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730 lines
35 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. X ZR 37/13
  5. Verkündet am:
  6. 26. Februar 2015
  7. Wermes
  8. Justizamtsinspektor
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in der Patentnichtigkeitssache
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. Bildstrom
  19. EPÜ Art. 52 Abs. 2 Buchst. d, Art. 56
  20. Anweisungen, die zwar die (visuelle) Informationswiedergabe betreffen, bei
  21. denen aber nicht die Vermittlung bestimmter Inhalte oder deren Vermittlung in
  22. besonderer Aufmachung im Blickpunkt steht, sondern die Präsentation von
  23. Bildinhalten in einer Weise, die auf die physischen Gegebenheiten der
  24. menschlichen Wahrnehmung und Aufnahme von Informationen Rücksicht
  25. nimmt und darauf gerichtet ist, die Wahrnehmung der gezeigten Informationen
  26. durch den Menschen in bestimmter Weise überhaupt erst zu ermöglichen, zu
  27. verbessern oder zweckmäßig zu gestalten, dienen der Lösung eines
  28. technischen Problems mit technischen Mitteln (Weiterführung von BGH, Urteil
  29. vom 26. Oktober 2010 - X ZR 47/07, GRUR 2011, 125 - Wiedergabe
  30. topografischer Informationen und vom 23. April 2013 - X ZR 27/12,
  31. GRUR 2013, 909 - Fahrzeugnavigationssystem).
  32. BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 - X ZR 37/13 - Bundespatentgericht
  33. -2-
  34. Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
  35. Verhandlung vom 26. Februar 2015 durch die Richter Gröning, Dr. Bacher,
  36. Hoffmann und Dr. Deichfuß sowie die Richterin Dr. Kober-Dehm
  37. für Recht erkannt:
  38. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16. Januar 2013
  39. verkündete Urteil des 5. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert.
  40. Die Klage wird abgewiesen.
  41. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
  42. Von Rechts wegen
  43. Tatbestand:
  44. Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik
  45. 1
  46. Deutschland erteilten europäischen Patents 1 474 927 (Streitpatents), das am
  47. 12. Februar 2003 angemeldet wurde und eine Priorität vom 12. Februar 2002 in
  48. Anspruch nimmt. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren (Patentansprüche 1 bis
  49. 6) und ein System (Patentansprüche 7 bis 10) zur Anzeige eines Bildstroms.
  50. Die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 7 lauten in der Ver-
  51. 2
  52. fahrenssprache:
  53. "1. A method for displaying an image stream, the method
  54. comprising:
  55. -3-
  56. receiving images acquired by a swallowable capsule (40),
  57. the images forming an original image stream; and displaying simultaneously on a monitor (300) at least two
  58. subset image streams, each subset image stream
  59. including a separate subset of images from the original
  60. image stream.
  61. 7. A system for displaying an image stream, the system comprising:
  62. an image storage means (21) for accepting an original
  63. image stream; and an image display means (300) for displaying at least two subset image streams, each subset
  64. image stream including a separate subset of images from
  65. the original image stream, characterized that the at least
  66. two subset image streams can be displayed on the image
  67. display means (300) simultaneously."
  68. Die Patentansprüche 2 bis 6 sind unmittelbar oder mittelbar auf
  69. 3
  70. Patentanspruch 1, die Patentansprüche 8 bis 10 auf Patentanspruch 7 rückbezogen. Die Klägerin hat geltend gemacht, dem Gegenstand des Streitpatents
  71. fehle die Technizität, er sei vom Patentschutz ausgeschlossen und zudem nicht
  72. patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und mit
  73. fünf Hilfsanträgen beschränkt verteidigt. Das Patentgericht hat das Streitpatent
  74. für nichtig erklärt. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die weiterhin die Abweisung der Klage erstrebt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel
  75. entgegen.
  76. Entscheidungsgründe:
  77. Die zulässige Berufung der Beklagten führt unter Abänderung des an4
  78. gefochtenen Urteils zur Abweisung der Nichtigkeitsklage.
  79. I.
  80. 5
  81. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren und ein System zur Darstellung
  82. von Bildströmen.
  83. -4-
  84. 6
  85. 1. Nach der Schilderung der Streitpatentschrift ist ein Bildstrom aus
  86. einer Folge von starren Bildern (still images) zusammengesetzt. Ein solcher
  87. Bildstrom könne aus verschiedenen Quellen stammen und beispielsweise gewonnen werden, wenn eine verschluckbare, mit einer Kamera ausgestattete
  88. Kapsel, wie sie aus dem US-Patent 5 604 531 (D2) bekannt sei, Bilder von dem
  89. Lumen (oder Hohlraum) eines Organs, wie z.B. dem Magen-Darm-Trakt, aufnehme und an ein externes Aufnahmesystem übertrage, während sich die
  90. Kapsel durch den Körper bewege. Dadurch könnten hohe Bilderzahlen zum
  91. Betrachten gesammelt und nacheinander angeordnet werden. Ein Bildstrom,
  92. der mehrere Tausend Einzelbilder enthalte, könne dem Nutzer zur Überprüfung
  93. dargestellt werden. Der Nutzer werde versuchen den Bildstrom schnell und
  94. effektiv zu überprüfen, ohne dass wichtige Informationen verlorengingen. Die
  95. Rate, bei der ein Nutzer einen Bildstrom effektiv überprüfen könne, werde dabei
  96. durch einen physiologischen Mittelungseffekt begrenzt. Der Wert liege bei ungefähr 15 Einzelbildern pro Sekunde, könne jedoch nach der Person des
  97. Nutzers und der Art des Bildstroms variieren.
  98. Die Beschreibung des Streitpatents stellt mehrere im Stand der Technik
  99. 7
  100. bekannte Videomedien-Steuerungs- und Anzeigesysteme vor. Sie verweist auf
  101. die internationale Anmeldung WO 99/40587 (D3), die ein VideomedienSteuerungssystem zum Senden von Befehlen an eine Videospeichereinrichtung
  102. offenbare, um eine gewünschte Position des Videos zu bewirken. Das USPatent 4 698 664 (D4) offenbare ein audiovisuelles Überwachungssystem, in
  103. dem ein analoger Datenstrom als eine Folge von Blöcken überwacht werde.
