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281 lines
16 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. X ZB 6/15
  4. vom
  5. 1. März 2017
  6. in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
  7. betreffend das Patent 10 2006 036 885
  8. ECLI:DE:BGH:2017:010317BXZB6.15.0
  9. -2-
  10. Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. März 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck und die Richter Dr. Grabinski und Hoffmann, die Richterin Schuster und den Richter Dr. Deichfuß
  11. beschlossen:
  12. Auf die Rechtsbeschwerden der Einsprechenden wird der Beschluss des 10. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des
  13. Bundespatentgerichts vom 24. Februar 2015 aufgehoben.
  14. Die Sache wird zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung,
  15. auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das
  16. Patentgericht zurückverwiesen.
  17. Gründe:
  18. 1
  19. A.
  20. Die Rechtsbeschwerdegegnerin ist eingetragene Inhaberin des
  21. am 4. August 2006 angemeldeten Patents 10 2006 036 885 betreffend ein Verfahren zum Betrieb einer automatischen Schiebetüranlage.
  22. 2
  23. Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
  24. "Verfahren zum Betrieb einer automatischen Schiebetüranlage mit mindestens einem Schiebeflügel, der mittels einer durch eine elektronische
  25. Steuerungseinrichtung angesteuerten Antriebseinrichtung antreibbar ist,
  26. wobei ein Überwachungsbereich, welcher beim Öffnen des Schiebeflügels von einer vertikalen Nebenschließkante des Schiebeflügels passiert
  27. wird, durch eine Sensoreinrichtung überwacht wird, indem die Sensoreinrichtung beim Vorhandensein eines Hindernisses in diesem Überwachungsbereich ein diesen Zustand anzeigendes Hindernissignal an die
  28. Steuerungseinrichtung abgibt, wodurch im Normalbetrieb ein sofortiges
  29. Abbremsen und Stoppen oder Reversieren des Schiebeflügels bewirkt
  30. wird, und
  31. -3-
  32. wobei die Schiebetüranlage in einem Flucht- und Rettungsweg einsetzbar
  33. ist, indem die Antriebseinrichtung so ausgebildet ist, dass im Notfallbetrieb der Flucht- und Rettungsweg nach Ansteuerung der Steuerungseinrichtung mit einem Notfallsignal freigebbar ist, indem der Schiebeflügel
  34. durch die Steuerungseinrichtung von seiner Geschlossenlage in Richtung
  35. seiner Offenlage bewegt wird,
  36. dadurch gekennzeichnet,
  37. dass der Schiebeflügel (2) beim Auftreten des Hindernissignals, während
  38. das Notfallsignal vorliegt, gezielt bis zum Stillstand in einem Stopppunkt
  39. (X1) abgebremst wird,
  40. wobei der Stopppunkt (X1) ausschließlich bei 80% oder zwischen 80%
  41. einer für eine in einem Flucht- und Rettungsweg einsetzbaren Schiebetüranlage (1) vorgegebenen Mindestöffnungsweite (XM) und der vollständigen Offenlage (X2) zugelassen ist."
  42. 3
  43. Die beiden Einsprechenden haben im Verfahren vor dem Patentamt geltend gemacht, der Gegenstand des Schutzrechts sei nicht patentfähig. Die Inhaberin hat das Patent in der erteilten Fassung und in der Fassung von drei
  44. Hilfsanträgen verteidigt. Das Patentamt hat das Patent widerrufen. Die dagegen
  45. von der Inhaberin beim Patentgericht eingelegte Beschwerde hat zur Aufhebung des Beschlusses des Patentamtes und zur Aufrechterhaltung des Patents
  46. in vollem Umfang geführt. Dagegen wenden sich die Einsprechenden mit ihren
  47. vom Patentgericht zugelassenen Rechtsbeschwerden, denen die Patentinhaberin entgegentritt.
  48. 4
  49. B.
  50. Die zulässigen Rechtsmittel führen zur Aufhebung der angefoch-
  51. tenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Patentgericht.
