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17 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. VERSÄUMNISURTEIL
  4. XI ZR 385/02
  5. Verkündet am:
  6. 1. April 2003
  7. Herrwerth,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. BGHR:
  16. ja
  17. _____________________
  18. BGB §§ 826 Ga, 852 Abs. 1 a.F.
  19. a) Terminoptionsvermittler haben optionsunerfahrene Kunden unmißverständlich,
  20. schriftlich und in auffälliger Form darauf hinzuweisen, daß ein Disagio auf das
  21. eingesetzte Kapital das Chancen-Risiko-Verhältnis aus dem Gleichgewicht
  22. bringt, und daß ein höheres Disagio Anleger aller Wahrscheinlichkeit nach im
  23. Ergebnis praktisch chancenlos macht.
  24. b) Wird Schadensersatz wegen unzureichender Aufklärung über die Risiken
  25. von Warentermin- oder Optionsgeschäften verlangt, beginnt die Verjährungsfrist nicht, bevor der Gläubiger die Umstände kennt, aus denen sich
  26. die Rechtspflicht zur Aufklärung ergibt.
  27. BGH, Versäumnisurteil vom 1. April 2003 - XI ZR 385/02 - OLG Düsseldorf
  28. LG Duisburg
  29. -2-
  30. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 1. April 2003 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, die
  31. Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und die Richterin Mayen
  32. für Recht erkannt:
  33. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des
  34. 22. Zivilsenats
  35. des
  36. Oberlandesgerichts
  37. Düsseldorf
  38. vom 15. März 2002 aufgehoben.
  39. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  40. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
  41. Von Rechts wegen
  42. Tatbestand:
  43. Der Kläger nimmt den Beklagten zu 1) (im folgenden: Beklagten)
  44. auf Schadensersatz für Verluste aus Warentermin- und Optionsgeschäften in Anspruch.
  45. Der Beklagte war Geschäftsführer einer GmbH, die gewerbsmäßig
  46. Termin- und Optionsgeschäfte vermittelte. Nach telefonischer Werbung
  47. -3-
  48. schloß der Kläger, ein Softwareentwickler, mit der GmbH einen Vermittlungsvertrag und erhielt den Vordruck einer - mehrere "Risikoerklärungen" umfassenden - Kundenvereinbarung mit einem auf den Bahamas
  49. ansässigen Broker. Der Kläger unterschrieb diese Vereinbarung am
  50. 26. Oktober 1995 und übersandte der GmbH am 27. Oktober 1995 einen
  51. Scheck in Höhe von 20.000 DM. Nach dem Ausscheiden des Beklagten
  52. als Geschäftsführer zahlte der Kläger weitere 172.000 DM. Für jedes
  53. Geschäft wurden ihm ein Disagio in Höhe von 15% des eingesetzten Kapitals und eine Round-Turn-Kommission in Höhe von 160 US-Dollar in
  54. Rechnung gestellt.
  55. Der Kläger hat behauptet, der Beklagte habe ihn nicht ausreichend
  56. über die Risiken der Geschäfte aufgeklärt. Der Beklagte hat die Einrede
  57. der Verjährung erhoben.
  58. Die Klage auf Zahlung von 20.000 DM nebst Zinsen ist in den
  59. Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt
  60. der Kläger seinen Klageantrag weiter.
  61. Entscheidungsgründe:
  62. Da der Beklagte in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger
  63. Ladung zum Termin nicht vertreten war, war über die Revision des Klägers durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil ist jedoch keine
  64. Folge der Säumnis, sondern beruht auf einer Sachprüfung (vgl.
  65. BGHZ 37, 79, 81).
  66. -4-
  67. Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung
  68. des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das
  69. Berufungsgericht.
  70. I.
  71. Das Berufungsgericht hat die Abweisung der Klage im wesentlichen wie folgt begründet:
  72. Der Kläger habe die tatsächlichen Voraussetzungen eines vertraglichen Anspruches, eines Anspruches gemäß §§ 812, 852 Abs. 3 BGB
  73. a.F. und eines Anspruches gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit
  74. § 263 Abs. 1, § 266 Abs. 1 StGB wegen Gebührenschinderei bzw. Veruntreuung des Schecks nicht schlüssig vorgetragen.