  104. Das US-Patent 5 697 885 (D1) beschreibe ein Endoskop zum Aufnehmen und
  105. Anzeigen von zeitlich aufeinanderfolgenden Bildern sowie Mechanismen zur
  106. Auswahl von starren Bildern aus den Bildfolgen.
  107. -5-
  108. 8
  109. 2. Vor diesem Hintergrund besteht das technische Problem darin, ein
  110. System und ein Verfahren für die verbesserte Darstellung eines Bildstroms bereitzustellen.
  111. 3. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent ein Verfahren
  112. 9
  113. und ein System mit folgenden Merkmalen vor:
  114. Patentanspruch 1:
  115. Verfahren zum Anzeigen eines Bildstroms, das folgende Schritte
  116. aufweist:
  117. M1.1 Empfangen von durch eine verschluckbare Kapsel (40) erfassten Bildern, wobei
  118. M1.2 die Bilder einen ursprünglichen Bildstrom bilden, und
  119. M1.3 gleichzeitiges Anzeigen von zumindest zwei Teilsatz-Bildströmen auf einem Monitor (300), wobei
  120. M1.4 jeder Teilsatz-Bildstrom einen getrennten Teilsatz von
  121. Bildern aus dem ursprünglichen Bildstrom enthält.
  122. Patentanspruch 7:
  123. System zum Anzeigen eines Bildstroms, das umfasst:
  124. M7.1 ein Bildspeichermittel (21) zum Aufnehmen eines ursprünglichen Bildstroms,
  125. M7.2 ein Bildanzeigemittel (300) zum Anzeigen von zumindest
  126. zwei Teilsatz-Bildströmen.
  127. M7.3 Jeder Teilsatz-Bildstrom enthält einen getrennten Teilsatz
  128. von Bildern aus dem ursprünglichen Bildstrom.
  129. M7.4 Die zumindest zwei Teilsatz-Bildströme können gleichzeitig
  130. auf dem Bildanzeigemittel (300) angezeigt werden.
  131. -6-
  132. 10
  133. Die nachfolgend dargestellte Figur 2 des Streitpatents verdeutlicht beispielhaft die Anzeige des Bildstroms in einem Mehrfachbildstrommodus.
  134. 11
  135. 4. Einige Merkmale bedürfen der Erläuterung:
  136. 12
  137. a) Patentanspruch 1 betrifft ein Verfahren, bei dem Bilder empfangen
  138. werden, die von einer verschluckbaren Kapsel (swallowable capsule) erfasst
  139. wurden. Die Beschreibung bezieht sich hierzu in Absatz 2 auf D2, die eine
  140. solche Vorrichtung beschreibt. Daraus ergibt sich, dass es sich um eine Kapsel
  141. handelt, die vom Patienten geschluckt wird und dann selbständig, ohne fortwährende Steuerung durch medizinisches Personal und ohne körperliche Verbindung nach außen, die zu untersuchenden Körperteile durchwandert. Zwar wird
  142. in der Beschreibung mehrfach betont, dass die Gewinnung des Bildstroms
  143. durch eine verschluckbare Kapsel nur beispielhaft behandelt wird (Abs. 2,
  144. Abs. 11, Abs. 22) und die Bilder auch auf andere Weise erfasst werden können,
  145. etwa durch ein herkömmliches Endoskop, einen Stent, einen Katheter oder eine
  146. Nadel (Abs. 22). Diese Vorrichtungen werden aber in Absatz 22 der
  147. Beschreibung ausdrücklich einer Kapsel gegenübergestellt ("…need not be
  148. -7-
  149. contained in a capsule, but may be contained in any other vehicle suitable for
  150. traversing a lumen in a human body, such as an endoscope…"). Patentanspruch 1 betrifft danach nur ein Verfahren zur Anzeige eines Bildstroms, der
  151. durch eine verschluckbare Kapsel im genannten Sinne erfasst worden ist.
  152. Demgegenüber enthält Patentanspruch 7 keine derartige Beschränkung,
  153. sondern lässt offen, auf welche Weise der ursprüngliche Bildstrom gewonnen
  154. wurde.
  155. b) Mit einem ursprünglichen Bildstrom (original image stream) verbindet
  156. 13
  157. der Fachmann, ein Diplomingenieur (FH) der Elektrotechnik, der auf dem Gebiet der Bildverarbeitung, -übertragung und -anzeige tätig ist, eine Bildfolge, bei
  158. der die Bilder in einer bestimmten Reihenfolge geordnet sind. Unter einem ursprünglichen Bildstrom ist aus fachlicher Sicht nicht eine beliebige Sammlung
  159. einzelner Bilder zu verstehen, sondern eine vorgegebene, insbesondere zeitlich
  160. geordnete Abfolge von einzelnen Bildern, wie sie etwa bei Filmaufnahmen entsteht. Die geordnete Abfolge der Bilder bewirkt bei entsprechender Geschwindigkeit der Wiedergabe bei ihrer Anzeige, dass der Betrachter den Bildstrom als
  161. sinneinheitlichen Film wahrnimmt.
