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343 lines
19 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VIII ZR 8/08
  5. Verkündet am:
  6. 28. Januar 2009
  7. Ring,
  8. Justizhauptsekretärin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. ja
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 573 Abs. 2 Nr. 3
  19. a) Eine wirtschaftliche Verwertung ist angemessen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 3
  20. BGB, wenn sie von vernünftigen, nachvollziehbaren Erwägungen getragen wird.
  21. b) Die Beurteilung der Frage, ob dem Eigentümer durch den Fortbestand eines Mietvertrages erhebliche Nachteile entstehen und er deshalb zur Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt ist, ist vor dem Hintergrund der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) und damit des grundsätzlichen Bestandsinteresses
  22. des Mieters, in der bisherigen Wohnung als seinem Lebensmittelpunkt zu verbleiben, vorzunehmen. Die hierzu erforderliche Abwägung entzieht sich einer generalisierenden Betrachtung; sie lässt sich nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und der konkreten Situation des Vermieters treffen.
  23. c) Ist wegen des Alters und schlechten baulichen Zustands eines Gebäudes gemessen an üblichen Wohnverhältnissen eine "Vollsanierung" oder ein Abriss mit anschließender Errichtung eines Neubaus geboten, kann ein erheblicher Nachteil
  24. des Vermieters im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB darin liegen, dass er anderenfalls auf notdürftige Maßnahmen ("Minimalsanierung") verwiesen ist, die weder
  25. zu einer nachhaltigen Verbesserung noch zur Verlängerung einer verhältnismäßig
  26. geringen Restlebensdauer des Gebäudes (hier 15 bis 20 Jahre) führen.
  27. BGH, Urteil vom 28. Januar 2009 - VIII ZR 8/08 - LG Heidelberg
  28. AG Heidelberg
  29. -2-
  30. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  31. vom 12. November 2008 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter
  32. Dr. Frellesen, die Richterinnen Hermanns und Dr. Milger sowie den Richter
  33. Dr. Achilles
  34. für Recht erkannt:
  35. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der 5. Zivilkammer
  36. des Landgerichts Heidelberg vom 30. November 2007 wird zurückgewiesen.
  37. Dem Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 31. Mai 2009
  38. eingeräumt.
  39. Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
  40. Von Rechts wegen
  41. Tatbestand:
  42. 1
  43. Der Beklagte ist seit 1981 Mieter einer Wohnung in einem 1914 errichteten Gebäude in H.
  44. , das nach Vornahme von Umbauten seit Jahrzehn-
  45. ten als Mehrfamilienhaus (sechs Wohneinheiten mit einer Gesamtwohnfläche
  46. von 280 qm) genutzt wird und sich auf einem rund 600 qm großen Grundstück
  47. in innenstadtnaher Wohnlage befindet. Die Klägerin hat das Objekt Anfang
  48. 2005 für 653.500 € erworben und danach sämtlichen Mietern mit Schreiben
  49. vom 22. April 2005 zum 31. Januar 2006 gekündigt. Sie plant den Abriss des
  50. -3-
  51. bestehenden sanierungsbedürftigen Gebäudes und die Neuerrichtung einer
  52. Wohnanlage mit sechs Eigentumswohnungen (Gesamtwohnfläche 610 qm).
  53. Sowohl der geplante Abriss als auch der Neubau sind baurechtlich genehmigt.
  54. Die Klägerin bietet die projektierten Eigentumswohnungen bereits zum Kauf an.
  55. 2
  56. Das Amtsgericht hat die von der Klägerin erhobene Räumungsklage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht den Beklagten
  57. unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zur Räumung verurteilt. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten,
  58. mit der er die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt.
