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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. X ZR 212/98
  4. URTEIL
  5. in der Patentnichtigkeitssache
  6. Verkündet am:
  7. 23. Januar 2002
  8. Wermes
  9. Justizhauptsekretär
  10. als Urkundsbeamter
  11. der Geschäftsstelle
  12. -2-
  13. Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
  14. die Richter Prof. Dr. Jestaedt und Scharen, die Richterin Mühlens und den
  15. Richter Dr. Meier-Beck
  16. für Recht erkannt:
  17. Die Berufung gegen das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats)
  18. des Bundespatentgerichts vom 8. September 1998 wird auf Kosten
  19. der Beklagten zurückgewiesen.
  20. Von Rechts wegen
  21. Tatbestand:
  22. Die Beklagte ist als Rechtsnachfolgerin der als Patentinhaberin eingetragenen und mit der Beklagten als übernehmender Gesellschaft verschmolzenen H. Werkstatt-Technik GmbH Inhaberin des am 5. Mai 1994 angemeldeten
  23. deutschen Patents 44 15 931 (Streitpatents). Die Patentansprüche 1 und 5
  24. lauten:
  25. "1. Verfahren zum Ausgleich einer Unwucht an einem Kraftfahrzeugrad, dessen Scheibenrad im Bereich der Radscheibe Materialunterbrechungen und radial durchgehende Radscheibenteile aufweist, bei dem in Abhängigkeit von während eines
  26. -3-
  27. Meßvorgangs ermittelten Meßwerten für eine an der Innenseite
  28. des Scheibenrades befindliche Ausgleichsebene mit zugeordnetem Ausgleichsradius eine Ausgleichsgröße nach Winkellage und Ausgleichsmasse für den mit an der Innenseite des
  29. Scheibenrades zu befestigenden Klebegewichten durchzuführenden Unwuchtausgleich bestimmt wird, dadurch gekennzeichnet, daß die Winkellagen der Materialunterbrechungen
  30. und/oder der radial durchgehenden Radscheibenteile bestimmt
  31. und gespeichert werden, daß die für die in der Innenseite des
  32. Scheibenrades befindliche Ausgleichsebene bestimmte Ausgleichsgröße dann in zwei Ausgleichsmassen in solchen Winkellagen, in denen die radial durchgehenden Radscheibenteile
  33. vorhanden sind, zerlegt wird, wenn die Winkellage der bestimmten Ausgleichsgröße außerhalb der radial durchgehenden Radscheibenteile liegt, und daß die den beiden zerlegten
  34. Ausgleichsmassen entsprechenden Klebegewichte in den zugeordneten
  35. Winkellagen in der Ausgleichsebene an der Innenseite des
  36. Scheibenrades befestigt werden.
  37. 5. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Patentanspruch 1 mit einer Hauptwelle, auf welcher das Kraftfahrzeugrad aufspannbar ist, einer kraftschlüssig mit der Hauptwelle
  38. verbundenen Kraftmeßeinrichtung, einer mit der Hauptwelle
  39. gekoppelten Drehwinkelmeßeinrichtung, einer an die Drehwinkelmeßeinrichtung und an die Kraftmeßeinrichtung angeschlossenen Auswerteeinrichtung zur Bestimmung der Aus-
  40. -4-
  41. gleichsmassen und Winkellagen für den Unwuchtausgleich
  42. mittels Klebegewichten in einer Ausgleichsebene an der Innenseite des Scheibenrades, dadurch gekennzeichnet, daß die
  43. Auswerteeinrichtung (1) an einen Speicher (2) angeschlossen
  44. ist, in welchem die Winkellage der radial durchgehenden Radscheibenteile des an der Hauptwelle (3) befestigten Kraftfahrzeugrades (4) gespeichert sind und daß die Auswerteeinrichtung (1) einen Vektorrechner aufweist, der die von der Drehwinkelmeßeinrichtung (5) und der Kraftmeßeinrichtung (6) g elieferten Meßwerte in Ausgleichsmassen zerlegt, die in den
  45. Winkellagen der radial durchgehenden Radscheibenteile liegen."
  46. Wegen des Wortlauts der Patentanspruch 1 untergeordneten Ansprüche
  47. 2 bis 4 und des Patentanspruch 5 untergeordneten Anspruchs 6 wird auf die
  48. Streitpatentschrift verwiesen.
  49. Mit der Nichtigkeitsklage greift die Klägerin das Streitpatent als mangels
  50. erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig an.
