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243 lines
10 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. XI ZR 313/98
  5. Verkündet am:
  6. 8. Februar 2000
  7. Weber,
  8. Justizhauptsekretärin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. _____________________
  16. BGB §§ 252, 286 Abs. 1, 288 Abs. 2, 607, 628 Abs. 2
  17. Hat der Kreditgeber sein Darlehen gegenüber einem von mehreren Gesamtschuldnern wegen schuldhafter Vertragsverletzung gekündigt, so
  18. bleibt während des Verzugs dieses Gesamtschuldners mit der Rückzahlung der Anspruch des Kreditgebers auf Fortzahlung der vertraglich vereinbarten Zinsen (BGHZ 104, 337, 342 f.) vom Konkurs eines anderen
  19. Gesamtschuldners unberührt.
  20. BGH, Urteil vom 8. Februar 2000 - XI ZR 313/98 - OLG Rostock
  21. LG Schwerin
  22. -2-
  23. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
  24. Verhandlung vom 8. Februar 2000 durch den Vorsitzenden Richter
  25. Nobbe und die Richter Dr. Schramm, Dr. Bungeroth, Dr. Müller und
  26. Dr. Joeres
  27. für Recht erkannt:
  28. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des
  29. 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom
  30. 12. November 1998 insoweit aufgehoben, als der Klägerin ein über 4% hinausgehender Zinsanspruch aus
  31. 1.500.000 DM für die Zeit vom 7. Juni 1996 bis zum
  32. 16. Dezember 1997 und aus 1.000.000 DM für die Zeit
  33. vom 17. Dezember 1997 bis zum 30. Dezember 1998
  34. aberkannt worden ist.
  35. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der
  36. Kammer I für Handelssachen des Landgerichts Schwerin vom 18. Dezember 1996 wird auch insoweit zurückgewiesen, als der Klägerin über 4% Zinsen hinaus
  37. weitere 11% Zinsen aus 1.500.000 DM vom 7. Juni
  38. 1996
  39. bis
  40. zum
  41. 1.000.000 DM
  42. vom
  43. 16. Dezember
  44. 17. Dezember
  45. 1997
  46. 1997
  47. und
  48. aus
  49. bis
  50. zum
  51. 30. Dezember 1998 zuerkannt worden sind.
  52. Die Beklagte hat auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
  53. Von Rechts wegen
  54. -3-
  55. Tatbestand:
  56. In der Revisionsinstanz streiten die Parteien nur noch über die
  57. Höhe der Zinsforderung der Klägerin aus einer inzwischen unstreitig
  58. gewordenen und von der Beklagten beglichenen Darlehensforderung.
  59. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
  60. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin gewährte der D. GmbH + Co.
  61. KG (im folgenden: D. KG) im Dezember 1991 ein Darlehen von
  62. 1.500.000 DM zu 15% Zinsen mit fest vereinbarter Laufzeit und Rückzahlung in drei Raten von jeweils 500.000 DM zum 31. Dezember der
  63. Jahre 1997 bis 1999. Nach weitgehender Übernahme des Geschäftsbetriebs und Fortführung des Kernbestandteils der Firma durch die Beklagte fiel die D. KG im Mai 1996 in Konkurs. Dadurch wurde ein
  64. Rechtsstreit unterbrochen, in dem sie von der Klägerin auf Rückzahlung des Darlehens verklagt worden war.
  65. Die Klägerin kündigte am 3. Januar 1996 wegen unpünktlicher
  66. Zinszahlungen das Darlehen gegenüber der Beklagten und erhob am
  67. 6. Juni 1996 Klage. Das Landgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 1.500.000 DM nebst 15% Zinsen seit dem 1. Januar 1996. Die
  68. Berufung der Beklagten hatte nur insoweit Erfolg, als das Berufungsgericht der Klägerin Zinsen in Höhe von 15% lediglich für die Zeit vom
  69. 1. Januar 1996 bis zum 6. Juni 1996 zuerkannte und die Zinsforderung
  70. für die Zeit seit dem 7. Juni 1996 auf 4% herabsetzte.
  71. Mit ihrer Revision verlangt die Klägerin weitere 11% Zinsen aus
  72. 1.500.000 DM vom 7. Juni 1996 bis zum 16. Dezember 1997 und aus
  73. 1.000.000 DM vom 17. Dezember 1997 bis zum 30. Dezember 1998.