  59. Entscheidungsgründe:
  60. Die Revision hat keinen Erfolg.
  61. 3
  62. I.
  63. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausge-
  64. 4
  65. führt:
  66. 5
  67. Der Beklagte sei zur Räumung und Herausgabe der Wohnung verpflichtet, weil die Kündigung der Klägerin vom 22. April 2005 das Mietverhältnis der
  68. Parteien zum 31. Januar 2006 beendet habe. Die Klägerin sei gemäß § 573
  69. Abs. 2 Nr. 3 BGB zur Kündigung des Mietvertrages berechtigt gewesen, denn
  70. sie würde durch den Fortbestand des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Gebäudes gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden. Die Klägerin könne mit dem von ihr beabsichtigten Verkauf der neu zu errichtenden Wohnungen einen Erlös erzielen, der ihre Aufwendungen um 831.000 € übersteige. Wenn dieser Betrag in Relation zu dem
  71. -4-
  72. von der Sachverständigen errechneten Reinertrag bei einer Vermietung der neu
  73. errichteten Wohnungen für die Dauer von 90 Jahren gesetzt werden solle, müsse eine angemessene Verzinsung des Verkaufserlöses über den gleichen Zeitraum angesetzt werden. Bei Zugrundelegung eines Zinssatzes von 4 % errechne sich daraus eine Rendite des eingesetzten Kapitals in Höhe von 16 %.
  74. 6
  75. Der von der Klägerin beabsichtigte Abriss und anschließende Neubau sei
  76. angesichts der Sanierungsbedürftigkeit des Gebäudes wirtschaftlich vernünftig
  77. und nach den Gesamtumständen angemessen. Der Grundstückseigentümer
  78. dürfe nicht darauf verwiesen werden, sich auf Sanierungsmaßnahmen zu beschränken, die nur zu einer Behebung des Instandhaltungsstaus und einer
  79. Restnutzungsdauer des Gebäudes von 15 bis 20 Jahren führen würden. Vielmehr stelle sich in einem solchen Fall die Entscheidung des Eigentümers für
  80. eine nachhaltige Sanierung oder einen Abriss und anschließenden Neubau als
  81. angemessene wirtschaftliche Verwertung dar; auch die Entscheidung für den
  82. gegenüber der Vollsanierung wirtschaftlich günstigeren Abriss und anschließenden Neubau sei nicht zu beanstanden.
  83. Die Klägerin würde bei Fortbestand des Mietverhältnisses auch erhebli-
  84. 7
  85. che Nachteile erleiden. Nicht erforderlich sei, dass der Vermieter bei einer Fortsetzung des Mietverhältnisses keine Rendite mehr erwirtschafte oder gar Verluste erleide. Es genüge vielmehr, dass der Vermieter seine Rendite mit der von
  86. ihm beabsichtigten Verwertung erheblich verbessern könne. Dies sei hier der
  87. Fall, weil die Klägerin mit der von ihr geplanten Verwertung eine Rendite von
  88. 16 % erzielen könne, während sowohl bei einer Minimal- als auch bei einer
  89. Vollsanierung nur eine Rendite von 2,5 % erzielbar sei, die deutlich unter der in
  90. H.
  91. für Mehrfamilienhäuser mit mehr als 4 Wohnungen er-
  92. zielbaren Rendite von 3,5 % bis 4,5 % liege.
  93. -5-
  94. 8
  95. Die Ausübung des Kündigungsrechtes durch die Klägerin sei auch nicht
  96. deswegen rechtsmissbräuchlich, weil sie das Grundstück in Kenntnis der Sanierungsbedürftigkeit und Unrentabilität des Gebäudes gekauft habe. Da der Abriss und anschließende Neubau wirtschaftlicher Vernunft entspreche, sei es
  97. unerheblich, ob die gebotenen Maßnahmen durch den bisherigen Eigentümer
  98. oder einen Erwerber durchgeführt würden.
