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16 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. VERSÄUMNISURTEIL
  4. XI ZR 386/02
  5. Verkündet am:
  6. 1. April 2003
  7. Herrwerth,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 1. April 2003 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, die
  14. Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und die Richterin Mayen
  15. für Recht erkannt:
  16. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des
  17. 22. Zivilsenats
  18. des
  19. Oberlandesgerichts
  20. Düsseldorf
  21. vom 15. März 2002 aufgehoben.
  22. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  23. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
  24. Von Rechts wegen
  25. Tatbestand:
  26. Der Kläger nimmt den Beklagten zu 1) (im folgenden: Beklagten)
  27. auf Schadensersatz für Verluste aus Warentermin- und Optionsgeschäften in Anspruch.
  28. Der Beklagte war Geschäftsführer einer GmbH, die gewerbsmäßig
  29. Termin- und Optionsgeschäfte vermittelte. Nach telefonischer Werbung
  30. -3-
  31. schloß der Kläger, ein Architekt, am 19./23. Oktober 1995 mit der GmbH
  32. einen Vermittlungsvertrag und erhielt den Vordruck einer - mehrere "Risikoerklärungen" umfassenden - Kundenvereinbarung mit einem auf den
  33. Bahamas ansässigen Broker. Der Kläger unterschrieb diese Vereinbarung am 23. Oktober 1995 und übersandte der GmbH einen am
  34. 19. Oktober 1995 ausgestellten Scheck in Höhe von 8.250 DM. Nach
  35. dem Ausscheiden des Beklagten als Geschäftsführer zahlte der Kläger
  36. weitere 95.400 DM. Für jedes Geschäft wurden ihm ein Disagio in Höhe
  37. von 15% des eingesetzten Kapitals und eine Round-Turn-Kommission in
  38. Höhe von 160 US-Dollar in Rechnung gestellt.
  39. Der Kläger hat behauptet, der Beklagte habe ihn nicht ausreichend
  40. über die Risiken der Geschäfte aufgeklärt. Der Beklagte hat die Einrede
  41. der Verjährung erhoben.
  42. Die Klage auf Zahlung von 8.250 DM nebst Zinsen ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt
  43. der Kläger seinen Klageantrag weiter.
  44. Entscheidungsgründe:
  45. Da der Beklagte in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger
  46. Ladung zum Termin nicht vertreten war, war über die Revision des Klägers durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil ist jedoch keine
  47. Folge der Säumnis, sondern beruht auf einer Sachprüfung (vgl.
  48. BGHZ 37, 79, 81).
  49. -4-
  50. Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung
  51. des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das
  52. Berufungsgericht.
  53. I.
  54. Das Berufungsgericht hat die Abweisung der Klage im wesentlichen wie folgt begründet:
  55. Der Kläger habe die tatsächlichen Voraussetzungen eines vertraglichen Anspruches, eines Anspruches gemäß §§ 812, 852 Abs. 3 BGB
  56. a.F. und eines Anspruches gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit
  57. § 263 Abs. 1, § 266 Abs. 1 StGB wegen Gebührenschinderei bzw. Veruntreuung des Schecks nicht schlüssig vorgetragen.
  58. Der in Betracht kommende Anspruch gemäß § 826 BGB wegen
  59. mangelhafter Belehrung über die Risiken und Kosten der vermittelten
  60. Geschäfte sei gemäß § 852 Abs. 1 BGB a.F. verjährt. Der Kläger habe
  61. die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis von dem Schaden
  62. und der Person des Beklagten als Ersatzpflichtigen gehabt, als er im
  63. April 1997 seinen erstinstanzlichen Bevollmächtigten aufgesucht habe. In
  64. diesem Zeitpunkt habe der Kläger sowohl den Verlust seiner Einlage als
  65. auch den Inhalt der ihm erteilten Aufklärung gekannt. Diese Kenntnisse
  66. hätten ausgereicht, um mit Hilfe seines Bevollmächtigten festzustellen,
  67. daß die Voraussetzungen der Haftung gemäß § 826 BGB wegen mangelhafter Aufklärung über die wirtschaftlichen Zusammenhänge und Risiken der vermittelten Geschäfte erfüllt waren. Die Stellung des Beklagten
  68. -5-
  69. als Geschäftsführer der Vermittlungs-GmbH sei aus der dem Kläger
  70. übersandten Eingangsbestätigung für seinen Scheck ersichtlich gewesen. Zwar sei nicht feststellbar, wann dem Kläger oder seinem Bevollmächtigten die Anschrift des Beklagten bekannt geworden sei. Darauf
  71. könne der Kläger sich aber nicht berufen, weil er die Anschrift in zumutbarer Weise ohne nennenswerte Mühe hätte in Erfahrung bringen können. Die dreijährige Verjährungsfrist sei vor Klageerhebung im August
  72. 2000 abgelaufen.
