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953 lines
58 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. X ZR 141/13
  5. Verkündet am:
  6. 19. Januar 2016
  7. Hartmann
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in der Patentnichtigkeitssache
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. Rezeptortyrosinkinase
  19. EPÜ Art. 52 Abs. 2 Buchst. a, Abs. 3; PatG § 1 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4, § 1a
  20. Abs. 1, 2
  21. Eine Lehre zum technischen Handeln, die die Nutzung einer Entdeckung zur
  22. Herbeiführung eines bestimmten Erfolgs lehrt, ist dem Patentschutz unabhängig
  23. davon zugänglich, ob die Lehre über die zweckgerichtete Nutzung des aufgedeckten naturgesetzlichen Zusammenhangs hinaus einen "erfinderischen Überschuss" enthält. Dies gilt auch für die Bereitstellung einer für ein Humanprotein
  24. codierenden Nukleinsäuresequenz. Einer Kennzeichnung der Sequenz als isoliert oder durch ein technisches Verfahren gewonnen im Patentanspruch bedarf
  25. es dabei nicht.
  26. BGH, Urteil vom 19. Januar 2016 - X ZR 141/13 - Bundespatentgericht
  27. ECLI:DE:BGH:2016:190116UXZR141.13.0
  28. -2-
  29. Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  30. vom 19. Januar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die
  31. Richter Gröning und Dr. Bacher sowie die Richterinnen Schuster und
  32. Dr. Kober-Dehm
  33. für Recht erkannt:
  34. Auf die Rechtsmittel der Parteien wird das am 9. Juli 2013 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert.
  35. Das europäische Patent 959 132 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland insoweit für nichtig erklärt, als es über folgende Fassung der Patentansprüche hinausgeht:
  36. "1. Nucleinsäuremolekül einer Tandemverdopplungsmutante, das
  37. FMS-artige Tyrosinkinase 3 (FLT3) codiert, wobei das Nucleinsäuremolekül eine Nucleotidsequenz hat entsprechend:
  38. (a) einer Tandemverdopplungsmutation in der Aminosäuresequenz der Juxtamembran von FLT3, oder
  39. (b) einer Tandemverdopplungsmutation in der Nucleotidsequenz von Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von FLT3 ohne Verschiebung des Leserasters.
  40. 2.
  41. Nucleinsäuremolekül mit einer Nucleinsäuresequenz entsprechend:
  42. (a) einer Tandemverdopplungsmutation in der Aminosäuresequenz der Juxtamembran von FLT3, oder
  43. (b) einer Tandemverdopplungsmutation in der Nucleotidsequenz von Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von FLT3 ohne
  44. Verschiebung des Leserasters.
  45. 3.
  46. [entfällt]
  47. 4.
  48. Polypeptid, das von dem Nucleinsäuremolekül nach Anspruch 1
  49. oder dem Nucleinsäuremolekül nach Anspruch 2 codiert wird.
  50. 5.
  51. Zelle, die das Nucleinsäuremolekül nach Anspruch 1 oder das
  52. Nucleinsäuremolekül nach Anspruch 2 oder das Polypeptid
  53. nach Anspruch 4 exprimiert.
  54. -3-
  55. 6.
  56. Antikörper, der spezifisch ist für das Polypeptid nach Anspruch 4.
  57. 7.
  58. Verfahren zum Nachweis des Nucleinsäuremoleküls nach Anspruch 1 oder des Nucleinsäuremoleküls nach Anspruch 2, umfassend die Schritte:
  59. (a) Durchführung einer Genamplifikationsreaktion mit einer
  60. Nucleinsäureprobe von einem Menschen, wobei ein
  61. Nucleinsäurefragment, das Exon 11 oder Exons 11 bis 12
  62. des FMS-artigen Tyrosinkinase-3-(FLT3)-Gens umfasst
  63. und eine Tandemverdopplungsmutation in der Juxtamembran hat, amplifiziert wird, welches im FLT3-Gen gefunden
  64. werden kann;
  65. (b) Nachweis der Anwesenheit der Tandemverdopplungsmutation in dem Nucleinsäurefragment aus Schritt (a).
  66. 8.
  67. Verfahren nach Anspruch 7, wobei Schritt (b) ausgeführt wird
  68. durch Vergleichen des amplifizierten Nucleinsäurefragments,
  69. erhalten in Schritt (a), mit einer Sequenz, die von einer normalen FLT3 abgeleitet ist, wobei auf diese Weise die Anwesenheit
  70. einer Tandemverdopplungsmutation in der Juxtamembran
  71. nachgewiesen wird.
  72. 9.
  73. Verfahren nach Anspruch 7 oder 8, wobei in Schritt (b) eine
  74. Längenmutation als Indikator für die Tandemverdopplungsmutation verwendet wird.
  75. 10. Verfahren nach einem der Ansprüche 7 bis 9, wobei die GenAmplifikationsreaktion in Schritt (a) mit einem Primerpaar ausgeführt wird, ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus: SEQ
  76. lD NOs: 26 und 27, SEQ lD NOs: 30 und 31 und SEQ lD NOs:
  77. 32 und 33.
  78. 11. Verfahren nach einem der Ansprüche 7 bis 10, wobei die Tandemverdopplungsmutation nicht in einem Gen einer normalen
  79. Testperson gefunden wird.
  80. 12. [entfällt]
  81. 13. Kit für ein Verfahren gemäß einem der Ansprüche 7 bis 11, wobei der Kit Primer für die Amplifikation einer Region umfasst, die
  82. Exon 11 oder Exons 11 bis 12 des FLT3-Gens umfasst, wobei
  83. diese Primer ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus:
  84. SEQ ID NOs: 26 und 27, SEQ ID NOs: 30 und 31 und SEQ ID
  85. NOs: 32 und 33.
  86. 14. Verwendung einer blutbildenden Stammzelle, die ein Nucleinsäuremolekül exprimiert, das ein Tandemverdopplungsmutations-FLT3-Polypeptid codiert, und einer Zelle, die das normale
  87. FLT3 exprimiert, zur Durchmusterung auf einen Arzneistoff zur
  88. Untersuchung und Behandlung einer Blutzellerkrankung oder
  89. einer Erkrankung blutbildender Stammzellen, wobei dieses Nucleinsäuremolekül eine Tandemverdopplungsmutation in einer
  90. -4-
  91. Juxtamembran-Nucleotidsequenz ohne Verschiebung des Leserasters hat.
  92. 15. Verwendung einer blutbildenden Stammzelle, die das Nucleinsäuremolekül nach Anspruch 1 oder das Nucleinsäuremolekül
  93. nach Anspruch 2 oder das Polypeptid nach Anspruch 4 exprimiert, und einer Zelle, die das normale FLT3 exprimiert, zur
  94. Durchmusterung auf einen Arzneistoff zur Untersuchung und
  95. Behandlung einer Blutzellerkrankung oder einer Erkrankung
  96. blutbildender Stammzellen.
  97. 16. Verwendung des Nucleinsäuremoleküls nach Anspruch 1 oder
  98. des Nucleinsäuremoleküls nach Anspruch 2 für die Herstellung
  99. eines Arzneimittels zur Regulation der Proliferation, der Immunantwort oder der Signalinformationsübertragung einer Blutzelle
  100. oder einer blutbildenden Stammzelle.
  101. 17. Arzneimittel umfassend das Nucleinsäuremolekül nach Anspruch 1 und/oder das Nucleinsäuremolekül nach Anspruch 2
  102. und/oder das Polypeptid nach Anspruch 4 und/oder den Antikörper nach Anspruch 6 und, gegebenenfalls, einen pharmazeutisch verträglichen Träger und/oder Verdünnungsmittel.
  103. 18. Kit zum Nachweis des Polypeptids nach Anspruch 4, wobei der
  104. Kit den Antikörper nach Anspruch 6 umfasst."
  105. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  106. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
  107. Von den Kosten des Rechtsstreits fallen drei Viertel der Klägerin
  108. und ein Viertel der Beklagten zur Last.
  109. Von Rechts wegen
  110. Tatbestand:
  111. 1
  112. Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik
  113. Deutschland erteilten europäischen Patents 959 132 (Streitpatents), das am
  114. 13. Oktober 1997 unter Inanspruchnahme einer japanischen Priorität vom
  115. -5-
  116. 18. Oktober 1996 international angemeldet worden ist und eine Nucleinsäure
  117. betrifft, die für eine Rezeptorproteinkinase codiert. Das Streitpatent hat ferner
  118. ein Polypeptid, eine Zelle, einen Antikörper, Kits und Arzneimittel, die Verwendung von blutbildenden Stammzellen und von Nucleinsäuremolekülen sowie
  119. Verfahren zum Nachweis der beanspruchten Nucleinsäure zum Gegenstand.
  120. Es umfasst 20 Patentansprüche, von denen die nebengeordneten Patentansprüche 1 bis 7, 12, 14 und 16 bis 20 in der Verfahrenssprache wie folgt lauten:
  121. "1. A nucleic acid molecule of a tandem duplication mutant encoding FMS-like
  122. tyrosine kinase 3 (FLT3), wherein said nucleic acid molecule has a nucleotide sequence corresponding to:
  123. (a) a tandem duplication mutation in the amino acid sequence of juxtamembrane of FLT3, or
  124. (b) a tandem duplication mutation in the nucleotide sequence of a region
  125. comprising exon 11 or exons 11 to 12 of FLT3.
