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8.4 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VIII ZR 267/05
  5. Verkündet am:
  6. 18. Juli 2007
  7. Ermel
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. HGB § 89 b Abs. 3 Nr. 2
  19. a) Für den Ausschlusstatbestand des § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB ist ein eigenes
  20. Verschulden des Handelsvertreters erforderlich; das Fehlverhalten einer
  21. Hilfsperson ist dem Handelsvertreter insoweit - anders als im Rahmen der
  22. Vorschrift des § 89a Abs. 1 HGB - nicht nach § 278 BGB zuzurechnen (im
  23. Anschluss an BGHZ 29, 275).
  24. b) Der Grundsatz, dass ein Verschulden von Hilfspersonen nicht geeignet ist,
  25. den Ausgleichsanspruch auszuschließen, greift ausnahmsweise dann nicht
  26. ein, wenn ein Dritter, der nicht Vertragspartner ist, nach dem übereinstimmenden Willen der Beteiligten ausschließlich als Handelsvertreter für den
  27. Unternehmer tätig sein soll; in einem solchen Fall kann sich der Handelsvertreter nicht darauf berufen, dass der Dritte nur sein Erfüllungsgehilfe gewesen sei (im Anschluss an BGH, Urteil vom 23. Januar 1964 - VII ZR
  28. 162/62, VersR 1964, 428).
  29. BGH, Urteil vom 18. Juli 2007 - VIII ZR 267/05 - OLG Koblenz
  30. LG Mainz
  31. -2-
  32. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  33. vom 18. Juli 2007 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter
  34. Dr. Frellesen sowie die Richterinnen Hermanns, Dr. Milger und Dr. Hessel
  35. für Recht erkannt:
  36. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des
  37. Oberlandesgerichts Koblenz vom 24. November 2005 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom
  38. 22. April 2005 insoweit zurückgewiesen worden ist, als das Landgericht die Klage hinsichtlich des Anspruchs auf Handelsvertreterausgleich (45.653,20 €) abgewiesen hat.
  39. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
  40. und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens
  41. und des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde, an das
  42. Berufungsgericht zurückverwiesen.
  43. Von Rechts wegen
  44. Tatbestand:
  45. 1
  46. Die Klägerin nimmt die Beklagte, soweit im Revisionsverfahren noch von
  47. Interesse, auf Zahlung von Handelsvertreterausgleich in Anspruch. Sie klagt
  48. aus abgetretenem Recht des Zedenten J.
  49. S.
  50. . Dessen Vater, der
  51. am Revisionsverfahren nicht mehr beteiligte Drittwiderbeklagte G.
  52. S.
  53. , war seit dem 9. Januar 2000 für die Beklagte, die unter anderem Frischhal-
  54. -3-
  55. tesysteme aus Korea vertreibt, als Handelsvertreter tätig. Zum 1. September
  56. 2000 trat J.
  57. S.
  58. anstelle seines Vaters in den Vertrag ein. Mit
  59. Schreiben vom 10. September 2002 kündigte die Beklagte das Handelsvertreterverhältnis fristlos.
  60. 2
  61. Die Klägerin hat rückständige Provisionsansprüche, Schadensersatz wegen der ihrer Auffassung nach unberechtigten Kündigung des Handelsvertretervertrages sowie Handelsvertreterausgleich geltend gemacht. Das Landgericht
  62. hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der Klage hinsichtlich der Provisionsansprüche unter Zurückweisung
  63. des Rechtsmittels im Übrigen teilweise stattgegeben und hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz (7.910,70 €) und Handelsvertreterausgleich (45.653,20 €) den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen. Das Landgericht hat die Klage insoweit erneut abgewiesen; ebenso hat
  64. es eine gegen den Drittwiderbeklagten G.
  65. S.
  66. nunmehr erhobene
  67. Widerklage der Beklagten abgewiesen. Die Berufungen beider Parteien gegen
  68. dieses Urteil haben keinen Erfolg gehabt. Der Senat hat die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat im Übrigen zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den von ihr geltend gemachten Anspruch auf Handelsvertreterausgleich weiter.
  69. -4-
  70. Entscheidungsgründe:
  71. 3
  72. Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an
  73. das Berufungsgericht.
  74. I.
  75. 4
  76. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, ein Ausgleichsanspruch nach
  77. § 89b HGB bestehe nicht. Ein solcher Anspruch sei nach § 89b Abs. 3 Nr. 2
  78. HGB ausgeschlossen, wenn - wie hier - der Unternehmer das Vertragsverhältnis gekündigt habe und hierfür ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters vorgelegen habe. Die außerordentliche Kündigung
  79. gegenüber dem Handelsvertreter J.
  80. S.
  81. weil dessen Vater, G.
  82. , Dritten gegenüber geschäftsschädigen-
  83. S.
  84. sei gerechtfertigt gewesen,
  85. de Äußerungen über das Unternehmen der Beklagten abgegeben habe. Diese
  86. Äußerungen müsse sich der Vertragspartner der Beklagten nach dem Rechtsgedanken des § 278 BGB zurechnen lassen, weil er sich bei der Erfüllung des
  87. Handelsvertretervertrages der Mithilfe seines Vaters bedient habe.
  88. II.
  89. 5
  90. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Klägerin kann der an sie abgetretene Anspruch des Zedenten J.