  73. Etwaige Ansprüche gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit
  74. § 89 BörsG, § 31 WpHG seien ebenfalls verjährt.
  75. II.
  76. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
  77. 1. Rechtlich nicht zu beanstanden ist allerdings die Begründung,
  78. mit der das Berufungsgericht vertragliche Ansprüche und Ansprüche gemäß § 812 Abs. 1, § 852 Abs. 3 BGB a.F. sowie § 823 Abs. 2 BGB in
  79. Verbindung mit § 263 Abs. 1, § 266 Abs. 1 StGB verneint hat. Sie wird
  80. von der Revision nicht angegriffen.
  81. 2. Rechtsfehlerhaft ist hingegen die Auffassung des Berufungsgerichts, ein Anspruch gemäß § 826 BGB sei verjährt.
  82. -6-
  83. Ein etwaiger Anspruch des Klägers gemäß § 826 BGB verjährt
  84. gemäß § 852 Abs. 1 BGB a.F. in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in
  85. dem der Kläger von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen
  86. Kenntnis erlangt hat. Zu diesem Zeitpunkt hat das Berufungsgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen.
  87. a) Zur Kenntnis des Schadens gehört, wenn - wie im vorliegenden
  88. Fall - Schadensersatz wegen unzureichender Aufklärung über die Risiken von Optionsgeschäften verlangt wird, die Kenntnis der Umstände,
  89. aus denen sich die Rechtspflicht zur Aufklärung ergibt (Senat, Urteile
  90. vom 29. Januar 2002 - XI ZR 86/01, WM 2002, 557, 558 und vom 28. Mai
  91. 2002 - XI ZR 150/01, WM 2002, 1445, 1447 m.w.Nachw.). Wenn ein
  92. Disagio in Höhe von 15% des eingesetzten Kapitals erhoben wird, ergibt
  93. sich die Rechtspflicht zur Aufklärung über die Auswirkungen des Disagios auf die Gewinnchancen des Anlegers daraus, daß eine Gewinnerzielung unter Berücksichtigung des Disagios einen höheren Kursausschlag als den vom Börsenfachhandel als realistisch angesehenen voraussetzt, und daß ein höheres Disagio Anleger aller Wahrscheinlichkeit
  94. nach im Ergebnis praktisch chancenlos macht. Erst die positive Kenntnis
  95. dieser die Aufklärungspflicht begründenden wirtschaftlichen Zusammenhänge ermöglicht dem Anleger die aussichtsreiche Geltendmachung eines
  96. Schadensersatzanspruches
  97. wegen
  98. vorsätzlicher
  99. sittenwidriger
  100. Schädigung (Senat, Urteil vom 28. Mai 2002 - XI ZR 150/01, WM 2002,
  101. 1445, 1447).
  102. aa) Daß der Kläger selbst diese Kenntnis mehr als drei Jahre vor
  103. der Klageerhebung hatte, ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt und
  104. von den Parteien nicht vorgetragen worden.
  105. -7-
  106. bb) Dasselbe gilt für die Kenntnis des Rechtsanwalts, den der Kläger im April 1997 mit der Aufklärung des Sachverhalts sowie der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen beauftragt hat und dessen
  107. in diesem Rahmen erlangtes Wissen er sich entsprechend § 166 Abs. 1
  108. BGB zurechnen lassen muß (vgl. BGH, Urteile vom 16. Mai 1989 - VI ZR
  109. 251/88, NJW 1989, 2323 und vom 18. Januar 1994 - VI ZR 190/93,
  110. NJW 1994, 1150, 1151, jeweils m.w.Nachw.). Die positive Kenntnis des
  111. Rechtsanwalts von den die Aufklärungspflicht begründenden wirtschaftlichen Zusammenhängen ist ebenfalls weder festgestellt noch vorgetragen
  112. worden.