  162. c) Aus diesem ursprünglichen Bildstrom werden nach der Lehre des
  163. 14
  164. Streitpatents zumindest zwei Teilsatz-Bildströme (subset image streams) gebildet, von denen jeder eine Teilmenge der Bilder des ursprünglichen Bildstroms
  165. enthält. Auf welche Weise diese Trennung erfolgt, lässt das Streitpatent im
  166. Grundsatz offen (vgl. Abs. 31), doch wird aus der Bezeichnung als TeilsatzBildstrom deutlich, dass eine geordnete Abfolge der Bilder des jeweiligen Teilsatzes beibehalten wird. Nach der Trennung können Teilsätze vorliegen, die
  167. sich nicht überschneiden. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Einzelbilder 1, 3,
  168. 5 usw. des ursprünglichen Bildstroms einen Teilsatz, die Einzelbilder 2, 4, 6
  169. usw. den anderen Teilsatz bilden (vgl. Abs. 25). Erfasst werden aber, wie
  170. Unteranspruch 2 verdeutlicht, auch Fälle, in denen sich die Teilmengen, aus
  171. -8-
  172. denen zumindest zwei Teilsätze gebildet werden, überschneiden (vgl. Abs. 31
  173. am Ende).
  174. d) Unter der Anzeige eines Teilsatz-Bildstroms ist nach der Lehre des
  175. 15
  176. Streitpatents die aufeinanderfolgende Anzeige der geordneten Einzelbilder zu
  177. verstehen, aus denen sich der Teilsatz-Bildstrom zusammensetzt. Mit der
  178. gleichzeitigen Anzeige von zumindest zwei Teilsatz-Bildströmen auf einem Monitor ist gemeint, dass in verschiedenen Bereichen des Monitors gleichzeitig
  179. eine mehr oder minder rasche Abfolge der Bilder in der vorgegebenen Ordnung
  180. wiedergegeben wird. Das Streitpatent stellt - etwa in Absatz 34 - der Anzeige
  181. eines Bildstroms die Anzeige von Einzelbildern neben einem Bildstrom ("… a
  182. still image can be displayed adjacent to the image streams") gegenüber. Dabei
  183. werden nicht mehrere (Teilsatz-)Bildströme simultan, sondern ein Bildstrom und
  184. daneben jeweils fixierte Einzelbilder angezeigt. Der Lehre des Streitpatents liegt
  185. demgegenüber die Annahme zugrunde, dass mit der gleichzeitigen Anzeige
  186. von Teilsatz-Bildströmen, die jeweils aus einer Teilmenge der Gesamtheit der
  187. Bilder des ursprünglichen Bildstroms bestehen, die Effektivität der Auswertung
  188. ohne Qualitätseinbuße erhöht wird, auch wenn dies möglicherweise eine
  189. gewisse Übung erfordert (Abs. 29).
  190. II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt
  191. 16
  192. begründet:
  193. Die Lehre der nebengeordneten Ansprüche 1 und 7 habe technischen
  194. 17
  195. Charakter und sei nicht als therapeutisches Behandlungsverfahren gemäß
  196. Art. 53c EPÜ von der Patentierbarkeit ausgenommen. Das System nach
  197. Patentanspruch 7 sei gegenüber D1 nicht neu und das Verfahren nach
  198. Patentanspruch 1 dem Fachmann jedenfalls nahegelegt gewesen.
  199. D1 betreffe ein Endoskop zum Aufnehmen und Anzeigen von zeitlich auf-
  200. 18
  201. einanderfolgenden Bildern und damit zum Anzeigen eines Bildstroms. Die durch
  202. -9-
  203. den Aufnahmekopf des Endoskops gewonnenen Bildsignale würden zu Videosignalen umgewandelt und auf einem Monitor angezeigt. Eine implementierte
  204. Aufzeichnungseinrichtung ermögliche es insbesondere, gleichzeitig Bilder zu
  205. betrachten, die aus der zeitlichen Abfolge der Bilder separiert worden seien. Mit
  206. der dort beschriebenen Vorrichtung könnten mindestens zwei Bildbereiche
  207. simultan dargestellt werden. Eine solche Bildwiedergabe setze voraus, dass der
  208. Bildstrom in mindestens zwei Teilsatz-Bildströme unterteilt werde, von denen
  209. jeder einen getrennten Teilsatz von Bildern aus dem ursprünglichen Bildstrom
  210. enthalte. Dies geschehe, wie in Figur 22 dargestellt, dadurch, dass der im Bildspeicher abgelegte Bildstrom Bild für Bild ausgelesen werde und einzelne Bilder
  211. herausgelöst und in den Bildanzeigebereichen 367a und 367b dem Nutzer angezeigt würden, während gleichzeitig im Bildanzeigebereich 366 sich fortbewegende Bilder angezeigt würden. Damit entnehme der Fachmann der D1 ein
  212. System, das alle Merkmale von Patentanspruch 7 aufweise.
  213. Vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 unterscheide sich das in D1
  214. 19
  215. beschriebene Verfahren nur dadurch, dass die empfangenen Bilder nicht von
  216. einer verschluckbaren Kapsel geliefert würden. Der Fachmann entnehme jedoch Absatz 22 der Beschreibung des Streitpatents, dass es nicht entscheidend
  217. darauf ankomme, ob der originale Bildstrom von einer endoskopischen Kapsel
  218. oder durch eine andere Fahreinrichtung, etwa ein Endoskop, gewonnen werde.