  51. Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt.
  52. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Klage erstrebt.
  53. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
  54. -5-
  55. Als gerichtlicher Sachverständiger hat Univ.-Prof. Dr.-Ing. H. W., ein
  56. schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.
  57. -6-
  58. Entscheidungsgründe:
  59. Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Mit dem Bundespatentgericht
  60. und der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts, die das mit dem
  61. Streitpatent im wesentlichen inhaltsgleiche europäische Patent 681 170 widerrufen hat, ist der Senat der Überzeugung, daß das Streitpatent nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
  62. I. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Ausgleich einer Unwucht an
  63. einem Scheibenrad eines Kraftfahrzeugs und eine Vorrichtung zur Durchführung eines solchen Verfahrens.
  64. Bei dem Verfahren werden durch einen Meßvorgang Meßwerte für eine
  65. an der Innenseite des Scheibenrads befindliche Ausgleichsebene mit zugehörigem Ausgleichsradius ermittelt. In Abhängigkeit von diesen Meßwerten wird
  66. nach Winkellage und Ausgleichsmasse eine Ausgleichsgröße für den Unwuchtausgleich bestimmt, der sodann mit an der Innenseite des Scheibenrads
  67. zu befestigenden Klebegewichten ausgeführt wird.
  68. Die Streitpatentschrift schildert eine solche Befestigung selbstklebender
  69. Ausgleichsgewichte an der Innenseite des Scheibenrads als bei Scheibenrädern bekannt, die keine Felgenhörner zum Befestigen von Unwuchtausgleichgewichten aufweisen. Die Anbringung von Klebegewichten in der Felgenschüssel, wie sie etwa die deutsche Offenlegungsschrift 42 29 865 (D 1) beschreibt,
  70. soll gewährleisten, daß das äußere Erscheinungsbild der Radscheibe durch
  71. das Ausgleichsgewicht nicht beeinträchtigt wird (D 1, Sp. 6, Z. 62-66). Die
  72. -7-
  73. Winkellage des Ausgleichsgewichts wird durch den ermittelten Unwuchtvektor
  74. bestimmt.
  75. Bei Leichtmetallrädern, insbesondere Aluminiumrädern, die als Speichenräder ausgebildet sind, bei denen sich im Bereich der Radscheibe Materialunterbrechungen und radial durchgehende Radscheibenteile abwechseln,
  76. ergibt sich jedoch der Nachteil, daß ein in der Felgenschüssel im Winkelbereich einer Materialunterbrechung angebrachtes Ausgleichsgewicht von außen
  77. sichtbar ist und damit trotz seiner Anbringung an der Innenseite des Scheibenrades optisch als störend empfunden wird.
  78. Der Erfindung liegt das technische Problem zugrunde, den Unwuchtausgleich so durchzuführen, daß diese Beeinträchtigung des äußeren Ersche inungsbildes des Scheibenrades vermieden wird.
  79. Erfindungsgemäß geschieht dies dadurch, daß die Winkellagen der
  80. Materialunterbrechungen und/oder der radial durchgehenden Radscheibenteile
  81. bestimmt und gespeichert werden. Befindet sich in der Winkellage des wie eingangs dargestellt ermittelten Ausgleichsvektors eine Materialunterbrechung,
  82. wird die Ausgleichsgröße in zwei Ausgleichsmassen zerlegt, deren Winkellage
  83. innerhalb der radial durchgehenden Radscheibenteile liegt. Die den beiden
  84. zerlegten Ausgleichsmassen entsprechenden Klebegewichte werden sodann in
  85. den zugeordneten Winkellagen in der Ausgleichsebene an der Innenseite des
  86. Scheibenrades befestigt und sind von außen nicht mehr sichtbar.
  87. Nach Merkmalen gegliedert besteht das erfindungsgemäße Verfahren
  88. zum Ausgleich einer Unwucht an einem Kraftfahrzeugrad, dessen Scheibenrad
  89. -8-
  90. im Bereich der Radscheibe Materialunterbrechungen und radial durchgehende
  91. Radscheibenteile aufweist, aus folgenden Elementen:
  92. 1. Die Winkellagen der Materialunterbrechungen und/oder der radial durchgehenden Radscheibenteile werden bestimmt und gespeichert.
