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379 lines
17 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. X ZR 74/14
  5. Verkündet am:
  6. 13. Oktober 2015
  7. Wermes
  8. Justizamtsinspektor
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. Luftkappensystem
  19. PatG § 14; EPÜ Art. 69
  20. Werden in einer Patentschrift zwei sich nur graduell unterscheidende Maßnahmen (hier: Blockieren und Drosseln eines Luftstroms) ohne nähere Differenzierung als Ausgangspunkt für eine im Stand der Technik auftretende Schwierigkeit benannt, so kann aus dem Umstand, dass im Patentanspruch nur die stärker wirkende Maßnahme (hier: Blockieren) erwähnt ist, nicht ohne weiteres gefolgert werden, dass die schwächer wirkende Maßnahme zur Verwirklichung
  21. der geschützten Lehre nicht ausreicht.
  22. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2015 - X ZR 74/14 - OLG Karlsruhe
  23. LG Mannheim
  24. -2-
  25. Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
  26. Verhandlung vom 13. Oktober 2015 durch die Richter Gröning, Dr. Bacher und
  27. Hoffmann, die Richterin Schuster und den Richter Dr. Deichfuß
  28. für Recht erkannt:
  29. Auf die Revision der Klägerin wird das am 25. Juni 2014 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe
  30. aufgehoben.
  31. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
  32. über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  33. Von Rechts wegen
  34. -3-
  35. Tatbestand:
  36. 1
  37. Die Klägerin macht als Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz gegen die
  38. Beklagten Ansprüche wegen Verletzung des europäischen Patents 596 939
  39. (Klagepatents) geltend, das ein Luftkappensystem für eine Farbspritzpistole
  40. betrifft und mit dem 8. Juli 2012 wegen Ablaufs der Schutzdauer erloschen ist.
  41. Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache:
  42. An air cap system for a paint spray gun comprising:
  43. (a) an air cap (10) including:
  44. (1)
  45. a central passage (36) coaxially aligned with a central longitudinal
  46. axis of the air cap,
  47. (2)
  48. at least one paint spray shaping passage (46, 47) in the air cap configured and arranged for directing a flow of pressurized air against a
  49. stream of atomized paint discharged from the central passage (36)
  50. so as to alter the shape of the paint spray, and
  51. (3)
  52. at least one venting passage configured and arranged so as to be
  53. ineffective for directing a flow of pressurized air against a stream of
  54. atomized paint discharged from the central passage so as to alter
  55. the shape of the paint spray, and
  56. (b) a blocking means effective for blocking air flow through the paint shaping
  57. passage while permitting air flow through the venting passage when in a
  58. first position and permitting air flow through the paint shaping passage
  59. while blocking air flow through the venting passage when in a second position;
  60. characterized in that
  61. (c) at least one venting passage (54) is located in the air cap (10);
  62. (d) the blocking means (18) is operable for directing air flow between the paint
  63. shaping passage (46, 47) and the venting passage (54) independently of
  64. the flow of a fluid through the central passage (36).
  65. 2
  66. Die Beklagten zu 2 und 3 bieten in Deutschland ein Farbsprühsystem
  67. zum Kauf an, das sie von der Beklagten zu 1 beziehen. Die Klägerin hat geltend
  68. gemacht, bei diesem System seien alle Merkmale von Patentanspruch 1 des
  69. -4-
  70. Klagepatents wortsinngemäß, jedenfalls aber durch äquivalente Mittel verwirklicht.
  71. 3
  72. Das Landgericht hat die nach Erlöschen des Klagepatents zuletzt noch
  73. auf Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf, Entfernung aus den Vertriebswegen, Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichtete Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung
  74. der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Klägerin mit der vom
  75. Senat zugelassenen Revision, der die Beklagten entgegentreten.
  76. -5-
  77. Entscheidungsgründe:
  78. 4
  79. Die Revision hat Erfolg.
  80. 5
  81. I.
  82. 6
  83. Nach den Ausführungen in der Klagepatentschrift waren im Stand der
  84. Das Klagepatent betrifft eine Luftkappe für eine Farbspritzpistole.
  85. Technik Farbspritzpistolen bekannt, bei denen die Farbe durch Zufuhr von Luft
  86. mit hohem Volumen und geringem Druck (High Volume Low Pressure, HVLP)
  87. versprüht wird und die neben einem zentralen Kanal für die Farbe zusätzliche
  88. Luftkanäle aufweisen, mit denen die Form des Farbsprühstrahls beeinflusst
  89. werden kann. Bekannt waren auch Ausführungsformen mit einer drehbaren
  90. Blockierplatte, die je nach ihrer Position einzelne oder alle dieser Formkanäle
  91. verschließt, so dass wahlweise eine horizontale, vertikale oder runde Sprühform
  92. erzeugt werden kann.