  91. S.
  92. auf Handelsvertreterausgleich (§ 89b HGB) mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht versagt werden. Aus den bisherigen Feststellungen
  93. des Berufungsgerichts ergibt sich nicht, dass die Voraussetzungen für einen
  94. Ausschluss des Anspruchs nach § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB vorliegen.
  95. 6
  96. 1. Allerdings hat das Berufungsgericht aufgrund seiner rechtsfehlerfrei
  97. getroffenen Tatsachenfeststellungen zutreffend angenommen, dass die außerordentliche Kündigung des Handelsvertretervertrages nach § 89a Abs. 1 HGB
  98. -5-
  99. gerechtfertigt war, weil dem Handelsvertreter J.
  100. schädigenden Äußerungen seines Vaters G.
  101. S.
  102. S.
  103. die geschäftsim Rahmen der
  104. Vorschrift des § 89a Abs. 1 HGB nach § 278 BGB zuzurechnen sind. Dass dem
  105. Handelsvertreter, soweit es um die Berechtigung des Unternehmers zur außerordentlichen Kündigung geht, das Verhalten von Hilfspersonen nach dem
  106. Rechtsgedanken des § 278 BGB zuzurechnen ist, ergibt sich aus der Bestimmung in § 89a Abs. 2 HGB, die darauf abstellt, ob die Kündigung durch ein
  107. Verhalten des Handelsvertreters veranlasst wurde, das dieser zu vertreten hat
  108. (BGHZ 29, 275, 278).
  109. 7
  110. 2. Zum Verlust des Ausgleichsanspruchs führt eine vom Unternehmer
  111. aus wichtigem Grund ausgesprochene Kündigung aber nur dann, wenn für die
  112. Kündigung ein wichtiger Grund wegen eines schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters vorlag (§ 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB). Das Berufungsgericht hat insoweit verkannt, dass hierfür ein eigenes Verschulden des Handelsvertreters erforderlich ist. Das Fehlverhalten einer Hilfsperson ist dem Handelsvertreter, soweit es um den Ausschluss des Ausgleichsanspruchs nach § 89b Abs. 3 Nr. 2
  113. HGB geht, nicht nach § 278 BGB zuzurechnen; die Vorschrift des § 278 BGB
  114. findet insoweit keine Anwendung (BGHZ aaO; MünchKommHGB/v. HoyningenHuene, 2. Aufl., § 89b Rdnr. 180; Baumbach/Hopt, HGB, 32. Aufl., § 89b
  115. Rdnr. 65; Ebenroth/Boujong/Joost/Löwisch, HGB, § 89b Rdnr. 67 m.w.N.). Ein
  116. persönliches Verschulden des Handelsvertreters hat das Berufungsgericht nicht
  117. festgestellt, so dass ein Ausschluss des Ausgleichsanspruchs nach § 89b
  118. Abs. 3 Nr. 2 HGB unter diesem Gesichtspunkt nicht eingreift.
  119. 8
  120. Der Grundsatz, dass ein Verschulden von Hilfspersonen eines Handelsvertreters nicht geeignet ist, den Ausgleichsanspruch auszuschließen, greift
  121. allerdings ausnahmsweise dann nicht ein, wenn ein Dritter, der nicht Vertragspartner ist, nach dem übereinstimmenden Willen der Beteiligten ausschließlich
  122. -6-
  123. als Handelsvertreter für den Unternehmer tätig sein soll; in einem solchen Fall
  124. kann sich der Handelsvertreter nicht darauf berufen, dass der Dritte nur sein
  125. Erfüllungsgehilfe gewesen sei (BGH, Urteil vom 23. Januar 1964 - VII ZR
  126. 162/62, VersR 1964, 428, unter II; MünchKommHGB/v.Hoyningen-Huene, aaO;
  127. Ebenroth/Boujong/Joost/Löwisch, aaO m.w.N.).
  128. 9
  129. Feststellungen zum Vorbringen der Beklagten, dass J.
  130. S.
  131. nur "pro forma" als Handelsvertreter habe auftreten sollen, die Handelsvertretertätigkeit tatsächlich aber im allseitigen Einverständnis weiterhin ausschließlich von seinem Vater ausgeübt worden sei, hat das Berufungsgericht nicht getroffen, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt der Ausgleichsanspruch nach
  132. den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ausgeschlossen ist.
  133. -7-
  134. III.
  135. 10
  136. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache
  137. ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da sie nicht entscheidungsreif
  138. ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
  139. Ball
  140. Dr. Frellesen
  141. Dr. Milger
  142. Hermanns
  143. Dr. Hessel
  144. Vorinstanzen:
  145. LG Mainz, Entscheidung vom 22.04.2005 - 5 O 248/03 OLG Koblenz, Entscheidung vom 24.11.2005 - 6 U 623/05 -