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657 lines
32 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VIII ZR 37/10
  5. Verkündet am:
  6. 6. Juli 2011
  7. Ring,
  8. Justizhauptsekretärin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. AVBFernwärmeV § 24
  19. a) Allgemeine Versorgungsbedingungen in einem Fernwärmeliefervertrag unterliegen - von den Fällen des § 1 Abs. 2 und 3 Satz 1 AVBFernwärmeV abgesehen - nicht den Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen, sondern denjenigen der AVBFernwärmeV. Für die Auslegung von vorformulierten Allgemeinen Versorgungsbedingungen sind aber die gleichen Maßstäbe
  20. heranzuziehen wie bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Rahmen der
  21. §§ 305 ff. BGB.
  22. b) Stellt eine Preisanpassungsklausel in Allgemeinen Versorgungsbedingungen
  23. allein auf einen Preisindex für den eingesetzten Energieträger ab, fehlt es ihr
  24. an der gemäß § 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV (§ 24 Abs. 3 Satz 1
  25. AVBFernwärmeV aF) neben der Berücksichtigung der jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt (Marktelement) erforderlichen Berücksichtigung der
  26. Kostenentwicklung bei der Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme
  27. durch das Versorgungsunternehmen (Kostenelement), es sei denn, es wäre
  28. sichergestellt, dass sich die konkreten Energiebezugskosten des Versorgungsunternehmens im Wesentlichen - wenn auch mit gewissen Spielräumen - in gleicher Weise entwickelten wie der Index (Fortführung von BGH,
  29. Urteil vom 6. April 2011 - VIII ZR 273/09).
  30. BGH, Urteil vom 6. Juli 2011 - VIII ZR 37/10 - OLG Hamburg
  31. LG Hamburg
  32. -2-
  33. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  34. vom 4. Mai 2011 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter
  35. Dr. Frellesen, die Richterinnen Dr. Milger und Dr. Fetzer sowie den Richter
  36. Dr. Bünger
  37. für Recht erkannt:
  38. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats
  39. des
  40. Hanseatischen
  41. Oberlandesgerichts
  42. Hamburg
  43. vom
  44. 22. Dezember 2009 aufgehoben.
  45. Die Berufung der Klägerin gegen das Zwischenfeststellungsurteil der Kammer 18 für Handelssachen des Landgerichts Hamburg vom 20. März 2008 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 30. Mai 2008 wird zurückgewiesen.
  46. Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an
  47. das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  48. Von Rechts wegen
  49. Tatbestand:
  50. 1
  51. Die Klägerin betreibt eine Seniorenwohnanlage, die aus dem von der
  52. Beklagten errichteten Fernheizwerk H.
  53. mit Fernwärme versorgt wird. § 1
  54. des im Jahre 1978 geschlossenen Anschluss- und Wärmeliefervertrages (im
  55. Folgenden: Vertrag), der noch bis 2017 läuft, lautet wie folgt:
  56. -3-
  57. "§ 1
  58. Errichtung des Bauvorhabens
  59. 1. Die Firma [Klägerin] wird den im Plan (Anlage B1) bezeichneten Gewerbebetrieb in H.
  60. mit einem geschätzten Anschlusswert von ca. 1,512
  61. MJ/s errichten. In diesem Vertrag erfolgt die Berechnung des Wärmeanschlusswertes bei gewerblich genutzten Gebäuden als Summe des Wärmebedarfs für Raumheizung, berechnet nach DIN 4701 (Januar 1959) zuzüglich der Wärmenennleistung für die Gebrauchswassererwärmung und
  62. sonstige Wärmeverbrauchseinrichtungen, die gesondert ermittelt werden.
  63. Sofern durch innerbetriebliche Einrichtungen (z.B. durch Vorrangschaltungen) der Wärmeanschlusswert reduziert werden kann, gilt diese reduzierte,
  64. von der Firma bestellte max. Leistung als Wärmeanschlusswert. Stellt die
  65. Firma Produktionswärme her, die sie anstelle der vom Fernheizwerk gelieferten Wärme einsetzen kann, so vermindert sich der Wärmeanschlusswert
  66. entsprechend, wenn diese Produktionswärme ständig erzeugt wird. Steht
  67. diese Produktionswärme nicht ständig zur Verfügung, vermindert sich der
  68. Wärmeanschlusswert nicht. Die Firma ist aber berechtigt, diese Produktionswärme zur teilweisen Deckung ihres Wärmeverbrauchs einzusetzen.
  69. 2. Der in Ziffer 1 angegebene Anschlusswert wird in folgenden Stufen erreicht:
  70. 1. Wärmeanschlusswert:
  71. 1,512
  72. Beginn der Wärmeversorgung
  73. 2. Wärmeanschlusswert:
  74. Beginn der Wärmeversorgung
  75. 3. Wärmeanschlusswert:
  76. Beginn der Wärmeversorgung
  77. MJ/s
  78. 19
  79. MJ/s
  80. 19
  81. MJ/s
  82. 19
  83. Umfang und Ablauf des Bauvorhabens gehören zu den Grundlagen des Vertrages.
  84. 3. Die Firma wird der E.
  85. [Beklagte] mindestens 3 Monate vorher schriftl. die
  86. genauen Termine, zu denen die Wärmeversorgung der E.
