e.V. vom 5. Oktober 2013
  62. unter anderem mit dem Betreff "Kreditverträge vom 15.02. und 28.02.2006,
  63. Nr.
  64. 002/-003", bezogen auf die auf den Abschluss der Darlehensver-
  65. träge gerichteten Willenserklärungen der Kläger sei "der Widerruf auch heute
  66. noch möglich" und werde "unter Bezugnahme auf die Einverständniserklärung
  67. der Verbraucher hiermit erklärt". Mit diesem Schreiben übermittelte der vorinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Kläger per Telefax am selben Tag
  68. (Samstag) eine "Einverständniserklärung" (Vollmacht) des Klägers zu 2, nicht
  69. auch der Klägerin zu 1. Die Beklagte entgegnete mit einem dem vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger am selben Tag übermittelten Telefaxschreiben vom 11. Oktober 2013, sie weise den "zugunsten der Eheleute
  70. […] erklärten Widerruf […] hiermit nach Maßgabe des § 174 Satz 1 BGB zurück". Während des erstinstanzlichen Verfahrens wiederholten die Kläger - bezogen auf beide Darlehensverträge - den Widerruf mit Schriftsätzen ihrer Prozessbevollmächtigten vom 18. Dezember 2014 und 3. Februar 2015.
  71. 4
  72. Ihre Klage zuletzt auf Feststellung, dass die zwischen den Parteien geschlossenen Darlehensverträge mit Schreiben vom 5. Oktober 2013 nebst Erklärung vom 18. Dezember 2014 und 3. Februar 2015 wirksam widerrufen und
  73. in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt worden seien, außerdem auf
  74. Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten, hilfsweise auf Zahlung
  75. näher bezeichneter Beträge Zug um Zug gegen Zahlung ebenfalls näher bezeichneter Beträge sowie auf Feststellung, "dass die Kläger von den Verpflichtungen der oben genannten Kreditverträge freigestellt" seien, die Beklagte Sicherheiten zurückzugewähren bzw. eine Löschungsbewilligung zu erteilen und
  76. die außergerichtlich verauslagten Anwaltskosten zu erstatten habe, hat das
  77. Landgericht abgewiesen.
  78. 5
  79. Dagegen haben die Kläger Berufung eingelegt und in der Berufungsbegründungsschrift beantragt festzustellen, dass die näher bezeichneten Darlehensverträge aufgrund des Schreibens vom 5. Oktober 2013 nebst Erklärung
  80. -9-
  81. vom 18. Dezember 2014 und 3. Februar 2015 wirksam widerrufen und in Rückabwicklungsverhältnisse umgewandelt worden seien. Außerdem haben sie den
  82. Antrag auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten weiterverfolgt.
  83. Diese Anträge haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zunächst gestellt. Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage hat
  84. der Klägervertreter erklärt, er stelle den Feststellungsantrag nunmehr mit der
  85. Maßgabe, "dass das Schreiben vom 5. Oktober 2013 dort nicht mehr aufgeführt
  86. werden solle".
  87. 6
  88. Das Berufungsgericht hat daraufhin unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das landgerichtliche Urteil dahin abgeändert, es werde festgestellt, dass die näher bezeichneten Darlehensverträge "aufgrund des mit Schreiben vom 18. Dezember 2014 erklärten Widerrufs der auf den Abschluss der
  89. Kreditverträge gerichteten Willenserklärungen der Kläger wirksam widerrufen"
  90. worden seien "und das jeweilige Vertragsverhältnis in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt" worden sei. In der Entscheidungsformel hat das Berufungsgericht dahin erkannt, es werde die "Revision gegen dieses Urteil" zugelassen. In den Gründen hat es ausgeführt, es habe "die Revision zur Sicherung
  91. einer einheitlichen Rechtsprechung […] im Hinblick auf divergierende obergerichtliche Entscheidungen zur Frage der Verwirkung bzw. der rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung von Verbraucherwiderrufsrechten zugelassen".