  126. 2.
  127. A nucleic acid molecule having a nucleotide sequence corresponding to:
  128. (a) a tandem duplication mutation in the amino acid sequence of juxtamembrane of FLT3, or
  129. (b) a tandem duplication mutation in the nucleotide sequence of a region
  130. comprising exon 11 or exons 11 to 12 of FLT3.
  131. 3.
  132. A nucleic acid molecule capable of specifically hybridizing under stringent
  133. conditions to a nucleic acid molecule corresponding to:
  134. (a) a tandem duplication mutation in the amino acid sequence of juxtamembrane of FLT3, or
  135. (b) a tandem duplication mutation in the nucleotide sequence of a region
  136. comprising exon 11 or exons 11 to 12 of FLT3 in the nucleic acid of
  137. claim 1.
  138. 4.
  139. A polypeptide encoded by the nucleic acid molecule of claim 1, or the nucleic acid molecule of claim 2.
  140. 5.
  141. A cell expressing the nucleic acid molecule of claim 1, or the nucleic acid
  142. molecule of claim 2, or the polypeptide of claim 4.
  143. 6.
  144. An antibody which is specific for the polypeptide of claim 4.
  145. 7.
  146. A method for detecting the nucleic acid molecule of claim 1, or the nucleic
  147. acid molecule of claim 2, comprising the steps of:
  148. (a) subjecting a nucleic acid sample from a human to a gene amplification
  149. reaction, wherein a nucleic acid fragment comprising exon 11 or exons 11 to 12 of the FMS-like tyrosine kinase 3 (FLT3) gene and having a tandem duplication mutation in the juxtamembrane is amplified,
  150. which can be found in FLT3 gene;
  151. -6-
  152. (b) detecting the presence of the tandem duplication mutation in the nucleic acid fragment of step (a).
  153. 12. A kit for the method of any one of claims 7 to 11, wherein said kit comprises primers for amplifying a region comprising exon 11 or exons 11 to 12 of
  154. the FLT3 gene.
  155. 14. Use of a hematopoietic stem cell expressing a nucleic acid molecule encoding a tandem duplication mutant polypeptide and a cell expressing the
  156. normal FLT3 for screening a drug for examination and treatment of a blood
  157. cell disease or a hematopoietic stem cell disease.
  158. 16. Use of a hematopoietic stem cell expressing the nucleic acid molecule of
  159. claim 1, or the nucleic acid molecule of claim 2, or the polypeptide of claim
  160. 4 and a cell expressing the normal FLT3 for screening a drug for examination and treatment of a blood cell disease or a hematopoietic stem cell disease.
  161. 17. Use of the nucleic acid molecule of claim 1, or the nucleic acid molecule of
  162. claim 2 for the preparation of a drug for regulating proliferation, immune response or signal information transmission of a blood cell or a hematopoietic stem cell.
  163. 18. Use of the nucleic acid molecule of claim 1, or the nucleic acid molecule of
  164. claim 2, or polypeptide of claim 4, for the preparation of material used for
  165. pathologic judgment of myelodysplastic syndrome (MDS) or leukemia.
  166. 19. A pharmaceutical composition comprising the nucleic acid molecule of
  167. claim 1, and/or the of claim 12 and, optionally, a pharmaceutically acceptable nucleic acid molecule of claim 2, and/or the nucleic acid molecule of
  168. claim 3, and/or the polypeptide of claim 4, and/or the antibody carrier
  169. and/or diluent.
  170. 20. A kit for detection of the polypeptide of claim 4, wherein the kit comprises
  171. the antibody of claim 6."
  172. 2
  173. Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand der Patentansprüche 1 bis 11 sei von der Patentierbarkeit ausgeschlossen. Die Patentansprüche 1 bis 6 hätten nicht patentierbare Entdeckungen zum Gegenstand, die von
  174. der Patentierbarkeit ausgeschlossene Teile des menschlichen Körpers beträfen. Mit den Patentansprüchen 7 bis 11 werde ein nicht patentierbares Diagnostizierverfahren am menschlichen Körper beansprucht. Ferner seien die Gegenstände des Streitpatents nicht patentfähig und gingen über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus. Schließlich sei der Gegenstand
  175. -7-
  176. von Patentanspruch 7 in Bezug auf den Nachweis der Tandemverdopplungsmutation nicht ausführbar offenbart.
  177. 3
  178. Die Beklagte hat das Streitpatent im Hauptantrag und in drei Hilfsanträgen in gegenüber der erteilten Fassung abgeänderten Fassungen verteidigt.
  179. 4
  180. Das Patentgericht hat das Streitpatent dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass es seinen Patentansprüchen in deutscher Sprache eine Fassung
  181. gegeben hat, die der mit dem erstinstanzlichen Hilfsantrag III verteidigten Fassung der Patentansprüche 7 bis 15 entspricht.
  182. 5
  183. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie das Streitpatent mit dem Hauptantrag zuletzt in der aus dem Tenor ersichtlichen Fassung
  184. verteidigt, die sich von der vor dem Patentgericht verteidigten Fassung durch
  185. den Wegfall der Ansprüche 3 und 12, Änderungen in den Ansprüchen 1, 2, 13
  186. und 14 sowie eine aufgrund des Wegfalls von Anspruch 3 erforderliche Anpassung in Anspruch 17 unterscheidet. Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent mit
  187. fünf weiteren geänderten Fassungen.
  188. 6
  189. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen und verfolgt mit ihrer Berufung den erstinstanzlichen Antrag auf vollständige Nichtigerklärung des Streitpatents weiter.
  190. Entscheidungsgründe:
  191. 7
  192. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, die Berufung der
  193. Klägerin hingegen unbegründet.
  194. -8-
  195. 8
  196. I.
  197. Das Streitpatent betrifft ein für eine Rezeptorproteinkinase, nämlich
  198. die FMS-artige Tyrosinkinase 3 (FLT3), codierendes Nucleinsäuremolekül und
  199. ein Verfahren zu dessen Nachweis.
  200. 9
  201. 1. Wie die Beschreibung des Streitpatents erläutert, werden die Proliferation und die Differenzierung von Zellen sowie die Reaktionen von Zellen auf
  202. unterschiedliche Reize durch Wachstumsfaktoren gesteuert, die über für sie
  203. spezifische Rezeptoren wirken. Rezeptoren, die eine Tyrosinkinase-Domäne
  204. enthalten, werden als Rezeptortyrosinkinasen (RTK) bezeichnet (Beschr.
  205. Abs. 2). Sie umfassen jeweils eine extrazelluläre Region, eine TransmembranRegion sowie eine intrazelluläre Region, die eine Tyrosinkinasedomäne und
  206. eine Juxtamembran zwischen der Transmembran-Region und der Tyrosinkinasedomäne enthält, und werden aufgrund ihrer strukturellen Eigenschaften und
  207. ihrer Aminosäuresequenz-Homologie in vier Typen unterteilt (Beschr. Abs. 3).
  208. Die FMS-artige Tyrosinkinase 3 (FLT3), die von leukämischen Zellen exprimiert
  209. wird, ist als Rezeptor des Typs III bekannt (Beschr. Abs. 8). Bei den Rezeptortyrosinkinasen dieses Typs erfolgt der Zusammenschluss von Zellen zu einem
  210. Verband, beispielsweise die Verdopplung, durch die Bindung eines Liganden,
  211. zum Beispiel eines Wachstumsfaktors, an die extrazelluläre Region, was die
  212. Aktivierung der Kinase zur Folge hat (Beschr. Abs. 9).
  213. 10
  214. Die Streitpatentschrift schildert die Ausgangslage im Prioritätszeitpunkt
  215. der Erfindung wie folgt: Es sei vermutet worden, Zellen vermehrten sich im Falle
  216. einer Leukämieerkrankung aufgrund einer autokrinen, d.h. von der Zelle selbst
  217. ausgehenden, Stimulation, da der FLT3-Ligand in nahezu allen leukämischen
  218. Zellen exprimiert werde. Außerdem sei berichtet worden, dass FLT3-mRNA in
  219. lymphatischen leukämischen Zellen und leukämischen Myelocyten exprimiert
  220. werde. Es sei jedoch nicht bekannt gewesen, wie die Expression der BotenRNA mit der Pathologie von lymphatischer und myeloischer Leukämie zusam-
  221. -9-
  222. menhänge (Beschr. Abs. 10). Bis zum Prioritätszeitpunkt hätten zwar eine
  223. menschliche FLT3-cDNA kloniert sowie die cDNA-Nucleotidsequenz und die
  224. Aminosäuresequenz des FLT3-Proteins bestimmt werden können. Jedoch seien weder Struktur noch Funktion der FMS-artigen Tyrosinkinase 3 während der
  225. Differenzierung von blutbildenden Stammzellen und der bösartigen Veränderung von leukämischen Zellen gut analysiert gewesen (Beschr. Abs. 11).
