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7.5 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VIII ZR 142/00
  5. Verkündet am:
  6. 31. Januar 2001
  7. Kirchgeßner,
  8. Justizobersekretärin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. ZPO §§ 81, 83 Abs. 1
  16. Zum Umfang der Prozeßvollmacht im Anwaltsprozeß.
  17. BGH, Urteil vom 31. Januar 2001 - VIII ZR 142/00 - OLG Düsseldorf
  18. LG Düsseldorf
  19. -2-
  20. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren, in
  21. dem Schriftsätze bis zum 17. Januar 2001 eingereicht werden konnten, durch
  22. die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Hübsch, Ball,
  23. Wiechers und Dr. Wolst
  24. für Recht erkannt:
  25. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 16. Zivilsenats
  26. des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 7. April 2000 aufgehoben.
  27. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,
  28. auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  29. Von Rechts wegen
  30. Tatbestand:
  31. Die Klägerin fordert Zahlung eines Restkaufpreises für die Übernahme
  32. des von ihr betriebenen Unternehmens durch die Beklagte.
  33. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben
  34. die Rechtsanwälte Dres. V.
  35. gelegt und diese begründet.
  36. und Partner "namens der Klägerin" Berufung ein-
  37. -3-
  38. Im Verfahren vor dem Oberlandesgericht hat die Beklagte gerügt, die
  39. Rechtsanwälte Dres. V.
  40. und Kollegen seien zur Prozeßführung nicht bevoll-
  41. mächtigt. Die Echtheit einer vorgelegten Vollmachtsurkunde, die mit dem Namen der damaligen Liquidatorin der Klägerin, J.
  42. K. , unterzeichnet ist,
  43. hat die Beklagte bestritten. Die Vorinstanz hat daraufhin J.
  44. K.
  45. ange-
  46. hört. Diese hat vor dem Berufungsgericht unter anderem erklärt:
  47. "Ich hatte (den erstinstanzlichen Bevollmächtigten der Klägerin)
  48. beauftragt, die Interessen der Klägerin wahrzunehmen. Mit meinem Mann hatte ich vereinbart, daß mit Abschluß des ersten
  49. Rechtszuges die Sache erledigt sein solle. ... Nachdem das Urteil
  50. der ersten Instanz ergangen war, ist mein Mann in die Berufung
  51. gegangen. Ich kann nicht sagen in welcher Eigenschaft mein
  52. Mann in die Berufung gegangen ist. Ich vertrete die Klägerin. Ich
  53. bin die Liquidatorin. Ich habe auch mit Rechtsanwalt Dr. V. telefoniert und ihm erklärt, daß ich einen weiteren Rechtsstreit, also
  54. in der Berufungsinstanz vor dem Oberlandesgericht, nicht führen
  55. möchte. Ich will nicht, daß hier eine Berufung durchgeführt wird."
  56. Im Anschluß an diese Erklärung hat Rechtsanwalt Dr. V.
  57. das Mandat
  58. für die Klägerin niedergelegt. Daraufhin hat die Beklagte den Erlaß eines Versäumnisurteils beantragt. Mit Beschluß vom 24. März 2000 hat das Berufungsgericht die Parteien und Verfahrensbeteiligten unter anderem darauf hingewiesen, daß Berufung eingelegt worden sei, ohne daß ein Auftrag und eine Vollmacht der Klägerin für dieses Rechtsmittel vorliege. Die Rechtsanwälte Dres.
  59. V.
  60. und Kollegen haben mit am 27. März 2000 bei Gericht eingegangenem
  61. Schriftsatz die Ablichtung eines Schreibens des erstinstanzlichen Bevollmächtigten, Rechtsanwalt H. -A.
  62. sem
  63. Schreiben
  64. bittet
  65. , vom 26. Januar 1999 vorgelegt. In die-
  66. Rechtsanwalt
  67. H. -A.
  68. die
  69. Rechtsanwälte
  70. -4-
  71. Dres. V.
  72. und Partner, gegen das gegen die Klägerin ergangene landgerichtli-
  73. che Urteil "fristwahrend" Berufung einzulegen.
  74. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin als unzulässig
  75. verworfen und die Kosten der zweiten Instanz den Rechtsanwälten Dres. V.
  76. und Sch.
  77. auferlegt.
  78. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Oberlandesgericht.
  79. Entscheidungsgründe:
  80. Die nach §§ 545, 547 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige Revision hat Erfolg.
  81. I.
  82. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin mit der Begründung verworfen, die für die Klägerin aufgetretenen Rechtsanwälte Dres. V.
  83. und Kollegen seien von der Klägerin nicht rechtswirksam beauftragt und bevollmächtigt worden. Wie die Anhörung der damaligen Liquidatorin J.
