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8.8 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. VIII ZR 88/11
  4. vom
  5. 11. Oktober 2011
  6. in dem Rechtsstreit
  7. -2-
  8. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Oktober 2011 durch den
  9. Richter Dr. Frellesen als Vorsitzenden, die Richterin Dr. Milger, die Richter
  10. Dr. Achilles
  11. und
  12. Dr. Schneider
  13. sowie
  14. die
  15. Richterin
  16. Dr. Fetzer
  17. beschlossen:
  18. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil
  19. des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 3. Februar
  20. 2011 aufgehoben.
  21. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  22. über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde,
  23. an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
  24. Der Streitwert für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde
  25. wird auf 24.109,20 € festgesetzt.
  26. Gründe:
  27. I.
  28. 1
  29. Die Klägerin verlangt nach einer mit Schreiben vom 24. Januar 2006 wegen Zahlungsverzugs erklärten fristlosen Kündigung restliche Zahlung aus einem Leasingvertrag über eine Parkettfertigungsstraße. Das Landgericht hat den
  30. Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von
  31. 24.109,20 € nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das
  32. Oberlandesgericht die Klage insgesamt abgewiesen.
  33. -3-
  34. 2
  35. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass der Klägerin ein Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Sicherstellungskosten nicht zustehe, weil sie nicht im Einzelnen dargelegt habe, wofür
  36. diese angefallen seien. Auch im Übrigen stehe der Klägerin ein Anspruch aus
  37. dem Leasingvertrag nicht zu, weil die vom Beklagten erklärte Aufrechnung
  38. durchgreife. Die Klägerin habe gegen ihre vertragliche Nebenpflicht, sich um
  39. den bestmöglichen Verkauf der Maschinen zu bemühen, verstoßen und sei
  40. deshalb dem Beklagten zum Schadensersatz verpflichtet. Die Maschinen seien
  41. weit mehr wert gewesen als der zwischen den Parteien noch streitige Betrag
  42. von rund 25.000 €; ein Erlös in mindestens dieser Höhe hätte durch einen Verkauf an den Zeugen R.
  43. auch erzielt werden können.
  44. II.
  45. 3
  46. Der Nichtzulassungsbeschwerde ist stattzugeben, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO, § 544 Abs. 6 und 7 ZPO). Das
  47. Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103
  48. Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Dies führt gemäß § 544
  49. Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  50. 4
  51. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu
  52. ziehen. Geht das Gericht in seinen Entscheidungsgründen auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage nicht ein, die für
  53. das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, so lässt das auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt
  54. -4-
  55. des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfGE
  56. 86, 133, 145 f.; BGH, Beschluss vom 6. April 2009 - II ZR 117/08, NJW 2009,
  57. 2139 Rn. 2, 5 f.). Ein solcher Verstoß fällt dem Berufungsgericht hier zur Last.
  58. 5
  59. 1. Das Berufungsgericht hat aufgrund der Aussage des - erstmals in der
  60. Berufungsinstanz vernommenen Zeugen R.
  61. - einen Schadensersatzan-
  62. spruch des Beklagten wegen unsachgemäßer Verwertung der Leasingsache
  63. bejaht, ohne sich mit den Aussagen der von der Klägerin benannten und in der
  64. ersten Instanz vernommenen Zeugen M.
  65. Vortrag der Klägerin zum Schreiben der S.
  66. und S.
  67. und dem
  68. GmbH vom 17. Novem-
  69. ber 2006 auseinanderzusetzen.
  70. 6
  71. a) Die mit der Sicherstellung der Leasingsache beauftragte S.
  72. GmbH berichtet in dem genannten Schreiben vom 17. November 2006, dass es
  73. sich bei dem Leasinggut um gebrauchte Maschinen (Baujahr 1985) handele;
  74. von den zu der Fertigungsstraße gehörenden Maschinen seien vier (näher bezeichnete) Maschinen gar nicht mehr vorhanden, die übrigen Maschinen stünden seit einem Jahr in einer feuchten und unzureichend beheizten Halle und
  75. befänden sich in einem schlechten Zustand. Ein Verkauf in Westeuropa sei
  76. ausgeschlossen, weil die Maschinen zu viel Energie benötigten, zu langsam in
  77. der Produktion seien und überdies Ausbau- und Transportkosten anfielen; es
  78. sei deshalb eine Veräußerung zum Schrottwert angezeigt. Die Vorstellungen
  79. des Leasingnehmers über einen Verkauf nach Rumänien zu einem Kaufpreis
  80. von 165.000 € - der zudem im Wege der Lieferung von Parkett entrichtet werden solle - seien völlig unrealistisch; die Anlage habe nur noch einen Wert von
  81. schätzungsweise 2.000 €.
  82. 7
  83. Das Berufungsgericht führt zu diesem Scheiben lediglich aus, dass es
  84. den an ein Sachverständigengutachten zu stellenden Anforderungen nicht ge-
  85. -5-
  86. nüge, weil es die einzelnen Maschinen und die vorhandenen Mängel nicht konkret beschreibe. Im Übrigen meint das Berufungsgericht, dass das Schreiben
  87. der S.
  88. GmbH die Klägerin wegen der darin erwähnten Bemühungen
  89. des Beklagten um einen Verkauf zum Preis von 165.000 € hätte veranlassen
  90. müssen, Möglichkeiten zur Erzielung eines höheren Erlöses nachzugehen.