  93. 7
  94. In der Klagepatentschrift wird ausgeführt, bei Geräten mit tragbarem Gebläse sei es als wünschenswert empfunden worden, den Rückdruck zu vermindern. Insbesondere sei beobachtet worden, dass der Gebläsemotor zu schnell
  95. drehe oder überhitze, wenn der Auslass der Luftquelle blockiert oder gedrosselt
  96. werde. Das Klagepatent betrifft das technische Problem, ein Farbspritzsystem
  97. zur Verfügung zu stellen, bei dem der Motor weniger belastet wird.
  98. 8
  99. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Klagepatent ein Luftkappensystem für eine Farbspritzpistole vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
  100. -6-
  101. (a) Das System umfasst eine Luftkappe (10) mit
  102. (1)
  103. einem zentralen Kanal (36), der koaxial mit der zentralen
  104. Längsachse der Luftkappen ausgerichtet ist,
  105. (2)
  106. mindestens einem Formkanal (46, 47), der ausgebildet
  107. und angeordnet ist, um einen Strom von Druckluft gegen
  108. einen aus dem zentralen Kanal (36) ausgelassenen
  109. Strom von zerstäubter Farbe zu richten und dadurch die
  110. Form des Farbsprühstrahles zu verändern,
  111. (3)
  112. mindestens einem Entlüftungskanal, der so ausgebildet
  113. und angeordnet ist, dass er die in (2) genannte Wirkung
  114. nicht erzeugt.
  115. (b) Das System umfasst eine Blockiervorrichtung
  116. (1)
  117. zum Blockieren der Luftströmung durch den Formkanal
  118. bei Freigeben des Luftstromes durch den Entlüftungskanal in einer ersten Position und
  119. (2)
  120. zum Freigeben der Luftströmung durch den Formkanal
  121. bei Blockieren der Luftströmung durch den Entlüftungskanal in einer zweiten Position.
  122. (c) Mindestens ein Entlüftungskanal (54) ist in der Luftkappe (10)
  123. angeordnet.
  124. (d) Die Blockiervorrichtung (18) ist so eingerichtet, dass der Luftstrom zwischen dem Formkanal (46, 47) und dem Entlüftungskanal (54) unabhängig davon umgelenkt werden kann,
  125. ob durch den zentralen Kanal (36) eine Flüssigkeit strömt.
  126. 9
  127. II. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie
  128. folgt begründet:
  129. -7-
  130. 10
  131. Das allein in Streit stehende Merkmal (b)(2) sei weder wortsinngemäß
  132. noch mit äquivalenten Mitteln verwirklicht. Bei der angegriffenen Ausführungsform trete durch mindestens zwei der insgesamt vier Entlüftungskanäle auch
  133. dann in geringem Umfang Luft aus, wenn das System so eingestellt sei, dass
  134. ein vertikaler oder horizontaler Farbauftrag erfolgen könne. Damit fehle es an
  135. einem Blockieren des Luftstroms im Sinne des genannten Merkmals.