  87. aufzunehmen
  88. ist und dann die endgültigen Wärmeanschlusswerte nach Ziff. 1 mitteilen.
  89. 4. Die Firma steht der E.
  90. dafür ein, dass zu den in Ziffer 3 genannten Terminen die Wärme abgenommen werden kann. Wird die nach Ziffer 3 angemeldete Wärmeleistung nicht termingerecht erreicht, oder werden die nach
  91. Ziffer 3 angemeldeten und gemäß § 4 Ziffer 3 Satz 3 von der E.
  92. nicht
  93. beanstandeten Anschlusswerte nicht erreicht, so hat die Firma - soweit nicht
  94. Gründe vorliegen, die die Firma nachweislich nicht zu vertreten hat - der
  95. E.
  96. den entgehenden Wärmegrundpreis (§ 9 Ziffer 1) - gemindert um den
  97. gemäß § 9 Ziffer 2 für den gleichen Zeitraum zu zahlenden Grundpreis für
  98. Baubeheizung - zu ersetzen.
  99. -4-
  100. 5. Ändert sich bei Betriebsumstellungen der Anschlusswert, so werden die Vertragspartner den geänderten Verhältnissen entsprechend neue Vereinbarungen treffen."
  101. 2
  102. Der Wärmeanschlusswert bildet nach § 9 Ziffer 1 a des Vertrages die
  103. Grundlage für die Berechnung des Grundpreises. Dieser dient der Deckung der
  104. verbrauchsunabhängigen Kosten, die der Beklagten beim Betrieb des Fernheizwerks entstehen.
  105. 3
  106. § 9 Ziffer 3 des Vertrages enthält zu Preisänderungen folgende Regelung:
  107. "Die E.
  108. A.G. ist gemäß den in Anlage B 7 enthaltenen Preisänderungsformeln zu einer Ermäßigung des Wärmepreises verpflichtet bzw. zu einer Erhöhung des Wärmepreises berechtigt, wenn sich einer der dort genannten
  109. Kostenfaktoren um mehr als 5 % ändert."
  110. 4
  111. Die in Anlage B 7 enthaltene Formel für den Arbeitspreis lautet:
  112. HP
  113. Str
  114. "AP = AP0 (0,85 ---- + 0,15 ---- )
  115. HP0
  116. Str0
  117. Dabei bedeuten: …
  118. -
  119. AP0 = Arbeitspreis Stand 1. Mai 1970 …
  120. -
  121. AP = Neuer Arbeitspreis
  122. -
  123. HP0 = Jahresdurchschnittspreis für schweres Heizöl frei Betrieb des gewerblichen Verbrauchers bei Abnahme von mindestens 15 t, einschließlich der
  124. Verbrauchsteuer von 25 DM/t in D.
  125. , veröffentlicht vom Statistischen
  126. Bundesamt in Fachserie M, Preise, Löhne, Wirtschaftsrechnungen, Reihe 3,
  127. Preise und Preisindices für industrielle Produkte, Stand 1969 DM/t 76,45
  128. -
  129. HP = Jeweiliger Jahresdurchschnittspreis für schweres Heizöl frei Betrieb
  130. des gewerblichen Verbrauchers bei Abnahme von mindestens 15 t, für das
  131. im Abrechnungsjahr auslaufende Kalenderjahr, einschließlich der jeweiligen
  132. Verbrauchsteuer je t, in D.
  133. , veröffentlicht vom Statistischen Bundesamt in Fachserie M, Preise, Löhne, Wirtschaftsrechnungen, Reihe 3, Preise
  134. und Preisindices für industrielle Produkte
  135. -5-
  136. -
  137. Str0 = Jahresindex für elektrischen Strom bei Abgabe an gewerbliche Betriebe ohne Umsatzsteuer (1962 = 100), veröffentlicht vom Statistischen Bundesamt in Fachserie M, Preise, Löhne, Wirtschaftsrechnungen, Reihe 3,
  138. Preise und Preisindices für industrielle Produkte, Stand 1969 = 102,4
  139. -
  140. Str = Jeweiliger Jahresindex für elektrischen Strom bei Abgabe an gewerbliche Betriebe ohne Umsatzsteuer (1962 = 100) für das im Abrechnungsjahr
  141. auslaufende Kalenderjahr, veröffentlicht vom Statistischen Bundesamt in
  142. Fachserie M, Preise, Löhne, Wirtschaftsrechnungen, Reihe 3, Preise und
  143. Preisindices für industrielle Produkte.
  144. …"
  145. 5
  146. Diese Preisklausel ist gemäß § 9 Ziffer 7 des Vertrages auch anzuwenden, wenn sich die Notwendigkeit des Einsatzes eines anderen Brennstoffs als
  147. schweres Heizöl ergeben sollte, mit der Maßgabe, dass den Faktoren HP 0 und
  148. HP die für diesen Brennstoff geltenden entsprechenden Jahresdurchschnittspreise zugrunde zu legen sind.
  149. 6
  150. Gemäß § 11 Ziffer 4 des Vertrages erklärte sich die Klägerin damit einverstanden, dass die Beklagte den Betrieb und die Verwaltung des Fernheizwerks auf ihre Tochtergesellschaft, die F.