  75. Der in Betracht kommende Anspruch gemäß § 826 BGB wegen
  76. mangelhafter Belehrung über die Risiken und Kosten der vermittelten
  77. Geschäfte sei gemäß § 852 Abs. 1 BGB a.F. verjährt. Der Kläger habe
  78. die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis von dem Schaden
  79. und der Person des Beklagten als Ersatzpflichtigen gehabt, als er Ende
  80. 1996 seinen erstinstanzlichen Bevollmächtigten aufgesucht habe. In diesem Zeitpunkt habe der Kläger sowohl den Verlust seiner Einlage als
  81. auch den Inhalt der ihm erteilten Aufklärung gekannt. Diese Kenntnisse
  82. hätten ausgereicht, um mit Hilfe seines Bevollmächtigten festzustellen,
  83. daß die Voraussetzungen der Haftung gemäß § 826 BGB wegen mangelhafter Aufklärung über die wirtschaftlichen Zusammenhänge und Risiken der vermittelten Geschäfte erfüllt waren. Die Stellung des Beklagten
  84. -5-
  85. als Geschäftsführer der Vermittlungs-GmbH sei aus der dem Kläger
  86. übersandten Eingangsbestätigung für seinen Scheck ersichtlich gewesen. Zwar sei nicht feststellbar, wann dem Kläger oder seinem Bevollmächtigten die Anschrift des Beklagten bekannt geworden sei. Darauf
  87. könne der Kläger sich aber nicht berufen, weil er die Anschrift in zumutbarer Weise ohne nennenswerte Mühe hätte in Erfahrung bringen können. Die dreijährige Verjährungsfrist sei vor Klageerhebung im August
  88. 2000 abgelaufen.
  89. Etwaige Ansprüche gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit
  90. § 89 BörsG, § 31 WpHG seien ebenfalls verjährt.
  91. II.
  92. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
  93. 1. Rechtlich nicht zu beanstanden ist allerdings die Begründung,
  94. mit der das Berufungsgericht vertragliche Ansprüche und Ansprüche gemäß § 812 Abs. 1, § 852 Abs. 3 BGB a.F. sowie § 823 Abs. 2 BGB in
  95. Verbindung mit § 263 Abs. 1, § 266 Abs. 1 StGB verneint hat. Sie wird
  96. von der Revision nicht angegriffen.
  97. 2. Rechtsfehlerhaft ist hingegen die Auffassung des Berufungsgerichts, ein Anspruch gemäß § 826 BGB sei verjährt.
  98. -6-
  99. Ein etwaiger Anspruch des Klägers gemäß § 826 BGB verjährt
  100. gemäß § 852 Abs. 1 BGB a.F. in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in
  101. dem der Kläger von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen
  102. Kenntnis erlangt hat. Zu diesem Zeitpunkt hat das Berufungsgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen.
  103. a) Zur Kenntnis des Schadens gehört, wenn - wie im vorliegenden
  104. Fall - Schadensersatz wegen unzureichender Aufklärung über die Risiken von Optionsgeschäften verlangt wird, die Kenntnis der Umstände,
  105. aus denen sich die Rechtspflicht zur Aufklärung ergibt (Senat, Urteile
  106. vom 29. Januar 2002 - XI ZR 86/01, WM 2002, 557, 558 und vom 28. Mai
  107. 2002 - XI ZR 150/01, WM 2002, 1445, 1447 m.w.Nachw.). Wenn ein
  108. Disagio in Höhe von 15% des eingesetzten Kapitals erhoben wird, ergibt
  109. sich die Rechtspflicht zur Aufklärung über die Auswirkungen des Disagios auf die Gewinnchancen des Anlegers daraus, daß eine Gewinnerzielung unter Berücksichtigung des Disagios einen höheren Kursausschlag als den vom Börsenfachhandel als realistisch angesehenen voraussetzt, und daß ein höheres Disagio Anleger aller Wahrscheinlichkeit
  110. nach im Ergebnis praktisch chancenlos macht. Erst die positive Kenntnis
  111. dieser die Aufklärungspflicht begründenden wirtschaftlichen Zusammenhänge ermöglicht dem Anleger die aussichtsreiche Geltendmachung eines
  112. Schadensersatzanspruches
  113. wegen
  114. vorsätzlicher
  115. sittenwidriger
  116. Schädigung (Senat, Urteil vom 28. Mai 2002 - XI ZR 150/01, WM 2002,
  117. 1445, 1447).