  226. 11
  227. 2. Das Patentgericht hat hieraus zutreffend abgeleitet, das Streitpatent
  228. betreffe das technische Problem, eine für das FLT3-Gen codierende Nucleinsäure bereitzustellen, die aufgrund genetischer Veränderungen als Marker bei
  229. der Diagnose leukämischer Erkrankungen verwendet werden kann.
  230. 12
  231. 3. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in seiner zuletzt
  232. verteidigten Fassung in den Patentansprüchen 1 und 2 jeweils ein Nucleinsäuremolekül vor, in Anspruch 4 ein Polypeptid, in Anspruch 5 eine Zelle, in Anspruch 6 einen Antikörper, in Anspruch 7 ein Verfahren zum Nachweis der mit
  233. den Ansprüchen 1 und 2 beanspruchten Nucleinsäuremoleküle, in Anspruch 13
  234. ein Kit für das mit den Ansprüchen 7 bis 11 beanspruchte Verfahren, in den Ansprüchen 14 und 15 die Verwendung blutbildender Stammzellen, in Anspruch
  235. 16 die Verwendung der mit den Ansprüchen 1 und 2 beanspruchten Nucleinsäuremoleküle, in Anspruch 17 ein Arzneimittel und in Anspruch 18 ein Kit zum
  236. Nachweis des Polypeptids.
  237. 13
  238. a) Die Merkmale des Nucleinsäuremoleküls nach Patentanspruch 1 in
  239. der im Berufungsverfahren zuletzt verteidigten Fassung lassen sich wie folgt
  240. gliedern:
  241. 1. Nucleinsäuremolekül einer Tandemverdopplungsmutante, das
  242. 1.1 FMS-artige Tyrosinkinase 3 (FLT3) codiert und
  243. 1.2 eine Nucleotidsequenz aufweist mit
  244. - 10 -
  245. 1.2.a
  246. 1.2.b
  247. 14
  248. entweder einer Tandemverdopplungsmutation in
  249. der Aminosäuresequenz der Juxtamembran von
  250. FLT3 oder
  251. einer Tandemverdopplungsmutation in der Nucleotidsequenz von Exon 11 oder Exons 11 bis
  252. 12 von FLT3 ohne Verschiebung des Leserasters.
  253. b) Die Merkmale des Nucleinsäuremoleküls nach der zuletzt verteidigten Fassung von Patentanspruch 2 lassen sich wie folgt gliedern:
  254. 2. Nucleinsäuremolekül mit einer Nucleinsäuresequenz, die aufweist:
  255. 2.a eine Tandemverdopplungsmutation in der Aminosäuresequenz der Juxtamembran von FLT3 oder
  256. 2.b eine Tandemverdopplungsmutation in der Nucleotidsequenz von Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von FLT3 ohne
  257. Verschiebung des Leserasters.
  258. 15
  259. c) Der gegenüber der erteilten Fassung unverändert verteidigte Patentanspruch 4 betrifft ein Polypeptid, das von dem Nucleinsäuremolekül nach
  260. Anspruch 1 oder Anspruch 2 codiert wird.
  261. 16
  262. d) Patentanspruch 5 hat in seiner unverändert verteidigten Fassung eine Zelle zum Gegenstand, die das Nucleinsäuremolekül nach Anspruch 1 oder
  263. 2 oder das Polypeptid nach Anspruch 4 exprimiert.
  264. 17
  265. e) Patentanspruch 6 betrifft in seiner unverändert verteidigten Fassung
  266. einen für das Polypeptid nach Anspruch 4 spezifischen Antikörper.
  267. 18
  268. f)
  269. Die Merkmale des Verfahrens nach Patentanspruch 7, den die Be-
  270. klagte auch im Berufungsverfahren weiterhin in der erteilten Fassung verteidigt,
  271. lassen sich wie folgt gliedern:
  272. - 11 -
  273. 7.1 Das Verfahren dient zum Nachweis
  274. 7.1.1 des Nucleinsäuremoleküls nach Anspruch 1 oder
  275. 7.1.2 des Nucleinsäuremoleküls nach Anspruch 2.
  276. 7.2 Das Verfahren umfasst die Schritte:
  277. 7.2.a Durchführung einer Genamplifikationsreaktion mit einer Nucleinsäureprobe von einem Menschen, wobei
  278. ein Nucleinsäurefragment amplifiziert wird, das
  279. 7.2.a.1 im FLT3-Gen gefunden werden kann,
  280. 7.2.a.2 Exon 11 oder Exons 11 bis 12 des FMSartigen-Tyrosinkinase-3-(FLT3)-Gens umfasst
  281. und
  282. 7.2.a.3 eine
  283. Tandemverdopplungsmutation
  284. der
  285. Juxtamembran hat.
  286. 7.2.b Nachweis der Anwesenheit der Tandemverdopplungsmutation in dem Nucleinsäurefragment aus Schritt (a).
  287. 19
  288. 4. Den Kern der Erfindung bildet die Bereitstellung des mit Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten Nucleinsäuremoleküls, das als Molekül einer
  289. Tandemverdopplungsmutante bezeichnet und zum einen durch die von diesem
  290. Molekül codierte FMS-artige Tyrosinkinase 3 und zum anderen durch eine bestimmte Nucleotidsequenz näher charakterisiert wird. Bei dieser handelt es sich
  291. entweder (a) um eine Tandemverdopplungsmutation in der Aminosäuresequenz
  292. der Juxtamembran von FLT3 oder (b) um eine das Leseraster nicht verschiebende Tandemverdopplungsmutation in der Nucleotidsequenz von Exon 11
  293. oder der Exons 11 bis 12 von FLT3. Der Nachweis einer Tandemverdopplungsmutation dient als Leukämieindikator. Für die Bestimmung des Erfindungsgegenstands ist der Begriff "Tandemverdopplung" bzw. "Tandemverdopplungsmutation", der in der zuletzt verteidigten Fassung des Streitpatents außer
  294. in Patentanspruch 1 unmittelbar auch in den Patentansprüchen 2 und 14 sowie
  295. aufgrund der Bezugnahme auf diese Ansprüche auch in den übrigen Patentansprüchen enthalten ist, daher von zentraler Bedeutung.
  296. - 12 -
  297. 20
  298. a) Nach der Definition in der Beschreibung des Streitpatents betrifft die
  299. Tandemverdopplung eine FLT3-Nucleotidsequenz, in der ein vollständiger Abschnitt oder ein Teilabschnitt einer Nucleinsäure, die für die Juxtamembran des
  300. FLT3-Gens codiert, einmal oder mehrere Male in der gleichen Ausrichtung wiederholt wird. Dabei müssen die wiederholten Nucleotidsequenzen nicht zwingend direkt hintereinander folgen, sondern es können auch andere Sequenzen
  301. (optional nucleotide sequences) dazwischen enthalten sein. Weiter heißt es
  302. hierzu in der Streitpatentschrift, dass zwischen den zusammengehörenden
  303. Tandemverdopplungen (corresponding tandem duplications) auch durch Deletion, Substitution oder Addition von einer oder mehreren Basen eingetretene Mutationen liegen können (vgl. Beschr. Abs. 20). Die Verdopplung wird demnach
  304. als Tandemverdopplung bezeichnet, weil die Insertion der wiederholten Sequenz ihrem erstmaligen Auftreten entweder direkt oder in räumlicher Nähe
  305. folgt, sie mithin als "Tandem" auftritt.
  306. 21
  307. Die Juxtamembran befindet sich zwischen der transmembranen Region
  308. und der Kinasedomäne der Rezeptorproteinkinase und bildet zusammen mit
  309. der Kinasedomäne eine intrazelluläre Membranregion (Beschr. Abs. 18
  310. [= 19 T2]). Der für die Juxtamembran codierende Bereich wird durch 18 Basenpaare auf der 3`-Seite des Exons 10 und 117 Basenpaare auf der 5`-Seite des
  311. Exons 11 definiert, während eine 16 Basenpaare auf der 3`-Seite von Exon 11
  312. sowie Exon 12 umfassende Region einen Teilabschnitt der Tyrosinkinasedomäne codieren (Beschr. Abs. 28 [= 30 T2]).
  313. 22
  314. b) Das Patentgericht hat den Begriff der Tandemverdopplungsmutation
  315. im Zusammenhang mit der Frage nach einer möglichen unzulässigen Erweiterung erörtert und angenommen, dass sich aus den Erläuterungen in der Streitpatentschrift, insbesondere den Absätzen 18 und 30 ergebe, dass "der Ursprung und/oder der Ort der Insertion" der Tandemverdoppelung in einem Be-
  316. - 13 -
  317. reich liegen müsse, der durch 18 Basenpaare auf der 3`-Seite von Exon 10 und
  318. 117 Basenpaare auf der 5`-Seite von Exon 11 festgelegt werde, da andernfalls
  319. die durch die Lehre des Streitpatents vorgesehene Beteiligung der für die
  320. Juxtamembran von FLT3 codierenden Nucleotidsequenz an der Tandemverdoppelung nicht gewährleistet sei. In Anbetracht dessen würden auch in den
  321. Beispielen 1 und 2 Tandemverdoppelungsmutationen beschrieben, die diese
  322. Voraussetzung erfüllten. So werde für die fünf im Beispiel 1 der Streitpatentschrift untersuchten Fälle festgestellt, dass die in diesen Proben nachgewiesenen Längenmutationen auf Tandemverdoppelungen in den Nucleotidsequenzen
  323. der Juxtamembran des FLT3-Gens zurückgehen. Nachdem diese Feststellung
  324. auch für den als M155 bezeichneten Fall gelte, bei dem die Tandemverdoppelung 46 Basenpaare auf der 3`-Seite von Exon 11 und die ersten 16 Basenpaare von Exon 12 umfasst, müsse folglich ein Teil der 46 Basenpaare auf der 3`Seite von Exon 11 mit dem für die Juxtamembran von FLT3 codierenden Bereich im Exon 11 übereinstimmen (vgl. Beschr. Abs. 67 [= 69 T2]). Für die Fälle
  325. des Beispiels 2 werde ebenfalls bestätigt, dass deren Mutationen in der Juxtamembran des FLT3-Gens liegen und keine Mutationen in der für die Domäne
  326. der Tyrosinkinase codierenden Nucleotidsequenz gefunden wurden (vgl. Beschr. Abs. 70-72 [= 72-74 T2]).