  74. -4-
  75. Entscheidungsgründe:
  76. Die Revision hat Erfolg; sie führt im beantragten Umfang zur
  77. Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
  78. A.
  79. Die form- und fristgerecht eingelegte Revision ist nach den
  80. §§ 545, 546 ZPO statthaft, weil es im vorliegenden Rechtsstreit um
  81. vermögensrechtliche Ansprüche geht und der Wert der Beschwer der
  82. Klägerin durch das Berufungsurteil 60.000 DM übersteigt. Da das Berufungsgericht den Wert der Beschwer der Klägerin entgegen § 546
  83. Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht festgesetzt hat, mußte der erkennende Senat
  84. dies nachholen (vgl. BGH, Beschluß vom 25. Oktober 1995 – XII ZR
  85. 7/94, WM 1996, 187). Dabei war der Wert des vom Berufungsgericht
  86. aberkannten Teils der Zinsforderung zugrunde zu legen. Die Zinsen
  87. werden hier nicht als Nebenforderungen im Sinne des § 4 Abs. 1 ZPO
  88. geltend gemacht, weil die Klägerin durch das Berufungsurteil nur im
  89. Zinspunkt beschwert ist und ihre Revision ausschließlich eine Zinsforderung zum Gegenstand hat (vgl. BGH, Urteile vom 10. Mai 1990
  90. - IX ZR 246/89, WM 1990, 1642, 1643 und vom 24. März 1994 - VII ZR
  91. 146/93, WM 1994, 1214, 1215; jeweils m.w.Nachw.). Der erkennende
  92. Senat hat die Beschwer der Klägerin daher auf 376.000 DM festgesetzt.
  93. -5-
  94. B.
  95. Die Revision ist auch in der Sache begründet. Die Klägerin hat
  96. über die vom Berufungsgericht zuerkannten Zinsen hinaus einen Anspruch auf weitere 11% Zinsen aus 1.500.000 DM vom 7. Juni 1996 bis
  97. zum 16. Dezember 1997 und aus 1.000.000 DM vom 17. Dezember
  98. 1997 bis zum 30. Dezember 1998.
  99. I.
  100. Das Berufungsgericht hat der Klägerin für die Zeit seit dem
  101. 7. Juni 1996 nur 4% Zinsen zuerkannt und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
  102. Der Klägerin stehe aus dem Vertrag vom Dezember 1991 eine
  103. Darlehensforderung gegen die D. KG zu, für die die Beklagte nach § 25
  104. Abs. 1 Satz 1 HGB hafte. Die vertraglich vereinbarten Zinsen von 15%
  105. könne die Klägerin jedoch nur bis zum 6. Juni 1996, dem Tag der in der
  106. Klageerhebung liegenden wirksamen Kündigung des Darlehens, verlangen. Für die Zeit danach stünden ihr gemäß §§ 286 Abs. 1, 288
  107. Abs. 1, 291 BGB lediglich 4% Zinsen zu, da sie einen darüber hinausgehenden Verzugsschaden nicht dargelegt habe.
  108. II.
  109. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
  110. -6-
  111. 1. Dem Berufungsgericht ist allerdings darin zuzustimmen, daß
  112. die Klägerin für die Zeit nach der wirksamen Kündigung des Darlehensvertrags keinen vertraglichen Zinsanspruch hat. Das schließt indessen,
  113. wie die Revision mit Recht geltend macht, einen unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes gerechtfertigten Zinsanspruch in Höhe
  114. des ursprünglichen Vertragszinses nicht aus.
  115. Wird ein Darlehensgeber durch schuldhafte Vertragsverletzungen
  116. der Gegenseite zur außerordentlichen Kündigung des Darlehens veranlaßt, so kann er jedenfalls dann, wenn die Gegenseite mit ihrer
  117. Rückzahlungsverpflichtung in Verzug kommt, anstelle des Verzögerungsschadens nach § 286 Abs. 1 BGB in entsprechender Anwendung
  118. des Rechtsgedankens des § 628 Abs. 2 BGB den bisherigen Vertragszins als Schadensersatz wegen Nichterfüllung des vorzeitig beendeten
  119. Darlehensvertrags verlangen (BGHZ 104, 337, 342 f. m.w.Nachw.).
  120. Dieser Zinsanspruch bezieht sich nur auf das noch offene Darlehenskapital und ist auf den Umfang beschränkt, in dem der Darlehensgeber
  121. eine rechtlich geschützte Zinserwartung hatte.