  151. GmbH (im Folgenden: F.
  152. ), überträgt, wobei dann die Beklagte die Ge-
  153. währleistung für die ordnungsgemäße Erfüllung des Vertrages durch die F.
  154. übernimmt. Zudem ist in § 11 Ziffer 1 vereinbart, dass die Übertragung
  155. einzelner Rechte und Verpflichtungen aus diesem Vertrag oder eine Übertragung des Vertrages insgesamt nur mit schriftlicher Einwilligung der anderen
  156. Vertragspartei erfolgen kann, es sei denn, dass es sich um eine Übertragung
  157. "an eine Konzerngesellschaft der E.
  158. oder an einen Gesellschafter der Firma
  159. handelt".
  160. 7
  161. Die Abrechnungen wurden in der Folgezeit von der F.
  162. erstellt, die
  163. auch das Fernheizwerk betrieb und an welche die Klägerin die in Rechnung
  164. gestellten Preise und die Abschläge zahlte. Die Beklagte hat behauptet, das
  165. Vertragsverhältnis insgesamt auf die F.
  166. übertragen zu haben.
  167. -6-
  168. 8
  169. Im Jahre 1985 wurde der Betrieb des Fernheizwerks von Heizöl auf Erdgas umgestellt. Grund für diese Umstellung war eine umweltbehördliche Anordnung, die den Weiterbetrieb mit Heizöl erheblich verteuert hätte.
  170. 9
  171. Seit 1986 wurde der Arbeitspreis nach einer geänderten Preisanpassungsformel abgerechnet, die wie folgt lautet:
  172. G
  173. Str1
  174. "APG = APG0 (0,950 --- + 0,05 ----- )
  175. G0
  176. Str01
  177. Dabei steht
  178. -
  179. APG für den neuen Arbeitspreis für Erdgas,
  180. -
  181. G für den jeweiligen Jahresindex für das von den Stadtwerken E.
  182. das Fernheizwerk H.
  183. gelieferte Erdgas.
  184. -
  185. Str für den jeweiligen Jahresindex für elektrischen Strom bei Abgabe an gewerbliche Betriebe ohne Mehrwertsteuer, wie er vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht wird.
  186. an
  187. Der Zusatz "0" kennzeichnet den jeweiligen Ausgangswert."
  188. 10
  189. Diese Formel wurde auch in die "Ergänzenden Bedingungen der F.
  190. für die Lieferung von Fernwärme aus dem Fernheizwerk H.
  191. " zu § 24
  192. AVBFernwärmeV eingefügt. Die Änderung der "Ergänzenden Bedingungen der
  193. F.
  194. 11
  195. " wurde von dieser im Jahre 1989 veröffentlicht.
  196. In der Folgezeit wurden Preisänderungen auf Basis der neuen Preisän-
  197. derungsklausel vorgenommen. Die Klägerin wandte sich erstmals mit Erhebung
  198. der Klage vom 29. Dezember 2006 gegen diese Methode der Berechnung des
  199. Arbeitspreises.
  200. 12
  201. Die Klägerin ließ in ihrem Betrieb eine Vorrangschaltung einbauen, deren
  202. Installation Ende des Jahres 2000 fertig gestellt wurde. Am 19. Dezember 2000
  203. -7-
  204. forderte sie die Beklagte schriftlich dazu auf, den im Vertrag mit 1.512 MJ/s
  205. = 1.511,9 kW (Kilowatt) bestimmten Anschlusswert nach der Installation der
  206. Vorrangschaltung auf 1.279,3 kW herabzusetzen. Dies lehnte die Beklagte ab.
  207. 13
  208. Mit der Klage verlangt die Klägerin die Rückzahlung von nach ihrer Auffassung zu viel geleisteten Zahlungen für die Fernwärmelieferungen der Jahre
  209. 2001 bis 2004. Im Wege der Zwischenfeststellungsklage begehrt sie zunächst
  210. die Feststellung, dass sich für die Fernwärmeabrechnungen der Beklagten ab
  211. der Verbrauchsperiode 2001 der Grundpreis nach dem Anschlusswert von
  212. 1.279,3 kW richtet (Antrag zu 1). Des Weiteren erstrebt sie die Feststellung,
  213. dass sich der Arbeitspreis auch in den Abrechnungsjahren ab 2001 fortlaufend
  214. trotz der Umstellung des Brennstoffs auf Gas ausschließlich nach der in Anlage
  215. B7 des Vertrages niedergelegten Formel berechnet (Antrag zu 2), hilfsweise,
  216. dass die von der Beklagten nach der Umstellung auf Gas verwendete Formel
  217. für die Berechnung des Arbeitspreises nicht den vertraglichen Abmachungen
  218. der Parteien entspricht und deshalb von der Beklagten für die Berechnung der
  219. gelieferten Fernwärme nicht verwendet werden darf. Schließlich begehrt sie die
  220. Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, die der Klägerin in Rechnung
  221. gestellten Preise für die Lieferung von Fernwärme in den Jahren 2001 bis 2003
  222. auf Erdgas-Basis zu errechnen, indem sie die für Erdgas geltenden entsprechenden Jahresdurchschnittspreise für die Faktoren HP und HP0 zugrunde legt
  223. (Antrag zu 3).