  52. 5
  53. I.
  54. Das Patent betrifft ein Verfahren zum Betrieb einer automatischen
  55. Schiebetüranlage mit mindestens einem Schiebeflügel, der mittels einer durch
  56. eine elektronische Steuerungseinrichtung angesteuerten Antriebseinrichtung
  57. antreibbar ist. Bei einem derartigen aus der deutschen Patentanmeldung
  58. 196 53 026 (D1 = E2) bekannten Verfahren werde, so wird in der Beschreibung
  59. ausgeführt, ein Überwachungsbereich, welcher beim Öffnen des Schiebeflügels
  60. von einer vertikalen Nebenschließkante des Schiebeflügels passiert werde,
  61. -4-
  62. durch eine Sensoreinrichtung überwacht, indem diese bei Auftreten eines Hindernisses im Überwachungsbereich ein Hindernissignal an die Steuerungseinrichtung gebe, was ein sofortiges Abbremsen, Stoppen oder Reversieren des
  63. Schiebeflügels bewirke. Um in einem Flucht- und Rettungsweg einsetzbar zu
  64. sein, sei die Schiebetüranlage weiterhin so ausgestaltet, dass nach Ansteuerung der Steuerungseinrichtung mit einem Notfallsignal der Schiebeflügel von
  65. einer geschlossenen in Richtung einer offenen Lage bewegt werde. Da das
  66. Hindernissignal dem Notfallsignal übergeordnet sei, könne dies jedoch bedeuten, dass das Erreichen einer geforderten Mindestöffnungsweite der Tür innerhalb einer vorgegebenen Maximalzeit nicht gewährleistet sei (Abs. 2).
  67. 6
  68. Aus der deutschen Offenlegungsschrift 10 2004 031 897 (E1 = D2) sei
  69. bekannt, dass bei Auftreten eines solchen Hindernissignals der Schiebeflügel
  70. durch die Steuerungseinrichtung nach dem Durchlaufen der Beschleunigungsphase und einer verkürzten Hochgeschwindigkeitsphase in einer Bremsphase
  71. auf eine geringere Niedriggeschwindigkeit abgebremst werde und mit dieser
  72. Niedriggeschwindigkeit in seine vollständige Offenlage fahre. Durch dieses Verfahren sei zwar das Erreichen einer geforderten Mindestöffnungsweite der Tür
  73. innerhalb einer vorgegebenen Maximalzeit gewährleistet, es bestehe aber das
  74. Restrisiko, dass Hindernisse durch die Nebenschließkante der sich mit Niedriggeschwindigkeit bewegenden Türflügel erfasst und gegebenenfalls eingeklemmt würden (Abs. 3).
  75. 7
  76. Dem Patent liegt vor diesem Hintergrund das Problem zugrunde, ein
  77. Verfahren zum Betrieb einer automatischen Schiebetüranlage vorzuschlagen,
  78. bei dem sowohl eine zuverlässige Freigabe des Fluchtwegs als auch eine Minimierung der von der Nebenschließkante des sich öffnenden Schiebeflügels
  79. ausgehenden Gefahr gewährleistet sind (Abs. 4).
  80. -5-
  81. 8
  82. Das soll nach Patentanspruch 1 durch folgendes Verfahren erreicht werden:
  83. 1. Verfahren zum Betrieb einer automatischen Schiebetüranlage
  84. mit mindestens einem Schiebetürflügel, der mittels einer durch
  85. eine elektronische Steuerungseinrichtung angesteuerten Antriebseinrichtung antreibbar ist.
  86. 2. Ein Überwachungsbereich
  87. 2.1 wird beim Öffnen des Schiebeflügels von einer vertikalen
  88. Nebenschließkante des Schiebeflügels passiert und
  89. 2.2 wird durch eine Sensoreinrichtung überwacht,
  90. 2.2.1 indem die Sensoreinrichtung beim Vorhandensein
  91. eines Hindernisses in diesem Überwachungsbereich ein diesen Zustand anzeigendes Hindernissignal an die Steuerungseinrichtung abgibt,
  92. 2.2.2 wodurch im Normalbetrieb ein sofortiges Abbremsen und Stoppen oder Reversieren des Schiebeflügels bewirkt wird.
  93. 3. Die Schiebetüranlage ist in einem Flucht- oder Rettungsweg
  94. einsetzbar.
