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7.6 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. VIII ZR 24/13
  4. vom
  5. 5. November 2013
  6. in dem Rechtsstreit
  7. -2-
  8. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. November 2013 durch
  9. den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterin
  10. Dr. Milger sowie die Richter Dr. Achilles und Dr. Bünger
  11. beschlossen:
  12. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zu 2 wird der Beschluss des Oberlandesgerichts München - 27. Zivilsenat - vom
  13. 29. Januar 2013 im Kostenpunkt und bezüglich der Entscheidung
  14. über die Widerklage aufgehoben. Im Übrigen wird die Nichtzulassungsbeschwerde beider Kläger zurückgewiesen.
  15. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
  16. und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionsinstanz, an
  17. das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  18. Der Streitwert für die Revisionsinstanz wird auf 97.161,98 € festgesetzt.
  19. Gründe:
  20. I.
  21. 1
  22. Die Parteien streiten um Ansprüche aus der Lieferung von Photovoltaikanlagen. Die klagenden Eheleute hatten bei der Auftragserteilung mit der Beklagten vereinbart, dass die Klägerin zu 1 die Teilanlage "Betriebshalle" und der
  23. Kläger zu 2 die für andere Dächer bestimmten drei weiteren Teilanlagen bezahlen sollten. Die Klägerin zu 1 erhielt dementsprechend von der Beklagten eine
  24. -3-
  25. Auftragsbestätigung bezüglich der für die "Betriebshalle" bestimmten Photovoltaikanlage und der Kläger zu 2 für die übrigen Teilanlagen.
  26. 2
  27. Die Anlage "Betriebshalle", auf die die Klägerin zu 1 eine Zahlung in Höhe von 54.685,26 € erbracht hat, ist wegen der zwischen den Parteien entstandenen Meinungsverschiedenheiten nicht vollständig montiert worden. Die Kläger verlangen insoweit unter anderem Schadensersatz wegen entgangener
  28. Einspeisevergütung. Die Beklagte macht demgegenüber geltend, dass bezüglich dieser Teilanlage Vertragsaufhebung (Rückabwicklung) unter Ausschluss
  29. von Schadensersatzansprüchen vereinbart worden sei. Die übrigen drei Teilanlagen, für die noch ein Betrag in Höhe der Widerklage offen ist, wurden mängelfrei errichtet.
  30. 3
  31. Mit der Klage begehren die Kläger die Demontage der auf der "Betriebshalle" montierten Photovoltaikanlage, Zahlung von 30.848,89 € nebst Zinsen
  32. Zug um Zug gegen Übergabe der demontierten Anlage, ferner die Feststellung
  33. des Verzugs der Beklagten mit der Demontage und der Annahme der Photovoltaikanlage sowie Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten. Im Wege der Widerklage nimmt die Beklagte den Kläger zu 2 auf Zahlung von 43.125,39 € nebst Zinsen in Anspruch.
  34. 4
  35. Das Landgericht hat die Beklagte zur Demontage der auf der "Betriebshalle" montierten Teilanlage verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen;
  36. der Widerklage hat es stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung
  37. der Kläger durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.
  38. II.
  39. 5
  40. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit
  41. für das Beschwerdeverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
  42. -4-
  43. 6
  44. Das Landgericht habe aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zu
  45. Recht angenommen, dass die Beklagte mit der Klägerin zu 1 einen Vertrag
  46. über die Teilanlage "Betriebshalle" und mit dem Kläger zu 2 einen weiteren Vertrag über die übrigen Teilanlagen geschlossen habe. Diese Verträge seien jeweils getrennt zu behandeln und abzurechnen. Die Widerklage gegen den Kläger zu 2 wegen des restlichen Kaufpreises der von ihm in Auftrag gegebenen
  47. drei Teilanlagen sei deshalb begründet. Dass der Klägerin zu 1 gegen die Beklagte im Rahmen der Rückabwicklung ihres eigenen Vertragsverhältnisses ein
  48. die Widerklage übersteigender Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises zustehe, könne angesichts der getrennten Vertragsverhältnisse nicht berücksichtigt werden.
