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314 lines
18 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VIII ZR 9/08
  5. Verkündet am:
  6. 28. Januar 2009
  7. Ring,
  8. Justizhauptsekretärin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  14. vom 12. November 2008 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter
  15. Dr. Frellesen, die Richterinnen Hermanns und Dr. Milger sowie den Richter
  16. Dr. Achilles
  17. für Recht erkannt:
  18. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 5. Zivilkammer
  19. des Landgerichts Heidelberg vom 30. November 2007 wird zurückgewiesen.
  20. Der Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 31. Mai 2009 eingeräumt.
  21. Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
  22. Von Rechts wegen
  23. Tatbestand:
  24. 1
  25. Die Beklagte ist seit dem 1. Februar 1998 Mieterin einer Wohnung in einem 1914 errichteten Gebäude in H.
  26. , das nach Vornahme von Umbau-
  27. ten seit Jahrzehnten als Mehrfamilienhaus (sechs Wohneinheiten mit einer Gesamtwohnfläche von 280 qm) genutzt wird und sich auf einem rund 600 qm großen Grundstück in innenstadtnaher Wohnlage befindet. Die Klägerin hat das
  28. Objekt Anfang 2005 für 653.500 € erworben und danach sämtlichen Mietern
  29. mit Schreiben vom 22. April 2005 zum 31. Januar 2006 gekündigt. Sie plant den
  30. Abriss des bestehenden sanierungsbedürftigen Gebäudes und die Neuerrichtung einer Wohnanlage mit sechs Eigentumswohnungen (Gesamtwohnfläche
  31. -3-
  32. 610 qm). Sowohl der geplante Abriss als auch der Neubau sind baurechtlich
  33. genehmigt. Die Klägerin bietet die projektierten Eigentumswohnungen bereits
  34. zum Kauf an.
  35. 2
  36. Das Amtsgericht hat die von der Klägerin erhobene Räumungsklage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht die Beklagte unter
  37. Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zur Räumung verurteilt. Hiergegen
  38. richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit
  39. der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt.
  40. Entscheidungsgründe:
  41. Die Revision hat keinen Erfolg.
  42. 3
  43. I.
  44. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausge-
  45. 4
  46. führt:
  47. 5
  48. Die Beklagte sei zur Räumung und Herausgabe der Wohnung verpflichtet, weil die Kündigung der Klägerin vom 22. April 2005 das Mietverhältnis der
  49. Parteien zum 31. Januar 2006 beendet habe. Die Klägerin sei gemäß § 573
  50. Abs. 2 Nr. 3 BGB zur Kündigung des Mietvertrages berechtigt gewesen, denn
  51. sie würde durch den Fortbestand des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Gebäudes gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden. Die Klägerin könne mit dem von ihr beabsichtigten Verkauf der neu zu errichtenden Wohnungen einen Erlös erzielen, der ihre Aufwendungen um 831.000 € übersteige. Wenn dieser Betrag in Relation zu dem
  52. von der Sachverständigen errechneten Reinertrag bei einer Vermietung der neu
  53. -4-
  54. errichteten Wohnungen für die Dauer von 90 Jahren gesetzt werden solle, müsse eine angemessene Verzinsung des Verkaufserlöses über den gleichen Zeitraum angesetzt werden. Bei Zugrundelegung eines Zinssatzes von 4 % errechne sich daraus eine Rendite des eingesetzten Kapitals in Höhe von 16 %.
  55. 6
  56. Der von der Klägerin beabsichtigte Abriss und anschließende Neubau sei
  57. angesichts der Sanierungsbedürftigkeit des Gebäudes wirtschaftlich vernünftig
  58. und nach den Gesamtumständen angemessen. Der Grundstückseigentümer
  59. dürfe nicht darauf verwiesen werden, sich auf Sanierungsmaßnahmen zu beschränken, die nur zu einer Behebung des Instandhaltungsstaus und einer
  60. Restnutzungsdauer des Gebäudes von 15 bis 20 Jahren führen würden. Vielmehr stelle sich in einem solchen Fall die Entscheidung des Eigentümers für
  61. eine nachhaltige Sanierung oder einen Abriss und anschließenden Neubau als
  62. angemessene wirtschaftliche Verwertung dar; auch die Entscheidung für den
  63. gegenüber der Vollsanierung wirtschaftlich günstigeren Abriss und anschließenden Neubau sei nicht zu beanstanden.
