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6.6 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. VII ZR 11/12
  4. vom
  5. 31. Juli 2013
  6. in dem Rechtsstreit
  7. -2-
  8. Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Juli 2013 durch den
  9. Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, die Richterin Safari Chabestari und die
  10. Richter Halfmeier, Kosziol und Prof. Dr. Jurgeleit
  11. beschlossen:
  12. Der Beschwerde der Kläger wird teilweise stattgegeben.
  13. Das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg
  14. vom 30. November 2011 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage wegen der Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch in Höhe von
  15. 235.294,12 € (fehlerhafte Planung des Ranges) abgewiesen worden ist.
  16. Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens
  17. der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  18. Im Übrigen wird die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen.
  19. Gegenstandswert der Nichtzulassungsbeschwerde: 1.119.371,96 €;
  20. des stattgebenden Teils: 235.294,12 €
  21. -3-
  22. Gründe:
  23. I.
  24. 1
  25. Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche der Kläger, einer Gemeinschaft aus einem Architekten und einem Theaterplaner, und Schadensersatzforderungen der Beklagten, mit denen diese gegen die Vergütungsansprüche aufrechnet.
  26. 2
  27. Die Beklagte beauftragte die Kläger mit Architektenvertrag vom Januar
  28. 1992 mit der Erbringung von Architektenleistungen zum Umbau und der Erweiterung des M.-G.-Theaters einschließlich der Freianlagen für die Leistungsphasen 2 bis 8 nach § 15 HOAI. In 1997 wurde der Umbau des Theaters fertiggestellt.
  29. 3
  30. Die
  31. Kläger
  32. 21. Dezember 1998
  33. summe
  34. von
  35. erteilten
  36. eine
  37. über
  38. die
  39. Architektenleistungen
  40. Schlussrechnung
  41. 11.791.147,94 DM
  42. und
  43. einer
  44. mit
  45. einer
  46. unter
  47. dem
  48. Bruttorechnungs-
  49. Schlusszahlungssumme
  50. von
  51. 5.310.188,38 DM.
  52. 4
  53. Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Kläger 1.750.154,44 €
  54. nebst Zinsen zu zahlen. Dabei ist das Landgericht von einer noch ausstehenden Vergütung von 2.028.891,27 € ausgegangen. Diesen Betrag hat es um
  55. Schadensersatzforderungen von 43.442,71 € (nicht ordnungsgemäße Planung
  56. des Ballettbodens) und 235.294,12 € (fehlerhafte Planung des Ranges) gekürzt.
  57. Die übrigen von der Beklagten zur Aufrechnung gestellten Forderungen hat das
  58. Landgericht für unbegründet erachtet.
  59. 5
  60. Gegen das Urteil des Landgerichts haben die Kläger Berufung und hat
  61. die Beklagte Anschlussberufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat einen
  62. Vergütungsanspruch der Kläger in Höhe von 1.561.858,55 € errechnet und
  63. -4-
  64. diesen, wie das Landgericht, um die Gegenforderungen in Höhe von
  65. 43.442,71 € und 235.294,12 € gekürzt. Die Revision hat das Berufungsgericht
  66. nicht zugelassen.
  67. 6
  68. Dagegen wenden sich die Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde.
  69. Sie wollen insgesamt erreichen, dass die Beklagte zur Zahlung von weiteren
  70. 1.119.371,96 € verurteilt wird.
  71. II.
  72. 7
  73. Das Berufungsurteil ist hinsichtlich des zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzanspruches wegen der fehlerhaften Planung des Ranges aufzuheben, weil es insoweit auf einer Verletzung des Anspruchs der Kläger auf rechtliches Gehör beruht.