  136. 11
  137. Nach dem allgemeinen Wortsinn bedeute "blockieren", dass ein bestimmter Weg abgesperrt, abgeriegelt, also verschlossen sei. Die Patentschrift
  138. biete keinen Anhalt, dass dem Begriff nach der Erfindung ein anderer Bedeutungsgehalt zukomme. Bei der Beschreibung des Stands der Technik werde
  139. zwischen Blockieren und Drosseln unterschieden. Patentanspruch 1 verlange
  140. ein Blockieren. In der weiteren Beschreibung werde stets das Gegensatzpaar
  141. gebildet, dass die Luftströmung in einer Position zugelassen oder erlaubt sei, in
  142. einer anderen Position hingegen blockiert werde. Den Ausführungsbeispielen
  143. lasse sich kein Anhalt für ein anderes Verständnis entnehmen. Merkmal (d) gebe zudem einen deutlichen Hinweis darauf, dass der Luftstrom "zwischen" dem
  144. Formkanal und dem Entlüftungskanal umgelenkt werde, dass ein Kanal für den
  145. Luftstrom also entweder frei oder verschlossen sein solle. Keiner Stelle der Patentschrift lasse sich entnehmen, dass ein bestimmtes Maß an Einschränkung
  146. des Luftauslasses ausreichend sein solle. Wenn es für ein Blockieren ausreichte, dass der Luftstrom keinen Einfluss auf das Farbsprühmuster nehmen könne,
  147. käme überdies dem Merkmal (a)(3) keine eigenständige Bedeutung zu.
  148. 12
  149. Merkmal (b)(2) erfordere ferner, dass alle vorhandenen Entlüftungskanäle in der genannten Weise blockiert seien, wenn die Luftströmung durch einen
  150. Formkanal freigegeben sei. Nach der Klagepatentschrift gelte es zu verhindern,
  151. dass die aus den Entlüftungskanälen austretende Luft in Konflikt mit dem Farbsprühmuster komme. Hieraus sei zu folgern, dass die Luftströmung entweder
  152. durch den Formkanal oder durch den Entlüftungskanal entweichen solle. Der
  153. -8-
  154. Entlüftungskanal diene nur dazu, einen Rückstau bei Verschließen des Formkanals zu verhindern. Daraus ergebe sich, dass er bei offenem Formkanal verschlossen sein müsse. Dies gelte für alle vorhandenen Entlüftungskanäle.
  155. 13
  156. Eine Verwirklichung mit äquivalenten Mitteln sei schon deshalb zu verneinen, weil es an einem Austauschmittel fehle. Jedenfalls aber werde ein
  157. Fachmann die Lösung der angegriffenen Ausführungsform bei Orientierung am
  158. Sinngehalt des Klagepatents nicht als gleichwertig in Betracht ziehen, weil das
  159. Klagepatent gerade eine Ausgestaltung vorsehe, bei der die Entlüftungskanäle
  160. in der in Rede stehende Situation blockiert seien, und den Fachmann damit von
  161. einer Lösung, bei der Luft entweichen könne, wegführe.
  162. 14
  163. III. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht
  164. stand.
  165. 15
  166. 1. Rechtsfehlerhaft ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt,
  167. ein Luftkanal sei nur dann im Sinne des Merkmals (b)(2) blockiert, wenn ein
  168. Lufteintritt vollständig unterbunden werde.
  169. 16
  170. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist für die Auslegung
  171. eines Patents nicht die sprachliche oder logisch-wissenschaftliche Bedeutung
  172. der im Patentanspruch verwendeten Begriffe maßgeblich, sondern deren technischer Sinn, der unter Berücksichtigung von Aufgabe und Lösung, wie sie sich
  173. objektiv aus dem Patent ergeben, zu bestimmen ist (vgl. nur BGH, Urteil vom
  174. 12. November 1974 - X ZR 76/68, GRUR 1975, 422, 424 - Streckwalze; Urteil
  175. vom 2. März 1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 912 - Spannschraube).
  176. Maßgeblich sind dabei der Sinngehalt eines Patentanspruchs in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis
  177. der patentierten Erfindung beitragen (vgl. nur BGH, Urteil vom 17. April 2007
  178. - X ZR 72/05, BGHZ 172, 88 = GRUR 2007, 778 Rn. 14 - Ziehmaschinenzug-
  179. -9-
  180. einheit I). Aus der Funktion der einzelnen Merkmale im Kontext des Patentanspruchs ist abzuleiten, welches technische Problem diese Merkmale für sich
  181. und in ihrer Gesamtheit tatsächlich lösen (vgl. nur BGH, Urteil vom 17. Juli 2012
  182. - X ZR 113/11, GRUR 2012, 1122 Rn. 22 - Palettenbehälter III).
  183. 17
  184. 2. Das Berufungsgericht ist bei der Auslegung des Merkmals (b)(2) von
  185. einem allgemeinen Wortsinn ausgegangen, für dessen Bestimmung es auf die
  186. sprachliche Bedeutung abgestellt hat. Dies ist im Ansatz nicht zu beanstanden.