  219. Er erkenne, dass für das beanspruchte Verfahren einzig der empfangene Bildstrom maßgeblich sei. Da es bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nur auf
  220. diejenigen Anweisungen ankomme, die die Lösung des technischen Problems
  221. mit technischen Mitteln bestimmten oder zumindest beeinflussten, könne daher
  222. die spezielle Ausgestaltung des Bildaufnahmegeräts als verschluckbare Kapsel
  223. insoweit unberücksichtigt bleiben, als sie auf den beanspruchten Bildverarbeitungsvorgang keinen Einfluss nehme.
  224. - 10 -
  225. 20
  226. Unabhängig davon erfülle auch das aus der D2 bekannte In-vivo-Videokamera-System alle Voraussetzungen für die Generierung eines Bildstroms für
  227. das beanspruchte Bildverarbeitungsverfahren. Dadurch sei dem Fachmann
  228. auch der an sich zu einer erfinderischen Tätigkeit nicht beitragende Aspekt
  229. einer verschluckbaren Kapsel als Bildquelle nahegelegt.
  230. III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsrechtszug nicht
  231. 21
  232. stand. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 und Patentanspruch 7 ist durch
  233. den Stand der Technik weder vorweggenommen noch nahegelegt.
  234. 1. Zu Recht hat das Patentgericht angenommen, dass die erfindungs-
  235. 22
  236. gemäße Lehre nach Patentanspruch 1 auf technischem Gebiet liegt und keinem
  237. Patentierungsausschluss unterfällt.
  238. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt ein
  239. 23
  240. Verfahren, dessen Gegenstand die Abarbeitung von Verfahrensschritten mit
  241. Hilfe elektronischer Datenverarbeitung ist, dem Technizitätserfordernis (Art. 52
  242. EPÜ) bereits dann, wenn es der Verarbeitung, Speicherung oder Übermittlung
  243. von Daten mittels eines technischen Geräts dient (BGH, Urteil vom 26. Oktober
  244. 2010 - X ZR 47/07, GRUR 2011, 125 Rn. 27 - Wiedergabe topografischer
  245. Informationen). Für das Technizitätserfordernis ist unerheblich, ob der Gegenstand des Patents neben technischen Merkmalen auch nichttechnische aufweist und welche dieser Merkmale die beanspruchte Lehre prägen. Ob Kombinationen von technischen und nichttechnischen Merkmalen im Einzelfall
  246. patentfähig sind, hängt - abgesehen von etwa einschlägigen anderen Ausschlusstatbeständen - allein davon ab, ob sie neu sind und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2009 - X ZB 22/07,
  247. GRUR 2009, 479 - Steuerungseinrichtung für Untersuchungsmodalitäten; Beschluss vom 22. April 2010 - Xa ZB 20/08, BGHZ 185, 214 Rn. 15 ff. - Dynamische Dokumentengenerierung, jeweils zu § 1 PatG).
  248. - 11 -
  249. 24
  250. Danach liegt im Streitfall eine technische Lehre vor, die als Erfindung
  251. dem Patentschutz zugänglich ist. Patentanspruch 1 betrifft ein Verfahren, bei
  252. dem Bilder empfangen, verarbeitet und auf eine näher beschriebene Weise auf
  253. einem Monitor angezeigt werden. Ein solches Verfahren lehrt eine bestimmte
  254. Nutzung der Komponenten einer Datenverarbeitungsanlage einschließlich Monitor und gibt damit eine Anweisung zum technischen Handeln. Sie kann nur mit
  255. einem technischen Gerät ausgeführt werden und ist damit technischer Natur.
  256. Dass die technischen Komponenten, mit denen die von der verschluckbaren
  257. Kapsel erfassten Bilder empfangen und verarbeitet werden, in Patentanspruch 1 nicht genannt sind, ist unschädlich, weil für den vom Patentgericht
  258. zutreffend bestimmten Fachmann offenkundig ist, dass das Verfahren den
  259. Einsatz
  260. entsprechender
  261. Komponenten
  262. bedingt
  263. (vgl.
  264. BGH,
  265. Urteil
  266. vom
  267. 24. Februar 2011 - X ZR 121/09, GRUR 2011, 610 Rn. 16 - Webseitenanzeige).
  268. Die Technizität des Systems nach Patentanspruch 7 ergibt sich ohne
  269. 25
  270. Weiteres daraus, dass die dort beschriebene Vorrichtung technische Geräte
  271. umfasst, mittels derer Bilder aufgenommen, verarbeitet und angezeigt werden.
  272. b) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 beschränkt sich nicht auf ein
  273. 26
  274. Programm für Datenverarbeitungsanlagen und ist deshalb nicht nach Art. 52
  275. Abs. 2 Buchst. c, Abs. 3 EPÜ vom Patentschutz ausgeschlossen. Wegen des
  276. Patentierungsausschlusses für Computerprogramme als solche können nach
  277. der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig allerdings erst solche
  278. Anweisungen die Patentfähigkeit eines Verfahrens begründen, die die Lösung
  279. eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln zum Gegenstand haben (BGHZ 185, 214 Rn. 21 ff. - Dynamische Dokumentengenerierung,
  280. zu § 1 Abs. 3, 4 PatG; BGH, GRUR 2011, 125 Rn. 30 f. - Wiedergabe topografischer
  281. Informationen).
  282. Diesem
  283. Erfordernis
  284. genügt
  285. die
  286. Lehre
  287. nach
  288. Patentanspruch 1; ihr liegt das technische Problem zugrunde, die von einer
  289. endoskopischen Kapsel gewonnenen Bilder so zu verarbeiten und auf einem
  290. - 12 -
  291. Monitor anzuzeigen, dass der Nutzer sie möglichst effizient auswerten kann
  292. (oben I 2). Dies dient der Lösung eines konkreten technischen Problems mit
  293. technischen Mitteln (nachstehend III 2 b aa (4)).