  224. 14
  225. Das Landgericht hat den Zwischenfeststellungsanträgen zu 2 und 3
  226. stattgegeben; den Antrag zu 1 hat es abgewiesen. Hiergegen haben beide Parteien Berufung eingelegt. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Zwischenfeststellungsklage
  227. insgesamt stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
  228. -8-
  229. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr
  230. Klageabweisungsbegehren weiter.
  231. Entscheidungsgründe:
  232. 15
  233. Die Revision hat Erfolg.
  234. I.
  235. 16
  236. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit
  237. für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:
  238. 17
  239. Die Zwischenfeststellungsklage sei begründet. § 1 Ziffer 1 Satz 3 des
  240. Vertrages sehe ausdrücklich vor, dass dann, wenn durch innerbetriebliche Einrichtungen (z.B. Vorrangschaltungen) der Wärmeanschlusswert reduziert werden könne, diese reduzierte, von der Firma bestellte maximale Leistung als
  241. Wärmeanschlusswert gelte. Da die Beklagte es versäumt habe, im Vertragstext
  242. unmissverständlich zu verankern, dass der Wärmeanschlusswert mit Fertigstellung des Gebäudes ein für alle Mal festgeschrieben sei, könne jedenfalls nicht
  243. allein aus der systematischen Stellung in der mit "Errichtung des Bauvorhabens" überschriebenen Bestimmung gefolgert werden, dass nach Fertigstellung
  244. des Bauvorhabens eine Anschlussreduzierung nicht mehr möglich sei. Die
  245. systematische Auslegung der genannten Vertragspassage führe eher zum gegenteiligen Ergebnis. Es sei nicht erkennbar, welche Bedeutung die fragliche
  246. Bestimmung überhaupt haben solle, wenn der Wärmeanschlusswert für die
  247. ganze Vertragslaufzeit unveränderbar sein solle. Nach § 1 Abs. 3 des Vertrages
  248. sollten die endgültigen Wärmeanschlusswerte drei Monate vor Beginn der
  249. Wärmeversorgung mitgeteilt werden; in diesen drei Monaten werde es aber
  250. schwerlich noch zu innerbetrieblichen Maßnahmen, die zu einer Reduzierung
  251. -9-
  252. führten, kommen, so dass § 1 Abs. 1 Satz 3 vollständig leer liefe, wenn nicht
  253. auch eine spätere Änderung noch möglich wäre.
  254. 18
  255. Da die Vertragsbestimmung zumindest zweifelhaft sei, müsse die Beklagte als die Vertragspartnerin, die das Vertragswerk weitgehend vorformuliert
  256. vorgegeben haben dürfte, sich jedenfalls die für sie ungünstige Auslegungsvariante gefallen lassen (§ 305c Abs. 2 BGB).
  257. 19
  258. Die Feststellungsanträge zu 2 und 3 seien ebenfalls begründet. Die
  259. F.
  260. sei nicht Vertragspartnerin der Klägerin. Auch aus der jahrelang un-
  261. widersprochen akzeptierten Korrespondenz mit der F.
  262. in Bezug auf den
  263. Vertrag könne nicht gefolgert werden, dass ein Einvernehmen hinsichtlich einer
  264. Auswechslung des Vertragspartners bestanden habe. Denn die Klägerin habe
  265. sich gemäß § 11 Ziffer 4 des Vertrages bei Vertragsschluss damit einverstanden erklärt, dass die Beklagte den Betrieb und die Verwaltung des Fernheizwerks auf ihre Tochtergesellschaft F.
  266. stelle es sich daher so dar, dass die F.
  267. übertrage. Aus Sicht der Klägerin
  268. mit der Verwaltung betraut ge-
  269. wesen sei, ohne dadurch zum Vertragspartner geworden zu sein. Daher habe
  270. die Klägerin die Abrechnungen, die sie von der F.
  271. erhalten habe,
  272. zwanglos so einordnen können, dass die Verwaltungsfirma damit die ihr von der
  273. Vertragspartnerin übertragenen Aufgaben wahrgenommen habe.
  274. 20
  275. Die F.
  276. habe zu keinem Zeitpunkt gegenüber der Klägerin Erklä-
  277. rungen abgegeben, in denen sie ausdrücklich namens und in Vollmacht der
  278. Beklagten Änderungen hinsichtlich des zwischen den Parteien bestehenden
  279. Vertrages mit der Klägerin vereinbart habe. Da die Geschäftsbedingungen der
  280. F.
  281. nicht Vertragsinhalt geworden seien, könnten auch später von der
  282. F.
  283. vorgenommene Änderungen ihrer Geschäftsbedingungen für das
  284. Vertragsverhältnis der Parteien nicht maßgebend sein.
  285. - 10 -
  286. 21
  287. Ob die in § 11 Ziffer 1 des Vertrages vereinbarte Möglichkeit der Übertragung des Vertrages auf eine Tochtergesellschaft wirksam sei, könne dahinstehen. Denn die Beklagte habe nicht substantiiert dargelegt, wann und auf
  288. welche Weise eine derartige Übertragung des gesamten Vertrages stattgefunden haben solle.
