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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VIII ZR 213/12
  5. Verkündet am:
  6. 10. April 2013
  7. Ring,
  8. Justizhauptsekretärin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 535 Abs. 1, § 563 Abs. 4
  19. a) Unter den nach der Verkehrsanschauung zu bestimmenden Begriff des "Wohnens" fallen nur solche berufliche Tätigkeiten des Mieters, die in einer nicht nach
  20. außen in Erscheinung tretenden Weise ausgeübt werden. Geschäftliche Aktivitäten des Mieters, die der Mieter in ausschließlich zu Wohnzwecken vermieteten
  21. Räumen ausübt und die nach außen in Erscheinung treten, muss der Vermieter
  22. nicht ohne vorherige Vereinbarung dulden.
  23. b) Eine Verpflichtung des Vermieters, eine vertragswidrige Nutzung der Mieträume
  24. zu gestatten, kommt nur dann in Betracht, wenn von der beabsichtigten Tätigkeit
  25. - was der Mieter darzulegen und zu beweisen hat - keine weitergehenden Einwirkungen auf die Mietsache oder Mitmieter ausgehen als bei einer üblichen Wohnnutzung (Bestätigung von BGH, Urteil vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 165/08, NJW
  26. 2009, 3157).
  27. BGH, Urteil vom 10. April 2013 - VIII ZR 213/12 - LG Berlin
  28. AG Charlottenburg
  29. -2-
  30. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  31. vom 10. April 2013 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter
  32. Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Milger sowie die Richter Dr. Achilles und
  33. Dr. Schneider
  34. für Recht erkannt:
  35. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 65
  36. des Landgerichts Berlin vom 5. Juni 2012 wird zurückgewiesen.
  37. Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
  38. Von Rechts wegen
  39. Tatbestand:
  40. 1
  41. Der Kläger ist Eigentümer des Mietshauses S.
  42. P.
  43. in B.
  44. .
  45. Die Mutter des Beklagten mietete in dem Haus im Jahr 1954 eine Wohnung an,
  46. in der sie bis zu ihrem Tod am 14. Januar 2011 lebte. Als sie sich ab dem Jahr
  47. 2006 nicht mehr allein versorgen konnte, zog der Beklagte in die Wohnung, um
  48. seine Mutter zu pflegen, und lebt seitdem dort. Da er seinen Beruf als Musiklehrer für Gitarre an der Musikschule C.
  49. wegen der Pfle-
  50. getätigkeit nicht mehr in vollem Umfang in der Musikschule ausüben konnte,
  51. gab er, wie bereits in geringerem Umfang vor dem Jahr 2006, in der Wohnung
  52. Gitarrenunterricht. Eine Erlaubnis des Klägers für die Ausübung dieser Tätigkeit, deren Umfang und Auswirkungen auf den Hausfrieden zwischen den Parteien streitig sind, holte der Beklagte nicht ein.
  53. -3-
  54. 2
  55. Mit Schreiben vom 4. Februar 2011 zeigte der Beklagte dem Kläger den
  56. Tod seiner Mutter an und erklärte den Eintritt in das Mietverhältnis. Mit Anwaltsschreiben vom 2. März 2011 kündigte der Kläger das Mietverhältnis außerordentlich nach § 563 Abs. 4 BGB und gab zur Begründung an, dass der Beklagte
  57. über mehrere Jahre hinweg ohne seine Erlaubnis in der Wohnung Musikunterricht gegeben und die Wohnung damit entgegen dem vertraglich vereinbarten
  58. Nutzungsweck gewerblich genutzt habe. Wegen des durch den Unterricht verursachten Lärms sei es zu den Hausfrieden unzumutbar beeinträchtigenden
  59. Streitigkeiten mit Mitmietern gekommen.
  60. 3
  61. Mit der Klage nimmt der Kläger den Beklagten auf Räumung der Wohnung in Anspruch. Im Schriftsatz vom 25. August 2011 kündigte der Kläger das
  62. Mietverhältnis zusätzlich nach § 543 BGB fristlos und gab zur Begründung unter anderem an, die Lärmbelästigung dauere fort.
  63. 4
  64. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete
  65. Berufung des Beklagten hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.
  66. Entscheidungsgründe:
  67. 5
  68. Die Revision hat keinen Erfolg.
  69. I.
  70. 6
  71. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
  72. -4-
  73. 7
  74. Der Räumungsanspruch des Klägers sei nach § 546 BGB begründet,
  75. denn das Mietverhältnis, in welches der Beklagte gemäß § 563 Abs. 2 BGB
  76. nach dem Tod seiner Mutter eingetreten sei, sei aufgrund der auf § 563 Abs. 4
  77. BGB gestützten wirksamen Kündigung des Klägers vom 2. März 2011 beendet
  78. worden.
  79. 8
  80. Der nach § 563 Abs. 4 BGB zu fordernde in der Person des eingetretenen Mieters liegende wichtige Grund zur Kündigung sei hier darin zu sehen,
  81. dass der Beklagte ohne Erlaubnis des Klägers über Jahre hinweg in der Wohnung Gitarrenunterricht gegeben habe. Der Kläger habe konkrete Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass es deswegen in der Vergangenheit - auch zu Zeiten,
  82. in denen der Beklagte noch nicht Mieter der Wohnung gewesen sei - zu Auseinandersetzungen mit anderen im Haus lebenden Mietern gekommen sei. Derartige Auseinandersetzungen seien auch in Zukunft zu befürchten und führten zu
  83. einer in der Person des Beklagten liegenden unzumutbaren Beeinträchtigung
  84. des Hausfriedens.