  93. 2. Während eines Meßvorgangs werden Meßwerte für eine an der
  94. Innenseite des Scheibenrads befindliche Ausgleichsebene mit
  95. zugeordnetem Ausgleichsradius ermittelt.
  96. 3. In Abhängigkeit von diesen Meßwerten wird eine Ausgleichsgröße für den Unwuchtausgleich nach Winkellage und Ausgleichsmasse bestimmt.
  97. 4. Liegt die Winkellage der bestimmten Ausgleichsgröße innerhalb
  98. der radial durchgehenden Radscheibenteile, wird das der Ausgleichsmasse entsprechende Klebegewicht in der zugeordneten
  99. Winkellage in der Ausgleichsebene an der Innenseite des
  100. Scheibenrades befestigt.
  101. 5. Liegt die Winkellage der bestimmten Ausgleichsgröße außerhalb
  102. der radial durchgehenden Radscheibenteile,
  103. 5.1 wird die Ausgleichsgröße in zwei Ausgleichsmassen zerlegt,
  104. deren Winkellage innerhalb der radial durchgehenden Radscheibenteile liegt, und
  105. -9-
  106. 5.2 werden die den beiden zerlegten Ausgleichsmassen entsprechenden Klebegewichte in den zugeordneten Winkellagen in
  107. der Ausgleichsebene an der Innenseite des Scheibenrades
  108. befestigt.
  109. Die erfindungsgemäße Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens
  110. nach Anspruch 1
  111. 1. ist versehen mit
  112. 1.1 einer Hauptwelle, auf welcher das Kraftfahrzeugrad aufspannbar ist,
  113. 1.2 einer kraftschlüssig mit der Hauptwelle verbundenen Kraftmeßeinrichtung,
  114. 1.3 einer mit der Hauptwelle gekoppelten Drehwinkelmeßeinrichtung und
  115. 1.4 einer an die Drehwinkelmeßeinrichtung und an die Kraftmeßeinrichtung angeschlossenen Auswerteeinrichtung zur Bestimmung der Ausgleichsmassen und Winkellagen für den Unwuchtausgleich mittels Klebegewichten in einer Ausgleichsebene an der Innenseite des Scheibenrads.
  116. - 10 -
  117. 2. Die Auswerteeinrichtung ist an einen Speicher angeschlossen, in
  118. welchem die Winkellagen der radial durchgehenden Radscheibenteile des an der Hauptwelle befestigten Kraftfahrzeugrades
  119. gespeichert sind.
  120. 3. Die Auswerteeinrichtung weist einen Vektorrechner auf, der die
  121. von der Drehwinkelmeßeinrichtung und der Kraftmeßeinrichtung
  122. gelieferten Meßwerte in Ausgleichsmassen zerlegt, die in den
  123. Winkellagen der radial durchgehenden Radscheibenteile liegen.
  124. II. Das erfindungsgemäße Verfahren ist neu, da im Stand der Technik
  125. die Winkellagen der Materialunterbrechungen und/oder der radial durchgehenden Radscheibenteile nicht bestimmt und demgemäß auch nicht dazu verwendet worden sind, Masse und Winkellage der Ausgleichsgröße festzulegen.
  126. Nach dem Ergebnis der Verhandlung und Beweisaufnahme steht jedoch zur
  127. Überzeugung des Senats fest, daß der Stand der Technik dem Fachmann das
  128. erfindungsgemäße Verfahren nahegelegt hat, so daß es zu seiner Auffindung
  129. keiner erfinderischen Tätigkeit bedurfte (§§ 1 Abs. 1, 4, 21 Abs. 1 Nr. 1, 22
  130. Abs. 1 PatG).
  131. 1. Als Fachmann ist nach den überzeugenden und auch von den Parteien nicht angegriffenen Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen ein
  132. Ingenieur mit Fachhochschul- oder Universitätsabschluß anzusehen, der ein
  133. Studium des allgemeinen Maschinenbaus (mit den Schwerpunkten Maschinendynamik oder Schwingungslehre), der Konstruktions- oder auch der Feinwerktechnik absolviert und in einem mit der Prüfstandstechnik befaßten, in der Regel spezialisierten Unternehmen zu den in diesem Bereich erforderlichen tief-
  134. - 11 -
  135. greifenden physikalischen Kenntnissen und dem notwendigen hohen Abstraktionsvermögen entsprechende praktische Erfahrungen erworben hat.