  113. cc) Die nach § 852 Abs. 1 BGB a.F. erforderliche Kenntnis kann
  114. auch nicht mit der Begründung bejaht werden, der Kläger und sein Bevollmächtigter hätten sich der Kenntnisnahme der die Aufklärungspflicht
  115. begründenden Umstände grob fahrlässig entzogen.
  116. (1) Grob fahrlässige Unkenntnis steht der vom Gesetz geforderten
  117. positiven Kenntnis nicht gleich. Eine Ausnahme vom Erfordernis der positiven Kenntnis kommt nur dann in Betracht, wenn der Geschädigte es
  118. versäumt hat, eine gleichsam auf der Hand liegende Kenntnismöglichkeit
  119. wahrzunehmen und seine Berufung auf diese Unkenntnis als Förmelei
  120. erscheint, weil jeder andere in seiner Lage unter denselben konkreten
  121. Umständen die Kenntnis gehabt hätte (BGHZ 133, 192, 198 f.; BGH, Urteile vom 5. März 2002 - VI ZR 442/00, NJW 2002, 1877, für BGHZ vorgesehen und vom 8. Oktober 2002 - VI ZR 182/01, NJW 2003, 288, 289).
  122. Ein Geschädigter, der sich die erforderliche Kenntnis in zumutbarer Weise ohne nennenswerte Mühe verschaffen kann, darf es nicht in der Hand
  123. -8-
  124. haben, einseitig die Verjährungsfrist dadurch zu verlängern, daß er die
  125. Augen vor der sich aufdrängenden Kenntnis verschließt. Dies kann der
  126. Fall sein, wenn zur Vervollständigung des Wissens um ein bestimmtes
  127. Detail, etwa die Anschrift des Schädigers, nur eine einfache Anfrage
  128. oder ein Telefongespräch erforderlich sind (BGH, Urteile vom 31. Januar
  129. 1995 - VI ZR 305/94, VersR 1995, 551, 552 und vom 18. Januar 2000
  130. - VI ZR 375/98, NJW 2000, 953, 954). Eine Wissenslücke, die nur durch
  131. längere und zeitraubende Telefonate geschlossen werden kann, steht
  132. positiver Kenntnis hingegen nicht gleich (BGHZ 133, 192, 199 f.).
  133. (2) Gemessen hieran kann nicht von der gemäß § 852 Abs. 1 BGB
  134. a.F. erforderlichen Kenntnis des Klägers oder seines Bevollmächtigten
  135. ausgegangen werden. Der Kläger selbst, der weder eine juristische Ausbildung noch besondere Erfahrungen mit Termin- und Optionsgeschäften
  136. besaß, konnte sich die Kenntnis der die Aufklärungspflicht begründenden
  137. wirtschaftlichen Zusammenhänge nicht ohne nennenswerte Mühe verschaffen. Auch für den von ihm beauftragten Rechtsanwalt war die Bearbeitung des Falles mit einem erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand verbunden, weil es um eine nicht alltägliche Rechtsmaterie ging und Schadensersatzansprüche auch unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten,
  138. etwa wegen Veruntreuung der Einlage oder wegen Gebührenschinderei,
  139. zu prüfen waren. Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein,
  140. der Bevollmächtigte des Klägers habe die Augen vor den die Aufklärungspflicht begründenden tatsächlichen Umständen verschlossen.
  141. b) Kenntnis von der Person des Ersatzpflichtigen hat der Geschädigte nur, wenn ihm außer dessen Name auch die Anschrift bekannt ist
  142. -9-
  143. (BGH, Urteil vom 6. März 2001 - VI ZR 30/00, ZIP 2001, 706, 707,
  144. m.w.Nachw.).