  289. 22
  290. Maßgeblich für die Abrechnung blieben daher zunächst die Regelungen
  291. im Ausgangsvertrag aus dem Jahre 1978. Dabei sei allerdings der Veränderung
  292. Rechnung zu tragen, dass seit 1985 der Betrieb des Fernheizwerks von Heizöl
  293. auf Erdgas umgestellt worden sei, ohne dass es sich um eine notwendige Umstellung im Sinne des § 9 Ziffer 7 des zwischen den Parteien geschlossenen
  294. Vertrages handele. Für einen derartigen Einsatz eines anderen Brennstoffs bestehe im Vertrag eine Regelungslücke, die unter Berücksichtigung der Interessenlage und des mutmaßlichen Parteiwillens dahingehend zu schließen sei,
  295. dass auch insoweit die Regelung des § 9 Ziffer 7 des Vertrages anzuwenden
  296. sei, so dass es bei der ursprünglichen Preisänderungsklausel bleibe, den Faktoren HP und HP0 aber die für den neuen Brennstoff geltenden Preise zu Grunde zu legen seien.
  297. II.
  298. 23
  299. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der
  300. Annahme des Berufungsgerichts ergibt sich aus § 1 des Vertrages für die Klägerin kein Anspruch auf Herabsetzung des Wärmeanschlusswertes aufgrund
  301. des Einbaus der Vorrangschaltung im Jahre 2000. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann auch ein Anspruch der Klägerin auf die von
  302. ihr begehrte Berechnung des Arbeitspreises nicht bejaht werden.
  303. - 11 -
  304. 24
  305. 1. Die Beklagte ist für den von der Klägerin geltend gemachten Rückzahlungsanspruch passivlegitimiert. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte, wie diese meint, das Vertragsverhältnis insgesamt auf die F.
  306. übertragen hat oder ob dies, wie die Klägerin meint, nicht der Fall ist. Auch
  307. wenn von einer Vertragsübernahme auszugehen sein sollte, änderte dies an
  308. der Passivlegitimation der Beklagten nichts, weil die Beklagte - auch nach ihrem
  309. eigenen Vorbringen im Revisionsverfahren - nach § 11 Ziffer 4 des Vertrages
  310. für die Verpflichtungen der F.
  311. 25
  312. als Garantin einzustehen hat.
  313. 2. Die Auslegung des § 1 des Vertrages durch das Berufungsgericht dahingehend, dass eine Änderung des Wärmeanschlusswertes während der gesamten Vertragslaufzeit zulässig sei, erweist sich als rechtsfehlerhaft. Diese
  314. vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung unterliegt hier der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung.
  315. 26
  316. a) Das Berufungsgericht hat zwar keine ausdrücklichen Feststellungen
  317. dazu getroffen, ob es sich bei § 1 des Vertrages um eine Allgemeine Versorgungsbedingung handelt. Es hat seiner Beurteilung aber, wie bereits das Landgericht, von den Parteien - auch im Revisionsverfahren - unbeanstandet die
  318. §§ 307 ff. BGB zu Grunde gelegt, so dass für die revisionsrechtliche Prüfung
  319. davon auszugehen ist, dass es sich zumindest bei § 1 des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages um eine von der Beklagten gestellte Allgemeine
  320. Versorgungsbedingung handelt.
  321. 27
  322. Für deren Auslegung gelten zumindest für die vorliegend relevante Frage
  323. der Reduzierung des Wärmeanschlusswertes die gleichen Maßstäbe wie bei
  324. Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
  325. 28
  326. b) Allerdings handelt es sich vorliegend um einen Fernwärmeliefervertrag, der entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht den Vorschriften
  327. - 12 -
  328. über Allgemeine Geschäftsbedingungen in §§ 305 ff. BGB beziehungsweise
  329. zuvor im Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz; AGBG) vom 9. Dezember 1976 (BGBl. I S. 3317) unterliegt. Bei der Versorgung mit Fernwärme richten sich die Rechtsbeziehungen
  330. zwischen den Parteien des Wärmelieferungsvertrages grundsätzlich nach den
  331. gemäß § 27 AGBG als Rechtsverordnung erlassenen Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) vom 20. Juni 1980
  332. (BGBl. I S. 742; vgl. im Einzelnen Senatsurteile vom 6. April 2011 - VIII ZR
  333. 66/09, juris Rn. 23 f.; VIII ZR 273/09, juris Rn. 21 ff., zur Veröffentlichung in
  334. BGHZ vorgesehen; jeweils mwN). Eine Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 ff. BGB
  335. findet bei derartigen Verträgen nur dann statt, wenn entweder die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV vorliegen oder es sich um Wärmelieferungsverträge mit Industriekunden handelt (§ 1 Abs. 2 AVBFernwärmeV). Dass
  336. einer dieser Ausnahmefälle vorliegt, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt,
  337. es wird auch in der Revisionsinstanz nicht geltend gemacht.