  92. Dagegen komme eine Revisionszulassung - wie von der Beklagten in einem
  93. Parallelverfahren ausdrücklich begehrt - hinsichtlich der allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Feststellungsklage nicht in Betracht. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die vollständige Zurückweisung der klägerischen Berufung.
  94. - 10 -
  95. Entscheidungsgründe:
  96. 7
  97. Die Revision der Beklagten hat Erfolg.
  98. I.
  99. 8
  100. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit
  101. für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:
  102. 9
  103. Die Feststellungsklage sei zulässig. Zwar genieße eine Leistungsklage
  104. grundsätzlich Vorrang. Bei einer Bank sei indessen davon auszugehen, dass
  105. sie auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil leisten werde, auch wenn die Beklagte das Gegenteil erklärt habe.
  106. 10
  107. Zwischen den Parteien seien Verbraucherdarlehensverträge zustande
  108. gekommen, so dass den Klägern das Recht zugestanden habe, ihre auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen zu widerrufen.
  109. 11
  110. Diesen Widerruf hätten die Kläger zwar nicht schon mit Schreiben ihres
  111. vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vom 5. Oktober 2013 erklärt. Denn
  112. diesem Schreiben habe nur eine Vollmacht des Klägers zu 2, nicht auch eine
  113. Vollmacht der Klägerin zu 1 beigelegen, so dass die Beklagte den
  114. Widerruf - wie geschehen unverzüglich - habe zurückweisen können. Der Widerruf mit Anwaltsschriftsatz vom 18. Dezember 2014 während des laufenden
  115. Rechtsstreits sei aber wirksam und beachtlich. Der am 3. Februar 2015 erklärte
  116. Widerruf sei danach ins Leere gegangen.
  117. 12
  118. Die Widerrufsfrist sei am 18. Dezember 2014 noch nicht abgelaufen gewesen. Durch die Verwendung des Wortes "frühestens" bei der Beschreibung
  119. der Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist habe die Beklagte die
  120. Kläger über die Bedingungen des Widerrufs undeutlich unterrichtet. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung nach der maßgebli-
  121. - 11 -
  122. chen Fassung der BGB-Informationspflichten-Verordnung könne sich die Beklagte nicht berufen, weil die Widerrufsbelehrung der Beklagten dem Muster
  123. nicht vollständig entsprochen habe. Die Kläger hätten ihr Widerrufsrecht nicht
  124. verwirkt oder sonst rechtsmissbräuchlich ausgeübt.
  125. II.
  126. 13
  127. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Nachprüfung in
  128. wesentlichen Punkten nicht stand.
  129. 14
  130. 1. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht die Feststellungsklage für zulässig erachtet.
  131. 15
  132. a) Der Senat hat die Zulässigkeit der Feststellungsklage unter dem Aspekt des Vorhandenseins eines Feststellungsinteresses von Amts wegen zu
  133. prüfen (Senatsurteil vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906
  134. Rn. 14 mwN). Dem steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht in den
  135. Gründen des Berufungsurteils ausdrücklich ausgeführt hat, es lasse die Revision nur zur Begründetheit und nicht auch zur Zulässigkeit der Feststellungsklage
  136. zu. Das Berufungsgericht kann die Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts
  137. nicht einschränken, soweit Prozessvoraussetzungen von Amts wegen zu prüfen
  138. sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Juli 2009 - I ZB 53/07, BGHZ 182, 325
  139. Rn. 15 und - I ZB 54/07, juris Rn. 14). Auch der Revisionsführer könnte mittels
  140. einer Beschränkung seines Angriffs auf die materielle Rechtfertigung des Anspruchsgrunds eine solche Prüfung nicht ausschließen. Insoweit gilt entgegen
  141. der Rechtsmeinung der Revisionserwiderung anderes als in Fällen einer Beschränkung der Zulassung auf die Frage der Zulässigkeit der Klage (vgl. Senatsurteil vom 12. April 2011 - XI ZR 341/08, WM 2011, 1437 Rn. 10; BGH, Beschlüsse vom 17. April 2012 - VI ZR 140/11, NJW-RR 2012, 759 Rn. 5 und vom
  142. 17. Mai 2017 - IV ZB 25/16, WM 2017, 1124 Rn. 19).