  64. Die Klägerin würde bei Fortbestand des Mietverhältnisses auch erhebli-
  65. 7
  66. che Nachteile erleiden. Nicht erforderlich sei, dass der Vermieter bei einer Fortsetzung des Mietverhältnisses keine Rendite mehr erwirtschafte oder gar Verluste erleide. Es genüge vielmehr, dass der Vermieter seine Rendite mit der von
  67. ihm beabsichtigten Verwertung erheblich verbessern könne. Dies sei hier der
  68. Fall, weil die Klägerin mit der von ihr geplanten Verwertung eine Rendite von
  69. 16 % erzielen könne, während sowohl bei einer Minimal- als auch bei einer Vollsanierung nur eine Rendite von 2,5 % erzielbar sei, die deutlich unter der in
  70. H.
  71. für Mehrfamilienhäuser mit mehr als 4 Wohnungen er-
  72. zielbaren Rendite von 3,5 % bis 4,5 % liege.
  73. -5-
  74. 8
  75. Die Ausübung des Kündigungsrechtes durch die Klägerin sei auch nicht
  76. deswegen rechtsmissbräuchlich, weil sie das Grundstück in Kenntnis der Sanierungsbedürftigkeit und Unrentabilität des Gebäudes gekauft habe. Da der Ab
  77. riss und anschließende Neubau wirtschaftlicher Vernunft entspreche, sei es
  78. unerheblich, ob die gebotenen Maßnahmen durch den bisherigen Eigentümer
  79. oder einen Erwerber durchgeführt würden.
  80. II.
  81. 9
  82. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand, so
  83. dass die Revision zurückzuweisen ist. Die Beklagte ist gemäß § 546 Abs. 1
  84. BGB zur Räumung und Herausgabe ihrer Mietwohnung verpflichtet, denn die
  85. Kündigung der Klägerin vom 22. April 2005 hat das Mietverhältnis zu dem in der
  86. Kündigungserklärung angegebenen Zeitpunkt (31. Januar 2006) beendet. Die
  87. Klägerin war gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB zur Kündigung berechtigt.
  88. 10
  89. 1. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Klägerin
  90. durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert würde.
  91. 11
  92. a) Der von der Klägerin geplante Abriss des vorhandenen Gebäudes und
  93. seine Ersetzung durch einen Neubau stellt eine wirtschaftliche Verwertung des
  94. Grundstücks dar (Senatsurteil vom 24. März 2004 – VIII ZR 188/03, NJW 2004,
  95. 1736, unter II 1 a aa).
  96. 12
  97. b) Angemessen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB ist eine wirtschaftliche Verwertung dann, wenn sie von vernünftigen, nachvollziehbaren Erwägungen getragen wird (MünchKommBGB/Häublein, 5. Aufl., § 573 Rdnr. 88;
  98. Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl., § 573 Rdnr. 131; Erman/Jendrek, BGB,
  99. 12. Aufl., § 573 Rdnr. 24; Schach in: Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietpro-
  100. -6-
  101. zessrecht, 5. Aufl., § 573 Rdnr. 44; AnwK/Hinz, BGB, § 573 Rdnr. 58). Dies hat
  102. das Berufungsgericht für die von der Klägerin geplanten Baumaßnahmen
  103. rechtsfehlerfrei bejaht. Denn gegen Investitionen in das vorhandene sanierungsbedürftige Gebäude sprechen die verhältnismäßig geringe Restnutzungsdauer von 15 bis 20 Jahren und der allein für eine "Minimalsanierung" erforderliche Kostenaufwand von 70.000 €. Da dem Abriss des sanierungsbedürftigen
  104. Gebäudes städtebauliche Gründe (Denkmalschutz) nicht entgegenstehen und
  105. eine Abrissgenehmigung bereits vorliegt, entspricht die Errichtung des von der
  106. Klägerin geplanten und baurechtlich ebenfalls bereits genehmigten Neubaus,
  107. mit dem zudem in erheblichem Umfang zusätzlicher Wohnraum geschaffen
  108. wird, vernünftigen wirtschaftlichen Überlegungen.