  84. K.
  85. ergeben habe, sei diesen Rechtsanwälten weder von ihr, der alleinigen
  86. Vertreterin der Klägerin, ein Mandat für die Berufung erteilt worden, noch habe
  87. J.
  88. K.
  89. in einer ihr zurechenbaren Weise einen entsprechenden An-
  90. schein gesetzt. Der erstinstanzliche Bevollmächtigte der Klägerin habe den
  91. Rechtsanwälten Dres. V.
  92. und Kollegen einen rechtswirksamen Auftrag zur
  93. Durchführung der Berufung mit entsprechender Vollmacht nicht erteilen kön-
  94. -5-
  95. nen, weil im Verhältnis zur Klägerin eine solche Befugnis nicht eingeräumt
  96. worden sei.
  97. II.
  98. Die Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
  99. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, den für die Klägerin in
  100. zweiter Instanz aufgetretenen Rechtsanwälten fehle die Prozeßvollmacht.
  101. 1. Zutreffend rügt die Revision, das Oberlandesgericht habe die Vorschriften der §§ 81, 83 Abs. 1 ZPO verkannt.
  102. a) Nach § 81 Halbs. 2 ZPO ermächtigt die einem (erstinstanzlichen) Anwalt erteilte Prozeßvollmacht zur Bestellung eines Bevollmächtigten für die höhere Instanz. Wie die damalige Liquidatorin der Klägerin vor dem Berufungssenat erklärt hat, hatte sie Rechtsanwalt H. -A.
  103. Vollmacht zur Führung
  104. des Rechtsstreit erteilt. Dieser hat, wie sein Schreiben vom 26. Januar 1999
  105. belegt, die Rechtsanwälte Dres. V.
  106. und Kollegen mit der Durchführung der
  107. Berufung beauftragt. Diese schriftlich erteilte Vollmacht kann vom Revisionsgericht berücksichtigt werden, weil sie vor Erlaß des Prozeßurteils (vom 7. April
  108. 2000) ausgestellt worden war (vgl. GmS - OGB BGHZ 91, 111, 115).
  109. b) Die Einschränkung der Prozeßvollmacht durch die Liquidatorin der
  110. Klägerin auf ein lediglich erstinstanzliches Verfahren ist gegenüber Gericht und
  111. Beklagten ohne Bedeutung. Es ist dabei unerheblich, ob die Liquidatorin J.
  112. K.
  113. bereits dem erstinstanzlichen Bevollmächtigten gegenüber äußerte,
  114. sie wolle kein Berufungsverfahren durchführen, oder ob sie dies erst gegenüber den von diesem für die zweite Instanz beauftragten Anwälten erklärte.
  115. -6-
  116. Nach § 83 Abs. 1 ZPO konnte die Liquidatorin J.
  117. K.
  118. gegenüber
  119. der Beklagten - und nach ganz einhelliger Ansicht auch gegenüber dem Gericht (Musielak/Weth, ZPO, 2. Aufl., § 83 Rdnr. 2; vgl. auch BGHZ 92, 137,
  120. 142) - den von § 81 ZPO beschriebenen Umfang der erteilten Prozeßvollmacht
  121. nicht wirksam auf eine Vertretung nur für die erste Instanz beschränken. Etwas
  122. anderes ergäbe sich auch dann nicht, wenn die Erklärung der damaligen Liquidatorin J.
  123. K.
  124. vor dem Berufungssenat als Kündigung des erteilten
  125. Auftrags anzusehen wäre bzw. die Liquidatorin den Auftrag gegenüber Dr.
  126. V.
  127. und Kollegen vor ihrer Anhörung gekündigt hätte. Eine Kündigung des
  128. Mandats hätte, da es sich bei dem Verfahren um einen Anwaltsprozeß (§ 78
  129. Abs. 1 ZPO) handelt, erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts rechtliche Wirksamkeit nach außen erlangt (§ 87 Abs. 1 ZPO).
  130. Nach alledem durfte das Oberlandesgericht die Berufung der Klägerin
  131. nicht wegen fehlender Prozeßvollmacht der zweitinstanzlich aufgetretenen
  132. Rechtsanwälte als unzulässig verwerfen.
  133. -7-
  134. 2. Der Rechtsstreit war nach Aufhebung des Berufungsurteils zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine Sachentscheidung des erkennenden Senats kann nicht ergehen, da die Sache noch nicht entscheidungsreif ist.
  135. Mit der Aufhebung des Berufungsurteils entfällt auch die dortige, zum Nachteil
  136. der Rechtsanwälte Dres. V.
  137. Dr. Deppert
  138. und Sch.
  139. ergangene Kostenentscheidung.
  140. Dr. Deppert
  141. für den wegen Urlaubs an
  142. der Unterschriftsleistung
  143. verhinderten
  144. Richter am Bundesgerichtshof
  145. Dr. Hübsch
  146. Wiechers
  147. Ball
  148. Dr. Wolst