  91. 8
  92. Dabei hat das Berufungsgericht verkannt, dass die S.
  93. GmbH,
  94. die ausweislich ihres Briefkopfs als Sachverständige für Maschinenbewertung
  95. tätig ist, einen derartigen Erlös für die Fertigungsstraße aus nachvollziehbar
  96. dargelegten Gründen (Alter, schlechter Zustand, Fehlen mehrerer Maschinen)
  97. als völlig unrealistisch bezeichnet und eine Verwertung der noch vorhandenen
  98. Teile zum Schrottwert von ca. 2.000 € angeraten hat. Hinzu kommt, dass bei
  99. dem vom Beklagten ins Auge gefassten Verkauf nach Rumänien der Kaufpreis
  100. durch Lieferung von Waren beglichen werden sollte, die vom Käufer mit Hilfe
  101. der Fertigungsstraße nach deren Lieferung erst noch hätten produziert werden
  102. müssen. Damit hat das Berufungsgericht bezüglich des Schreibens der S.
  103. GmbH den Kern des Sachvortrags der Klägerin verkannt.
  104. 9
  105. b) Auf die Aussagen der in erster Instanz vernommenen Zeugen M.
  106. und S.
  107. geht das Berufungsgericht nicht ein, obwohl das Land-
  108. gericht es aufgrund der Aussage des Zeugen M.
  109. als bewiesen erachtet
  110. hat, dass die Klägerin beziehungsweise das von ihr beauftragte Unternehmen
  111. die vom Zeugen geschilderten umfangreichen Verkaufsbemühungen (etwa: Anschreiben von 400 Holz verarbeitenden Betrieben) unternommen und ihre
  112. Pflicht zur angemessenen Verwertung der Leasingsache nicht verletzt habe. Da
  113. eine Partei sich regelmäßig ein für sie günstiges Beweisergebnis zu Eigen
  114. macht, verletzt das Übergehen eines solchen Beweisergebnisses den Anspruch
  115. der Partei auf rechtliches Gehör, sofern es entscheidungserheblich ist (BGH,
  116. Beschluss vom 10. November 2009 - VI ZR 325/08, NJW-RR 2010, 495 Rn. 6;
  117. -6-
  118. Beschluss vom 7. Dezember 2010 - VIII ZR 96/10, NJW-RR 2011, 704 Rn.13).
  119. Dies ist hier der Fall, denn eine Vertragsverletzung bei der Verwertung des
  120. Leasinggutes fällt der Klägerin nicht zur Last, wenn dieses schon zwei Jahre
  121. vor der späteren Verwertung nur noch einen Schrottwert von etwa 2.000 € hatte.
  122. 10
  123. Davon abgesehen hätte das Berufungsgericht der Aussage des erstmals
  124. in der Berufungsinstanz vernommenen Zeugen R.
  125. nicht folgen dürfen,
  126. ohne die von der Klägerin benannten und bereits in der ersten Instanz vernommenen Zeugen erneut zu hören. Denn das Landgericht hatte die Angaben des
  127. Zeugen M.
  128. , die von der Fertigungsstraße beim Beklagten noch vorhan-
  129. denen Teile hätten bereits Ende 2007 nur noch einen Schrottwert von etwa
  130. 2.000 € gehabt, für glaubhaft erachtet und hierauf entscheidend abgestellt.
  131. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss das Berufungsgericht einen vom erstinstanzlichen Gericht vernommenen Zeugen gemäß
  132. § 398 Abs. 1 ZPO selbst erneut vernehmen, wenn es dessen Aussage anders
  133. würdigen will als das erstinstanzliche Gericht; auch ein Verstoß hiergegen ist
  134. als Verletzung des rechtlichen Gehörs der davon nachteilig betroffenen Partei
  135. zu werten (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 3/09, NJW-RR
  136. 2009, 1291 Rn. 4 mwN).
  137. 11
  138. 2. Auch die Verneinung eines Anspruchs der Klägerin auf Ersatz der vom
  139. Landgericht zugesprochenen "Sicherstellungskosten" in Höhe von insgesamt
  140. 1.147,44 € durch das Berufungsgericht beruht auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin. Denn die Klägerin hatte zur Notwendigkeit dieser
  141. Auslagen eingehend in den Schriftsätzen vom 22. April 2009 und vom 29. Oktober 2009 vorgetragen. Die erste Fahrt nach D.
  142. damit erklärt worden, dass die S.
  143. ist von der Klägerin
  144. GmbH telefonisch niemanden habe
  145. erreichen können. Diesen Vortrag hat das Berufungsgericht übergangen, indem
  146. -7-
  147. es die Fahrtkosten mit der Begründung abgelehnt hat, der Standort der Maschinen hätte auch telefonisch in Erfahrung gebracht werden können.
  148. Dr. Frellesen
  149. Dr. Milger
  150. Dr. Schneider
  151. Dr. Achilles
  152. Dr. Fetzer
  153. Vorinstanzen:
  154. LG Verden, Entscheidung vom 11.03.2010 - 4 O 77/09 OLG Celle, Entscheidung vom 03.02.2011 - 5 U 57/10 -