  136. 2. Diesem Fachmann war das Verfahren bekannt, Meßwerte für eine an
  137. der Innenseite des Scheibenrads befindliche Ausgleichsebene mit zugeordnetem Ausgleichsradius zu ermitteln, in Abhängigkeit von diesen Meßwerten eine
  138. Ausgleichsgröße für den Unwuchtausgleich nach Winkellage und Ausgleichsmasse zu bestimmen und das der Ausgleichsmasse entsprechende Klebegewicht in der zugeordneten Winkellage in der Ausgleichsebene an der Innenseite des Scheibenrades zu befestigen (Merkmale 2 bis 4). Ein solches Verfahren wird in der in der Streitpatentschrift erörterten deutschen Offenlegungsschrift 42 29 865 ebenso dargestellt wie in dem gleichfalls erwähnten Prospekt
  139. "geodyna 3000/geodyna 3500" der Beklagten (D 6).
  140. Der Fachmann mußte dabei schon im Hinblick auf das optische Erscheinungsbild der - in der Regel hochpreisigen - Scheibenräder grundsätzlich bestrebt sein, die Ausgleichsmassen so anzuordnen, daß sich insoweit keine störenden Beeinträchtigungen durch sichtbare Klebegewichte ergaben. Beispielhaft wird dies durch die Offenlegungsschrift 42 29 865 mit dem Hinweis belegt,
  141. durch das Anbringen eines versteckten Klebegewichts in der Felgenschüssel
  142. werde das attraktive Erscheinungsbild des Kraftfahrzeugrades, insbesondere
  143. Leichtmetallrades, nicht gestört (Sp. 6 Z. 62-66). Ebenso betont die Firmenschrift "geodyna" der Beklagten (S. 4) die Zielsetzung, Klebegewichte so zu
  144. plazieren, daß "wertvolle Alu-Räder ... nicht mehr durch falsch angebrachte
  145. Gewichte beschädigt oder die Optik negativ beeinflußt" wird.
  146. - 12 -
  147. 3. Infolge der Materialdurchbrechungen in der Radscheibe genügt bei
  148. Speichenrädern die Anordnung in der Felgenschüssel allein zur versteckten
  149. Anbringung der Klebegewichte jedoch nicht. Fällt nämlich die für die Ausgleichsgröße ermittelte Winkellage in einen durchbrochenen und damit von
  150. außen einsehbaren Bereich und wird das Klebegewicht dort angebracht, ergibt
  151. sich genau diejenige Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes des Rades, die
  152. der Fachmann zu vermeiden trachtete und die er als für den Nutzer des Fahrzeuges umso weniger hinnehmbar ansehen mußte, desto mehr Wert dieser
  153. Nutzer - insbesondere bei auch auf optische Wirkung abzielenden hochpreisigen Leichtmetallrädern - auf das äußere Erscheinungsbild legte.
  154. Daraus ergab sich für den Fachmann unmittelbar die Forderung, die
  155. Klebegewichte in der Felgenschüssel dort anzubringen, wo sie nicht sichtbar
  156. sind, nämlich in den Winkellagen, in denen die Radscheibe nicht durchbrochen
  157. ist, sondern sich auf der Außenseite radial durchgehende Radscheibenteile
  158. befinden, durch die das optisch störende Ausgleichsgewicht verdeckt wird. Das
  159. gebot immer dann eine Verlagerung des Anbringungsortes der Ausgleichsmasse, wenn deren auf herkömmliche Weise errechnete Winkellage nach diesem Kriterium nicht verwendet werden konnte. Wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, war es für den Fachmann selbstverständlich, daß er für eine solche Verlagerung ihres Anbringungsortes die Ausgleichsmasse aufteilen konnte und mußte. Die Methode einer solchen Aufteilung, nämlich die Zerlegung des Ausgleichsvektors in zwei Vektoren geeigneter
  160. Winkellagen und die Bestimmung der entsprechenden Ausgleichsmassen, gehörte, wie der gerichtliche Sachverständige weiter ausgeführt hat, zum elementaren "Handwerkzeug" des Fachmanns.