  327. 23
  328. In Bezug auf die Alternative b von Patentanspruch 1 (Merkmal 1.2.b) hat
  329. das Patentgericht, das die in dem zuletzt gestellten Hauptantrag enthaltene
  330. Wendung "in der Nucleotidsequenz von Exon 11 oder Exons 11 und 12 von
  331. FLT3" bei den Hilfsanträgen II und III zu erörtern hatte, angenommen, dass
  332. damit auch solche Nucleinsäuremoleküle erfasst würden, bei denen weder der
  333. Ursprung noch der Ort der Insertion der Tandemverdopplung in dem für die
  334. Juxtamembran von FLT3 codierenden Teil des Exons 11 liege. Da es in Exon
  335. 11 Abschnitte gebe, die wie Exon 12 nicht für die Juxtamembran codierten,
  336. könne die Tandemverdopplungsmutation bei den von der Alternative b erfass-
  337. - 14 -
  338. ten Nucleinsäuremolekülen vollständig in einem für die angrenzende Tyrosinkinase codierenden Bereich auftreten.
  339. 24
  340. c) Das Patentgericht hat damit an sich zutreffend herausgearbeitet,
  341. dass nach der patenteigenen Definition der Tandemverdopplungsmutation der
  342. Ursprung der Tandemverdopplung ganz oder teilweise in dem für die Juxtamembran codierenden Bereich liegen muss, während der Ort der Insertion in
  343. diesem Bereich liegen kann, aber nicht muss. Zwar erfasst die vom Patentgericht gebrauchte Formulierung, "der Ursprung und/oder der Ort der Insertion"
  344. müsse in dem für die Juxtamembran codierenden Bereich liegen, nach ihrem
  345. Wortlaut auch die Variante, dass bei einer Insertion der Verdopplung in dem für
  346. die Juxtamembran codierenden Bereich der Ursprung der Verdopplung nicht
  347. notwendig in diesem Bereich liegen muss. Das Patentgericht hat sich mit der
  348. Wendung "und/oder" jedoch offensichtlich nur im Ausdruck vergriffen. Denn es
  349. hat bei seinen sonstigen Ausführungen zur erfindungsgemäßen Lehre klar zum
  350. Ausdruck gebracht, dass hierfür der Ursprung der Tandemverdopplung aus der
  351. für die Juxtamembran codierenden Region entscheidend und unverzichtbar ist.
  352. Die Auffassung der Klägerin, dass nicht nur der Ursprung der Tandemverdopplung aus der für die Juxtamembran codierenden Nucleotidsequenz stammen,
  353. sondern auch der Ort der Insertion in dem die Juxtamembran codierenden Bereich liegen müsse, weil es nur so zu der von der Lehre des Streitpatents geforderten Veränderung der Juxtamembran komme, findet hingegen weder im
  354. Wortlaut von Patentanspruch 1 noch in der Streitpatentschrift eine Stütze. Wie
  355. dargelegt, legt die Definition in der Streitpatentschrift lediglich zwingend fest,
  356. dass die Sequenz, die wiederholt wird, ganz oder zumindest teilweise aus dem
  357. Bereich stammen muss, in dem die Juxtamembran codiert wird. Dass die duplizierte Sequenz auch in dem die Juxtamembran codierenden Bereich zwischen
  358. den 18 Basenpaaren auf der 3`-Seite von Exon 10 und den 117 Basenpaaren
  359. auf der 5`-Seite von Exon 11 eingefügt sein muss, kann der Definition dagegen
  360. - 15 -
  361. nicht entnommen werden. Vielmehr wird aus den im Streitpatent genannten
  362. Beispielsfällen von FLT3-Nucleinsäuren - worauf sowohl das Patentgericht als
  363. auch die Beklagte zu Recht hinweisen - deutlich, dass es Fälle gibt, in denen
  364. die Ursprungssequenz vollständig aus dem für die Juxtamembran codierenden
  365. Bereich von Exon 11 stammt und die Insertion der duplizierten Sequenz auch
  366. vollständig in diesem Bereich stattfindet (M34 und M810). Andererseits gibt es
  367. aber auch den Fall, dass die Ursprungssequenz nur in einem Teil des für die
  368. Juxtamembran codierenden Bereichs im Exon 11 und in einem sich daran anschließenden Teil von Exon 12 liegt. In diesem Fall wird, wie die FLT3Nucleinsäure M155 zeigt, die duplizierte Sequenz, die der Ursprungssequenz
  369. nachfolgen muss, zwangsläufig in Exon 12 eingefügt. Bestätigt wird dies auch
  370. durch die Beschreibung, wonach die Region mit Tandemverdopplung in einer
  371. Juxtamembran im Falle von FLT3 eine Region umschließt, die einen gesamten
  372. oder einen Teilabschnitt der Region von 18 Basenpaaren auf der 3`-Seite von
  373. Exon 10 bis 117 Basenpaaren auf der 5`-Seite von Exon 11 einschließt, ohne
  374. aber auf diesen die Juxtamembran codierenden Bereich begrenzt zu sein, solange die Region eine Exon-11-Stelle enthält (Beschr. Abs. 40 [= 42 T2]).
  375. 25
  376. d) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts bestimmt die patenteigene Definition der Tandemverdopplungsmutation auch den Gegenstand der in
  377. den Alternativen a und b des Patentanspruchs 1 bezeichneten Tandemverdopplungsmutation. Seine Annahme, Alternative b umfasse sowohl in der erteilten Fassung mit der Bezugnahme auf eine Region umfassend Exon 11 oder
  378. Exons 11 bis 12 als auch in der hilfsweise und im Berufungsverfahren nunmehr
  379. im Hauptantrag verteidigten Fassung auch solche Nucleinsäuremoleküle, bei
  380. denen weder der Ursprung noch der Ort der Insertion der Tandemverdopplung
  381. in dem für die Juxtamembran von FLT3 codierenden Teil des Exons 11 liege, ist
  382. schon nach dem Wortlaut des Patentanspruchs nicht zwingend und jedenfalls
  383. - 16 -
  384. unvereinbar mit der vom Patentgericht zutreffend herausgearbeiteten patenteigenen Definition der Tandemverdopplungsmutation.
  385. 26
  386. 5. Patentanspruch 2 charakterisiert - anders als Patentanspruch 1 - das
  387. Nucleinsäuremolekül nicht als dasjenige einer Tandemverdopplungsmutante,
  388. das FMS-artige Tyrosinkinase 3 codiert. Wie nach Patentanspruch 1 muss das
  389. Molekül jedoch eine Nucleotidsequenz mit einer Tandemverdopplungsmutation
  390. in (Alternative a) oder aus (Alternative b) der Sequenz der Juxtamembran von
  391. FLT3 aufweisen. Der Unterschied zwischen den Gegenständen des Patentanspruchs 1 einerseits und des Patentanspruchs 2 andererseits liegt daher nur
  392. darin, dass das Molekül nach Anspruch 2 zwar die spezifische Tandemverdopplungsmutation aufweisen muss, aber nicht notwendig sämtliche FLT3-codierenden Sequenzen.
  393. 27
  394. 6. Das mit Patentanspruch 7 unter Schutz gestellte Verfahren zum
  395. Nachweis des Nucleinsäuremoleküls einer solchen Tandemverdopplungsmutation nach Anspruch 1 umfasst zwei Schritte.
  396. 28
  397. a) Schritt a besteht aus der Durchführung einer Genamplifikationsreaktion mit einer humanen Nucleinsäureprobe, wobei ein Nucleinsäurefragment
  398. amplifiziert wird, das im FLT3-Gen gefunden werden kann, welches Exon 11
  399. oder die Exons 11 bis 12 des FLT3-Gens umfasst und eine Tandemverdopplungsmutation der Juxtamembran aufweist. Für die Definition der Tandemverdopplungsmutation gelten die Ausführungen zu Patentanspruch 1 entsprechend.