  95. 3.1 Die Antriebseinrichtung ist dazu so ausgebildet, dass
  96. 3.1.1 im Notfallbetrieb der Flucht- und Rettungsweg
  97. nach Ansteuerung der Steuerungseinrichtung mit
  98. einem Notfallsignal freigebbar ist,
  99. 3.1.2 indem der Schiebeflügel durch die Steuerungseinrichtung von seiner Geschlossenlage in Richtung
  100. seiner Offenlage bewegt wird.
  101. 3.2 Beim Auftreten des Hindernissignals, während das Notfallsignal vorliegt, wird der Schiebeflügel (2) gezielt bis
  102. zum Stillstand in einem Stopppunkt (X1) abgebremst, der
  103. ausschließlich zugelassen ist
  104. -6-
  105. 3.2.1 bei 80% oder
  106. 3.2.2 in einem zwischen 80% einer für eine im Fluchtoder Rettungsweg einsetzbaren Schiebetüranlage
  107. (1) vorgegebenen Mindestöffnungsweite (XM) und
  108. der vollständigen Offenlage (X2) liegenden Bereich.
  109. 9
  110. Demnach soll erfindungsgemäß der Fluchtweg dadurch zuverlässig freigegeben und gleichzeitig die von der Nebenschließkante des sich öffnenden
  111. Schiebeflügels ausgehende Gefahr minimiert werden, dass die Freigabe des
  112. Fluchtweges trotz eines gegebenenfalls bereits vorliegenden Hindernissignals
  113. zunächst abgebremst fortgesetzt wird, bis ein Stopppunkt (X1) erreicht wird, an
  114. dem die Schiebetür gezielt zum Stillstand kommt (Abs. 7). Ob die den Stopppunkt (X1) betreffende prozentuale Angabe von "80%" in Merkmal 3.2.1 sich auf
  115. eine für eine im Flucht- oder Rettungsweg einsetzbare Schiebetüranlage (1)
  116. vorgegebene Mindestöffnungsweite (XM) oder die vollständige Offenlage (X2)
  117. bezieht, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Denn jedenfalls wird
  118. durch die Merkmale 3.2.1 und 3.2.2 bestimmt, dass der Stopppunkt (X1) ausschließlich in einem Bereich zugelassen ist, der von 80% einer solchen Mindestöffnungsweite (XM) bis zur vollständigen Offenlage (X2) reicht.
  119. 10
  120. Dabei meint "zugelassen", dass der Anwender den Stopppunkt (X1), an
  121. dem die Schiebetür gezielt zum Stillstand gebracht werden soll, mittels der
  122. Steuerungseinrichtung innerhalb der Vorgaben der Merkmale 3.2.1 oder 3.2.2
  123. bestimmen kann. Entsprechend werden in der Beschreibung verschiedene
  124. Möglichkeiten der Bestimmung des Stopppunktes in Abhängigkeit von der Mindestöffnungsweite und/oder der vollständigen Offenlage vorgestellt. So kann
  125. beispielsweise - wie in dem Diagramm in Figur 2 der Patentschrift veranschaulicht - die Mindestöffnungsweite (XM) der vollständigen Offenlage (X2) entsprechen und der Stopppunkt (X1) bei 80% der Mindestöffnungsweite (XM) bzw.
  126. vollständigen Offenlage (X2) liegen (Abs. 22). Die Mindestöffnungsweite (XM)
  127. -7-
  128. kann aber - wie sich aus den Ausführungsbeispielen nach den Diagrammen in
  129. den Figuren 3 und 4 ergibt - auch kleiner als die vollständige Offenlage (X2)
  130. sein (Abs. 19, 23) und der Stopppunkt (X1) bei 80% der Mindestöffnungsweite
  131. (XM) (Abs. 24, Figur 3) oder bei der vollständigen Mindestöffnungsweite (XM)
  132. (Abs. 25, Figur 4) liegen.