  109. 13
  110. 2. Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, dass der Klägerin
  111. erhebliche Nachteile entstehen würden, wenn sie infolge des fortbestehenden
  112. Mietverhältnisses an der von ihr beabsichtigten wirtschaftlichen Verwertung des
  113. Grundstücks gehindert würde.
  114. 14
  115. a) Die Beurteilung der Frage, ob dem Eigentümer durch den Fortbestand
  116. eines Mietvertrages ein erheblicher Nachteil entsteht, ist vor dem Hintergrund
  117. der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) und damit des grundsätzlichen Bestandsinteresses des Mieters, in der bisherigen Wohnung als seinem Lebensmittelpunkt zu verbleiben, vorzunehmen. Das Eigentum gewährt
  118. dem Vermieter vor diesem Hintergrund keinen Anspruch auf Gewinnoptimierung oder auf Einräumung gerade der Nutzungsmöglichkeiten, die den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil versprechen (vgl. BVerfGE 84, 382, 385 =
  119. NJW 1992, 361, 362). Auch das Besitzrecht des Mieters an der gemieteten
  120. Wohnung ist Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und deshalb
  121. grundgesetzlich geschützt (BVerfGE 89, 1, 6 ff. = NJW 1993, 2035, 2036). Auf
  122. der anderen Seite dürfen die dem Vermieter entstehenden Nachteile jedoch
  123. -7-
  124. keinen Umfang annehmen, welcher die Nachteile weit übersteigt, die dem Mieter im Falle des Verlustes der Wohnung erwachsen (BVerfGE 79, 283, 290 =
  125. NJW 1989, 972, 973).
  126. 15
  127. Die im Rahmen des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB erforderliche Abwägung
  128. zwischen dem grundsätzlichen Bestandsinteresse des Mieters und dem Verwertungsinteresse des Eigentümers entzieht sich einer generalisierenden Betrachtung; sie lässt sich nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände
  129. des Einzelfalls und der konkreten Situation des Vermieters treffen (LG Berlin,
  130. NJW-RR 1988, 527, 528; Staudinger/Rolfs, BGB (2006), § 573 Rdnr. 156;
  131. Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 9. Aufl., § 573 Rdnr. 168; MünchKomm/
  132. Häublein, aaO Rdnr. 90; Bub/Treier/Grapentin, Handbuch der Geschäfts- und
  133. Wohnraummiete, 3. Aufl., IV 1 Rdnr. 82). Dabei handelt es sich um eine tatrichterliche Frage, die vom Revisionsgericht nur eingeschränkt dahin überprüft
  134. werden kann, ob das Berufungsgericht die Wertungsgrenzen erkannt, die tatsächliche Wertungsgrundlage ausgeschöpft und die Denk- und Erfahrungssätze
  135. beachtet hat. Einen dem Berufungsgericht in dieser Hinsicht unterlaufenen Fehler zeigt die Revision nicht auf.
  136. 16
  137. b) Das Berufungsgericht hat seine Beurteilung, dass der Klägerin im Falle des Fortbestands der Mietverhältnisse erhebliche Nachteile entstünden, nicht
  138. isoliert darauf gestützt, dass die Klägerin dann den geplanten Neubau nicht errichten und den damit erstrebten Gewinn nicht erzielen könnte, sondern maßgeblich auch darauf abgestellt, dass der schlechte Zustand des Gebäudes eine
  139. umfassende und nachhaltige Sanierung oder einen Abriss mit anschließendem
  140. Neubau gebiete und die Klägerin nicht auf eine bloße "Minimalsanierung", mit
  141. der eine Verlängerung der Nutzungsdauer des Objektes nicht erzielt werde,
  142. verwiesen werden könne.
  143. -8-
  144. 17
  145. aa) Diese Beurteilung ist angesichts der zum Zustand des Gebäudes
  146. vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen aus Rechtsgründen nicht zu
  147. beanstanden. Denn nach dem Gutachten der Sachverständigen B.
  148. , auf das
  149. das Berufungsgericht Bezug nimmt, sind schon für eine "Minimalsanierung" des
  150. Gebäudes, die nur die dringendsten Maßnahmen – vor allem die Beseitigung
  151. der Feuchtigkeit im Keller und eine Hausschwammbehandlung – umfasst und
  152. nicht zu einer Verlängerung der mit 15 bis 20 Jahren geschätzten Restlebensdauer des Gebäudes führt, Kosten von rund 70.000 € zu veranschlagen, worin
  153. der Aufwand für – inzwischen nach der Energieeinsparverordnung vorgeschriebene – Nachrüstungsmaßnahmen (Dämmung zugänglicher oberster Geschoßdecken beheizter Räume sowie zugänglicher Heizungs- und Wasserleitungen in
  154. unbeheizten Räumen) noch nicht enthalten ist. Um eine Grundrissgestaltung
  155. nach heutigen Bedürfnissen und eine Ausstattung nach heutigen Anforderungen zu erreichen, ist nach dem Gutachten eine "Vollsanierung" erforderlich.