  143. - 12 -
  144. 16
  145. b) Die Feststellungsklage ist unzulässig.
  146. 17
  147. aa) Allerdings führt der Umstand, dass die Kläger in ihrem Feststellungsantrag mehrere Widerrufserklärungen zitiert haben, nicht zu seiner Unzulässigkeit wegen mangelnder Bestimmtheit. Vielmehr ist der Klageantrag so auszulegen und vom Berufungsgericht - an seiner Prüfungsreihenfolge kenntlich - auch
  148. so ausgelegt worden, die Widerrufserklärungen seien in ihrer zeitlichen Abfolge
  149. in ein Eventualverhältnis gestellt.
  150. 18
  151. bb) Die Formulierung des ersten Teils des Feststellungsantrags berücksichtigt indessen nicht, dass eine Feststellungsklage unzulässig ist, mittels derer der Kläger die Wirksamkeit des Widerrufs als eine nicht feststellungsfähige
  152. bloße Vorfrage geklärt sehen will (Senatsurteil vom 21. Februar 2017
  153. - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 12; Senatsbeschlüsse vom 14. Oktober
  154. 2008 - XI ZR 173/07, - XI ZR 248/07 und - XI ZR 260/07, juris).
  155. 19
  156. cc) Im Übrigen genügt die Feststellungsklage den Anforderungen des
  157. § 256 Abs. 1 ZPO nicht. Sie zielt auf die positive Feststellung, dass sich die
  158. Darlehensverträge vom 29. Januar 2006 und 15. Februar 2006 aufgrund der
  159. Widerrufserklärungen der Kläger in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt haben. Eine Auslegung als negative Feststellungsklage kommt mangels
  160. eines in diesem Sinne auslegungsfähigen anspruchsleugnenden Zusatzes nicht
  161. in Betracht (einen anderen Fall betraf Senatsurteil vom 16. Mai 2017
  162. - XI ZR 586/15, WM 2017, 1258 Rn. 10 ff., 16).
  163. 20
  164. Als positive Feststellungsklage ist der Feststellungsantrag unzulässig.
  165. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils näher ausgeführt hat (Senatsurteile vom 24. Januar 2017 - XI ZR 183/15, WM 2017, 766 Rn. 11 ff., vom
  166. 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 13 ff., vom 14. März 2017
  167. - XI ZR 442/16, WM 2017, 849 Rn. 19, vom 16. Mai 2017 - XI ZR 586/15,
  168. WM 2017, 1258 Rn. 16 und vom 4. Juli 2017 - XI ZR 741/16, WM 2017, 1602
  169. Rn. 16), muss ein Kläger, der die Umwandlung eines Verbraucherdarlehensvertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis geltend macht, vorrangig mit der Leis-
  170. - 13 -
  171. tungsklage auf der Grundlage der § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum
  172. 12. Juni 2014 geltenden Fassung in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB gegen die
  173. Beklagte vorgehen. Ist dem Kläger eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar und erschöpft sie das Rechtsschutzziel, fehlt ihm das Feststellungsinteresse, weil er im Sinne einer besseren Rechtsschutzmöglichkeit den Streitstoff in
  174. einem Prozess klären kann.
  175. 21
  176. Im konkreten Fall hat das Berufungsgericht ausdrücklich festgestellt, die
  177. Beklagte habe angekündigt, auf ein Feststellungsurteil nicht freiwillig leisten zu
  178. wollen. Damit steht fest, dass der Rechtsstreit die Meinungsverschiedenheiten
  179. der Parteien nicht endgültig bereinigen wird. Die Feststellungsklage ist damit
  180. auch nicht nach den Maßgaben des Senatsurteils vom 24. Januar 2017
  181. (XI ZR 183/15, WM 2017, 766 Rn. 16) ausnahmsweise zulässig.