  74. 8
  75. 1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Kläger hafteten aufgrund eines Planungsverschuldens nach §§ 635, 249 ff. BGB a.F. Die von ihnen mit der
  76. Berufung nicht mehr bestrittene Sichtbehinderung stelle einen Mangel dar. Die
  77. Beklagte müsse sich kein Mitverschulden nach § 254 Abs. 1 BGB anrechnen
  78. lassen. Jedenfalls hätten die hierfür darlegungs- und beweispflichtigen Kläger
  79. ein anspruchsminderndes oder anspruchsausschließendes Mitverschulden
  80. nicht bewiesen. Dass die Beklagte in Kenntnis des Problems keinen Baustopp
  81. veranlasst habe, begründe kein Mitverschulden. Denn nach den glaubhaften
  82. Aussagen der Zeugen G.
  83. und J.
  84. sei zum Zeitpunkt der Kenntnis der
  85. Rang bereits fertiggestellt gewesen.
  86. 9
  87. 2. Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts zu der Frage, ob der
  88. Rang bereits fertiggestellt war, als die Beklagte Kenntnis von der mangelhaften
  89. -5-
  90. Planung erhielt, genügt nicht den Anforderungen des § 286 Abs. 1 ZPO, berücksichtigt nicht den Vortrag der Kläger und verletzt damit deren Anspruch auf
  91. Gewährung rechtlichen Gehörs, Art. 103 Abs. 1 GG.
  92. 10
  93. a) Die Nachprüfung der Beweiswürdigung in der Revisionsinstanz beschränkt sich darauf, ob der Tatrichter in verfahrensrechtlich nicht zu beanstandender Weise den Streitstoff umfassend, rechtlich möglich, widerspruchsfrei
  94. und ohne Verstoß gegen Denk- oder Erfahrungssätze gewürdigt hat (BGH, Urteil vom 7. März 2013 - VII ZR 134/12, BauR 2013, 952 Rn. 14 = NZBau 2013,
  95. 295 Rn. 14 = ZfBR 2013, 355). Hier fehlt es an einer umfassenden Würdigung
  96. des Streitstoffes. Die nach § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO erforderliche Begründung
  97. erschöpft sich in einem Halbsatz. Das Berufungsgericht hat die Zeugenaussagen weder vollständig noch zutreffend erfasst. Der Vortrag der Kläger in der
  98. Berufungsbegründung wird nicht erwähnt, ebenso wenig wie die dem Beweisergebnis des Berufungsgerichts entgegenstehenden Aussagen des Zeugen
  99. 11
  100. J.
  101. in seiner zweiten Befragung am 26. September 2009 und des Zeugen
  102. S.
  103. vom 15. Oktober 2008.
  104. b) Da das Berufungsgericht den zur Beweiswürdigung gehaltenen Vor-
  105. trag der Kläger in der Berufungsbegründung in keiner Weise verarbeitet hat, ist
  106. anzunehmen, dass das Berufungsgericht die Ausführungen der Kläger nicht zur
  107. Kenntnis genommen, jedenfalls nicht in Erwägung gezogen hat, was einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG begründet (vgl. BVerfG, Beschluss vom
  108. 15. Mai 2012 - 1 BvR 1999/09, juris Rn. 14).
  109. 12
  110. c) Der Gehörsverstoß ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei umfassender Würdigung aller
  111. wesentlichen Umstände zu dem Ergebnis gelangt, die Beklagte habe bereits zu
  112. einem Zeitpunkt Kenntnis von der Sichtbehinderung erlangt, als der Rang noch
  113. nicht fertiggestellt war.
  114. -6-
  115. 3. Das Berufungsurteil war daher gemäß § 544 Abs. 7 ZPO teilweise aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
  116. Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass das Berufungsgericht, sollte es auf die Glaubwürdigkeit der Zeugen ankommen - was
  117. naheliegt -, diese erneut zu vernehmen haben wird.
  118. III.
  119. Im Übrigen wird von einer Begründung der Entscheidung über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2, zweiter Halbsatz ZPO).
  120. Kniffka
  121. Safari Chabestari
  122. Kosziol
  123. Halfmeier
  124. Jurgeleit
  125. Vorinstanzen:
  126. LG Magdeburg, Entscheidung vom 30.11.2010 - 5 O 32/08 OLG Naumburg, Entscheidung vom 30.11.2011 - 12 U 1/11 -