  187. Das Berufungsgericht hat sich von diesem Ausgangspunkt aus aber im Wesentlichen nur noch mit der Frage befasst, ob sich der Patentschrift Anhaltspunkte
  188. für ein abweichendes Verständnis entnehmen lassen. Diese Vorgehensweise
  189. steht in Widerspruch zu den oben dargestellten Grundsätzen.
  190. 18
  191. Sowohl der Begriff "blockieren" als auch die vom Berufungsgericht als
  192. Synonyme angeführten Begriffe "absperren", "abriegeln" und "verschließen"
  193. mögen im Zusammenhang mit einer Luftströmung häufig nahelegen, dass jegliche Durchtrittmöglichkeit unterbunden sein soll. Das Berufungsgericht hat daraus für die Lehre des Klagepatents implizit die Schlussfolgerung gezogen, es
  194. genüge nicht, wenn der Luftstrom nur teilweise unterbunden werde. Dabei hat
  195. es die Prüfung vernachlässigt, ob dieses Auslegungsergebnis mit dem maßgeblichen technischen Sinn des Merkmals im Rahmen der Lösung der gestellten
  196. Aufgabe vereinbar ist. Das Berufungsgericht hätte sich mit der Frage befassen
  197. müssen, ob Merkmal (b)(2) ein vollständiges Blockieren erfordert oder ob ein
  198. teilweises Blockieren ausreichen kann. Letzteres ist der Fall.
  199. 19
  200. a) Aus der Beschreibung ist zu entnehmen, dass ein teilweises Blockieren des Luftstroms genügt, sofern damit die mit der Erfindung angestrebte Wirkung erreicht wird.
  201. - 10 -
  202. 20
  203. Bei der Beschreibung des Stands der Technik werden in der Klagepatentschrift zwar die Begriffe "blockiert" und "gedrosselt" nebeneinander verwendet (Sp. 1 Z. 19: blocked or restricted). In diesem Zusammenhang werden die
  204. beiden Begriffe aber gerade nicht näher voneinander abgegrenzt. Vielmehr
  205. werden sowohl ein Blockieren als auch ein Drosseln des Luftstroms als Ursache für die nachteilhaften Wirkungen benannt, mit deren Verhinderung sich das
  206. Klagepatent befasst.
  207. 21
  208. In der weiteren Beschreibung des Klagepatents wird zwar nur noch der
  209. Begriff "blockieren" verwendet. Auch in diesem Zusammenhang findet sich aber
  210. kein Hinweis darauf, dass die Unterscheidung zwischen "blockieren" und "drosseln" von ausschlaggebender Bedeutung ist. Aus dem Umstand, dass in der
  211. Folge nur noch der erstere der beiden Begriffe genannt wird, kann deshalb nicht
  212. die Schlussfolgerung gezogen werden, dass sich das Klagepatent nur mit der
  213. Verhinderung von Nachteilen befasst, die durch ein vollständiges Unterbinden
  214. des Luftstroms entstehen. Aus der Aufgabe des Klagepatents und der Funktion
  215. der in Patentanspruch 1 vorgesehenen Merkmale ergibt sich vielmehr, dass es
  216. darum geht, unabhängig von der jeweils gewählten Einstellung einen Luftstrom
  217. zu gewährleisten, der einerseits zur gewünschten Form des Farbsprühstrahls
  218. führt und andererseits ausreichend ist, um eine übermäßige Belastung des Gebläsemotors zu vermeiden. Die Klagepatentschrift enthält keine Anhaltspunkte
  219. dafür, dass diese Zwecke nur durch jeweils vollständiges Blockieren insbesondere der Entlüftungskanäle verfolgt werden sollen. Der sprachlich unvollkommen gewählte Begriff "blockieren" ("blocking") charakterisiert insoweit vielmehr
  220. den generellen Wirkungsmechanismus des klagepatentgemäßen Wechsels
  221. zwischen den verschiedenen Einstellungen, nicht aber den Grad der Blockierung.