  145. aa) Das Berufungsgericht hat die positive Kenntnis des Klägers
  146. von der Anschrift des Beklagten nicht festgestellt, aber gemeint, die Berufung auf diese Unkenntnis erscheine als Förmelei, weil zur Vervollständigung des Wissens lediglich eine Anfrage oder ein Telefongespräch
  147. ausgereicht hätten.
  148. bb) Dies ist rechtsfehlerhaft. Zwar ist, wie dargelegt, von der erforderlichen Kenntnis auszugehen, wenn zur Vervollständigung des Wissens um die Anschrift des Schädigers nur eine einfache Anfrage oder ein
  149. Telefongespräch erforderlich sind. Dies bedeutet aber, wie die Revision
  150. zu Recht geltend macht, nicht, daß die Anschrift des Schädigers immer
  151. auf diese einfache Weise ermittelt werden kann. Die Ermittlung einer Anschrift kann vielmehr, je nach der Lage des Einzelfalles, unterschiedliche
  152. Schwierigkeiten bereiten. Zu dem im vorliegenden Fall erforderlichen
  153. Ermittlungsaufwand hat das Berufungsgericht keine ausreichenden Feststellungen
  154. getroffen.
  155. Es hat insbesondere
  156. nicht
  157. festgestellt,
  158. daß
  159. - entsprechend dem Vortrag des Beklagten - der Prozeßbevollmächtigte
  160. des Klägers den Wohnort des Beklagten kannte und seine Anschrift
  161. durch eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt hätte in Erfahrung bringen
  162. können.
  163. - 10 -
  164. III.
  165. Das Urteil des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen
  166. Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Ein Schadensersatzanspruch aus
  167. § 826 BGB kann insbesondere nicht mit der Begründung verneint werden, der Beklagte habe in ausreichender Weise für eine korrekte Aufklärung des Klägers Sorge getragen.
  168. 1. a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind
  169. gewerbliche Vermittler von Terminoptionen verpflichtet, Kaufinteressenten vor Vertragsschluß schriftlich die Kenntnisse zu vermitteln, die sie in
  170. die Lage versetzen, den Umfang ihres Verlustrisikos und die Verringerung ihrer Gewinnchance durch den Aufschlag auf die Optionsprämie
  171. richtig einzuschätzen. Dazu gehört neben der Bekanntgabe der Höhe der
  172. Optionsprämie auch die Aufklärung über die wirtschaftlichen Zusammenhänge des Optionsgeschäfts und die Bedeutung der Prämie sowie ihren
  173. Einfluß auf das mit dem Geschäft verbundene Risiko. So muß darauf
  174. hingewiesen werden, daß die Prämie den Rahmen eines vom Markt noch
  175. als vertretbar angesehenen Risikobereichs kennzeichnet und ihre Höhe
  176. den noch als realistisch angesehenen, wenn auch weitgehend spekulativen Kurserwartungen des Börsenfachhandels entspricht. Ferner ist darzulegen, ob und in welcher Höhe ein Aufschlag auf die Prämie erhoben
  177. wird, und daß ein solcher Aufschlag die Gewinnerwartung verschlechtert,
  178. weil ein höherer Kursausschlag als der vom Börsenfachhandel als realistisch angesehene notwendig ist, um in die Gewinnzone zu kommen (vgl.
  179. BGHZ 105, 108, 110; Senat BGHZ 124, 151, 154 f.; Urteile vom
  180. 16. Oktober 2001 - XI ZR 25/01, WM 2001, 2313, 2314 und vom 28. Mai
  181. 2002 - XI ZR 150/01, WM 2002, 1445, 1446). In diesem Zusammenhang
  182. - 11 -
  183. ist unmißverständlich darauf hinzuweisen, daß höhere Aufschläge vor
  184. allem Anleger, die mehrere verschiedene Optionen erwerben, aller
  185. Wahrscheinlichkeit nach im Ergebnis praktisch chancenlos machen. Die
  186. Aussagekraft dieses Hinweises, der schriftlich und in auch für flüchtige
  187. Leser auffälliger Form zu erfolgen hat, darf weder durch Beschönigungen
  188. noch auf andere Weise beeinträchtigt werden (Senat BGHZ 124, 151,
  189. 155 f.; Urteil vom 28. Mai 2002 - XI ZR 150/01, WM 2002, 1445, 1446).