  400. 29
  401. b) Schritt b besteht aus dem Nachweis der Anwesenheit der Tandemverdopplungsmutation in dem Nucleinsäurefragment aus Schritt a, wobei es
  402. dem Fachmann überlassen bleibt, wie er diesen Nachweis ausgestaltet. Wie
  403. das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, wird der Nachweis in den Unteran-
  404. - 17 -
  405. sprüchen 8 und 9 schrittweise spezifiziert. Nach Patentanspruch 8 besteht er
  406. aus einem Sequenzvergleich mit einer von einer "normalen", d.h. nicht mutierten FMS-artigen Tyrosinkinase 3 abgeleiteten Sequenz. Nach Patentanspruch 9
  407. kann dieser Sequenzvergleich dadurch erfolgen, dass eine Längenmutation als
  408. Hinweis auf die Tandemverdopplungsmutation (index of the tandem duplication
  409. mutation) verwendet wird. Eine Sequenzanalyse ist mit anderen Worten nicht
  410. erforderlich; vielmehr wird das Vorhandensein der Tandemverdopplungsmutation durch die Verlängerung des Fragments indiziert, die sich aus der Insertion
  411. der verdoppelten Nucleotidsequenz ergibt.
  412. 30
  413. c) Ohne Erfolg wendet sich die Berufung der Klägerin gegen die hieraus vom Patentgericht zutreffend gezogene Schlussfolgerung, dass der Nachweis der Längenmutation erfindungsgemäß als Nachweis der Anwesenheit der
  414. Tandemverdopplungsmutation im Sinne des Merkmals b des Patentanspruchs
  415. 7 ausreicht.
  416. 31
  417. aa) Das Patentgericht hat dies eingehend wie folgt begründet: Der
  418. Nachweis einer Tandemverdopplungsmutation nach Schritt b erfordere entgegen der Auffassung der Klägerin keinen über einen Längennachweis hinausgehenden Nachweis, etwa in Form der Sequenzanalyse der DNA. Für die Auslegung von Patentanspruch 7 seien zunächst die hierauf rückbezogenen Patentansprüche 9 und 10 (in der mit dem zweitinstanzlichen Hauptantrag verteidigten Fassung Patentansprüche 8 und 9) von Bedeutung. Diese beschrieben
  419. verfahrenstechnische Maßnahmen, die den Nachweis in Schritt b des Verfahrens nach Patentanspruch 7 näher spezifizierten. So werde in Patentanspruch 9
  420. (in der nunmehr verteidigten Fassung Patentanspruch 8) der Nachweis als Sequenzvergleich beschrieben, der wegen des Rückbezuges auf Patentanspruch 7 auf der Basis der darin genannten Sequenzlängen erfolge, wobei die
  421. Länge einer mutierten FLT3-Sequenz mit einer nicht mutierten verglichen wer-
  422. - 18 -
  423. de. Patentanspruch 10 (nunmehr Patentanspruch 9) gestalte diesen Vergleich
  424. wiederum näher aus, indem nicht mehr mit der Wildtyp-FLT3-Sequenz verglichen werde, sondern mit einer als "Index" (Indikator) verwendeten Längenmutation. In der Beschreibung des Streitpatents finde sich mehrfach der Hinweis,
  425. dass der Nachweis von Tandemverdopplungen durch einen Vergleich der Längen amplifizierter DNA-Fragmente nachgewiesen werde, und zwar vorzugsweise mit Hilfe der Agarose-Gelelektrophorese (Abs. 24 und 42 [= 26 und 44 T2]).
  426. Entgegen der Auffassung der Klägerin böten auch die in der Streitpatentschrift
  427. erwähnten Sequenzanalysen keinen Anlass dafür, den patentgemäßen Nachweis in Schritt b von Patentanspruch 7 als eine Kombination von Längenvergleich und Sequenzanalyse zu verstehen. Der Streitpatentschrift lasse sich entnehmen, dass eine Sequenzierung lediglich für das erstmalige Auffinden der
  428. patentgemäßen Tandemverdopplungsmutationen in der Juxtamembran des
  429. FLT3-Gens erforderlich gewesen sei, der Nachweis der Tandemverdopplung in
  430. Kenntnis dieser Lehre jedoch allein durch einen Längenvergleich geführt werden könne, sofern - wie im Falle von Patentanspruch 7 - die für die Juxtamembran des FLT3-Gens codierende Nucleotidsequenz verwendet werde. Schließlich
  431. könne sich die Klägerin auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass nach der Abhandlung von Schnittger et al. (K29) etwa ein Drittel der Fälle mit nachgewiesener Längenmutation keine Tandemverdopplungsmutationen, sondern andere
  432. Mutationen beträfen und damit bewiesen sei, dass ein reiner Längenvergleich
  433. für einen Nachweis nicht ausreiche. Denn diese im Jahr 2012 veröffentlichte
  434. Erkenntnis sei im Prioritätszeitpunkt noch nicht bekannt gewesen.
  435. 32
  436. bb) Dies hält den Angriffen der Berufung der Klägerin stand. Das Patentgericht hat den eindeutigen Offenbarungsgehalt des Streitpatents unter Bezugnahme auf die einschlägigen Ausführungen in der Streitpatentschrift zutreffend
  437. bestimmt. Die Berufung vermag nicht aufzuzeigen, woraus sich demgegenüber
  438. ergeben sollte, dass Merkmal 7.2.b dahin zu verstehen ist, dass der Nachweis
  439. - 19 -
  440. einer Tandemverdopplungsmutation einen über einen bloßen Längenvergleich
  441. hinausgehenden Nachweis, beispielsweise in Form der Sequenzierung der
  442. DNA erfordert.
  443. 33
  444. II. Aus den Darlegungen zum Gegenstand des Streitpatents ergibt sich
  445. ohne weiteres, dass das Patentgericht zu Unrecht eine unzulässige Erweiterung
  446. der Patentansprüche 1 und 2 sowie derjenigen Patentansprüche, die auf diese
  447. oder einen dieser Patentansprüche Bezug nehmen, angenommen hat. Denn
  448. der Inhalt der Ursprungsunterlagen ist mit der Beschreibung des Streitpatents,
  449. wie bereits das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, nahezu identisch; die
  450. Patentansprüche 1 und 2 stellen somit keine anderen Nucleinsäuremoleküle als
  451. ursprungsoffenbart unter Schutz.
  452. 34
  453. III. Die Entscheidung des Patentgerichts erweist sich, soweit es zum
  454. Nachteil der Beklagten erkannt hat, auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend. Vielmehr hat das Streitpatent aus den Gründen, aus denen
  455. das Patentgericht das Patent in der Fassung des angefochtenen Urteils für
  456. rechtsbeständig gehalten hat, auch in der Fassung des zweitinstanzlichen
  457. Hauptantrags Bestand. Daraus ergibt sich zugleich, dass der Berufung der Klägerin der Erfolg zu versagen ist.
  458. 35
  459. 1. Die Verteidigung des Streitpatents mit dem neuen Hauptantrag ist
  460. nach § 116 Abs. 2 PatG zulässig. Sie ist sachdienlich und kann auf Tatsachen
  461. gestützt werden, die der Senat der Verhandlung und Entscheidung über die
  462. Berufung nach § 117 PatG zugrunde zu legen hat.
  463. 36
  464. a) Der neue Hauptantrag entspricht in den Patentansprüchen 1 bis 6 im
  465. Wesentlichen dem erstinstanzlichen Hauptantrag. Soweit in den Patentansprüchen 1 und 2 die Wendung "Nucleotidsequenz einer Region umfassend" durch
  466. "Nucleotidsequenz von" ersetzt und hinzugefügt worden ist, dass keine Lese-
  467. - 20 -
  468. rasterverschiebung vorliegt, entsprechen diese Änderungen der in den erstinstanzlich zuletzt gestellten Hilfsanträgen II und III verwendeten Formulierung,
  469. die vom Patentgericht erörtert worden ist und auch Eingang in die vom Patentgericht für rechtsbeständig erachteten Patentansprüche gefunden hat.
  470. 37
  471. b) Was die weiteren verteidigten Patentansprüche anbelangt, so entsprechen sie dem in erster Instanz gestellten Hauptantrag mit der Maßgabe,
  472. dass das Fehlen einer Leserasterverschiebung auch in Patentanspruch 14 aufgenommen worden ist und die Gegenstände von Patentanspruch 12 und 13 in
  473. der erteilten Fassung in einem neuen Anspruch 13 zusammengefasst worden
  474. sind. Erstere Antragsfassung ist aus den zu a erörterten Gründen sachdienlich.
  475. Gegen die Neufassung von Patentanspruch 13 bestehen keine Bedenken, da
  476. der Nebenanspruch 12, der unverändert in Patentanspruch 13 übernommen
  477. worden ist, ebenfalls vom Patentgericht bereits erörtert worden ist.
  478. 38
  479. c) Auch gegen die Klarheit der zur Entscheidung gestellten Patentansprüche bestehen keine Bedenken.
