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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. X ZR 14/15
  4. vom
  5. 12. September 2016
  6. in dem Rechtsstreit
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. Mähroboter
  14. ZPO § 719 Abs. 1
  15. Eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem Patentverletzungsurteil des Berufungsgerichts im Revisionsverfahren oder im Verfahren der
  16. Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kommt regelmäßig nicht in
  17. Betracht, wenn das Klagepatent in einem nachfolgenden Urteil des Patentgerichts nur teilweise durch die Aufnahme beschränkender Merkmale in einen
  18. oder mehrere Patentansprüche für nichtig erklärt worden ist, das Urteil des Berufungsgerichts tatrichterliche Feststellungen enthält, aus denen sich eine Verwirklichung der Patentansprüche auch in der Fassung des patentgerichtlichen
  19. Urteils ergibt und die Beklagte nicht aufzeigt, dass diese tatrichterlichen Feststellungen im Berufungsurteil verfahrensfehlerhaft getroffen worden sind.
  20. BGH, Beschluss vom 12. September 2016 - X ZR 14/15 - OLG Düsseldorf
  21. LG Düsseldorf
  22. ECLI:DE:BGH:2016:120916BXZR14.15.0
  23. -2-
  24. Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. September 2016
  25. durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski,
  26. Hoffmann, die Richterin Schuster und den Richter Dr. Deichfuß
  27. beschlossen:
  28. Der Antrag der Beklagten auf einstweilige Einstellung der
  29. Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Oberlandesgerichts
  30. Düsseldorf vom 29. Januar 2015 wird zurückgewiesen.
  31. Das Beschwerdeverfahren wird bis zum rechtskräftigen Abschluss des Nichtigkeitsverfahrens betreffend das europäische
  32. Patent 1 512 053 ausgesetzt.
  33. Gründe:
  34. 1
  35. I. Auf die Berufung der Klägerin gegen ein klageabweisendes Urteil
  36. des Landgerichts hat das Berufungsgericht die Beklagte wegen Verletzung des
  37. mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 512 053 (Klagepatents) betreffend ein Verfahren zum Betreiben einer
  38. automatischen Vorrichtung mittels eines elektronischen Leitsystems (Patentanspruch 1) sowie ein elektronisches Leitsystem zum Betreiben einer automatischen Vorrichtung (Patentanspruch 40) durch den Vertrieb von Mährobotern in
  39. drei Ausführungsformen zur Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Rückruf verurteilt sowie die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz festgestellt. Die Revision hat es nicht zugelassen. Dagegen hat die
  40. Beklagte Beschwerde mit dem Ziel der Zulassung der Revision erhoben, über
  41. -3-
  42. die der Senat noch nicht entschieden hat. Unterdessen hat das Patentgericht
  43. auf die während des landgerichtlichen Verfahrens erhobene Nichtigkeitsklage
  44. der Beklagten (5 Ni 19/13) das Klagepatent mit Wirkung für die Bundesrepublik
  45. Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass in die unabhängigen Patentansprüche 1 und 40 jeweils gegenüber der erteilten Fassung folgende beschränkende Merkmale aufgenommen wurden
  46. "said sensing system (11, 12, 13) detects when the magnetic field, which
  47. is being generated from the first current pulse (2), changes direction
  48. and, since the magnetic field on the opposite sides of the cable (1) has
  49. an opposite direction,
  50. recognizes when the automatic device (2) or a receiver (11) for detecting
  51. the magnetic field comprised by the sensing system (11, 12, 13) crosses
  52. the electrical cable (1) or
  53. detects on which side of the electrical cable (1) the automatic device (2)
  54. or a receiver (11) for detecting the magnetic field comprised by the sensing system (11, 12, 13) is positioned",
  55. und sich die Unteransprüche 2, 3, 21, 22, 32 und 33 auf diese Fassung des Patentanspruchs 1 unmittelbar oder mittelbar rückbeziehen.
  56. 2
  57. Das Landgericht hat gegen die Beklagte Zwangsgelder in Höhe von jeweils 5.000 € festgesetzt, um diese zur Vornahme der Auskunftserteilung und
  58. Rechnungslegung sowie zum Rückruf entsprechend dem Urteil des Berufungsgerichts anzuhalten. Nachdem die Beklagte zur Abwendung der weiteren
  59. Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 250.000 € geleistet und beim
  60. -4-
  61. Landgericht Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung gestellt hat, hat die
  62. Klägerin der Beklagten eine Bürgschaftserklärung in gleicher Höhe zustellen
  63. lassen und die Fortsetzung der Vollstreckung aus dem Urteil des Berufungsgerichts angekündigt.