  133. 11
  134. Mit dem Patentgericht ist unter dem erfindungsgemäßen Begriff der
  135. "vorgegebenen Mindestöffnungsweite" eine vom Anwender vorgegebene Weite
  136. zu verstehen, bis zu der die Tür im Notfallbetrieb mindestens zu öffnen ist. Der
  137. demgegenüber von den Rechtsbeschwerden erhobene Einwand, die Mindestöffnungsweite sei bei dieser Auslegung nicht im Sinne eines absoluten
  138. Wertes bestimmbar, ist zwar in der Sache zutreffend, führt aber zu keinem anderen Verständnis der Lehre aus Patentanspruch 1. Die erfindungsgemäße
  139. "Mindestöffnungsweite" ist kein absoluter, sondern ein bei Einrichtung des Verfahrens für den Notfallbetrieb vorzugebender und damit für den Verfahrensablauf nach dem Wortlaut des Merkmals 3.2.2 "vorgegebener" Wert. Für dieses
  140. Verständnis spricht, dass die Mindestöffnungsweite nach der Beschreibung
  141. "z.B. 80% der vollständigen Öffnungsweite" (Abs. 18, vgl. auch Abs. 23 ff., Figuren 3 und 4) erreichen, aber auch mit dieser identisch sein kann (Abs. 22,
  142. Figur 2), es also beim Anwender liegt, welchen Wert er für die Mindestöffnungsweite "vorgibt". Dem Anwender wird es dadurch ermöglicht, bei der Bestimmung der Mindestöffnungsweite sowohl normative Vorgaben als auch die
  143. - von einer Vielzahl von möglicher Gestaltungen und Abmessungen der Schiebetüranlage abhängige - praktische Anwendungssituation zu berücksichtigen.
  144. Mit diesem Verständnis steht in Einklang, dass etwa die von den Rechtsbeschwerden in ihrer Argumentation herangezogene DIN 18650-1 vom Dezember
  145. 2005 (D7, 5.8.3.4.1) zwar für automatische Schiebetüren mit einer lichten Öffnungsweite bis 2 m eine Mindestöffnungsweite von 80% der vollständigen Öffnungsweite vorsieht, für Schiebetüren mit größerer Öffnungsweite aber lediglich
  146. eine proportionale Berechnung festlegt.
  147. -8-
  148. 12
  149. Zutreffend weisen die Rechtsbeschwerden darauf hin, dass in Patenanspruch 1 eine Maximalzeit, innerhalb derer die Mindestöffnungsweite erreicht
  150. werden muss, nicht erwähnt wird. Zwar kann eine Maximalzeit vorgegeben
  151. sein, innerhalb derer die vorgegebene Mindestöffnungsweite bei Berücksichtigung u.a. auch der in Merkmal 3.2 vorgesehenen Bremsphase ("Abbremsung")
  152. erreicht werden muss (vgl. Abs. 21). Eine solche vorgegebene Maximalzeit ist
  153. jedoch in die Lehre aus Patentanspruch 1 nicht aufgenommen worden und daher für deren Verwirklichung nicht zwingend erforderlich.
  154. 13
  155. II.
  156. Das Patentgericht hat die Verfahrenslehre aus Patentanspruch 1
  157. als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend angesehen und zur Begründung
  158. ausgeführt, dass sich aus dem aufgezeigten Stand der Technik keine Anregung
  159. habe gewinnen lassen, beim zwangsweisen Öffnen einer Tür aufgrund eines
  160. Notfallsignals die Bewegung der Tür bereits vor Erreichen der Mindestöffnungsweite zu stoppen, wenn ein Hindernissignal auftrete.
  161. 14
  162. Die E1 sei zwar die einzige der angeführten Druckschriften, die nicht nur
  163. ein Verfahren zum Betrieb einer automatischen Schiebetüranlage betreffe,
  164. sondern auch für einen Notfallbetrieb ausgelegt sei. Dieser Entgegenhaltung
  165. sei aber lediglich zu entnehmen, dass nach Überschreiten der Mindestöffnungsweite die Fahrbewegung der Tür verlangsamt fortgesetzt und auch ganz
  166. gestoppt werden könne.
