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- BUNDESGERICHTSHOF
- IM NAMEN DES VOLKES
- URTEIL
- VIII ZR 246/12
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- Verkündet am:
- 17. April 2013
- Ermel
- Justizangestellte
- als Urkundsbeamtin
- der Geschäftsstelle
- in dem Rechtsstreit
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- Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
- vom 17. April 2013 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richter
- Dr. Frellesen und Dr. Achilles, die Richterin Dr. Fetzer und den Richter
- Dr. Bünger
- für Recht erkannt:
- Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil der
- 5. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn vom 28. Juni 2012
- aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Paderborn vom
- 20. März 2012 abgeändert.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 110 € nebst Zinsen in
- Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
- 13. Januar 2011 sowie weitere 19 € nebst Zinsen in Höhe von
- 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. November
- 2011 zu zahlen.
- Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
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- Von Rechts wegen
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- Tatbestand:
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- Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung
- eines "Aktionsbonus" aus einem Stromlieferungsvertrag.
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- Der Kläger bezog von der Beklagten Strom aufgrund eines Vertrages,
- der am 1. Dezember 2009 begann. Die in das Vertragsverhältnis einbezogenen
- Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (Stand: September 2009)
- enthalten in Ziffer 7.3 folgende Regelung:
- "Wenn Sie als Neukunde einen Vertrag mit F.
- [Beklagte] schließen, gewährt Ihnen F.
- einen einmaligen Bonus. Dieser wird
- nach 12 Monaten Belieferungszeit fällig und spätestens mit der ersten
- Jahresrechnung verrechnet. Neukunde ist, wer in den letzten 6 Monaten
- vor Vertragsschluss in seinem Haushalt nicht von F.
- beliefert
- wurde. Der Bonus entfällt bei Kündigung innerhalb des ersten Belieferungsjahres, es sei denn die Kündigung wird erst nach Ablauf des ersten
- Belieferungsjahres wirksam."
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- Das Vertragsverhältnis endete aufgrund fristgerechter Kündigung des
- Klägers nach einem Jahr Belieferung mit Ablauf des 30. November 2010. In der
- Schlussrechnung vom 17. Dezember 2010 berücksichtigte die Beklagte nicht
- den der Höhe nach unstreitigen Bonus von 110 €.
- Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Zahlung des Bonus von 110 €
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- sowie vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 19 €, jeweils nebst
- Zinsen. Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der vom
- Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche
- weiter.
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- Entscheidungsgründe:
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- Die Revision hat Erfolg.
- I.
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- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
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- Aus der Klausel in Ziffer 7.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der
- Beklagten ergebe sich, dass dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung des Aktionsbonus in Höhe von 110 € nicht zustehe, weil er die Kündigung bereits mit
- Wirkung zum Ablauf der Mindestvertragslaufzeit von einem Jahr ausgesprochen habe und die Kündigung damit nicht erst nach Ablauf des ersten Belieferungsjahres wirksam geworden sei.
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- Unter Zugrundelegung des Empfängerhorizonts eines rechtlich nicht vorgebildeten durchschnittlichen Vertragspartners ergebe die Auslegung der Klausel, dass der Kunde einen Anspruch auf Zahlung des Bonus dann nicht erhalte,
- wenn der Vertrag - wie hier - mit Ablauf des ersten Vertragsjahres ende. Dies
- folge aus der einschränkenden Formulierung in Ziffer 7.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten. Die Formulierung "nach Ablauf" beschreibe
- im Unterschied zu den Formulierungen "zum Ablauf" oder "mit Ablauf" einen
- Zeitpunkt, der zeitlich nicht mehr innerhalb des ersten Vertragsjahres liege. Im
- konkreten Fall hätte dieser Zeitpunkt damit nach 24.00 Uhr des 30. November
- 2010 liegen müssen, um den Bonus nicht entfallen zu lassen. Ein solcher Zeitpunkt nach 24.00 Uhr des 30. November 2010 liege aber notwendig innerhalb
- des Folgetages und damit auch innerhalb des auf das erste Vertragsjahr folgenden Vertragsjahres. Zu einem solchen Zeitpunkt "nach Ablauf" des ersten
- Vertragsjahres sei hier jedoch nicht gekündigt worden. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, dass dies - von Sonderkündigungsrechten abgesehen zu einer tatsächlichen Vertragslaufzeit von 24 Monaten geführt hätte, wenn sich
- der Kläger den Bonus hätte erhalten wollen.