  118. aa) Daß der Kläger selbst diese Kenntnis mehr als drei Jahre vor
  119. der Klageerhebung hatte, ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt und
  120. von den Parteien nicht vorgetragen worden.
  121. -7-
  122. bb) Dasselbe gilt für die Kenntnis des Rechtsanwalts, den der Kläger Ende 1996 mit der Aufklärung des Sachverhalts sowie der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen beauftragt hat und dessen in
  123. diesem Rahmen erlangtes Wissen er sich entsprechend § 166 Abs. 1
  124. BGB zurechnen lassen muß (vgl. BGH, Urteile vom 16. Mai 1989 - VI ZR
  125. 251/88, NJW 1989, 2323 und vom 18. Januar 1994 - VI ZR 190/93,
  126. NJW 1994, 1150, 1151, jeweils m.w.Nachw.). Die positive Kenntnis des
  127. Rechtsanwalts von den die Aufklärungspflicht begründenden wirtschaftlichen Zusammenhängen ist ebenfalls weder festgestellt noch vorgetragen
  128. worden.
  129. cc) Die nach § 852 Abs. 1 BGB a.F. erforderliche Kenntnis kann
  130. auch nicht mit der Begründung bejaht werden, der Kläger und sein Bevollmächtigter hätten sich der Kenntnisnahme der die Aufklärungspflicht
  131. begründenden Umstände grob fahrlässig entzogen.
  132. (1) Grob fahrlässige Unkenntnis steht der vom Gesetz geforderten
  133. positiven Kenntnis nicht gleich. Eine Ausnahme vom Erfordernis der positiven Kenntnis kommt nur dann in Betracht, wenn der Geschädigte es
  134. versäumt hat, eine gleichsam auf der Hand liegende Kenntnismöglichkeit
  135. wahrzunehmen und seine Berufung auf diese Unkenntnis als Förmelei
  136. erscheint, weil jeder andere in seiner Lage unter denselben konkreten
  137. Umständen die Kenntnis gehabt hätte (BGHZ 133, 192, 198 f.; BGH, Urteile vom 5. März 2002 - VI ZR 442/00, NJW 2002, 1877, für BGHZ vorgesehen und vom 8. Oktober 2002 - VI ZR 182/01, NJW 2003, 288, 289).
  138. Ein Geschädigter, der sich die erforderliche Kenntnis in zumutbarer Weise ohne nennenswerte Mühe verschaffen kann, darf es nicht in der Hand
  139. -8-
  140. haben, einseitig die Verjährungsfrist dadurch zu verlängern, daß er die
  141. Augen vor der sich aufdrängenden Kenntnis verschließt. Dies kann der
  142. Fall sein, wenn zur Vervollständigung des Wissens um ein bestimmtes
  143. Detail, etwa die Anschrift des Schädigers, nur eine einfache Anfrage
  144. oder ein Telefongespräch erforderlich sind (BGH, Urteile vom 31. Januar
  145. 1995 - VI ZR 305/94, VersR 1995, 551, 552 und vom 18. Januar 2000
  146. - VI ZR 375/98, NJW 2000, 953, 954). Eine Wissenslücke, die nur durch
  147. längere und zeitraubende Telefonate geschlossen werden kann, steht
  148. positiver Kenntnis hingegen nicht gleich (BGHZ 133, 192, 199 f.).
  149. (2) Gemessen hieran kann nicht von der gemäß § 852 Abs. 1 BGB
  150. a.F. erforderlichen Kenntnis des Klägers oder seines Bevollmächtigten
  151. ausgegangen werden. Der Kläger selbst, der weder eine juristische Ausbildung noch besondere Erfahrungen mit Termin- und Optionsgeschäften
  152. besaß, konnte sich die Kenntnis der die Aufklärungspflicht begründenden
  153. wirtschaftlichen Zusammenhänge nicht ohne nennenswerte Mühe verschaffen. Auch für den von ihm beauftragten Rechtsanwalt war die Bearbeitung des Falles mit einem erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand verbunden, weil es um eine nicht alltägliche Rechtsmaterie ging und Schadensersatzansprüche auch unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten,
  154. etwa wegen Veruntreuung der Einlage oder wegen Gebührenschinderei,
  155. zu prüfen waren. Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein,
  156. der Bevollmächtigte des Klägers habe die Augen vor den die Aufklärungspflicht begründenden tatsächlichen Umständen verschlossen.