  190. b) Für diese Aufklärung hat der Geschäftsführer einer Optionsvermittlungs-GmbH Sorge zu tragen. Ein Geschäftsführer, der Optionsgeschäfte ohne gehörige Aufklärung der Kunden abschließt, den Abschluß
  191. veranlaßt oder bewußt nicht verhindert, mißbraucht seine geschäftliche
  192. Überlegenheit in sittenwidriger Weise und haftet den Optionserwerbern
  193. gemäß § 826 BGB auf Schadensersatz (Senat BGHZ 124, 151, 162; Urteil vom 28. Mai 2002 - XI ZR 150/01, WM 2002, 1445, 1446 jeweils
  194. m.w.Nachw.).
  195. 2. Diese Pflicht hat der Beklagte nach dem bisherigen Parteivortrag nicht erfüllt.
  196. a) Die Kundenvereinbarung, die der Kläger am 23. Oktober 1995
  197. unterschrieben hat, und die darin enthaltenen "Risikoerklärungen" bringen nicht klar zum Ausdruck, daß das vereinbarte Disagio von 15% auf
  198. das eingesetzte Kapital die Gewinnerwartung verschlechtert, weil ein höherer Kursausschlag als der vom Börsenfachhandel als realistisch angesehene notwendig ist, um in die Gewinnzone zu kommen. Sie enthalten
  199. auch nicht den Hinweis, daß ein höheres Disagio Anleger aller Wahrscheinlichkeit nach im Ergebnis praktisch chancenlos macht. Statt des-
  200. - 12 -
  201. sen wird der Anleger durch die Bemerkung irre geführt, er erziele nur
  202. dann einen Gewinn, wenn sich der Kurs um mehr als die an den Broker
  203. zu zahlende Optionsprämie bewege. Dabei wird verschwiegen, daß der
  204. Kurs zusätzlich um den als Disagio bezeichneten Gebührenaufschlag
  205. steigen muß, um die Gewinnzone zu erreichen.
  206. Soweit die Kundenvereinbarung allgemeine, nicht auf den Gebührenaufschlag bezogene Risikohinweise enthält, werden diese durch die
  207. Gegenüberstellung hoher Gewinnchancen relativiert. Die Aufnahme der
  208. Risikohinweise wird den Anlegern zudem dadurch erschwert, daß sie einer auch für den flüchtigen Leser auffälligen Form entbehren.
  209. Daß der Vertrag des Klägers mit der Vermittlungs-GmbH vom
  210. 19./23. Oktober 1995 eine weitergehende Aufklärung enthielt, haben die
  211. Parteien nicht vorgetragen.
  212. b) Der Beklagte, der als Geschäftsführer der GmbH für die korrekte Aufklärung der Anleger Sorge zu tragen hatte, hat den Abschluß
  213. von Geschäften unter Einsatz der vom Kläger gezahlten 8.250 DM ohne
  214. sachgerechte Aufklärung zumindest nicht verhindert. Seine Behauptung,
  215. die Telefonverkäufer der Vermittlungs-GmbH seien angehalten worden,
  216. den Anlegern die Auswirkungen des Disagios zu erläutern, rechtfertigt
  217. keine andere Beurteilung. Sie läßt nicht erkennen, daß der Beklagte für
  218. eine schriftliche und inhaltlich ausreichende Aufklärung der Anleger Sorge getragen hat.
  219. - 13 -
  220. IV.
  221. Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und
  222. die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses wird
  223. nunmehr insbesondere zum Vorsatz des Beklagten gemäß § 826 BGB
  224. Feststellungen zu treffen haben. Dabei wird außer den schwerwiegenden
  225. Aufklärungsmängeln zu berücksichtigen sein, daß ein etwaiger Irrtum
  226. über die Reichweite der Aufklärungspflicht vorsätzliches Handeln nicht
  227. ohne weiteres ausschließt (Senat BGHZ 124, 151, 163; Urteil vom
  228. 28. Mai 2002 - XI ZR 150/01, WM 2002, 1445, 1447).
  229. Nobbe
  230. Müller
  231. Wassermann
  232. Joeres
  233. Mayen