  222. 22
  223. Ausgehend davon ist der Patentanspruch dahin auszulegen, dass ein
  224. vollständiges Blockieren der Luftströme weder bei Merkmal (b)(1) noch bei
  225. - 11 -
  226. Merkmal (b)(2) erforderlich ist. Vielmehr reicht es aus, wenn der Luftstrom
  227. durch den jeweiligen Kanal in einer Weise unterbunden wird, die die Erreichung
  228. des genannten Ziels ermöglicht.
  229. 23
  230. b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergeben sich aus
  231. Merkmal (a)(3) keine abweichenden Schlussfolgerungen.
  232. 24
  233. Mit der in Merkmal (a)(3) vorgesehenen Ausgestaltung wird verhindert,
  234. dass der Luftstrom, der durch den Entlüftungskanal geleitet wird, auf den Luftstrom, der aus dem zentralen Kanal austritt, einwirkt und die Form des Farbsprühstrahls verändert. Dies wird dadurch erreicht, dass der Entlüftungskanal in
  235. geeigneter Weise ausgebildet und angeordnet ist. Bei dem in der Beschreibung
  236. des Klagepatents geschilderten Ausführungsbeispiel ist der Entlüftungskanal
  237. hierzu so angeordnet, dass er radial derart nach außen verläuft, dass sich die
  238. austretende Luft vom Farbsprühstrahl wegbewegt (Sp. 3, Z. 48 bis 56).
  239. 25
  240. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist das in Merkmal
  241. (b)(2) vorgesehene Blockieren des Luftstroms im Entlüftungskanal demgegenüber nicht erforderlich, um die genannte Funktion zu erfüllen. Es ist hierzu auch
  242. nicht geeignet, weil es das Klagepatent nicht ausschließt, sondern gerade als
  243. Regelfall vorsieht, dass der Luftstrom durch den zentralen Kanal und der Luftstrom durch den Entlüftungskanal zur gleichen Zeit freigegeben sind.
  244. 26
  245. 3. Die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung, die in Merkmal
  246. (b)(2) formulierte Anforderung beziehe sich auf alle zum Luftkappensystem gehörenden Entlüftungskanäle, vermag die angefochtene Entscheidung ebenfalls
  247. nicht zu tragen.
  248. 27
  249. Merkmal (b)(2) ist bei der angegriffenen Ausführungsform auch dann
  250. wortsinngemäß verwirklicht, wenn die darin formulierten Anforderungen für alle
  251. - 12 -
  252. Entlüftungskanäle gelten würden. Diesem Merkmal ist aus den oben aufgezeigten Gründen lediglich die Anforderung zu entnehmen, dass der Entlüftungskanal zumindest teilweise blockiert ist, solange ein dazu korrespondierender
  253. Formkanal freigegeben ist. Diese Voraussetzung ist bei der angegriffenen Ausführungsform hinsichtlich aller Entlüftungskanäle erfüllt. Angesichts dessen
  254. kann dahingestellt bleiben, ob es zur Verwirklichung von Merkmal (b)(2) schon
  255. ausreichen würde, wenn nur einige der vorhandenen Entlüftungskanäle den
  256. darin definierten Anforderungen genügen.
  257. 28
  258. IV. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).
  259. 29
  260. Nach den tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts haben
  261. die Beklagten bestritten, dass der Klägerin wirksam eine Lizenz am Klagepatent
  262. eingeräumt worden ist. Das Berufungsgericht hat diese Frage - von seinem
  263. Standpunkt aus folgerichtig - nicht behandelt. Es wird sie in der wiedereröffneten Berufungsinstanz zu klären haben.
  264. - 13 -
  265. 30
  266. Der von den Beklagten erhobene Formstein-Einwand ist demgegenüber
  267. nicht entscheidungserheblich. Dieser Einwand ist nur bei einer Patentverletzung
  268. mit äquivalenten Mitteln von Bedeutung (BGH, Urteil vom 29. April 1986
  269. - X ZR 28/85, BGHZ 98, 12, 21 f. = GRUR 1986, 803, 805 f. - Formstein). Im
  270. Streitfall sind die Merkmale von Patentanspruch 1 aber wortsinngemäß verletzt.
  271. Gröning
  272. Bacher
  273. Schuster
  274. Hoffmann
  275. Deichfuß
  276. Vorinstanzen:
  277. LG Mannheim, Entscheidung vom 17.08.2012 - 2 O 33/12 OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 25.06.2014 - 6 U 92/12 -