  85. 9
  86. Die freiberufliche Erteilung von Gitarrenunterricht stelle keine übliche
  87. Wohnnutzung dar und bedürfe nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, da diese Tätigkeit wegen der in das Haus kommenden Schüler Außenwirkung entfalte, der Erlaubnis des Vermieters, an der es vorliegend fehle. Da der
  88. Kläger den Beklagten mehrfach vergeblich aufgefordert habe, den Gitarrenunterricht zu unterlassen, rechtfertigten allein die deshalb zu befürchtende weitere
  89. Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit gegen den Willen des Vermieters und die
  90. sich daraus nicht unwahrscheinlich ergebenden Probleme mit Mitmietern die
  91. außerordentliche Kündigung. Darauf, ob die Vorhaltungen des Klägers hinsichtlich der Auseinandersetzungen mit Mitmietern überhaupt zuträfen, komme es
  92. nicht an.
  93. -5-
  94. II.
  95. 10
  96. Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält rechtlicher Nachprüfung
  97. stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
  98. 11
  99. Zu Recht hat das Berufungsgericht darin, dass der Beklagte ohne Erlaubnis des Klägers in der Wohnung Gitarrenunterricht erteilt hat, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 563 Abs. 4 BGB gesehen. Der Räumungsanspruch ist deshalb nach § 546 Abs. 1 BGB begründet.
  100. 12
  101. 1. Gemäß § 563 Abs. 4 BGB kann der Vermieter das Mietverhältnis innerhalb eines Monats, nachdem er von dem endgültigen Eintritt in das Mietverhältnis Kenntnis erlangt hat, außerordentlich mit der gesetzlichen Frist kündigen, wenn in der Person des Eingetretenen ein wichtiger Grund vorliegt.
  102. 13
  103. Es bedarf keiner grundsätzlichen Entscheidung darüber, ob und gegebenenfalls in welcher Weise sich der in § 563 Abs. 4 BGB genannte wichtige
  104. Grund zur außerordentlichen Kündigung von dem in § 543 Abs. 1 BGB genannten wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung unterscheidet. Jedenfalls muss
  105. dieser Grund so beschaffen sein, dass er dem Vermieter die Fortsetzung des
  106. Mietverhältnisses aufgrund von Umständen unzumutbar macht, die in der Person des Mieters liegen (vgl. Senatsbeschluss vom 20. April 2010 - VIII ZR
  107. 254/09, WuM 2010, 431 Rn. 6). So verhält es sich im Streitfall.
  108. 14
  109. 2. Nach der vom Berufungsgericht zutreffend zitierten Rechtsprechung
  110. des Senats fallen unter den nach der Verkehrsanschauung zu bestimmenden
  111. Begriff des "Wohnens" lediglich solche berufliche Tätigkeiten, die der Mieter
  112. - etwa im häuslichen Arbeitszimmer - in einer nicht nach außen in Erscheinung
  113. tretenden Weise ausübt. Der Senat hat beispielhaft hierfür die Unterrichtsvorbereitung eines Lehrers, die Telearbeit eines Angestellten, die schriftstellerische
  114. -6-
  115. Tätigkeit eines Autors sowie den Empfang oder die Bewirtung von Geschäftsfreunden angeführt (Senatsurteil vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 165/08, NJW 2009,
  116. 3157 Rn. 14). Für die Aufnahme derartiger Tätigkeiten, die mit dem vertraglich
  117. vereinbarten Nutzungszweck im Einklang stehen, bedarf es keiner Erlaubnis
  118. des Vermieters.
  119. 15
  120. Hingegen muss der Vermieter in ausschließlich zu Wohnzwecken vermieteten Räumen geschäftliche (gewerbliche oder [frei-]berufliche) Aktivitäten
  121. des Mieters, die nach außen in Erscheinung treten, grundsätzlich nicht ohne
  122. entsprechende vorherige Vereinbarung dulden (Senatsurteil vom 14. Juli 2009
  123. - VIII ZR 165/08, aaO Rn. 15). Da der Beklagte in den ausschließlich zu Wohnzwecken vermieteten Räumen nach seinen Angaben an drei Werktagen in der
  124. Woche zehn bis zwölf Schülern Gitarrenunterricht erteilt, liegt eine vertragswidrige geschäftliche Aktivität mit Publikumsverkehr vor, für deren Zulässigkeit es
  125. an einer Vereinbarung der Parteien fehlt.
  126. 16
  127. Zwar hat der Senat entschieden, dass der Vermieter im Einzelfall nach
  128. Treu und Glauben verpflichtet sein kann, eine Erlaubnis zur teilweisen gewerblichen oder (frei-)beruflichen Nutzung zu erteilen. Eine solche Verpflichtung des
  129. Vermieters, eine nach den Bestimmungen des Mietvertrags vertragswidrige
  130. Nutzung zu gestatten, wird jedoch nur dann in Betracht kommen, wenn von der
  131. beabsichtigten Tätigkeit - was der Mieter darzulegen und zu beweisen hat (Senatsurteil vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 165/08, aaO Rn. 17) - keine weitergehenden Einwirkungen auf die Mietsache oder Mitmieter ausgehen als bei einer üblichen Wohnnutzung. Beispielhaft hat der Senat dabei eine Tätigkeit ohne Mitarbeiter und ohne ins Gewicht fallenden Kundenverkehr genannt (Senatsurteil
  132. vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 165/08, aaO Rn. 15). Um eine derartige Tätigkeit
  133. -7-
  134. handelt es sich bei der vom Beklagten ausgeübten Tätigkeit nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen offensichtlich nicht.
  135. Ball
  136. Dr. Frellesen
  137. Dr. Achilles
  138. Dr. Milger
  139. Dr. Schneider
  140. Vorinstanzen:
  141. AG Berlin-Charlottenburg, Entscheidung vom 08.12.2011 - 223 C 157/11 LG Berlin, Entscheidung vom 05.06.2012 - 65 S 484/11 -