  167. 15
  168. Darüber hinaus sei aus der E1 zwar bereits bekannt, bei einer Notfallöffnung die Öffnungsbewegung zwischen der Mindestöffnungsweite und der maximalen Öffnungsweite anzuhalten, mithin einen Stopppunkt zuzulassen. Der
  169. nach der Lehre aus Patentanspruch 1 für einen Stopppunkt zugelassene Bereich sei jedoch größer, da er bereits bei 80% der Mindestöffnungsweite beginne und so auch das Intervall zwischen 80% der Mindestöffnungsweite und der
  170. Mindestöffnungsweite umfasse. Es bestehe die Besonderheit, dass es sich bei
  171. dem erfinderischen Intervall um ein einheitliches Merkmal handele, das nicht
  172. -9-
  173. aufgeteilt werden könne und daher auch keine zwei Intervalle erlaube, von denen das eine in den Oberbegriff und das andere in den kennzeichnenden Teil
  174. hätten aufgenommen werden können.
  175. 16
  176. III.
  177. 17
  178. Wie vom Patentgericht zunächst zutreffend erkannt worden ist, wird in
  179. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
  180. der E1 auch die Möglichkeit offenbart, einen Stopppunkt zwischen der Mindestöffnungsweite und der vollständigen Offenlage vorzusehen, da in diesem
  181. Fall die Flucht- und Rettungswegfunktion der Schiebetüranlage trotz des
  182. Stopps des Schiebeflügels bereits erfüllt ist (E1, Abs. 13). Damit war ein Teilbereich der nach der Lehre aus Patentanspruch 1 möglichen Verfahrensausübungen bereits im Stand der Technik bekannt, etwa dann, wenn der Stopppunkt
  183. wie bei dem erfindungsgemäßen Ausführungsbeispiel nach Figur 4 bei der vollständigen Mindestöffnungsweite liegt (vgl. Abs. 25, Figur 4). Im Rahmen der
  184. Neuheitsprüfung kann daher nicht angenommen werden, dass Merkmal 3.2.2
  185. nicht aus der E1 bekannt sei.
  186. 18
  187. Dem steht auch nicht das Argument des Patentgerichts entgegen, dass
  188. der nach Patentanspruch 1 für einen Stopppunkt zugelassene Bereich größer
  189. ist als der in der E1 als möglich erachtete, da er nach Merkmal 3.2.2 bereits bei
  190. 80% der Mindestöffnungsweite beginne und so auch das Intervall zwischen
  191. 80% der Mindestöffnungsweite und der Mindestöffnungsweite umfasse. Denn
  192. dies rechtfertigt es nicht, der Patentinhaberin Schutz in einem Umfang zu gewähren, der Möglichkeiten der Verfahrensausgestaltung miterfasst, die bei Anmeldung des Patents bereits offenbart waren.
  193. 19
  194. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob es sich, wie das Patentgericht meint, bei dem erfindungsgemäßen Intervall um ein einheitliches Merkmal
  195. handelt, das nicht in zwei Intervalle geteilt werden kann, von denen der eine in
  196. den Oberbegriff und der andere im kennzeichnenden Teil aufgenommen werden kann. Die Aufnahme eines bestimmten Merkmals in den Oberbegriff oder
  197. - 10 -
  198. in den kennzeichnenden Teil ist für die Bestimmung des Gegenstands eines
  199. Patentanspruchs unerheblich (BGH, Urteil vom 20. Januar 1994 - X ZR 102/91,
  200. GRUR 1994, 357, 358 - Muffelofen; Urteil vom 5. Oktober 2016 - X ZR 21/15,
  201. juris Rn. 17 - Zungenbett). Von daher kann es für die Prüfung der Patentfähigkeit nicht entscheidend sein, ob das in Patentanspruch 1 aufgenommene Intervall in zwei Intervalle hätte geteilt und dem Oberbegriff oder dem kennzeichnenden Teil hätte zugewiesen werden können. Vielmehr ist insoweit allein zu
  202. prüfen, ob der unabhängig von seinem äußeren Aufbau zu bestimmende Gegenstand des Patentanspruchs ganz oder - wie hier - teilweise vorbekannt gewesen ist oder sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand
  203. der Technik ergeben hat.
  204. 20
  205. IV.
  206. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich
  207. gehalten (§ 107 Abs. 1 Halbsatz 2 PatG).
  208. Meier-Beck
  209. Grabinski
  210. Schuster
  211. Hoffmann
  212. Deichfuß
  213. Vorinstanz:
  214. Bundespatentgericht, Entscheidung vom 24.02.2015 - 10 W(pat) 13/14 -