  99. II.
  100. 9
  101. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand, so
  102. dass die Revision zurückzuweisen ist. Der Beklagte ist gemäß § 546 Abs. 1
  103. BGB zur Räumung und Herausgabe seiner Mietwohnung verpflichtet, denn die
  104. Kündigung der Klägerin vom 22. April 2005 hat das Mietverhältnis zu dem in der
  105. Kündigungserklärung angegebenen Zeitpunkt (31. Januar 2006) beendet. Die
  106. Klägerin war gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB zur Kündigung berechtigt.
  107. 10
  108. 1. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Klägerin
  109. durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert würde.
  110. 11
  111. a) Der von der Klägerin geplante Abriss des vorhandenen Gebäudes und
  112. seine Ersetzung durch einen Neubau stellt eine wirtschaftliche Verwertung des
  113. Grundstücks dar (Senatsurteil vom 24. März 2004 – VIII ZR 188/03, NJW 2004,
  114. 1736, unter II 1 a aa).
  115. 12
  116. b) Angemessen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB ist eine wirtschaftliche Verwertung dann, wenn sie von vernünftigen, nachvollziehbaren Erwägungen getragen wird (MünchKommBGB/Häublein, 5. Aufl., § 573 Rdnr. 88;
  117. Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl., § 573 Rdnr. 131; Erman/Jendrek, BGB,
  118. 12. Aufl., § 573 Rdnr. 24; Schach in: Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietpro-
  119. -6-
  120. zessrecht, 5. Aufl., § 573 Rdnr. 44; AnwK/Hinz, BGB, § 573 Rdnr. 58). Dies hat
  121. das Berufungsgericht für die von der Klägerin geplanten Baumaßnahmen
  122. rechtsfehlerfrei bejaht. Denn gegen Investitionen in das vorhandene sanierungsbedürftige Gebäude sprechen die verhältnismäßig geringe Restnutzungsdauer von 15 bis 20 Jahren und der allein für eine "Minimalsanierung" erforderliche Kostenaufwand von 70.000 €. Da dem Abriss des sanierungsbedürftigen
  123. Gebäudes städtebauliche Gründe (Denkmalschutz) nicht entgegenstehen und
  124. eine Abrissgenehmigung bereits vorliegt, entspricht die Errichtung des von der
  125. Klägerin geplanten und baurechtlich ebenfalls bereits genehmigten Neubaus,
  126. mit dem zudem in erheblichem Umfang zusätzlicher Wohnraum geschaffen
  127. wird, vernünftigen wirtschaftlichen Überlegungen.
  128. 13
  129. 2. Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, dass der Klägerin
  130. erhebliche Nachteile entstehen würden, wenn sie infolge des fortbestehenden
  131. Mietverhältnisses an der von ihr beabsichtigten wirtschaftlichen Verwertung des
  132. Grundstücks gehindert würde.
  133. 14
  134. a) Die Beurteilung der Frage, ob dem Eigentümer durch den Fortbestand
  135. eines Mietvertrages ein erheblicher Nachteil entsteht, ist vor dem Hintergrund
  136. der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) und damit des grundsätzlichen Bestandsinteresses des Mieters, in der bisherigen Wohnung als seinem Lebensmittelpunkt zu verbleiben, vorzunehmen. Das Eigentum gewährt
  137. dem Vermieter vor diesem Hintergrund keinen Anspruch auf Gewinnoptimierung oder auf Einräumung gerade der Nutzungsmöglichkeiten, die den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil versprechen (vgl. BVerfGE 84, 382, 385 =
  138. NJW 1992, 361, 362). Auch das Besitzrecht des Mieters an der gemieteten
  139. Wohnung ist Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und deshalb
  140. grundgesetzlich geschützt (BVerfGE 89, 1, 6 ff. = NJW 1993, 2035, 2036). Auf
  141. der anderen Seite dürfen die dem Vermieter entstehenden Nachteile jedoch
  142. -7-
  143. keinen Umfang annehmen, welcher die Nachteile weit übersteigt, die dem Mieter im Falle des Verlustes der Wohnung erwachsen (BVerfGE 79, 283, 290 =