  480. 39
  481. Soweit die Klägerin die Charakterisierung der Primer in den Patentansprüchen 10 und 13 für unklar hält, kommt es hierauf nicht an, da das Streitpatent mit diesen Ansprüchen erteilt worden ist. Eine Prüfung bereits erteilter Ansprüche auf Klarheit ist weder im Europäischen Patentübereinkommen noch im
  482. Patentgesetz vorgesehen. Der Patentinhaber hat mit dem erteilten Patent eine
  483. Rechtsposition erhalten, die ihm nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen,
  484. mithin wenn ein Einspruchs- oder Nichtigkeitsgrund vorliegt, ganz oder teilweise
  485. aberkannt werden kann. Das Europäische Patentübereinkommen regelt ebenso
  486. wie das nationale Recht die Einspruchs- oder Nichtigkeitsgründe, zu denen die
  487. fehlende Klarheit nicht gehört, abschließend (Art. 100, 138 EPÜ; §§ 21, 22
  488. PatG). Daraus folgt, dass eine Prüfung der Klarheit jedenfalls insoweit nicht
  489. - 21 -
  490. statthaft ist, als die mutmaßliche Unklarheit bereits in den erteilten Ansprüchen
  491. enthalten war (vgl. EPA, Entsch. vom 24. März 2015 - G 3/14; BGH, Urteil vom
  492. 27. Oktober 2015 - X ZR 11/13 Rn. 31 juris - Fugenband).
  493. 40
  494. 2. Der Gegenstand des Streitpatents in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung ist auch patentfähig.
  495. 41
  496. a) Das Patentgericht hat im Hinblick auf Patentanspruch 7 zum entgegengehaltenen Stand der Technik ausgeführt:
  497. 42
  498. In der von der Klägerin als neuheitsschädlich erachteten Abhandlung
  499. "Expression of the FMS/KIT-like gene FLT3 in human acute leukemias of the
  500. myeloid and lymphoid lineages", Blood 1992, 2584 (K3), berichteten die Autoren Birg et al. über die Ergebnisse einer Studie betreffend das Expressionsmuster des FLT3-Gens in akuten Leukämien vom myeloischen und lymphatischen
  501. Typ. Da das FLT3-Gen zu derjenigen Genfamilie gehöre, die Typ-III-Rezeptortyrosinkinasen wie FMS oder KIT codiere, welche sowohl in normalen blutbildenden Vorläuferzellen als auch in myeloisch leukämischen Zellen exprimiert
  502. werde, untersuchten Birg et al. in ihrer Studie die FLT3-Expression in humanen
  503. leukämischen Zellen. Sie wendeten dazu die Southern- bzw. Northern-BlotAnalyse an, eine molekularbiologische Methode, bei der die in der Gelelektrophorese aufgrund ihrer unterschiedlichen Länge aufgetrennten DNA- bzw.
  504. RNA-Moleküle auf eine Membran übertragen und dort durch spezifische Sonden nachgewiesen würden. Eine Genamplifikationsreaktion wie im Verfahren
  505. nach Patentansprüchen 7 und 8 vorgesehen, bei der unter Einsatz von Primern
  506. sowie eines spezifischen Enzyms kurze, genau definierte Abschnitte einer Nucleinsäure vervielfältigt würden, sei dagegen bei den Untersuchungen nicht
  507. durchgeführt worden und könne auch nicht mitgelesen werden. Ferner offenbare die K3 auch kein Nucleinsäuremolekül, das wie nach Schritt a des Verfah-
  508. - 22 -
  509. rens nach Patentanspruch 7 Exon 11 oder die Exons 11 und 12 des FLT3-Gens
  510. umfasse und eine Tandemverdopplungsmutation aufweise. In der K3 würden
  511. zwar außer der nicht mutierten Wildtyp-mRNA von FLT3 auch verlängerte Mutanten von FLT3 offenbart. Es werde jedoch weder die Art noch die Position der
  512. Mutation angegeben, die zu der Verlängerung der mRNA geführt habe. Vielmehr kämen zahlreiche Varianten in Form von Sequenzeinschüben (Insertionen) und/oder Sequenzwiederholungen (Duplikationen) innerhalb der für das
  513. FLT3-Gen codierenden Region für die Entstehung der von Birg et al. beobachteten verlängerten mRNA-Transkripte von FLT3 in Frage.
  514. 43
  515. Die Autoren Rosnet et al. der Abhandlung "Human FLT3/FLK2 gene:
  516. cDNA cloning and expression in hematopoietic cells", Blood 1993, 1110 (K4),
  517. hätten zum Nachweis der Expression von FLT3 in humanen Zellen und Geweben zwar Genamplifikationsreaktionen durchgeführt und die damit erhaltenen
  518. Produkte gelelektrophoretisch dargestellt. Tandemverdopplungsmutationen wie
  519. in den Patentansprüchen 7 und 8 hätten die Autoren jedoch nicht nachgewiesen. Ziel ihrer Studie sei es nicht gewesen, nach Defekten im FLT3-Gen zu suchen, sondern die Verteilung von FLT3 in den hämatopoetischen Zellen und
  520. Geweben des menschlichen Körpers aufzuzeigen. Hierauf seien auch die für
  521. das 5`-Ende der codierenden Region von FLT3 spezifischen Primer sowie die
  522. über die gesamte cDNA verteilten Sonden abgestellt. Selbst der Einsatz der in
  523. den Genamplifikationsreaktionen verwendeten Primer liefere den Angaben in
  524. K4 zufolge keine FLT3-Mutanten mit den in Rede stehenden Tandemverdoppelungsmutationen, da damit lediglich das für die Wildtyp-mRNA von FLT3 typische mRNA-Transkript mit einer Länge von 3,7 kb oder kürzere Teilsequenzen
  525. davon amplifiziert würden.
  526. 44
  527. Die Autoren Birg et al. der als K5 vorgelegten Studie "The Expression of
  528. FMS, KIT and FLT3 in Hematopoetic Malignancies", Leukemia and Lymphoma
  529. - 23 -
  530. 1994, 223, hätten zwar nach genetischen Veränderungen in den für die Typ-IIIRezeptortyrosinkinasen wie FLT3, FMS oder KIT codierenden Bereichen gesucht, aber lediglich festgestellt, dass das humane FMS-Gen durch Punktmutationen in Fällen von myeloischer Leukämie aktiviert werde. Somit werde auch in
  531. dieser Studie kein Nachweis von Nucleinsäuremolekülen mit den in den Patentansprüchen 7 und 8 genannten Tandemverdopplungsmutationen in der
  532. Juxtamembran von FLT3 beschrieben.
  533. 45
  534. Der Fachmann erhalte hiernach aus der K3 zwar den Hinweis, dass sich
  535. insbesondere in Proben von Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML)
  536. neben der Wildtyp-mRNA von FLT3 noch weitere mRNA-Transkripte von FLT3
  537. fänden, die mit 13 kb bzw. 3,9 bis 4 kb größer seien als die 3,7-kb-lange Wildtyp-mRNA. Die K3 enthalte jedoch keine über bloße Vermutungen hinausgehenden Aussagen darüber, wie die Verlängerung im Detail zustande komme
  538. und in welchem codierenden Abschnitt sie auftrete, da die Autoren noch nicht
  539. über die hierfür erforderliche genomische DNA und cDNA von FLT3 verfügt hätten. Ziel der in der K3 erläuterten Studie sei gewesen, durch den Nachweis der
  540. Expression des FLT3-Gens in leukämischen Zellen auf mRNA-Ebene einen
  541. relativ spezifischen und unempfindlichen Marker für akute Leukämien zu entwickeln. Zwar hätten die Autoren der K3 damit den Zusammenhang zwischen der
  542. Expression von FLT3 und dem Auftreten bestimmter leukämischer Phänotypen
  543. in den Fokus der Fachwelt gerückt. Der Fachmann erhalte durch die K3 aber
  544. weder einen Hinweis darauf, dass verlängerte mRNA-Transkripte von FLT3 mit
  545. bestimmten leukämischen Phänotypen in Verbindung stünden, noch dass Tandemverdopplungen in der Juxtamembran von FLT3 unter Beteiligung des
  546. Exons 11 und der Exons 11 bis 12 für das Auftreten leukämischer Phänotypen
  547. von Bedeutung seien. Die Entgegenhaltung K4 liefere dem Fachmann auch
  548. nicht die weitergehenden Informationen, die notwendig seien, um zur erfindungsgemäßen Lösung zu gelangen. Zwar kämen die Autoren der K4 zum Er-
  549. - 24 -
  550. gebnis, dass Veränderungen des FLT3-Gens im Zusammenhang mit der Entstehung von Leukämien untersucht werden sollten, gingen jedoch nicht näher
  551. auf genetische Veränderungen des FLT3-Gens ein. Die Entgegenhaltung K5
  552. liefere dem Fachmann allenfalls eine Anregung dafür, nach genetischen Veränderungen im FLT3-Gen zu suchen. Wie diese Mutationen aussähen, ob sie bei
  553. der Entstehung von Bluterkrankungen von Bedeutung seien und ob sie sich als
  554. spezifische Muster für leukämische Phänotypen in Nachweisverfahren eigneten, gehe aus der Entgegenhaltung nicht hervor. Selbst bei einer kombinierten
  555. Betrachtung der Entgegenhaltungen K3, K4 und K5 habe der Fachmann erfinderisch tätig werden müssen, da er die alleinige Vermutung, FLT3-Mutationen
  556. finden zu können, nicht ohne weiteres mit der Erfolgserwartung verbinde, einen
  557. im menschlichen Organismus einheitlich auftretenden Mutationstyp zu finden,
  558. der sich als verlässlicher prognostischer Marker bei bestimmten leukämischen
  559. Erkrankungen des Menschen erweise. Die weiteren von der Klägerin vorgelegten Entgegenhaltungen führten nicht zu einer anderen Beurteilung. Der entgegengehaltene Stand der Technik vermittle damit keinen Anhaltspunkt dafür,
  560. dass der Nachweis von Tandemverdopplungsmutationen in der Juxtamembran
  561. von FLT3 unter Beteiligung des Exons 11 oder der Exons 11 und 12 für die Beurteilung leukämischer Erkrankungen von Interesse sein könnte.