  156. Dazu müssten das Gebäude mit einem Investitionsaufwand von 580.000 € entkernt sowie Teile des Rohbaus und der gesamte Innenausbau erneuert und die
  157. Wohnungsgrundrisse neu gestaltet werden.
  158. 18
  159. bb) Bei einer Fortsetzung der Mietverhältnisse könnte die Klägerin weder
  160. die von der Sachverständigen beschriebene, gemessen an üblichen Wohnverhältnissen gebotene "Vollsanierung" noch den von ihr vorgesehenen Abriss des
  161. Gebäudes mit anschließendem (größeren) Neubau verwirklichen; sie wäre
  162. stattdessen auf eine "Minimalsanierung" des vorhandenen Gebäudes verwiesen, die nach allgemeiner Lebenserfahrung mit dem – kaum kalkulierbaren –
  163. Risiko verbunden wäre, dass alsbald die Notwendigkeit weiterer in keinem angemessenen Verhältnis zur Restnutzungsdauer des Gebäudes stehender Instandsetzungsmaßnahmen zu Tage tritt. Im Übrigen ist dem Eigentümer auch
  164. allgemein ein anerkennenswertes Interesse daran nicht abzusprechen, eine
  165. angesichts des sanierungsbedürftigen Gebäudezustands – wie hier – bereits
  166. -9-
  167. gebotene nachhaltige Verbesserung oder dauerhafte Erneuerung seines Eigentums alsbald und nicht erst bei vollständigem Verbrauch der bisherigen Bausubstanz zu realisieren. Schließlich wird auch in den Gesetzesmaterialien der
  168. Abbruch des Gebäudes zum Zweck der Sanierung mit anschließendem Wiederaufbau ausdrücklich als Beispielsfall für eine Verwertungskündigung des
  169. Vermieters genannt (vgl. BT-Drs. 6/1549, S. 8 zu Art. 1 § 1 Abs. 2 Nr. 3 des
  170. 1. Wohnraumkündigungsschutzgesetzes,
  171. dessen
  172. Regelungen
  173. durch
  174. das
  175. 2. Wohnraumkündigungsschutzgesetz im wesentlichen inhaltsgleich in § 564b
  176. BGB aF und später durch das Mietrechtsreformgesetz vom 19. Juni 2001
  177. [BGBl. I S. 1149] in § 573 BGB übernommen wurden).
  178. 19
  179. c) Das Berufungsgericht hat deshalb ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Beendigung des Mietverhältnisses mit der Beklagten rechtsfehlerfrei bejaht. Für das Vorliegen von Härtegründen in der Person der Beklagten,
  180. aus denen sie nach §§ 574, 574a BGB einen Anspruch auf Fortsetzung des
  181. Mietverhältnisses herleiten könnte, bieten die tatsächlichen Feststellungen des
  182. Berufungsgerichts keinen Anhaltspunkt; übergangenen Sachvortrag hierzu zeigt
  183. die Revision nicht auf.
  184. 20
  185. d) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, es handele sich bei dem
  186. Vorhaben der Klägerin um ein rein spekulatives, von der Eigentumsgarantie des
  187. Art. 14 Abs. 1 GG nicht geschütztes Geschäft. Die der Klägerin bei Fortbestand
  188. der Mietverhältnisse entstehenden Nachteile, die sie zur Kündigung des Mietverhältnisses gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB berechtigen, bestehen – wie oben
  189. dargelegt – vor allem darin, dass die in diesem Fall erforderliche weitere Bewirtschaftung des sanierungsbedürftigen Objekts in Form einer "Minimalsanierung" mit schwer kalkulierbaren Risiken verbunden ist und keine nachhaltige
  190. Verbesserung der Bausubstanz sicherstellt. Entgegen der Auffassung der Revision handelt es sich bei dem von der Klägerin verfolgten Projekt nicht deshalb
  191. - 10 -
  192. um ein von der Rechtsordnung missbilligtes oder außerhalb der Eigentumsgarantie liegendes Geschäft, weil die Klägerin das Grundstück angesichts der objektiv bestehenden Sanierungsbedürftigkeit des vorhandenen Gebäudes von
  193. vornherein zum Zweck eines Neubaus erworben und für das Grundstück einen
  194. Preis gezahlt hat, der durch die Erwartung beeinflusst worden ist, dass die Klägerin mit dem Neubau und anschließendem Verkauf – auch wegen der besseren Ausnutzung der bebaubaren Fläche – voraussichtlich einen erheblichen