  182. 22
  183. 2. Davon abgesehen sind auch die Ausführungen des Berufungsgerichts
  184. zur Unmaßgeblichkeit der Widerrufserklärung vom 5. Oktober 2013 nicht frei
  185. von Rechtsfehlern.
  186. 23
  187. a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht erkannt, dass
  188. der am 18. Dezember 2014 erklärte Widerruf, auf den sich die Kläger nach ihrem zuletzt gestellten Antrag in erster Linie bezogen haben, nur dann beachtlich
  189. war, wenn sich die Darlehensverträge zwischen den Parteien nicht schon aufgrund des Widerrufs vom 5. Oktober 2013 in Rückgewährschuldverhältnisse
  190. umgewandelt hatten.
  191. 24
  192. b) Revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand halten aber die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht der Widerrufserklärung vom 5. Oktober 2013 Rechtswirkungen abgesprochen hat.
  193. 25
  194. Das Berufungsgericht hat zum einen übersehen, dass das Widerrufsrecht nicht von beiden Klägern gemeinschaftlich ausgeübt werden musste, sondern jedem Kläger die Befugnis zustand, den Widerruf für sich - gegebenenfalls
  195. mit den Rechtsfolgen des § 139 BGB für das gesamte Darlehensverhältnis - zu
  196. - 14 -
  197. erklären (Senatsurteil vom 11. Oktober 2016 - XI ZR 482/15, WM 2016, 2295
  198. Rn. 13 ff., zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ). Träfe die vom Berufungsgericht implizit zugrunde gelegte Auslegung der Zurückweisungserklärung zu, die
  199. Beklagte habe (lediglich) das Fehlen einer Bevollmächtigung durch die Klägerin
  200. zu 1 beanstandet, war der Widerruf vom 5. Oktober 2013 ohne Rücksicht auf
  201. die Unverzüglichkeit der Zurückweisung beachtlich und auf seine sachliche
  202. Reichweite hin zu untersuchen. Denn die Zurückweisung der für die Klägerin
  203. zu 1 abgegebenen Erklärung durch die Beklagte berührte die Wirksamkeit des
  204. Widerrufs des Klägers zu 2 nicht.
  205. 26
  206. War die Zurückweisungserklärung der Beklagten dagegen wegen des
  207. Verweises auf die Vorlage einer - tatsächlich unzureichenden (OLG Hamm,
  208. WM 1991, 1715, 1717; Palandt/Ellenberger, BGB, 76. Aufl., § 174 Rn. 5) - Telefax-"Kopie" so zu interpretieren, die Beklagte weise auch den für den Kläger
  209. zu 2 erklärten Widerruf zurück, erfolgte die Zurückweisung sechs Tage nach
  210. Übersendung nicht mehr unverzüglich (OLG Hamm, aaO; Palandt/Ellenberger,
  211. aaO, Rn. 6). Auch dann war der Widerruf vom 5. Oktober 2013, soweit er reichte, beachtlich.
  212. III.
  213. 27
  214. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung zugunsten der Beklagten (§ 563 Abs. 3 ZPO) kann der
  215. Senat nicht fällen. Die Feststellungsklage ist nicht abweisungsreif.
  216. 28
  217. 1. Der Senat kann auf die Revision der Beklagten die Feststellungsklage
  218. nicht als unzulässig abweisen. Denn den Klägern müsste zunächst Gelegenheit
  219. gegeben werden, zu einem zulässigen Klageantrag überzugehen (Senatsurteil
  220. vom 4. Juli 2017 - XI ZR 741/16, WM 2017, 1602 Rn. 34).