  294. 27
  295. 2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist patentfähig.
  296. a) Entgegen der Auffassung der Klägerin nimmt der in der US-Patent-
  297. 28
  298. schrift 6 198 483 (D7) formulierte Anspruch 22 die Lehre von Patentanspruch 1
  299. nicht vorweg. Dort ist zwar davon die Rede, dass ein erster und ein zweiter
  300. Teilsatz einer Vielzahl von Bildern gleichzeitig angezeigt werden. In D7 hat der
  301. Begriff "Teilsatz" jedoch einen anderen technischen Sinngehalt als im Streitpatent. In D7 ist damit eine Teilmenge aus der Gesamtheit der Bilder
  302. - etwa aus einer Datenbank - gemeint, auf welche die Datenverarbeitungsanlage insgesamt zugreifen kann. D7 lässt jedoch nicht erkennen, dass es sich
  303. bei der Gesamtheit dieser Bilder um einen ursprünglichen Bildstrom, also um
  304. eine zeitlich geordnete Abfolge von Bildern handelt.
  305. b) Der Senat vermag nicht die Wertung zu treffen, dass es für den - nach
  306. 29
  307. übereinstimmender Ansicht der Beteiligten von D2 ausgehenden - Fachmann
  308. eine hinreichend konkrete Anregung gab, zum Gegenstand des Streitpatents zu
  309. gelangen.
  310. aa) Zutreffend hat das Patentgericht bei der Prüfung der Patentfähigkeit
  311. 30
  312. sämtliche in Patentanspruch 1 enthaltenen Anweisungen, auch die Merkmale
  313. M1.3 und M1.4, berücksichtigt.
  314. (1) Durch das erfindungsgemäße Verfahren wird der Nutzer, typischer-
  315. 31
  316. weise ein Arzt, in die Lage versetzt, in der durch die Präsentation von TeilsatzBildströmen bedingten Weise die Informationen aufzunehmen und auszuwerten, die in der geordneten Abfolge von Bildern enthalten sind. Die Wiedergabe
  317. von Informationen ist als solche dem Patentschutz nicht zugänglich (Art. 52
  318. Abs. 2 Buchst. d, Abs. 3 EPÜ). Das Streitpatent hat mit der Implementierung
  319. - 13 -
  320. der Anzeige von Teilsatz-Bildströmen mit technischen Mitteln aber nur bei vordergründiger Betrachtung die Wiedergabe von Informationen zum Gegenstand.
  321. (2) Der Patentierungsausschluss nach Art. 52 Abs. 2 Buchst. d EPÜ
  322. 32
  323. korrespondiert mit dem zu den Grundrechten gehörenden Recht auf Informations- und Meinungsfreiheit und soll die Monopolisierung von Informationen
  324. durch die Gewährung patentrechtlichen Schutzes verhindern (Benkard/Melullis,
  325. EPÜ, 2. Aufl., Art. 52 Rn. 207). Danach haben bei der Prüfung der Patentfähigkeit nur solche Anweisungen als nicht technisch außer Betracht zu bleiben, die
  326. gerade die Vermittlung bestimmter Inhalte betreffen und damit darauf zielen, auf
  327. die menschliche Vorstellung oder Verstandesfähigkeit einzuwirken (Benkard/
  328. Bacher/Melullis, PatG, 10. Aufl., § 1 Rn. 148; Schulte/Moufang, PatG, 9. Aufl.,
  329. § 1 Rn. 126). Anweisungen, die die Informationen betreffen, die nach der Lehre
  330. des Patents wiedergegeben werden sollen, können daher auch unter dem
  331. Gesichtspunkt der erfinderischen Tätigkeit die Patentfähigkeit der erfindungsgemäßen Lehre nur dann und nur insoweit stützen, als sie die Lösung eines
  332. technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen (BGH, Urteil vom 23. April 2013 - X ZR 27/12, GRUR 2013, 909
  333. Rn. 14 mwN - Fahrzeugnavigationssystem).
  334. (3) Entsprechend dieser Unterscheidung hat der Bundesgerichtshof an-
  335. 33
  336. genommen, dass bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit Anweisungen nicht
  337. zu berücksichtigen sind, wonach die Audiowiedergabe bei einem Fahrzeugnavigationssystem auch Straßennamen umfasst. Zur Begründung hat der Senat
  338. darauf verwiesen, dass sich diese Anweisungen in der Vorgabe erschöpfen,
  339. dass und unter welchen Bedingungen Straßennamen Bestandteil der Audiowiedergabe von Fahranweisungen sein sollen und damit ausschließlich den
  340. Inhalt der dem Nutzer zur Verfügung gestellten Information betreffen (BGH,
  341. GRUR 2013, 909 Rn. 17 - Fahrzeugnavigationssystem). Auch die Praxis der
  342. Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts spiegelt diese Unterschei-
  343. - 14 -
  344. dung wieder. So hat das Europäische Patentamt etwa entschieden, dass eine
  345. Anweisung, wonach bei einer Vorrichtung zur Ermittlung der Erfolgschancen
  346. beim Roulettespiel Informationen über die Wetteinsätze eines bestimmten
  347. Spielers angezeigt werden, keine Berücksichtigung finden können (EPA, Technische
  348. Beschwerdekammer,
  349. Entscheidung
  350. vom
  351. 14. Dezember
  352. 2007
  353. - T 1704/06, S. 7/8). Als nichttechnisch wurde auch die Anweisung angesehen,
  354. bestimmte Informationen über die Eigenschaften eines Diamanten anzuzeigen
  355. (EPA, Technische Beschwerdekammer, Entscheidung vom 28. Februar 2008
  356. - T 619/05, S. 7). Im gleichen Sinne hat der britische High Court die Anweisung,
  357. dem Fahrgast bestimmte Informationen über den Status eines Omnibus zu
  358. vermitteln, als nicht technisch angesehen (Justice Kitchen, High Court,
  359. Chancery
  360. Division,
  361. Patents
  362. Court,
  363. Urteil
  364. vom
  365. 4. November
  366. 2005
  367. - [2005] EWHC 2417). Bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit sind ferner
  368. solche Anweisungen nicht zu berücksichtigen, nach denen bestimmte Inhalte
  369. durch Abweichungen in der Farbe, der Helligkeit oder dergleichen hervorgehoben werden (EPA, Technische Beschwerdekammer, Entscheidung vom
  370. 4. Oktober 1996 - T 599/93; BPatG, Beschluss vom 23. September 2010
  371. - 17 W (pat) 47/06, in Juris; vgl. auch Benkard/Bacher/Melullis, PatG, 10. Aufl.,
  372. § 1 Rn. 148; Busse/Keukenschrijver, PatG, 7. Aufl., § 1 Rn. 68).