  195. Gewinn realisieren kann.
  196. 21
  197. e) Entgegen der Auffassung der Revision muss sich die Klägerin auch
  198. nicht auf einen Anbau an das vorhandene Gebäude verweisen lassen; denn
  199. selbst wenn eine solche Maßnahme technisch und bauordnungsrechtlich realisiert werden könnte, ließen sich damit die mit einer weiteren Bewirtschaftung
  200. des sanierungsbedürftigen Gebäudes verbundenen Nachteile nicht vermeiden.
  201. 22
  202. 3. Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, dass die Kündigung der Klägerin nicht deshalb als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist, weil
  203. die Voreigentümer über viele Jahre keine Investitionen in das Grundstück getätigt haben und die Klägerin das Objekt in Kenntnis dieses Umstands erworben
  204. hat. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Voreigentümer das
  205. Gebäude bewusst herunter gewirtschaftet hätten, um den Abriss des Gebäudes
  206. leichter durchsetzen zu können. Allein der Umstand, dass der jetzige sanierungsbedürftige Zustand des Gebäudes bei nachhaltigen Investitionen der Voreigentümer hätte vermieden werden können, lässt die von der Klägerin wegen
  207. der nunmehr erforderlichen baulichen Maßnahmen erklärte Kündigung des
  208. Mietverhältnisses mit der Beklagten noch nicht als treuwidrig erscheinen.
  209. - 11 -
  210. 23
  211. 4. Auch die Regelung des § 573 Abs. 2 Nr. 3 Halbs. 3 BGB steht der
  212. Kündigung der Klägerin nicht entgegen. Wie auch die Revision nicht verkennt,
  213. ist diese Vorschrift, nach der sich der Vermieter nicht darauf berufen kann, dass
  214. er die Mieträume im Zusammenhang mit der beabsichtigten oder nach der
  215. Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will, auf den vorliegenden Sachverhalt nicht direkt anwendbar. Denn die
  216. Klägerin will die Wohnung der Beklagten nicht im Zusammenhang mit der Begründung von Wohnungseigentum veräußern, sondern das Gebäude einschließlich der bisher von der Beklagten bewohnten Räume abreißen.
  217. 24
  218. Eine analoge Anwendung dieser Bestimmung kommt gleichfalls nicht in
  219. Betracht, denn eine planwidrige Regelungslücke liegt nicht vor. Der in § 573
  220. BGB geregelte Kündigungsschutz dient dem Bestandsschutz des einzelnen
  221. Mietverhältnisses, das heißt dem Interesse des Mieters, die gemietete Wohnung als seinen Lebensmittelpunkt beizubehalten und diese nur bei einem berechtigten Interesse des Vermieters aufgeben zu müssen. Ein solches berechtigtes Interesse der Klägerin liegt hier – wie ausgeführt – darin, dass wegen des
  222. sanierungsbedürftigen Zustands des Gebäudes umfassende bauliche Maßnahmen erforderlich sind, die zum Wegfall der bisherigen Mietwohnungen führen. Entgegen der Auffassung der Revision geht der Zweck des in § 573 BGB
  223. geregelten Kündigungsschutzes des Mieters nicht – wie etwa das Instrument
  224. des Zweckentfremdungsverbots in Gemeinden mit Wohnraummangel – dahin,
  225. allgemein einen Bestand von Mietwohnungen oder von Altbauwohnungen mit
  226. günstigem Mietzins zu erhalten.
  227. - 12 -
  228. 5. Der Beklagten war eine den Umständen nach angemessene Räu-
  229. 25
  230. mungsfrist gemäß § 721 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu gewähren.
  231. Ball
  232. Dr. Frellesen
  233. Dr. Milger
  234. Hermanns
  235. Dr. Achilles
  236. Vorinstanzen:
  237. AG Heidelberg, Entscheidung vom 03.07.2007 - 61 C 582/05 LG Heidelberg, Entscheidung vom 30.11.2007 - 5 S 87/07 -