  122. 2. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Feststellungen des
  123. Berufungsgerichts, daß die in der Klageerhebung liegende außerordentliche Kündigung des Darlehensvertrages durch die Klägerin von
  124. der Beklagten, die nach dem 4. Januar 1996 nicht nur keine Zahlungen
  125. mehr erbracht, sondern auch ausdrücklich verweigert hatte, schuldhaft
  126. veranlaßt worden ist. Da die Beklagte das fällig gestellte Darlehen ungeachtet der gegen sie erhobenen Klage zunächst nicht zurückgezahlt
  127. hat, befand sie sich bis zu ihrer Teilzahlung von 500.000 DM am
  128. 16. Dezember 1997 in voller Höhe des Darlehenskapitals und bis zur
  129. Rückzahlung der restlichen Darlehenssumme am 30. Dezember 1998
  130. noch mit 1.000.000 DM in Verzug.
  131. -7-
  132. 3. In diesem Umfang hatte für die Klägerin aufgrund des Darlehensvertrags vom 12. Dezember 1991 auch eine rechtlich gesicherte
  133. Zinserwartung bestanden, weil in § 3 dieses Vertrages eine feste Darlehenslaufzeit in voller Höhe von 1.500.000 DM bis zum 31. Dezember
  134. 1997 und in Höhe verbleibender 1.000.000 DM bis zum 31. Dezember
  135. 1998 vorgesehen war.
  136. Die rechtlich gesicherte Zinserwartung der Klägerin war entgegen
  137. der Ansicht der Revisionserwiderung nicht mit der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der D. KG im Mai 1996 entfallen. Dabei
  138. kann offenbleiben, ob die Konkurseröffnung überhaupt noch einen Einfluß auf die Darlehensforderung der Klägerin gegen die D. KG haben
  139. konnte oder ob diese Forderung nicht schon vorher durch außerordentliche Kündigung gegenüber der D. KG fällig und die D. KG in Höhe der
  140. entfallenen
  141. Vertragszinsen
  142. schadensersatzpflichtig
  143. geworden
  144. war.
  145. Auch wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, könnte die Beklagte,
  146. die für die Darlehensschuld der D. KG gemäß § 25 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldnerin haftete (vgl. Baumbach/Hopt, HGB 29. Aufl. § 25
  147. Rdn. 10), aus dem Konkurs der D. KG nichts für sich herleiten.
  148. Nach § 425 BGB wirken andere als die in §§ 422 bis 424 BGB
  149. bezeichneten Tatsachen, soweit sich aus dem Schuldverhältnis nichts
  150. anderes ergibt, nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen
  151. Person sie eintreten. Die Eröffnung des Konkursverfahrens und die dadurch gemäß § 65 Abs. 1 KO bewirkte Fälligkeit betagter Forderungen
  152. äußert Wirkungen nur gegenüber dem betroffenen Gesamtschuldner.
  153. Sinn und Zweck des § 65 Abs. 1 KO ist es, sicherzustellen, daß Konkursforderungen im Interesse einer beschleunigten Abwicklung des
  154. Konkursverfahrens vom Gläubiger schon vor ihrer normalen Fälligkeit
  155. -8-
  156. geltend gemacht und zur Konkurstabelle angemeldet werden können.
  157. Wirkungen außerhalb des Konkursverfahrens hat § 65 KO nicht. Es ist
  158. deshalb anerkannt, daß er die Mithaftung von Gesamtschuldnern und
  159. Bürgen nicht berührt (RGZ 86, 247, 249; 88, 373, 375), insbesondere
  160. ihnen kein Recht zur vorzeitigen Zahlung gewährt (RG LZ 1916, 242,
  161. 244; Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 65 Rdn. 4).
  162. Abgesehen davon läßt die vorzeitige Fälligkeit der Darlehensforderung nach dem Rechtsgedanken des § 628 Abs. 2 BGB einen Schadensersatzanspruch der Klägerin in Höhe der bis zum regulären Ablauf
  163. des Vertrages zu entrichtenden Vertragszinsen weder nach § 65 KO
  164. noch nach anderen Vorschriften nicht einmal gegenüber der Gemeinschuldnerin (a.A. Karsten Schmidt JZ 1976, 756, 761), geschweige
  165. denn gegenüber der Beklagten entfallen. § 63 Nr. 1 KO steht allenfalls
  166. der Geltendmachung eines solchen Anspruchs im Konkursverfahren
  167. entgegen, beseitigt den Schadensersatzanspruch aber nicht.
  168. -9-
  169. III.
  170. Das Berufungsurteil mußte daher in dem Umfang aufgehoben
  171. werden, in dem es von der Revision angegriffen worden war. Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind, konnte der Senat
  172. in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) und der Klägerin die mit der Revision verlangten weiteren Zinsen zuerkennen.
  173. Nobbe
  174. Dr. Schramm
  175. Dr. Müller
  176. Dr. Bungeroth
  177. Dr. Joeres