  373. Nicht bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit zu berücksichtigen sind
  374. 34
  375. nach einer weiteren Entscheidung des Bundesgerichtshofs Anweisungen, die
  376. die Auswahl einer für Navigationszwecke zweckmäßigen kartografischen Darstellung betreffen (Koordinatentransformation, Sicht aus nach hinten versetzter
  377. Vogelperspektive, Bestimmung der Hauptbetrachtungsrichtung in spitzem Winkel im Hinblick auf die Erdoberfläche, Wiedergabe mit einem die momentane
  378. Bewegung des Fahrzeugs berücksichtigenden und eine simulierte Ist-Position
  379. des Fahrzeugs enthaltenden Raumwinkel). Solche Anweisungen sind nicht Teil
  380. der technischen Lösung, sondern gehören zu der dieser vorgelagerten Auswahl
  381. einer für Navigationszwecke zweckmäßigen kartografischen Darstellung, die
  382. - 15 -
  383. dem Fachmann, sofern er sie nicht bereits selbst als zweckmäßig erkennen
  384. kann, von dem hierfür zuständigen Fachmann, einem Kartografen, Geografen
  385. oder Geodäten, vorgegeben wird (vgl. im Einzelnen BGH, GRUR 2011, 125
  386. Rn. 39 - Wiedergabe topografischer Informationen).
  387. (4) Die in Patentanspruch 1 beanspruchte Lehre unterfällt nicht dem
  388. 35
  389. Patentierungsausschluss nach Art. 52 Abs. 2 Buchst. d, Abs. 3 EPÜ, weil sie
  390. nicht auf die Wiedergabe von Informationen als solche beschränkt ist (BGH,
  391. Urteil vom 19. Mai 2005 - X ZR 188/01, GRUR 2005, 749, 752 - Aufzeichnungsträger, zu § 1 PatG). Die Merkmale M1.3 und M1.4 beziehen sich auf das
  392. Problem, wie eine geordnete Bildfolge - unabhängig von deren Inhalt - so
  393. angezeigt werden kann, dass der Nutzer in die Lage versetzt wird, sie schnell
  394. und effizient zu erfassen. Solche Anweisungen, die zwar die (visuelle)
  395. Informationswiedergabe betreffen, bei denen aber nicht die Vermittlung
  396. bestimmter Inhalte oder deren Vermittlung in besonderer Aufmachung im
  397. Blickpunkt steht, sondern die Präsentation von Bildinhalten in einer Weise, die
  398. auf die physischen Gegebenheiten der menschlichen Wahrnehmung und
  399. Aufnahme von Informationen Rücksicht nimmt und dabei darauf gerichtet ist,
  400. die Wahrnehmung der gezeigten Informationen durch den Menschen in
  401. bestimmter Weise überhaupt erst zu ermöglichen, zu verbessern oder zweckmäßig zu gestalten, dienen der Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln und sind bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit zu
  402. berücksichtigen.
  403. bb) Das Patentgericht hat angenommen, die Lehre aus Patentan-
  404. 36
  405. spruch 1 sei dem Fachmann nahegelegt und beruhe damit nicht auf einer
  406. erfinderischen Tätigkeit. Dem vermag der Senat nicht beizutreten.
  407. (1) D2 offenbart ein System, das eine verschluckbare Kapsel zur Auf-
  408. 37
  409. nahme von Bildern und Vorrichtungen außerhalb des Körpers zum Empfang
  410. dieser Bilder und ihrer Umwandlung in einen Bildstrom umfasst. Mit der Anzeige
  411. - 16 -
  412. der so gewonnenen Bilder befasst sich die D2 nur am Rande. Ihr ist zu entnehmen, dass die von der in der endoskopischen Kapsel angebrachten Kamera
  413. gewonnenen Bilder in Videodaten umgewandelt werden können. Figur 6 zeigt
  414. eine Vorrichtung mit zwei Monitoren, wobei auf einem dargestellt wird, welche
  415. Teile des Verdauungstrakts die endoskopische Kapsel durchwandert, und auf
  416. dem anderen ein von der Kapsel aufgenommenes Bild angezeigt wird. Die von
  417. der Klägerin vorgelegten Entgegenhaltungen geben keine Anregung, von D2
  418. aus zu der in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten technischen Lehre zu
  419. gelangen.