  161. - 13 -
  162. Der gerichtliche Sachverständige hat demgemäß in der US-Patentschrift
  163. 4 357 832 (D 12), die sich allgemein mit einer elektronischen Auswuchtvorrichtung für drehende Körper befaßt, nach den Ausführungen des Sachverständigen jedoch vornehmlich auf schnell drehende Rotoren wie etwa Turbinen
  164. zielt, nur ein Beispiel für die Anwendung dieser dem Fachmann bekannten
  165. Aufteilung der Ausgleichsgröße gesehen. Dort wird im Anschluß an den Hi nweis (Sp. 8 Z. 58-67), daß es notwendig sein könne, die Ausgleichsmasse an
  166. anderen als den ermittelten Punkten anzubringen, weil diese nicht mit vorgesehenen Gewindebohrungen für die Aufnahme von Ausgleichsgewichten zusammenfallen oder nicht - wie erforderlich - auf einer Schaufel einer Schaufelturbine liegen, vorgeschlagen, in diesem Fall den einzelnen Vektor in zwei
  167. Vektoren aufzulösen, die die Aufnahmebohrungen oder die Schaufeln schneiden. Unter Bezugnahme auf Figur 1 der Druckschrift wird beschrieben (Sp. 9
  168. Z. 13-24), daß der Mikroprozessor so programmiert sei, daß der Computer den
  169. Ausgleichsvektor in zwei Vektoren auflöse, deren Größe und Winkel von den
  170. Anzeigen 40, 42 und 44, 46 wiedergegeben würden, wenn die Anzahl der Aufnahmepunkte für die Ausgleichsgewichte über den Schalter 34 eingegeben
  171. werde.
  172. Um das der Erfindung zugrundeliegende Problem zu lösen, mußte der
  173. Fachmann nach alledem lediglich die ihm bekannte, in der US-Patentschrift 4
  174. 357 832 beispielhaft bei einer beschränkten Anzahl von Gewindebohrungen
  175. oder möglichen Anbringungsorten für Ausgleichsmassen bei einer Schaufelturbine herangezogene Zerlegung des Ausgleichsvektors auf den Fall anwenden,
  176. daß ein Ausgleichsgewicht wegen der optischen Wirkung an anderen als der
  177. errechneten, nämlich an von außen nicht einsehbaren Stellen angebracht werden soll. Um dies tun zu können, d.h. die Ausgleichsgröße in zwei Ausgleichs-
  178. - 14 -
  179. massen zerlegen zu können, deren Winkellage innerhalb der radial durchgehenden Radscheibenteile liegt (Merkmal 5.1), mußte der Fachmann zwangsläufig zunächst die Winkellagen der radial durchgehenden Radscheibenteile in
  180. irgendeiner, auch vom Streitpatent offengelassenen Weise bestimmen und (für
  181. die Berechnung) speichern (Merkmal 1). Daß die den beiden zerlegten Ausgleichsmassen entsprechenden Klebegewichte schließlich in den zugeordneten Winkellagen in der Ausgleichsebene an der Innenseite des Scheibenrades
  182. zu befestigen sind (Merkmal 5.2), versteht sich von selbst; dazu werden Ausgleichsmassen und Winkellagen bestimmt.
  183. 4. Bei dieser Sachlage kann der von der Beklagten hervorgehobene Gesichtspunkt, daß die versteckte Anbringung eines Ausgleichsgewichts einerseits und die Aufteilungsmöglichkeit für ein Ausgleichsgewicht in zwei Ersatzgewichte andererseits lange Zeit jeweils für sich bekannt gewesen seien, ohne
  184. daß die Fachwelt beides miteinander in Verbindung gebracht habe, keine andere Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit rechtfertigen.