  144. NJW 1989, 972, 973).
  145. 15
  146. Die im Rahmen des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB erforderliche Abwägung
  147. zwischen dem grundsätzlichen Bestandsinteresse des Mieters und dem Verwertungsinteresse des Eigentümers entzieht sich einer generalisierenden Betrachtung; sie lässt sich nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände
  148. des Einzelfalls und der konkreten Situation des Vermieters treffen (LG Berlin,
  149. NJW-RR 1988, 527, 528; Staudinger/Rolfs, BGB (2006), § 573 Rdnr. 156;
  150. Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 9. Aufl., § 573 Rdnr. 168; MünchKomm/
  151. Häublein, aaO Rdnr. 90; Bub/Treier/Grapentin, Handbuch der Geschäfts- und
  152. Wohnraummiete, 3. Aufl., IV 1 Rdnr. 82). Dabei handelt es sich um eine tatrichterliche Frage, die vom Revisionsgericht nur eingeschränkt dahin überprüft
  153. werden kann, ob das Berufungsgericht die Wertungsgrenzen erkannt, die tatsächliche Wertungsgrundlage ausgeschöpft und die Denk- und Erfahrungssätze
  154. beachtet hat. Einen dem Berufungsgericht in dieser Hinsicht unterlaufenen Fehler zeigt die Revision nicht auf.
  155. 16
  156. b) Das Berufungsgericht hat seine Beurteilung, dass der Klägerin im Falle des Fortbestands der Mietverhältnisse erhebliche Nachteile entstünden, nicht
  157. isoliert darauf gestützt, dass die Klägerin dann den geplanten Neubau nicht errichten und den damit erstrebten Gewinn nicht erzielen könnte, sondern maßgeblich auch darauf abgestellt, dass der schlechte Zustand des Gebäudes eine
  158. umfassende und nachhaltige Sanierung oder einen Abriss mit anschließendem
  159. Neubau gebiete und die Klägerin nicht auf eine bloße "Minimalsanierung", mit
  160. der eine Verlängerung der Nutzungsdauer des Objektes nicht erzielt werde,
  161. verwiesen werden könne.
  162. -8-
  163. 17
  164. aa) Diese Beurteilung ist angesichts der zum Zustand des Gebäudes
  165. vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen aus Rechtsgründen nicht zu
  166. beanstanden. Denn nach dem Gutachten der Sachverständigen B. , auf das
  167. das Berufungsgericht Bezug nimmt, sind schon für eine "Minimalsanierung" des
  168. Gebäudes, die nur die dringendsten Maßnahmen – vor allem die Beseitigung
  169. der Feuchtigkeit im Keller und eine Hausschwammbehandlung – umfasst und
  170. nicht zu einer Verlängerung der mit 15 bis 20 Jahren geschätzten Restlebensdauer des Gebäudes führt, Kosten von rund 70.000 € zu veranschlagen, worin
  171. der Aufwand für – inzwischen nach der Energieeinsparverordnung vorgeschriebene – Nachrüstungsmaßnahmen (Dämmung zugänglicher oberster Geschoßdecken beheizter Räume sowie zugänglicher Heizungs- und Wasserleitungen in
  172. unbeheizten Räumen) noch nicht enthalten ist. Um eine Grundrissgestaltung
  173. nach heutigen Bedürfnissen und eine Ausstattung nach heutigen Anforderungen zu erreichen, ist nach dem Gutachten eine "Vollsanierung" erforderlich.
  174. Dazu müssten das Gebäude mit einem Investitionsaufwand von 580.000 € entkernt sowie Teile des Rohbaus und der gesamte Innenausbau erneuert und die