  562. 46
  563. b) Aus diesen Erwägungen, die der Überprüfung im Berufungsverfahren
  564. standhalten und von der Klägerin nicht substantiell angegriffen werden, ergibt
  565. sich, dass auch der Gegenstand der Patentansprüche 1 und 2 durch den Stand
  566. der Technik weder vorweggenommen noch nahegelegt worden ist.
  567. 47
  568. Die Klägerin macht insoweit geltend, der Gegenstand der Erfindung sei
  569. nicht neu, weil die K3 alle Maßnahmen zum Nachweis von Nucleinsäuremolekülen mit einer patentgemäßen Tandemverdopplung in Form eines Längenvergleichs aufzeige. Wenn, wie die Beklagte geltend mache, der Nachweis einer
  570. - 25 -
  571. Längenmutation für den Nachweis eines Nucleinsäuremoleküls nach den Patentansprüchen 1 und 2 ausreiche, werde durch die K3 auch der Gegenstand
  572. dieser Ansprüche vorweggenommen. Damit lässt die Klägerin außer Acht, dass
  573. die Patentansprüche 1 und 2 voraussetzen, dass die Tandemverdopplung ihren
  574. Ursprung in dem für die Juxtamembran codierenden Bereich hat, während der
  575. K3 keine Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, worauf die nach
  576. dem dort geschilderten Verfahren ermittelten Längenmutationen zurückzuführen sind. Sie vermag damit nicht darzutun, dass das Nucleinsäuremolekül eines
  577. der beiden Patentansprüche im Stand der Technik beschrieben worden ist oder
  578. für den Fachmann sonst verfügbar war.
  579. 48
  580. Für den Angriff auf die erfinderische Tätigkeit gilt Entsprechendes. Soweit er des Weiteren darauf gestützt wird, dass die angegebene Aufgabe nicht
  581. gelöst werde, ist auch dies ebenso unschlüssig wie die Rüge, es beruhe auf
  582. einem Denkfehler, wenn das Patentgericht eine angemessene Erfolgserwartung
  583. für Untersuchungen verneine, die das erfindungsgemäße Nucleinsäuremolekül
  584. hätten aufdecken können, zugleich aber weitere Experimente mit dem Ziel der
  585. Feststellung aktivierender Mutationen im FLT3-Gen von leukämischen Zellen
  586. als veranlasst ansehe. Darin liegt entgegen der Meinung der Berufung der Klägerin kein Widerspruch, da das Interesse an der Feststellung (möglicher) aktivierender Mutationen noch nichts darüber besagt, ob der Fachmann gerade zu
  587. solchen Untersuchungen, mit denen er zu den dem Streitpatent zugrunde liegenden Erkenntnissen hätte gelangen können, angeregt worden ist und ob er
  588. diese mit einer dem jeweils erforderlichen, von der Klägerin nicht dargelegten
  589. Aufwand entsprechenden Erfolgserwartung durchzuführen Anlass hatte. Anhaltspunkte dafür hat das Patentgericht nicht festgestellt, und sie werden auch
  590. in den von der Berufung in Bezug genommenen erstinstanzlichen Schriftsätzen
  591. der Klägerin nicht vorgebracht.
  592. - 26 -
  593. 49
  594. c) Unbegründet ist auch der Einwand, es handele sich bei dem Gegenstand der Patentansprüche 1 und 2 um eine nicht patentfähige Entdeckung.
  595. 50
  596. aa) Eine Entdeckung ist nach Art. 52 Abs. 2 Buchst. a, Abs. 3 EPÜ als
  597. solche ebenso wie eine wissenschaftliche Theorie oder eine mathematische
  598. Methode dem Patentschutz nicht zugänglich. Anders als es der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten für das amerikanische Patentrecht entschieden hat (566 U.S. (2012) - Mayo v. Prometheus), ist jedoch eine Lehre zum
  599. technischen Handeln, die die Nutzung einer Entdeckung zur Herbeiführung eines bestimmten Erfolgs lehrt, nach europäischem - und deutschem - Recht dem
  600. Patentschutz unabhängig davon zugänglich, ob die Lehre über die Nutzung des
  601. aufgedeckten naturgesetzlichen Zusammenhangs hinaus einen "erfinderischen
  602. Überschuss" enthält. Denn jedes technische Handeln beruht auf der zielgerichteten Nutzung von Naturgesetzen, so dass es sich verbietet, bei der - auch für
  603. den Patentschutz computerimplementierter Erfindungen maßgeblichen - Prüfung der Frage, ob die gelehrte technische Lösung des Problems auf erfinderischer Tätigkeit beruht, die Frage außer Betracht zu lassen, ob dem Fachmann
  604. die Erkenntnis einer physikalischen, chemischen oder biologischen Gesetzmäßigkeit, die die Grundlage der technischen Lehre der Erfindung bildet, nahegelegt war.
  605. 51
  606. bb) Es steht daher der Patentfähigkeit des Gegenstands der Patentansprüche 1 und 2 nicht entgegen, dass sich die technische Lehre in der Anweisung erschöpft, das in diesen Ansprüchen bezeichnete Nucleinsäuremolekül
  607. bereitzustellen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Regel 29 AOEPÜ, die
  608. - in Übereinstimmung mit § 1a Abs. 1 PatG - bestimmt, dass der menschliche
  609. Körper in den einzelnen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung sowie die
  610. bloße Entdeckung eines seiner Bestandteile, einschließlich der Sequenz oder
  611. Teilsequenz eines Gens, keine patentierbaren Erfindungen darstellen. Denn
  612. - 27 -
  613. dies bekräftigt nur den sich bereits aus dem Erfindungsbegriff ergebenden
  614. Grundsatz, dass nicht die Entdeckung einer Sequenz, wohl aber die Offenbarung, dass und wie diese durch Isolierung technisch nutzbar gemacht werden
  615. kann (Regel 29 Abs. 2 AOEPÜ, § 1a Abs. 2 PatG), eine dem Patentschutz zugängliche Lehre darstellt. Der von der Klägerin für erforderlich gehaltenen "erkennbaren Kennzeichnung" der Sequenz als isoliert oder durch ein technisches
  616. Verfahren gewonnen, bedarf es dabei nicht, denn es ist einem jeden Sachanspruch immanent, dass er mit der Bezeichnung der Sache die geschützte technische Lehre kennzeichnet, eben diese Sache (durch ein technisches Verfahren) bereitzustellen.
  617. 52
  618. cc) Ebenso wenig ist der - ohnehin nicht näher ausgeführte - Einwand
  619. erheblich, die Erfindung sei "unfertig" angemeldet worden und es sei zur Verifizierung der gegebenen technischen Lehre nachträglich erheblicher Aufwand zu
  620. leisten gewesen. Der Erfinder muss weder erkannt haben, warum die technische Lehre der Erfindung funktioniert, noch muss er hierfür eine wissenschaftliche Begründung liefern. Es genügt, dass er dem Fachmann dasjenige an die
  621. Hand gibt, was dieser benötigt, um die technische Lehre der Erfindung auszuführen. Dass diesem Erfordernis im Streitfall genügt ist, hat das Patentgericht
  622. zutreffend ausgeführt.
  623. 53
  624. d) Der Gegenstand der Patentansprüche 4, 5 und 6 ist aufgrund des
  625. Rückbezugs aus den gleichen Gründen patentfähig wie der Gegenstand der
  626. Ansprüche 1 und 2, und nichts anderes gilt für das Verfahren nach Patentanspruch 7 und die auf diesen rückbezogenen Patentansprüche 8 bis 11 sowie
  627. den Kit nach Patentanspruch 13 für ein Verfahren nach einem der Ansprüche 7
  628. bis 11. Nichts anderes gilt schließlich für die Gegenstände der Patentansprüche
  629. 14 (in der Fassung des Hauptantrags), 16 und 17 (15 und 16 in der Nummerierung des Hauptantrags) sowie 19 und 20 (17 und 18 in der Nummerierung des
  630. - 28 -
  631. Hauptantrags), die jeweils durch die Patentfähigkeit des Nucleinsäuremoleküls
  632. oder des von diesem codierten Polypeptids getragen werden, das anspruchsgemäß verwendet oder exprimiert wird.
  633. 54
  634. 3. Die von der Klägerin geltend gemachten weiteren Nichtigkeitsgründe
  635. greifen gleichfalls nicht durch.
  636. 55
  637. a) Zu Recht hat das Patentgericht - für die von ihm für rechtsbeständig
  638. erachteten Patentansprüche - eine unzulässige Erweiterung verneint.