  338. 29
  339. Für die Auslegung von vorformulierten Allgemeinen Versorgungsbedingungen sind aber die gleichen Maßstäbe heranzuziehen wie bei Allgemeinen
  340. Geschäftsbedingungen im Rahmen der §§ 305 ff. BGB. Der Gesetzgeber wollte
  341. zwar mit der AVBFernwärmeV die Besonderheiten der Energielieferung berücksichtigen (BR-Drucks. 90/80, abgedruckt bei Witzel/Topp, Allgemeine Versorgungsbedingungen für Fernwärme, 2. Aufl., S. 237 f.). Soweit die Auslegungsfrage aber nicht auf diesen Besonderheiten beruht und die AVBFernwärmeV
  342. auch keine entsprechende Regelung enthält, ist auf die für Allgemeine Geschäftsbedingungen entwickelten Grundsätze zurückzugreifen (vgl. SchmidtSalzer in Hermann/Recknagel/Schmidt-Salzer, Kommentar zu den Allgemeinen
  343. Versorgungsbedingungen, 1981, § 6 AVBFernwärmeV Rn. 430; für eine direkte
  344. Anwendung der §§ 305 ff. BGB insoweit Witzel in Witzel/Topp, aaO S. 51), die
  345. ohnehin weitgehend bereits bei Erlass des AGBG durch die Rechtsprechung
  346. - 13 -
  347. entwickelt waren und daher zunächst unabhängig von einer Kodifizierung auf
  348. derartige Verträge Anwendung fanden (vgl. Pfeiffer in Wolf/Lindacher/Pfeiffer,
  349. AGB-Recht, 5. Aufl., Einl. Rn. 6). Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber bei Allgemeinen Versorgungsbedingungen im Fernwärmebereich diese
  350. Auslegungsgrundsätze mit der Einführung der AVBFernwärmeV aufgeben wollte, sind nicht ersichtlich.
  351. 30
  352. c) Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung (Senatsurteil vom 9. Juni
  353. 2010 - VIII ZR 294/09, NJW 2010, 2877 Rn. 11 mwN). Dies gilt auch für Allgemeine Versorgungsbedingungen.
  354. 31
  355. d) Ebenso wie Allgemeine Geschäftsbedingungen sind Allgemeine Versorgungsbedingungen ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines
  356. rechtlich nicht vorgebildeten durchschnittlichen Vertragspartners einheitlich so
  357. auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter
  358. Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden
  359. werden (vgl. Senatsurteil vom 9. Juni 2010 - VIII ZR 294/09, aaO Rn. 12 mwN).
  360. Dies führt vorliegend zu dem Ergebnis, dass eine Änderung des Anschlusswertes nur während der Errichtung des Bauvorhabens möglich war.
  361. 32
  362. Hierfür spricht bereits die systematische Auslegung des Vertrages. § 1
  363. hat die Überschrift "Errichtung des Bauvorhabens" und betrifft das damalige
  364. Bauvorhaben der Klägerin. Sämtliche Regelungen dieser Klausel befassen sich
  365. mit dem Wärmeanschlusswert des zu errichtenden Objekts und entsprechen
  366. dem chronologischen Ablauf des Bauvorhabens, so dass schon deshalb der
  367. Regelungsgehalt des § 1 Ziffer 1 dahingehend zu verstehen ist, dass hier die
  368. Bedingungen vereinbart sind, unter denen während der Bauphase noch Änderungen des zunächst vereinbarten Wärmeanschlusswertes zulässig sein sollten. § 1 Ziffer 1 enthält die Grundlagen der Berechnung des Wärmeanschluss-
  369. - 14 -
  370. wertes und einen auf dieser Basis ausdrücklich als solchen bezeichneten geschätzten Anschlusswert. § 1 Ziffer 2 stellt ebenso ausdrücklich auf das Bauvorhaben ab und enthält Aussagen dazu, in welchen Stufen während der Bauphase der Wärmeanschlusswert erreicht wird. Nach § 1 Ziffer 3 hatte die Klägerin drei Monate vor Lieferbeginn den endgültigen Wärmeanschlusswert mitzuteilen.
  371. 33
  372. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts läuft aufgrund dieser Frist
  373. die Regelung in § 1 Ziffer 1 bezüglich der Reduzierung des Wärmeanschlusswertes durch den Einbau einer Vorrangschaltung nicht deshalb leer, weil es
  374. während dieser Zeit schwerlich zu wärmereduzierenden Maßnahmen kommen
  375. werde. Das Berufungsgericht übersieht dabei, dass die genannten drei Monate
  376. den Zeitraum zwischen der Mitteilung der endgültigen Werte und dem Lieferbeginn betreffen, die Regelung in Ziffer 1 aber den Zeitraum ab Vertragsschluss
  377. zum Gegenstand hat. Dass es in der Bauphase durch Zusatzeinbauten noch zu
  378. einer Reduzierung des Wärmeanschlusswertes kommen kann, erscheint nicht
  379. fernliegend, so dass die Regelung auch sinnvoll ist.