  175. Wohnungsgrundrisse neu gestaltet werden.
  176. 18
  177. bb) Bei einer Fortsetzung der Mietverhältnisse könnte die Klägerin weder
  178. die von der Sachverständigen beschriebene, gemessen an üblichen Wohnverhältnissen gebotene "Vollsanierung" noch den von ihr vorgesehenen Abriss des
  179. Gebäudes mit anschließendem (größeren) Neubau verwirklichen; sie wäre
  180. stattdessen auf eine "Minimalsanierung" des vorhandenen Gebäudes verwiesen, die nach allgemeiner Lebenserfahrung mit dem – kaum kalkulierbaren –
  181. Risiko verbunden wäre, dass alsbald die Notwendigkeit weiterer in keinem angemessenen Verhältnis zur Restnutzungsdauer des Gebäudes stehender Instandsetzungsmaßnahmen zu Tage tritt. Im Übrigen ist dem Eigentümer auch
  182. allgemein ein anerkennenswertes Interesse daran nicht abzusprechen, eine
  183. angesichts des sanierungsbedürftigen Gebäudezustands – wie hier – bereits
  184. -9-
  185. gebotene nachhaltige Verbesserung oder dauerhafte Erneuerung seines Eigentums alsbald und nicht erst bei vollständigem Verbrauch der bisherigen Bausubstanz zu realisieren. Schließlich wird auch in den Gesetzesmaterialien der
  186. Abbruch des Gebäudes zum Zweck der Sanierung mit anschließendem Wiederaufbau ausdrücklich als Beispielsfall für eine Verwertungskündigung des
  187. Vermieters genannt (vgl. BT-Drs. 6/1549, S. 8 zu Art. 1 § 1 Abs. 2 Nr. 3 des
  188. 1. Wohnraumkündigungsschutzgesetzes,
  189. dessen
  190. Regelungen
  191. durch
  192. das
  193. 2. Wohnraumkündigungsschutzgesetz im wesentlichen inhaltsgleich in § 564b
  194. BGB aF und später durch das Mietrechtsreformgesetz
  195. vom 19. Juni 2001
  196. [BGBl. I S. 1149] in § 573 BGB übernommen wurden).
  197. 19
  198. c) Das Berufungsgericht hat deshalb ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Beendigung des Mietverhältnisses mit dem Beklagten rechtsfehlerfrei bejaht. Für das Vorliegen von Härtegründen in der Person des Beklagten,
  199. aus denen er nach §§ 574, 574a BGB einen Anspruch auf Fortsetzung des
  200. Mietverhältnisses herleiten könnte, bieten die tatsächlichen Feststellungen des
  201. Berufungsgerichts keinen Anhaltspunkt; übergangenen Sachvortrag hierzu zeigt
  202. die Revision nicht auf.
  203. 20
  204. d) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, es handele sich bei dem
  205. Vorhaben der Klägerin um ein rein spekulatives, von der Eigentumsgarantie des
  206. Art. 14 Abs. 1 GG nicht geschütztes Geschäft. Die der Klägerin bei Fortbestand
  207. der Mietverhältnisse entstehenden Nachteile, die sie zur Kündigung des Mietverhältnisses gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB berechtigen, bestehen – wie
  208. oben dargelegt – vor allem darin, dass die in diesem Fall erforderliche weitere
  209. Bewirtschaftung des sanierungsbedürftigen Objekts in Form einer "Minimalsanierung" mit schwer kalkulierbaren Risiken verbunden ist und keine nachhaltige
  210. Verbesserung der Bausubstanz sicherstellt. Entgegen der Auffassung der Revision handelt es sich bei dem von der Klägerin verfolgten Projekt nicht deshalb
  211. - 10 -
  212. um ein von der Rechtsordnung missbilligtes oder außerhalb der Eigentumsgarantie liegendes Geschäft, weil die Klägerin das Grundstück angesichts der objektiv bestehenden Sanierungsbedürftigkeit des vorhandenen Gebäudes von
  213. vornherein zum Zweck eines Neubaus erworben und für das Grundstück einen
  214. Preis gezahlt hat, der durch die Erwartung beeinflusst worden ist, dass die Klägerin mit dem Neubau und anschließendem Verkauf – auch wegen der besseren Ausnutzung der bebaubaren Fläche – voraussichtlich einen erheblichen
  215. Gewinn realisieren kann.
  216. 21
  217. e) Entgegen der Auffassung der Revision muss sich die Klägerin auch
  218. nicht auf einen Anbau an das vorhandene Gebäude verweisen lassen; denn
  219. selbst wenn eine solche Maßnahme technisch und bauordnungsrechtlich realisiert werden könnte, ließen sich damit die mit einer weiteren Bewirtschaftung
  220. des sanierungsbedürftigen Gebäudes verbundenen Nachteile nicht vermeiden.