  639. 56
  640. aa) Es hat hierzu ausgeführt:
  641. 57
  642. Die Patentansprüche 7 und 8 seien nicht dadurch unzulässig erweitert,
  643. dass der in der Streitpatentschrift und in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen
  644. enthaltene Passus "Nucleotidsequenz einer Region umfassend Exon 11 oder
  645. Exons 11 bis 12 von FLT3" durch die Formulierung "Nucleotidsequenz von
  646. Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von FLT3" ersetzt worden sei. Hierdurch werde
  647. die für das erfindungsgemäße Nachweisverfahren relevante Nucleotidsequenz
  648. auf die exakte Sequenz von Exon 11 oder der Exons 11 bis 12 beschränkt, da
  649. die Einbeziehung weiterer Nucleotidsequenzen auf der 3`- und 5`-Seite von
  650. Exon 11 und 12 ausgeschlossen werde. Eine solche Beschränkung werde sowohl durch die Streitpatentschrift als auch durch die ursprünglichen Anmeldeunterlagen offenbart, die jeweils davon ausgingen, dass die Tandemverdopplungsmutation innerhalb der Nucleotidsequenz von Exon 11 oder Exons 11 bis
  651. 12 liege.
  652. 58
  653. Ebenso wenig seien die Patentansprüche 7 und 8 dadurch unzulässig
  654. erweitert, dass sie im Unterschied zu Patentanspruch 15 der ursprünglichen
  655. Anmeldeunterlagen nicht mehr das Merkmal der Herstellung einer humanen
  656. Nucleinsäureprobe enthielten. Nach dem streitpatentgemäßen Verfahren erfol-
  657. - 29 -
  658. ge die Probenherstellung auf die übliche Weise, die dem Fachmann auch bekannt sei. In Anbetracht dessen, dass nach der in der Streitpatentschrift und in
  659. den ursprünglichen Anmeldeunterlagen offenbarten Lehre die Tandemverdopplungsmutation innerhalb der Nucleotidsequenz von Exon 11 oder Exons 11 und
  660. 12 liege und die Juxtamembran der FLT3 eine Region einschließe, die von
  661. 18 Basenpaaren auf der 3`-Seite von Exon 10 und 117 Basenpaaren auf der 5`Seite von Exon 11 definiert werde, stelle auch die Nennung der Primer in den
  662. Patentansprüchen 11 und 14 des Hilfsantrags III keine unzulässige Erweiterung
  663. dar.
  664. 59
  665. Entgegen der Auffassung der Klägerin gehe Patentanspruch 8 auch nicht
  666. deshalb über die ursprüngliche Anmeldung hinaus, weil er nicht auf codierende
  667. Nucleinsäuremoleküle beschränkt sei. Nach den ursprünglichen Anmeldunterlagen sei für die erfindungsgemäße Lehre nicht nur die für die Aminosäuresequenz der Juxtamembran von FLT3 codierenden Nucleinsäuremoleküle von
  668. Bedeutung, sondern auch die wesentlich kürzeren Nucleinsäuremoleküle der
  669. SEQ ID NOs. 6 bis 15, die keine für die Juxtamembran codierenden Eigenschaften aufwiesen. Außerdem sehe Patentanspruch 15 der ursprünglichen
  670. Anmeldung vor, dass beim Verfahrensschritt b nicht nur Nucleinsäuresequenzen mit einer für eine Rezeptorproteinkinase codierenden Tandemverdopplungsmutation, sondern auch Teilsequenzen hiervon, die lediglich aus der codierenden Nucleinsäuresequenz stammen müssten, amplifiziert würden.
  671. 60
  672. Auch Patentanspruch 12 weise keine unzulässige Erweiterung auf. Dem
  673. Gesamtinhalt der ursprünglichen Anmeldung sei zu entnehmen, dass blutbildende Stammzellen, die die patentgemäße Tandemverdopplungsmutation exprimierten, mit Zellen verglichen würden, die das normale FLT3-Gen exprimierten, was nur möglich sei, wenn mutierte Zellen mit den nicht mutierten Zellen
  674. einer gesunden - normalen - Testperson verglichen würden. Ebenso ergäben
  675. - 30 -
  676. sich die in Patentanspruch 16 (15 in der Nummerierung des Hauptantrags) genannten Verwendungszwecke - Durchmusterung auf einen Arzneistoff sowie
  677. zur Untersuchung und Behandlung einer Blutzellerkrankung - aus den ursprünglichen Anmeldunterlagen (Abs. 63 der Veröffentlichung der Anmeldung =
  678. Abs. 62 der Patentschrift [= Abs. 64 T2]).
  679. 61
  680. bb) Diese Beurteilung hält den Angriffen der Berufung der Klägerin
  681. stand, die im Wesentlichen auf die nach den Ausführungen zur Auslegung des
  682. Patentanspruchs 1 unzutreffende Annahme gestützt sind, die geltenden Patentansprüche setzten keine aus der Aminosäuresequenz der Juxtamembran
  683. stammende Tandemverdopplungsmutation voraus. Soweit sie meint, die Ursprungsunterlagen offenbarten keine bloße "Längenmutation", beruht dies
  684. ebenfalls auf einem unzutreffenden Verständnis der geschützten Lehre und
  685. kann daher nicht die Annahme einer unzulässigen Erweiterung begründen.
  686. 62
  687. Unerheblich ist auch der von der Klägerin wiederholt vorgebrachte Einwand, die Längenmutation sei kein zuverlässiger Hinweis auf eine Tandemverdopplungsmutation in der Aminosäuresequenz der Juxtamembran von FLT3.
  688. Abgesehen davon, dass diese Behauptung nicht ausreichend substantiiert wird,
  689. ist sie kein Argument gegen die Ursprungsoffenbarung der unter Schutz gestellten Lehre, sondern ein patentrechtlich irrelevanter Einwand gegen die Zuverlässigkeit des in Patentanspruch 9 angegebenen Verfahrens, bei dem die Längenmutation als (grundsätzlich ausreichender) Hinweis auf die Anwesenheit der
  690. Tandemverdopplungsmutation in dem Nucleinsäurefragment aus Schritt a des
  691. Verfahrens nach Patentanspruch 7 behandelt wird.
  692. 63
  693. Aus den vom Patentgericht für Patentanspruch 8 angeführten Gründen
  694. ergibt sich eine unzulässige Erweiterung auch nicht daraus, dass Patentanspruch 2 kein FLT3-codierendes Molekül verlangt. Auf der Grundlage der oben
  695. - 31 -
  696. dargestellten Auslegung des Patentanspruchs 2 erweisen sich die Ausführungen des Patentgerichts als zutreffend. Entsprechendes gilt für Patentanspruch 15.
  697. 64
  698. b) Ebenso zutreffend hat das Patentgericht die Lehre der Erfindung als
  699. ausführbar offenbart angesehen.
  700. 65
  701. aa) Es hat hierzu ausgeführt:
  702. 66
  703. Entgegen der Auffassung der Klägerin seien die Gegenstände der Patentansprüche 7 und 8 so deutlich und vollständig offenbart, dass der Fachmann sie ausführen könne. Die Streitpatentschrift enthalte nicht nur Angaben
  704. dazu, wie die im Nachweisverfahren nach den Patentansprüchen 7 und 8 eingesetzte Probe aus menschlicher Nucleinsäure isoliert werden könne, sondern
  705. auch wie das Nucleinsäurefragment mit einer Tandemverdopplungsmutation in
  706. der Juxtamembran des FLT3-Gens zu amplifizieren sei. Ferner würden in der
  707. Streitpatentschrift mit der Agarose-Gelelektrophorese oder der Hybridisierung
  708. dem Fachmann bereits bekannte Nachweistechniken beschrieben, für die er an
  709. sich keine weiteren Angaben benötigte, die aber gleichwohl auch noch im Beispiel 1 näher erläutert würden.
  710. 67
  711. Das beanspruchte Verfahren sei auch nicht deshalb als unzureichend offenbart anzusehen, weil - wie die Klägerin meine - das Verfahren keinen Schritt
  712. enthalte, mit dem mutierte Proben vor dem eigentlichen Nachweis ermittelt
  713. werden könnten. Nach dem Wortlaut von Patentanspruch 7 sei es nicht zwingend, dass eine Tandemverdopplungsmutation in der Juxtamembran des FLT3Gens gefunden werde. Das Verfahren nach den Patentansprüchen 7 und 8
  714. schließe daher auch den negativen Nachweis mit ein.
  715. - 32 -
  716. 68
  717. bb) Insoweit beschränkt sich die Berufung auf das bereits erörterte Argument, die Feststellung einer Längenmutation sei zur (zuverlässigen) Feststellung einer Tandemverdopplungsmutation in der Juxtamembran des FLT3-Gens
  718. ungenügend, weshalb die Erfindung nicht in der vollen Breite der Schutzbeanspruchung offenbart sei. Damit vermag die Klägerin die zutreffenden Ausführungen des Patentgerichts nicht zu entkräften.
  719. 69
  720. IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97
  721. Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.
  722. Meier-Beck
  723. Gröning
  724. Schuster
  725. Bacher
  726. Kober-Dehm
  727. Vorinstanz:
  728. Bundespatentgericht, Entscheidung vom 09.07.2013 - 3 Ni 37/11 (EP) -