  380. 34
  381. Ist die Bauphase hingegen beendet und hat die Klägerin der Beklagten
  382. die gemäß § 1 Ziffer 3 erforderliche Mitteilung vom endgültigen Wärmeanschlusswert und dem gewünschten Lieferbeginn gemacht, führt der spätere
  383. Einbau einer Vorrangschaltung nicht zu einer Reduzierung des Wärmeanschlusswertes gemäß § 1 Abs. 1. Dies ergibt sich bereits aus § 1 Ziffer 4, in
  384. dem ausdrücklich geregelt ist, dass die Klägerin ab dem gewünschten Termin
  385. der Wärmeabnahme einen Wärmegrundpreis auf Basis des mitgeteilten Wärmeanschlusswertes zu entrichten hat, selbst wenn dieser nicht oder erst verspätet erreicht wird. Hieraus folgt, dass es den Parteien mit der Vereinbarung
  386. des Wärmeanschlusswertes um eine verbindliche Regelung für die gesamte
  387. Vertragslaufzeit ging.
  388. - 15 -
  389. 35
  390. Eine Möglichkeit zur Änderung des Anschlusswertes sieht lediglich § 1
  391. Ziffer 5 für den Fall der - hier ersichtlich nicht vorliegenden - Betriebsumstellung
  392. vor. Zwar handelt es sich dabei um eine Situation, die regelmäßig erst nach
  393. dem Ende der Bauphase eintritt. Daraus kann aber nicht der Schluss gezogen
  394. werden, dass auch die Regelung in § 1 Ziffer 1 des Vertrages noch Änderungen
  395. des Anschlusswertes nach der verbindlichen Mitteilung gemäß § 1 Ziffer 3 erlaubt. Der Regelungsgehalt von § 1 Ziffer 5 unterscheidet sich durch die Betriebsumstellung eindeutig von den übrigen Ziffern des § 1, die - wie dargestellt - ausschließlich das Bauvorhaben zum Gegenstand haben. Im Übrigen
  396. spricht aber auch § 1 Ziffer 5 für eine Verbindlichkeit des ursprünglich vereinbarten Wärmeanschlusswertes, denn selbst bei einer Betriebsumstellung sieht
  397. der Vertrag keine automatische Änderung des Anschlusswertes, sondern nur
  398. das Erfordernis einer neuen Vereinbarung vor.
  399. 36
  400. Diese Auslegung entspricht auch der Interessenlage der Parteien. Denn
  401. der Wärmeanschlusswert liegt der Berechnung des Grundpreises zu Grunde,
  402. mit welchem die Investitions- und Vorhaltekosten des Energieversorgers abgegolten werden. Es liegt auf der Hand, dass diese Kosten überwiegend zu Beginn des Vertrages - hier vor allem durch die in § 2 vereinbarte Errichtung eines
  403. Heizkraftwerks - anfallen und durch eine erst im Laufe des Vertrages eintretende Veränderung des Wärmebedarfs nicht mehr beeinflusst werden können, so
  404. dass eine bindende Festlegung des Wärmeanschlusswertes für die Vertragslaufzeit aus der Sicht eines redlichen Vertragspartners erforderlich ist. Auch auf
  405. Seiten der Klägerin besteht ein Interesse daran, dass das von der Beklagten
  406. errichtete Heizkraftwerk in seiner Dimensionierung der zu erbringenden Leistung entspricht und von der Beklagten wirtschaftlich betrieben werden kann,
  407. damit der fortlaufende Bezug einer ausreichenden Menge Fernwärme gesichert
  408. ist. Ein wirtschaftlicher Betrieb der Anlage ist aber nur sichergestellt, wenn die
  409. Beklagte mit Rücksicht auf die zu Beginn des Vertragsverhältnisses angefalle-
  410. - 16 -
  411. nen Investitionskosten ihre Kalkulationsgrundlage langfristig erhält und überschaubar gestalten kann (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 1975 - VIII ZR 210/73,
  412. BGHZ 64, 288, 292; BGH, Beschluss vom 6. November 1984 - KVR 13/83, WM
  413. 1985, 490 unter [II] 2 a).
  414. 37
  415. 3. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ebenso
  416. ein Anspruch der Klägerin auf die von ihr gewünschte Berechnung des Arbeitspreises nicht bejaht werden. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen
  417. des Berufungsgerichts kann den Klageanträgen zu 2 und 3 nicht stattgegeben
  418. werden.
  419. 38
  420. a) Das Landgericht hat offen gelassen, ob es sich bei der in der Anlage
  421. B7 zum Vertrag aus dem Jahre 1978 enthaltenen Preisanpassungsklausel um
  422. eine Individualabrede handelt. Auch das Berufungsgericht hat hierzu keine
  423. Feststellungen getroffen. Es ist daher revisionsrechtlich der Vortrag der Beklagten zu Grunde zu legen, wonach es sich bei der Preisanpassungsklausel um
  424. eine von ihr vorformulierte Allgemeine Versorgungsbedingung handelt.
  425. 39
  426. Demnach sind auf den Vertrag gemäß § 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV die
  427. §§ 2 bis 34 AVBFernwärmeV anzuwenden, mit der Folge, dass die Preisanpassungsklausel - anders als eine individualvertragliche Preisanpassungsregelung
  428. - den Anforderungen des § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV in der vorliegend anwendbaren Fassung (im Folgenden aF; in der Neufassung vom 4. November
  429. 2010 [BGBl. I S. 1483] ist diese Bestimmung in Abs. 4 enthalten) genügen
  430. muss. Falls die ursprünglich vereinbarte Preisanpassungsklausel gegen § 24
  431. Abs. 3 AVBFernwärmeV aF verstößt, war sie nach Ablauf der Übergangsfrist
  432. des § 37 Abs. 3 AVBFernwärmeV aF mit Beginn der auf den 31. August 1980
  433. folgenden Abrechnungsperiode gemäß § 134 BGB nichtig (vgl. Senatsurteile
  434. vom 6. April 2011 - VIII ZR 273/09, aaO Rn. 48; VIII ZR 66/09, aaO Rn. 37).