  157. b) Kenntnis von der Person des Ersatzpflichtigen hat der Geschädigte nur, wenn ihm außer dessen Name auch die Anschrift bekannt ist
  158. -9-
  159. (BGH, Urteil vom 6. März 2001 - VI ZR 30/00, ZIP 2001, 706, 707,
  160. m.w.Nachw.).
  161. aa) Das Berufungsgericht hat die positive Kenntnis des Klägers
  162. von der Anschrift des Beklagten nicht festgestellt, aber gemeint, die Berufung auf diese Unkenntnis erscheine als Förmelei, weil zur Vervollständigung des Wissens lediglich eine Anfrage oder ein Telefongespräch
  163. ausgereicht hätten.
  164. bb) Dies ist rechtsfehlerhaft. Zwar ist, wie dargelegt, von der erforderlichen Kenntnis auszugehen, wenn zur Vervollständigung des Wissens um die Anschrift des Schädigers nur eine einfache Anfrage oder ein
  165. Telefongespräch erforderlich sind. Dies bedeutet aber, wie die Revision
  166. zu Recht geltend macht, nicht, daß die Anschrift des Schädigers immer
  167. auf diese einfache Weise ermittelt werden kann. Die Ermittlung einer Anschrift kann vielmehr, je nach der Lage des Einzelfalles, unterschiedliche
  168. Schwierigkeiten bereiten. Zu dem im vorliegenden Fall erforderlichen
  169. Ermittlungsaufwand hat das Berufungsgericht keine ausreichenden Feststellungen
  170. getroffen.
  171. Es hat insbesondere
  172. nicht
  173. festgestellt,
  174. daß
  175. - entsprechend dem Vortrag des Beklagten - der Prozeßbevollmächtigte
  176. des Klägers den Wohnort des Beklagten kannte und seine Anschrift
  177. durch eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt hätte in Erfahrung bringen
  178. können.
  179. - 10 -
  180. III.
  181. Das Urteil des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen
  182. Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Ein Schadensersatzanspruch aus
  183. § 826 BGB kann insbesondere nicht mit der Begründung verneint werden, der Beklagte habe in ausreichender Weise für eine korrekte Aufklärung des Klägers Sorge getragen.
  184. 1. a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind
  185. gewerbliche Vermittler von Terminoptionen verpflichtet, Kaufinteressenten vor Vertragsschluß schriftlich die Kenntnisse zu vermitteln, die sie in
  186. die Lage versetzen, den Umfang ihres Verlustrisikos und die Verringerung ihrer Gewinnchance durch den Aufschlag auf die Optionsprämie
  187. richtig einzuschätzen. Dazu gehört neben der Bekanntgabe der Höhe der
  188. Optionsprämie auch die Aufklärung über die wirtschaftlichen Zusammenhänge des Optionsgeschäfts und die Bedeutung der Prämie sowie ihren
  189. Einfluß auf das mit dem Geschäft verbundene Risiko. So muß darauf
  190. hingewiesen werden, daß die Prämie den Rahmen eines vom Markt noch
  191. als vertretbar angesehenen Risikobereichs kennzeichnet und ihre Höhe
  192. den noch als realistisch angesehenen, wenn auch weitgehend spekulativen Kurserwartungen des Börsenfachhandels entspricht. Ferner ist darzulegen, ob und in welcher Höhe ein Aufschlag auf die Prämie erhoben
  193. wird, und daß ein solcher Aufschlag die Gewinnerwartung verschlechtert,
  194. weil ein höherer Kursausschlag als der vom Börsenfachhandel als realistisch angesehene notwendig ist, um in die Gewinnzone zu kommen (vgl.
  195. BGHZ 105, 108, 110; Senat BGHZ 124, 151, 154 f.; Urteile vom
  196. 16. Oktober 2001 - XI ZR 25/01, WM 2001, 2313, 2314 und vom 28. Mai
  197. 2002 - XI ZR 150/01, WM 2002, 1445, 1446). In diesem Zusammenhang
  198. - 11 -
  199. ist unmißverständlich darauf hinzuweisen, daß höhere Aufschläge vor
  200. allem Anleger, die mehrere verschiedene Optionen erwerben, aller
  201. Wahrscheinlichkeit nach im Ergebnis praktisch chancenlos machen. Die
  202. Aussagekraft dieses Hinweises, der schriftlich und in auch für flüchtige
  203. Leser auffälliger Form zu erfolgen hat, darf weder durch Beschönigungen
  204. noch auf andere Weise beeinträchtigt werden (Senat BGHZ 124, 151,
  205. 155 f.; Urteil vom 28. Mai 2002 - XI ZR 150/01, WM 2002, 1445, 1446).