  185. Im übrigen kann eine solche zeitliche Entwicklung zwar indiziell für die
  186. Notwendigkeit einer erfinderischen Tätigkeit sprechen (Sen.Urt. v. 26.1.1982
  187. - X ZR 27/79, GRUR 1982, 289, 290 - Massenausgleich). Bereits das Bundespatentgericht hat jedoch unter Verweis auf die aus dem Jahre 1994 stammende Druckschrift "geodyna" der Beklagten, in der von einem "ständig wachsenden Anteil an Leichtmetallfelgen" gesprochen wird, darauf hingewiesen,
  188. daß Fragen der Optik von Kraftfahrzeugrädern in jüngerer Zeit insbesondere
  189. durch die Verbreitung von hochpreisigen Leichtmetallrädern und die damit gestiegenen Anforderungen der Kunden an das optische Erscheinungsbild erheblich an Bedeutung gewonnen hätten. Der gerichtliche Sachverständige hat
  190. - 15 -
  191. diese ähnlich auch von der Einspruchsabteilung des EPA herangezogene Entwicklung durch den Hinweis untermauert, daß die von modernen Serienfahrzeugen erreichbaren hohen Geschwindigkeiten Speichenräder auch zur Abfuhr
  192. der Bremswärme erforderten oder jedenfalls zweckmäßig machten. Besteht
  193. indes das von der Erfindung befriedigte Bedürfnis erst seit kürzerer Zeit, läßt
  194. sich aus dem "Zeitmoment" kein beachtliches Argument für eine erfinderische
  195. Tätigkeit ableiten (Sen.Urt. vom 4.6.1996 - X ZR 49/94, GRUR 1996, 857, 861
  196. f. - Rauchgasklappe; EPA, GRUR Int. 1983, 650, 653 - Metallveredlung/BASF).
  197. Daß sich die Erfindung des Streitpatents, wie die Beklagte behauptet, in der
  198. Praxis weithin durchgesetzt hat, besagt unter den gegebenen Umständen für
  199. sich allein ebenfalls nichts (vgl. Sen.Urt. vom 4.6.1996 - X ZR 49/94,
  200. GRUR 1996, 857, 862 - Rauchgasklappe).
  201. III. Aus den gleichen Gründen fehlt auch dem nebengeordneten Vorrichtungsanspruch 5 die Patentfähigkeit. Die in Merkmal 1 bezeichneten Vorrichtungselemente Hauptwelle (Merkmal 1.1), Kraftmeßeinrichtung (Merkmal
  202. 1.2), Drehwinkelmeßeinrichtung (Merkmal 1.3) und Auswerteeinrichtung
  203. (Merkmal 1.4) sind notwendige Bestandteile einer Auswuchtmaschine, die das
  204. Verfahren nach der deutschen Offenlegungsschrift 42 29 865 ausführen kann
  205. und etwa in dem Prospekt "geodyna 3000/geodyna 3500" der Beklagten dargestellt ist. Der Speicher, in welchem die Winkellagen der radial durchgehenden Radscheibenteile des an der Hauptwelle befestigten Kraftfahrzeugrades
  206. gespeichert sind und an den die Auswerteeinrichtung angeschlossen ist
  207. (Merkmal 2), und der Vektorrechner, der die von der Drehwinkelmeßeinrichtung
  208. und der Kraftmeßeinrichtung gelieferten Meßwerte in Ausgleichsmassen ze rlegt, die in den Winkellagen der radial durchgehenden Radscheibenteile liegen
  209. (Merkmal 3), sind die vorrichtungsmäßigen Hilfsmittel, mit denen die Verfah-
  210. - 16 -
  211. rensmerkmale 1 und 5.1 ausgeführt werden. Sie sind lediglich abstrakt und als
  212. dem Fachmann bekannte Standardbauelemente bezeichnet; in der Funktion, in
  213. der sie nach Anspruch 5 verwendet werden, sind sie ebenso wie die Verfahrensmaßnahmen selbst beispielsweise der US-Patentschrift 4 357 832 zu entnehmen. Auch die Beklagte nimmt für ihre Entwicklung eine erfinderische Leistung nicht in Anspruch.
  214. IV. Die Unteransprüche 2 bis 4 und 6 enthalten für die praktische Ausführung zweckmäßige handwerkliche Ausgestaltungen der Lehre nach den
  215. Patentansprüchen 1 und 5, die gleichfalls nichts Patentfähiges enthalten; die
  216. Beklagte macht insoweit auch nichts geltend.
  217. V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V.m.
  218. § 97 Abs. 1 ZPO.
  219. Melullis
  220. Jestaedt
  221. Mühlens
  222. Scharen
  223. Meier-Beck