  420. (2) Die Entgegenhaltung D1 betrifft eine Vorrichtung - etwa ein Endo38
  421. skop - zum Aufzeichnen und Anzeigen von Zeitserienbildern. Die Vorrichtung
  422. soll es ermöglichen, Zeitserienbilder, zum Beispiel Videoaufnahmen wie sie bei
  423. einer endoskopischen Untersuchung gewonnen werden, aufzuzeichnen und
  424. mithilfe solcher Bilder Veränderungen eines Objekts über einen Zeitablauf zu
  425. beobachten. Das so gewonnene Bildmaterial kann als Video angezeigt werden,
  426. zugleich soll es aber auch möglich sein, Standbilder zu erzeugen und zu
  427. speichern. Beispielhaft beschäftigt sich D1 mit der Aufzeichnung der Veränderungen eines Tumors im menschlichen Körper bei Gabe eines fluoreszierenden
  428. Mittels, das von diesem anders aufgenommen wird als vom umgebenden Gewebe. Die Aufzeichnung mehrerer Bilder, die eine Beobachtung der Veränderung über eine gewisse Zeit ermöglichen, ist nach der Darstellung in D1 mit
  429. Schwierigkeiten verbunden, weil sowohl das beobachtete Objekt als auch das
  430. Endoskop sich bewegen und ihre Position zueinander verändern können. Vor
  431. diesem Hintergrund sei es wünschenswert, einen Vergleich von Standbildern
  432. mit Zeitserienbildern - im Sprachgebrauch des Streitpatents: mit einem Bildstrom - vornehmen zu können (Sp. 1, 2). Daher soll der Nutzer die Möglichkeit
  433. haben, Bilder, die in zeitlichem Abstand voneinander aufgenommen worden
  434. sind, gleichzeitig anzusehen (Sp. 3, Z. 18 bis 20). Die Vorrichtung umfasst ein
  435. Endoskop, in dessen Kopf eine Kamera angebracht ist, eine bildverarbeitende
  436. - 17 -
  437. Einrichtung, die die von der Kamera aufgenommenen Bilder in entsprechende
  438. elektronische Signale umwandelt, und einen Monitor, auf dem das Signal als
  439. Video - als Bildstrom - angezeigt werden kann (Sp. 6 Z. 1 bis 8 und Z. 30 bis
  440. 44).
  441. Figuren 6 und 22 der D1 lassen erkennen, dass jeweils vier Bilder aus
  442. 39
  443. dem durch das Endoskop gewonnenen Bildmaterial gleichzeitig angezeigt
  444. werden. Die Entgegenhaltung offenbart jedoch - anders als das Patentgericht
  445. angenommen hat - nicht, dass die dort beschriebene Vorrichtung in der Lage
  446. ist, gleichzeitig zwei Teilsatz-Bildströme anzuzeigen. Dies gilt auch für die Beschreibung des dritten Ausführungsbeispiels, die in Spalte 19, Zeile 6 der D1
  447. beginnt und durch die Figuren 17 bis 23 erläutert wird. Figur 22 zeigt eine Anzeige mit vier Bereichen 364, 367a, 367b und 366. Wie sich aus der Beschreibung ergibt, werden zunächst im Bereich 364 Bilddaten sequenziell Rahmen für
  448. Rahmen angezeigt (Sp. 21, Z. 41 bis 46). Sodann wird ein Bild aus diesem
  449. Bildstrom ausgewählt, das als Standbild angezeigt wird (Sp. 21, Z. 47 bis 51).
  450. Anschließend wird lediglich in Bereich 366 ein Bildstrom angezeigt (Sp. 21,
  451. Z. 52 bis 54). Aus diesem können durch "Einfrieren" einzelne Bilder gewonnen
  452. werden, die in die Bereiche 367a oder 367b verschoben werden (Sp. 21, Z. 63
  453. bis Sp. 22 Z. 9). Während also zunächst nur in Bereich 364 ein Bildstrom angezeigt wird, wird zeitlich später nur in Bereich 366 ein Bildstrom angezeigt,
  454. währenddessen die drei anderen Bereiche nur Standbilder - und damit keinen
  455. Bildstrom - zeigen. Damit ist eine gleichzeitige Anzeige von zumindest zwei
  456. Bildströmen auf einem Monitor durch D1 nicht offenbart. Entsprechend wird in
  457. D1 beschrieben (Sp. 22, Z. 43 ff.), dass es einen Bezugsbild-Anzeigeteil
  458. (reference image displaying part) 364 und zwei Anzeigeteile für zeitweilig ausgewählte Bilder (temporarily selected image displaying parts) 367a und 367b
  459. gebe, denen - nur - ein Anzeigeteil für bewegte Bilder (moving picture displaying part) 366 gegenübergestellt wird. Selbst wenn die in den Bereichen 367a und 367b angezeigten Standbilder gelegentlich dadurch ausge-
  460. - 18 -
  461. tauscht werden, dass der Nutzer ein anderes Einzelbild aus dem in Bereich 366
  462. angezeigten Bildstrom auswählt, liegt darin nicht die Anzeige eines TeilsatzBildstroms im oben erläuterten Sinne. Damit kann nicht angenommen werden,
  463. dass D1 eine Anregung zu der in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten
  464. Lehre gibt.
  465. (3) Eine solche Anregung erhält der Fachmann auch nicht aus der US40
  466. Patentschrift 6 198 483 (D7).
  467. Während die Navigation durch einen am Bildschirm angezeigten
  468. 41
  469. Datenbestand - so D7 - herkömmlich mit baumähnlichen Strukturen erfolge,
  470. durch die sich der Nutzer durch Scrollen, Blättern oder dergleichen bewege,
  471. wird in dem Dokument vorgeschlagen, dem Nutzer den Inhalt der Datenbank
  472. durch die bewegte Wiedergabe von Informationen zu vermitteln. Es sei erkannt
  473. worden, dass mehrere Kategorien von Informationen, die gleichzeitig angezeigt
  474. werden, vom Nutzer gut erfasst werden können, wenn die Information in
  475. Bewegung versetzt wird. Die gleichzeitige Wahrnehmung von zwei oder mehr
  476. Sätzen von Informationen erhöhe die Geschwindigkeit, mit der sich der Nutzer
  477. ihren Inhalt aneignen könne (Sp. 2, Z. 7 bis 9). D7 stellt zwei Grund-Modi vor:
  478. Bi- und Quad-Mode. Beim Bi-Mode für Anfänger werden zwei Quadranten
  479. perspektivisch
  480. für
  481. den
  482. Betrachter
  483. dargestellt.