  206. b) Für diese Aufklärung hat der Geschäftsführer einer Optionsvermittlungs-GmbH Sorge zu tragen. Ein Geschäftsführer, der Optionsgeschäfte ohne gehörige Aufklärung der Kunden abschließt, den Abschluß
  207. veranlaßt oder bewußt nicht verhindert, mißbraucht seine geschäftliche
  208. Überlegenheit in sittenwidriger Weise und haftet den Optionserwerbern
  209. gemäß § 826 BGB auf Schadensersatz (Senat BGHZ 124, 151, 162; Urteil vom 28. Mai 2002 - XI ZR 150/01, WM 2002, 1445, 1446 jeweils
  210. m.w.Nachw.).
  211. 2. Diese Pflicht hat der Beklagte nach dem bisherigen Parteivortrag nicht erfüllt.
  212. a) Die Kundenvereinbarung, die der Kläger am 26. Oktober 1995
  213. unterschrieben hat, und die darin enthaltenen "Risikoerklärungen" bringen nicht klar zum Ausdruck, daß das vereinbarte Disagio von 15% auf
  214. das eingesetzte Kapital die Gewinnerwartung verschlechtert, weil ein höherer Kursausschlag als der vom Börsenfachhandel als realistisch angesehene notwendig ist, um in die Gewinnzone zu kommen. Sie enthalten
  215. auch nicht den Hinweis, daß ein höheres Disagio Anleger aller Wahrscheinlichkeit nach im Ergebnis praktisch chancenlos macht. Statt des-
  216. - 12 -
  217. sen wird der Anleger durch die Bemerkung irre geführt, er erziele nur
  218. dann einen Gewinn, wenn sich der Kurs um mehr als die an den Broker
  219. zu zahlende Optionsprämie bewege. Dabei wird verschwiegen, daß der
  220. Kurs zusätzlich um den als Disagio bezeichneten Gebührenaufschlag
  221. steigen muß, um die Gewinnzone zu erreichen.
  222. Soweit die Kundenvereinbarung allgemeine, nicht auf den Gebührenaufschlag bezogene Risikohinweise enthält, werden diese durch die
  223. Gegenüberstellung hoher Gewinnchancen relativiert. Die Aufnahme der
  224. Risikohinweise wird den Anlegern zudem dadurch erschwert, daß sie einer auch für den flüchtigen Leser auffälligen Form entbehren.
  225. b) Der Beklagte, der als Geschäftsführer der GmbH für die korrekte Aufklärung der Anleger Sorge zu tragen hatte, hat den Abschluß
  226. von Geschäften unter Einsatz der vom Kläger gezahlten 20.000 DM ohne
  227. sachgerechte Aufklärung zumindest nicht verhindert. Seine Behauptung,
  228. die Telefonverkäufer der Vermittlungs-GmbH seien angehalten worden,
  229. den Anlegern die Auswirkungen des Disagios zu erläutern, rechtfertigt
  230. keine andere Beurteilung. Sie läßt nicht erkennen, daß der Beklagte für
  231. eine schriftliche und inhaltlich ausreichende Aufklärung der Anleger Sorge getragen hat.
  232. IV.
  233. Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und
  234. die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses wird
  235. - 13 -
  236. nunmehr insbesondere zum Vorsatz des Beklagten gemäß § 826 BGB
  237. Feststellungen zu treffen haben. Dabei wird außer den schwerwiegenden
  238. Aufklärungsmängeln zu berücksichtigen sein, daß ein etwaiger Irrtum
  239. über die Reichweite der Aufklärungspflicht vorsätzliches Handeln nicht
  240. ohne weiteres ausschließt (Senat BGHZ 124, 151, 163; Urteil vom
  241. 28. Mai 2002 - XI ZR 150/01, WM 2002, 1445, 1447).
  242. Nobbe
  243. Müller
  244. Wassermann
  245. Joeres
  246. Mayen