  221. 22
  222. 3. Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, dass die Kündigung der Klägerin nicht deshalb als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist, weil
  223. die Voreigentümer über viele Jahre keine Investitionen in das Grundstück getätigt haben und die Klägerin das Objekt in Kenntnis dieses Umstands erworben
  224. hat. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Voreigentümer das
  225. Gebäude bewusst herunter gewirtschaftet hätten, um den Abriss des Gebäudes
  226. leichter durchsetzen zu können. Allein der Umstand, dass der jetzige sanierungsbedürftige Zustand des Gebäudes bei nachhaltigen Investitionen der Voreigentümer hätte vermieden werden können, lässt die von der Klägerin wegen
  227. der nunmehr erforderlichen baulichen Maßnahmen erklärte Kündigung des
  228. Mietverhältnisses mit dem Beklagten noch nicht als treuwidrig erscheinen.
  229. - 11 -
  230. 23
  231. 4. Auch die Regelung des § 573 Abs. 2 Nr. 3 Halbs. 3 BGB steht der
  232. Kündigung der Klägerin nicht entgegen. Wie auch die Revision nicht verkennt,
  233. ist diese Vorschrift, nach der sich der Vermieter nicht darauf berufen kann, dass
  234. er die Mieträume im Zusammenhang mit der beabsichtigten oder nach der
  235. Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will, auf den vorliegenden Sachverhalt nicht direkt anwendbar. Denn die
  236. Klägerin will die Wohnung des Beklagten nicht im Zusammenhang mit der Begründung von Wohnungseigentum veräußern, sondern das Gebäude einschließlich der bisher vom Beklagten bewohnten Räume abreißen.
  237. 24
  238. Eine analoge Anwendung dieser Bestimmung kommt gleichfalls nicht in
  239. Betracht, denn eine planwidrige Regelungslücke liegt nicht vor. Der in § 573
  240. BGB geregelte Kündigungsschutz dient dem Bestandsschutz des einzelnen
  241. Mietverhältnisses, das heißt dem Interesse des Mieters, die gemietete Wohnung als seinen Lebensmittelpunkt beizubehalten und diese nur bei einem berechtigten Interesse des Vermieters aufgeben zu müssen. Ein solches berechtigtes Interesse der Klägerin liegt hier – wie ausgeführt – darin, dass wegen des
  242. sanierungsbedürftigen Zustands des Gebäudes umfassende bauliche Maßnahmen erforderlich sind, die zum Wegfall der bisherigen Mietwohnungen führen. Entgegen der Auffassung der Revision geht der Zweck des in § 573 BGB
  243. geregelten Kündigungsschutzes des Mieters nicht – wie etwa das Instrument
  244. des Zweckentfremdungsverbots in Gemeinden mit Wohnraummangel – dahin,
  245. allgemein einen Bestand von Mietwohnungen oder von Altbauwohnungen mit
  246. günstigem Mietzins zu erhalten.
  247. - 12 -
  248. 5. Dem Beklagten war eine den Umständen nach angemessene Räu-
  249. 25
  250. mungsfrist gemäß § 721 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu gewähren.
  251. Ball
  252. Dr. Frellesen
  253. Dr. Milger
  254. Hermanns
  255. Dr. Achilles
  256. Vorinstanzen:
  257. AG Heidelberg, Entscheidung vom 03.07.2007 - 61 C 584/05 LG Heidelberg, Entscheidung vom 30.11.2007 - 5 S 89/07 -