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- II.
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- Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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- 1. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Klauselauslegung unterliegt
- der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung, da bei Allgemeinen
- Geschäftsbedingungen ungeachtet der Frage, ob sie über den räumlichen Bezirk des Berufungsgerichts hinaus Verwendung finden, ein Bedürfnis nach einheitlicher Handhabung besteht (Senatsurteile vom 9. Februar 2011 - VIII ZR
- 295/09, NJW 2011, 1342 Rn. 29; vom 9. Juni 2010 - VIII ZR 294/09, NJW 2010,
- 2877 Rn. 11 mwN). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind - ausgehend von
- den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten durchschnittlichen Vertragspartners - einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und
- redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise
- beteiligten Kreise verstanden werden (Senatsurteile vom 9. Februar 2011
- - VIII ZR 295/09, aaO, und 9. Juni 2010 - VIII ZR 294/09, aaO Rn. 12). Dabei
- sind sie unabhängig von der Gestaltung des Einzelfalls sowie dem Willen und
- den Belangen der jeweils konkreten Vertragspartner nach ihrem typischen Sinn
- auszulegen. Ansatzpunkt für die bei einem Formularvertrag gebotene objektive,
- nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in
- erster Linie der Vertragswortlaut (st. Rspr.; Senatsurteil vom 8. April 2009
- - VIII ZR 233/08, NJW-RR 2009, 1021 Rn. 19 mwN).
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- 2. Hieran gemessen hält die Auslegung der vorliegenden Klausel durch
- das Berufungsgericht, wie die Revision mit Recht rügt, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Berufungsgerichts und
- einiger Instanzgerichte (vgl. LG Berlin, Urteil vom 13. Januar 2012 - 56 S 58/11,
- juris; AG Coburg, Urteil vom 6. Oktober 2011 - 15 C 1176/11, juris; AG Linz,
- Urteil vom 14. Dezember 2010 - 21 C 640/10, juris), wonach der Wortlaut der
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- Klausel eindeutig in dem Sinne sei, dass ein Anspruch auf den Bonus nur bestehe, wenn der Stromlieferungsvertrag länger als ein Jahr bestanden habe.
- Vielmehr kann die Formulierung der vorliegenden Klausel für einen juristisch
- nicht vorgebildeten Kunden ohne weiteres dahin verstanden werden, dass ein
- Anspruch auf den Bonus bereits dann besteht, wenn der Vertrag mindestens
- ein Jahr bestanden hat (vgl. LG Heidelberg, Urteil vom 29. Dezember 2010
- - 12 O 76/10 KfH, juris; AG Tiergarten, Urteil vom 17. Januar 2011 - 3 C 355/10,
- juris; AG Bonn, Urteil vom 30. April 2012 - 111 C 253/11, juris). Die Klausel ist
- deshalb nach § 305c Abs. 2 BGB in diesem Sinne auszulegen. Das Vorbringen
- der Beklagten in der Revisionserwiderung rechtfertigt keine andere Beurteilung.
- Die Auslegung, nach der für den Bonusanspruch erforderlich sei, dass der Vertrag länger als ein Jahr bestanden habe, mag auch möglich sein, beseitigt aber
- nicht die bestehenden Auslegungszweifel.
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- III.
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- Da die Revision begründet ist, ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562
- Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, weil weitere Feststellungen nicht zu treffen sind (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO). Da der Stromlieferungsvertrag zwischen den Parteien - wie von Ziffer 7.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten gefordert - ein volles Jahr bestand, hat der Kläger
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- Anspruch auf Zahlung des der Höhe nach unstreitigen Aktionsbonus sowie der
- ebenfalls unstreitigen Rechtsverfolgungskosten. Der Klage ist daher stattzugeben.
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- Ball
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- Dr. Frellesen
- Dr. Fetzer
-
- Dr. Achilles
- Dr. Bünger
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- Vorinstanzen:
- AG Paderborn, Entscheidung vom 20.03.2012 - 55 C 210/11 LG Paderborn, Entscheidung vom 28.06.2012 - 5 S 35/12 -
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