  484. Der
  485. Richtungsfluss
  486. der
  487. Informationen kann entsprechend der nachfolgend eingefügten Figur 4 von D7
  488. - 19 -
  489. in vier Hauptkonfigurationen eingestellt werden. In Konfiguration 1 strömen die
  490. Inhalte im linken Quadranten von links nach rechts und in dem rechten von
  491. rechts nach links; in Konfiguration 2 strömen die Bildinhalte jeweils von der
  492. Mitte aus nach links bzw. rechts außen; in den Konfigurationen 3 und 4 strömen
  493. die linken und rechten Bildinhalte entweder von oben nach unten und von unten
  494. nach oben oder umgekehrt (Figur 4 i. V. mit Spalte 6 Zeile 30 ff.). Dies führt
  495. dazu, dass der Benutzer zwei Anzeigen oder zwei Eingabekanäle erkennt. Als
  496. "falsche" Konfigurationen bezeichnet die Entgegenhaltung es, wenn die
  497. Strömungsrichtungen jeweils richtungsgleich sind, also der linke und rechte
  498. Quadrant nach oben oder unten, von links nach rechts oder von rechts nach
  499. links strömen (Figur 6 i. V. mit Spalte 6 Zeile 49 ff.).
  500. Darin und in den sonstigen Ausführungsbeispielen eine Anregung für die
  501. 42
  502. Vorschläge
  503. des
  504. Streitpatents
  505. zu
  506. sehen,
  507. wäre
  508. das
  509. Ergebnis
  510. einer
  511. rückschauenden Betrachtung in Kenntnis des Streitpatents. Denn es ist nicht
  512. ersichtlich, dass es sich bei den gleichzeitig angezeigten Bildströmen jeweils
  513. um Teilsatz-Bildströme handelt, die einen getrennten Teilsatz von Bildern aus
  514. einem ursprünglichen Bildstrom beinhalten. Auch wenn eine Datenbank eine
  515. Vielzahl einzelner Bilder oder Bildfolgen umfasst, kann darin kein ursprünglicher
  516. Bildstrom im Sinne des Streitpatents gesehen werden, der in TeilsatzBildströme aufgeteilt würde, weil die einzelnen Bilder hier nicht in einer
  517. bestimmten Reihenfolge geordnet sind, so dass insbesondere auch bei einer
  518. rasch aufeinanderfolgenden Wiedergabe der Bilder beim Betrachter nicht der
  519. Eindruck eines Films entstünde. Das gilt auch, soweit D7 als eine
  520. Anwendungsmöglichkeit schildert, Videoclips über chirurgische Verfahren mit
  521. Bildern betreffend das jeweilige Fallszenario in verschiedenen Quadranten
  522. laufen zu lassen. Ein Student könne auf diese Weise in wenigen Minuten
  523. tausend Bilder visuell überfliegen. In diesem Anwendungsbeispiel hat D7 zwar
  524. mit dem Streitpatent die Auswertung heilkundebezogener Bildinhalte gemein.
  525. Das ändert aber nichts daran, dass es bei D7 um einen anderen visuellen
  526. - 20 -
  527. Verwertungsansatz geht als beim Streitpatent, nämlich um die rasche (Grob-)
  528. Sichtung großer Datenmassen. Auch wenn das wie die Lehre des Streitpatents
  529. die menschliche visuelle Aufnahmefähigkeit tangiert, gibt D7 keine hinreichend
  530. konkrete Anregung dafür, die technische Lehre des Streitpatents aufzufinden,
  531. einheitliches Bildmaterial in Gestalt eines ursprünglichen Bildstroms im
  532. Interesse gesteigerten visueller Auswertbarkeit im Detail in mehrere TeilsatzBildströme zu teilen und gleichzeitig anzuzeigen.
  533. Auf die übrigen erstinstanzlich in das Verfahren eingeführten Entgegen43
  534. haltungen ist die Klägerin nicht mehr zurückgekommen, nachdem der Senat in
  535. seinen einführenden Ausführungen zum Ausdruck gebracht hat, dass er die
  536. eingehende Erörterung von D7 in der Berufungserwiderung so versteht, dass
  537. darin der dem Streitpatent zumindest nächstkommende Stand der Technik gesehen wird.
  538. 3. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, dass die
  539. 44
  540. Auffassung des Patentgerichts, der Gegenstand von Patentanspruch 7 sei nicht
  541. patentfähig, nicht zutrifft.
  542. - 21 -
  543. 45
  544. IV. Danach hat das angefochtene Urteil keinen Bestand. Der Senat hat
  545. in der Sache zu entscheiden, weil diese entscheidungsreif ist (§ 119 Abs. 5
  546. Satz 2 PatG). Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 91
  547. Abs. 1 ZPO.
  548. Gröning
  549. Bacher
  550. Deichfuß
  551. Hoffmann
  552. Kober-Dehm
  553. Vorinstanz:
  554. Bundespatentgericht, Entscheidung vom 16.01.2013 - 5 Ni 7/11 (EP) -