  64. 3
  65. Die Beklagte beantragt die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Berufungsgerichts. Zudem hat sie mit Einlegung der
  66. Nichtzulassungsbeschwerde beantragt, das Beschwerdeverfahren bis zur
  67. rechtskräftigen Entscheidung im Nichtigkeitsverfahren auszusetzen. Die Klägerin ist beiden Anträgen entgegengetreten.
  68. 4
  69. II. Der zulässige Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist nicht begründet.
  70. 5
  71. 1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Zwangsvollstreckung in entsprechender Anwendung von § 719 Abs. 1 ZPO auch im
  72. Revisionsverfahren und im Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision grundsätzlich gegen Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen, wenn das Klagepatent im Patentnichtigkeitsverfahren durch das Patentgericht für nichtig erklärt worden ist. Dies wird durch die Erwägung getragen,
  73. dass der dem angefochtenen Berufungsurteil zu Grunde liegenden Einschätzung, die Nichtigkeitsklage werde voraussichtlich erfolglos bleiben, mit dem Urteil des Patentgerichts die Grundlage entzogen ist, es sei denn, es ergeben sich
  74. im Einzelfall gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass das Urteil des Patentgerichts
  75. im Berufungsverfahren aller Voraussicht nach nicht standhalten wird (BGH, Beschluss vom 16. September 2014 - X ZR 61/13, BGHZ 202, 288 Rn. 7 ff.
  76. - Kurznachrichten).
  77. -5-
  78. 6
  79. Eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt allerdings
  80. regelmäßig nicht in Betracht, wenn das Klagepatent im Urteil des Patentgerichts
  81. nur teilweise durch die Aufnahme beschränkender Merkmale in einen oder
  82. mehrere Patentansprüche für nichtig erklärt worden ist, das Urteil des Berufungsgerichts tatrichterliche Feststellungen enthält, aus denen sich eine Verwirklichung der Patentansprüche auch in der Fassung des patentgerichtlichen
  83. Urteils ergibt und die Beklagte nicht aufzeigt, dass diese tatrichterlichen Feststellungen im Berufungsurteil verfahrensfehlerhaft getroffen worden sind. Denn
  84. die Einschätzung des Berufungsurteils, die Nichtigkeitsklage werde erfolglos
  85. bleiben, ist unter diesen Voraussetzungen durch das Urteil des Patentgerichts
  86. nicht in entscheidungserheblichem Umfang erschüttert worden.
  87. 7
  88. Das entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach es
  89. zur Wahrung des Rechts auf rechtliches Gehör auch dann, wenn das Berufungsgericht den Patentverletzungsstreit auf der Grundlage der erteilten Patentansprüche entschieden hat und das Patent nachfolgend durch ein Patentnichtigkeitsurteil dadurch teilweise für nichtig erklärt wird, dass beschränkende
  90. Merkmale in einen oder mehrere Patentansprüche aufgenommen werden, nicht
  91. erforderlich ist, die Revision zuzulassen, wenn es angesichts der Feststellungen
  92. des Tatrichters nicht erheblich ist, ob das Patent die eine oder andere Fassung
  93. hat (BGH, Beschluss vom 10. November 2009 - X ZR 11/06, GRUR 2010, 272
  94. - Produktionsrückstandsentsorgung).
  95. 8
  96. 2. Im vorliegenden Fall ist dem Tatbestand des Urteils des Berufungsgerichts zu entnehmen, dass sämtliche angegriffene Ausführungsformen einen
  97. Mähroboter und ein elektronisches Leitsystem zur Abgrenzung des Arbeitsbereichs umfassen. Der Mähroboter arbeitet innerhalb einer Fläche, die durch ein
  98. unter der Erdoberfläche verlegtes Stromkabel begrenzt wird. Dieses Begren-
  99. -6-
  100. zungskabel ist über die Andockstation mit dem Stromnetz verbunden. Ein Signalgeber innerhalb der Andockstation leitet in bestimmten Zeitabständen Stromimpulse durch das Kabel. Diese Stromimpulse erzeugen magnetische Felder,
  101. die ein auf dem Mähroboter angebrachter Sensor detektiert und an die Steuereinheit des Mähroboters weiterleitet. Da die Richtung des magnetischen Feldes
  102. auf beiden Seiten des Stromkabels entgegengesetzt ist, erkennt die Steuereinheit anhand dieser Information, ob sich der Mähroboter innerhalb des abgegrenzten Arbeitsbereichs befindet oder das Begrenzungskabel schon überschritten hat.