  435. - 17 -
  436. 40
  437. aa) Nach § 24 Abs. 3 Satz 1 AVBFernwärmeV aF müssen Preisanpassungsklauseln so ausgestaltet sein, dass sie sowohl die Kostenentwicklung bei
  438. der Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme durch das Unternehmen als
  439. auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen berücksichtigen. Hierdurch soll zum einen eine kostenorientierte Preisbemessung gewährleistet werden, zum anderen soll aber auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass sich die Gestaltung der Fernwärmepreise "nicht losgelöst
  440. von den Preisverhältnissen am Wärmemarkt vollziehen kann" (vgl. BR-Drucks.
  441. 90/80, abgedruckt bei Witzel/Topp, aaO S. 255 f.). Der Verordnungsgeber wollte damit den wirtschaftlichen Bedürfnissen in der Fernwärmeversorgung Rechnung tragen. Eine wirtschaftliche und kostengünstige Versorgung mit Fernwärme setzt den Abschluss langfristiger Verträge voraus, weswegen sich notwendige Preisanpassungen nur im Rahmen von Preisänderungsklauseln vollziehen
  442. können (vgl. BR-Drucks. 90/80, abgedruckt bei Witzel/Topp, aaO; Witzel, Die
  443. Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme,
  444. 1980, § 24 AVBFernwärmeV, S. 105). Dabei hat sich der Verordnungsgeber für
  445. eine Kombination aus beiden Varianten entschieden (Kosten- und Marktelement, vgl. Senatsurteil vom 6. April 2011 - VIII ZR 273/09, aaO Rn. 33).
  446. 41
  447. bb) Ob die allein auf Preisindizes abstellende Preisanpassungsklausel in
  448. der Anlage B 7 zum Vertrag diesen - nicht nur für Preisgleitklauseln (vgl. hierzu
  449. Senatsurteile vom 6. April 2011 - VIII ZR 66/09, aaO Rn. 33 ff.; VIII ZR 273/09,
  450. aaO Rn. 32 ff.) geltenden - Anforderungen entspricht und damit auch die von
  451. der Klägerin gewünschte modifizierte Fassung nach § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV aF zulässig ist, kann auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend beurteilt werden. Dies gilt auch für die von der
  452. Klägerin gewünschte modifizierte Fassung.
  453. - 18 -
  454. 42
  455. Die Klausel berücksichtigt zwar sowohl in der ursprünglichen als auch in
  456. der von der Klägerin gewünschten modifizierten Fassung beim verwendeten
  457. Brennstoff und beim Strom den Marktpreis; sie lässt aber auf der Grundlage der
  458. bisherigen Feststellungen nicht erkennen, ob ein Bezug zu den konkreten Kosten der Erzeugung und der Bereitstellung der Fernwärme besteht.
  459. 43
  460. Ein solcher Kostenbezug ist aber erforderlich, denn § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV aF verlangt, dass sich der Preisänderungsparameter auch an den
  461. tatsächlichen Kosten ausrichtet. Das Kriterium der Kostenorientierung ist nicht
  462. gewahrt, wenn die Klausel einen kostenmäßigen Zusammenhang nicht mehr
  463. hinreichend erkennen lässt (vgl. zu den Anforderungen an die Kostenorientierung bei der Tarifgestaltung im Energierecht BR-Drucks. 459/79, S. 11). Eine
  464. derartige Kostenorientierung fehlt bei der bloßen Berücksichtigung eines Indexes für den eingesetzten Energieträger, es sei denn, es wäre sichergestellt,
  465. dass sich die konkreten Energiebezugskosten des Versorgers im Wesentlichen
  466. - wenn auch mit gewissen Spielräumen - in gleicher Weise entwickelten wie der
  467. Index (vgl. Senatsurteil vom 6. April 2011 - VIII ZR 273/09, aaO Rn. 41). Hierzu
  468. hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.
  469. III.
  470. 44
  471. Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es
  472. ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Hinsichtlich des Antrags zu 1 der Zwischenfeststellungsklage ist der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif, da insoweit
  473. weitere Feststellungen nicht zu treffen sind. Der Senat entscheidet daher hinsichtlich dieses Antrags in der Sache selbst (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da die Zwischenfeststellungsklage insoweit unbegründet ist, ist die Berufung der Klägerin
  474. gegen das landgerichtliche Urteil zurückzuweisen. Hinsichtlich der Anträge zu 2
  475. - 19 -
  476. und 3 ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif und daher insoweit an das
  477. Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
  478. Ball
  479. Dr. Frellesen
  480. Dr. Fetzer
  481. Dr. Milger
  482. Dr. Bünger
  483. Vorinstanzen:
  484. LG Hamburg, Entscheidung vom 20.03.2008 - 418 O 1/07 OLG Hamburg, Entscheidung vom 22.12.2009 - 9 U 90/08 -