  221. - 15 -
  222. 29
  223. 2. Der Senat kann aber auch nicht auf die Unbegründetheit der Feststellungsklage erkennen. Zwar ist das Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1
  224. ZPO nur für ein stattgebendes Urteil echte Prozessvoraussetzung. Ein Feststellungsbegehren, das das Berufungsgericht für zulässig erachtet hat, kann bei
  225. tatsächlich fehlendem Feststellungsinteresse in der Revisionsinstanz aus sachlichen Gründen abgewiesen werden (st. Rspr., zuletzt etwa Senatsurteil vom
  226. 4. Juli 2017 - XI ZR 741/16, WM 2017, 1602 Rn. 31). Aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ist die Klage indessen nicht in der Sache abweisungsreif.
  227. 30
  228. a) Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, den Klägern sei gemäß
  229. § 495 Abs. 1 BGB zunächst das Recht zugekommen, ihre auf Abschluss der
  230. Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen nach § 355 Abs. 1 und 2
  231. BGB in der hier nach Art. 229 § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 22 Abs. 2, §§ 32, 38
  232. Abs. 1 Satz 1 EGBGB maßgeblichen, zwischen dem 1. August 2002 und dem
  233. 10. Juni 2010 geltenden Fassung zu widerrufen.
  234. 31
  235. b) Ebenfalls zutreffend ist die Auffassung des Berufungsgerichts, die den
  236. Klägern erteilten Widerrufsbelehrungen hätten mittels des Einschubs "frühestens" unzureichend deutlich über den Beginn der Widerrufsfrist informiert (vgl.
  237. Senatsurteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 Rn. 18). Auf die
  238. Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung gemäß Anlage 2
  239. zu § 14 BGB-InfoV in der hier maßgeblichen, zwischen dem 8. Dezember 2004
  240. und dem 31. März 2008 geltenden Fassung kann sich die Beklagte, die unter
  241. der Überschrift "Finanzierte Geschäfte" den Gestaltungshinweis 9 nicht vollständig umgesetzt hat, schon deshalb nicht berufen (Senatsurteil vom 11. Oktober 2016 - XI ZR 482/15, WM 2016, 2295 Rn. 27).
  242. 32
  243. c) Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - keine Feststellungen dazu getroffen, ob der auf den 5. Oktober 2013
  244. datierte Widerruf, was das Landgericht verneint hat, als auf beide Darlehensverträge bezogen zu verstehen war. Der Senat kann der Ermittlung der sachlichen
  245. - 16 -
  246. Reichweite der Widerrufserklärung vom 5. Oktober 2013, deren Auslegung zunächst dem Tatrichter obliegt und von der abhängt, welche Wirkungen dem
  247. auch ohne Vorlage einer Originalvollmacht beachtlichen (BGH, Urteil vom
  248. 18. Dezember
  249. 2002
  250. - VIII ZR 72/02,
  251. NJW 2003,
  252. 963
  253. Rn. 17;
  254. Palandt/
  255. Ellenberger, BGB, 76. Aufl., § 174 Rn. 3) Widerruf vom 18. Dezember 2014
  256. (noch) zukommen konnten, nicht vorgreifen.
  257. 33
  258. d) Weiter kann der Senat unbeschadet dessen, dass die Revision durchgreifende Rechtsfehler nach Maßgabe des im Revisionsverfahren eröffneten
  259. Prüfungsumfangs (vgl. Senatsurteile vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15,
  260. BGHZ 211, 105 Rn. 18 sowie - XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 Rn. 43 und vom
  261. 14. März 2017 - XI ZR 442/16, WM 2017, 849 Rn. 27) nicht aufzeigt, die dem
  262. Tatrichter überantwortete Würdigung der nach § 242 BGB erheblichen Umstände nicht selbst vornehmen.
  263. - 17 -
  264. IV.
  265. 34
  266. Da die Sache, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten
  267. entschieden hat, nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie insoweit zur neuen
  268. Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen
  269. (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
  270. Ellenberger
  271. Grüneberg
  272. Menges
  273. Maihold
  274. Derstadt
  275. Vorinstanzen:
  276. LG Mainz, Entscheidung vom 14.07.2015 - 6 O 117/14 OLG Koblenz, Entscheidung vom 29.07.2016 - 8 U 899/15 -