  103. 9
  104. Daraus folgt, dass das Sensorsystem des elektronischen Leitsystems detektiert, wenn das magnetische Feld seine Richtung ändert, wobei das magnetische Feld von ersten Stromimpulsen generiert wird. Zudem erkennt das Sensorsystem gemäß der ersten Alternative der gegenüber der erteilten Fassung
  105. hinzugekommenen Merkmale, wenn der Mähroboter (die automatische Vorrichtung) oder der Receiver des Sensorsystems zum Detektieren des Magnetfeldes
  106. das elektrische Kabel überquert, wobei das magnetische Feld auf der anderen
  107. Seite des Kabels eine entgegengesetzte Richtung hat.
  108. 10
  109. Die Klägerin hat darauf, dass sich die Verwirklichung dieser in der Fassung des patentgerichtlichen Urteils in die Patentansprüche 1 und 40 aufgenommenen Merkmale aus dem Tatbestand des Berufungsurteils ergibt, bereits
  110. in ihrer Erwiderung auf die Nichtzulassungsbeschwerde hingewiesen. Die Beklagte zeigt in ihrem nachfolgenden Einstellungsantrag nicht auf, weshalb es
  111. unter diesen Umständen an tatrichterlichen Feststellungen zum Vorliegen der
  112. im Urteil des Patentgerichts neu aufgenommenen Merkmale fehlen sollte.
  113. -7-
  114. 11
  115. 3. Soweit sich die Beklagte darüber hinaus auf ihre Berufung gegen das
  116. Urteil des Patentgerichts stützt, in der sie dargelegt habe, dass das Klagepatent
  117. im angegriffenen Umfang uneingeschränkt für nichtig zu erklären sei, ergeben
  118. sich daraus keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beurteilung des Patentgerichts
  119. einer Überprüfung im Berufungsverfahren aller Voraussicht nach nicht standhalten wird.
  120. 12
  121. III. Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens bis zum rechtskräftigen
  122. Abschluss des Nichtigkeitsverfahrens betreffend das Klagepatent ist hingegen
  123. begründet.
  124. 13
  125. Ist ein Patentnichtigkeitsverfahren anhängig, kann im Patentverletzungsverfahren das Verfahren der Beschwerde gegen eine Nichtzulassung der Revision bis zur Entscheidung in dem Patentnichtigkeitsverfahren ausgesetzt werden (BGH, Beschluss vom 6. April 2004 - X ZR 272/02, BGHZ 158, 372
  126. - Druckmaschinen-Temperierungssystem). Bei der insoweit zu treffenden Ermessensentscheidung sind alle für die Entscheidung relevanten Umstände einzubeziehen (BGH, Beschluss vom 28. September 2011 - X ZR 68/10, GRUR
  127. 2012, 93 - Klimaschrank). Im Streitfall hat die Verletzungsbeklagte die Nichtigkeitsklage etwa ein Jahr nach ihrer Erwiderung im Verletzungsverfahren vor
  128. dem Landgericht eingereicht. In dieser Konstellation überwiegt grundsätzlich
  129. noch das Interesse des Verletzungsbeklagten an widerspruchsfreien Entscheidungen gegenüber dem Interesse des Verletzungsklägers an einem zeitnahen
  130. Abschluss des Verletzungsverfahrens. Das Interesse der Verletzungsbeklagten
  131. wird auch nicht dadurch verringert, dass das Berufungsgericht - wie ausgeführt - tatsächliche Feststellungen auch zu den im Urteil des Patentgericht in die
  132. Patentansprüche 1 und 40 neu aufgenommenen Merkmalen getroffen hat.
  133. Denn sollte die Berufung der Verletzungsbeklagten Erfolg haben, wäre das Kla-
  134. -8-
  135. gepatent im angegriffenen Umfang uneingeschränkt für nichtig zu erklären und
  136. entstünde damit ein Widerspruch zur Grundlage des Urteils des Berufungsgerichts.
  137. Meier-Beck
  138. Grabinski
  139. Schuster
  140. Hoffmann
  141. Deichfuß
  142. Vorinstanzen:
  143. LG Düsseldorf, Entscheidung vom 02.07.2013 - 4a O 4/12 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 29.01.2015 - I-15 U 22/14 -