  49. 7
  50. Die vom Kläger zu 2 erstmals in der Berufungsinstanz hilfsweise erklärte
  51. Aufrechnung mit der für diesen Fall an ihn abgetretenen Forderung der Klägerin
  52. zu 1 sei bereits nach § 533 Nr. 2 ZPO unzulässig. Denn die Aufrechnung werde
  53. nicht auf Tatsachen gestützt, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und
  54. Entscheidung ohnehin zugrunde zu legen habe; dies ergebe sich daraus, dass
  55. Rückvergütungsansprüche der Klägerin zu 1 bisher nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen seien. Außerdem sei die unter einer Bedingung erklärte Aufrechnung ohnehin gemäß § 388 Abs. 2 BGB unwirksam.
  56. III.
  57. 8
  58. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, insbesondere ist der Beschwerdewert nach § 544 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO erreicht. Sie hat in der Sache teilweise Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des Berufungsurteils im Kostenpunkt und bezüglich der Entscheidung zur Widerklage
  59. sowie in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht; die weitergehende Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
  60. -5-
  61. 9
  62. 1. Die angefochtene Entscheidung verletzt in entscheidungserheblicher
  63. Weise den Anspruch des Klägers zu 2 auf Gewährung rechtlichen Gehörs
  64. (Art. 103 Abs. 1 GG), indem sie seine in zweiter Instanz erklärte Hilfsaufrechnung in offensichtlich verfahrensfehlerhafter Weise unberücksichtigt lässt. Die
  65. Auffassung des Berufungsgerichts, die in der Berufungsinstanz erklärte Aufrechnung sei schon deshalb unzulässig, weil die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung bisher nicht Streitgegenstand gewesen sei, liefe darauf hinaus,
  66. dass eine Klageänderung oder eine erstmalige Aufrechnung in der Berufungsinstanz - entgegen der Intention des Gesetzes - so gut wie nie zulässig wäre.
  67. Es kommt vielmehr nur darauf an, ob das Berufungsgericht für die Beurteilung
  68. der Aufrechnung auf Tatsachen zurückgreifen kann, die es seiner Entscheidung
  69. ohnehin zu Grunde zu legen hat.
  70. 10
  71. Diese Voraussetzung ist hier gegeben. Denn die an den Kläger zu 2 abgetretene Forderung der Klägerin zu 1 auf Rückzahlung der für die "Betriebshalle" geleisteten Anzahlung ist auf die von der Beklagten schon im Verfahren vor
  72. dem Landgericht behauptete Vereinbarung über die Rückabwicklung des Kaufvertrages "Betriebshalle" gestützt. Das Berufungsgericht hat diese Vereinbarung im Zusammenhang mit den von den Klägern erhobenen Schadensersatzansprüchen selbst dahin gewürdigt, dass die Beklagte (nur) die Anlage demontieren, ein dichtes Dach wiederherstellen und die geleisteten Anzahlungen zurückerstatten müsse. Die gemäß § 533 Nr. 1 ZPO erforderliche Sachdienlichkeit
  73. ist gleichfalls zu bejahen, weil mit der Zulassung der Aufrechnung der gesamte
  74. zwischen den Parteien bestehende Streit über die Photovoltaikanlagen erledigt
  75. werden kann.
  76. 11
  77. Entgegen der Hilfsbegründung des Berufungsgerichts ist die Aufrechnung auch nicht deswegen unwirksam, weil sie nur hilfsweise für den Fall erklärt worden ist, dass das Berufungsgericht von zwei separaten Kaufverträgen
  78. -6-
  79. ausgeht und deshalb die Widerklageforderung als berechtigt ansieht. Einer derartigen Eventualaufrechnung im Prozess ("Rechtsbedingung") steht § 388 Satz
  80. 2 BGB nicht entgegen (allgemeine Meinung, vgl. nur Palandt/Grüneberg, BGB,
  81. 72. Aufl., § 388 Rn. 3 mwN). Ebenso wenig begegnet es Bedenken, dass die
  82. Kläger die Abtretung unter der Bedingung vereinbart haben, dass das Berufungsgericht die Widerklageforderung als begründet ansieht.
  83. 12
  84. 2. Die weitergehende Nichtzulassungsbeschwerde ist zurückzuweisen,
  85. weil die Sache insoweit weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
  86. Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern; von einer weitergehenden Begründung der Zurückweisung sieht der Senat gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO ab.
  87. Ball
  88. Dr. Frellesen
  89. Dr. Achilles
  90. Dr. Milger
  91. Dr. Bünger
  92. Vorinstanzen:
  93. LG Augsburg, Entscheidung vom 25.06.2012 - 82 O 741/11 OLG München in Augsburg, Entscheidung vom 29.01.2013 - 27 U 2954/12 -