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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VII ZR 209/07
  5. Verkündet am:
  6. 7. April 2011
  7. Seelinger-Schardt,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. AGBG § 9 Abs. 1 Bf
  19. Die von einem Architekten in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Architektenvertrages verwandte Klausel
  20. "Eine Aufrechnung gegen den Honoraranspruch ist nur mit
  21. einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung zulässig"
  22. ist gemäß § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam.
  23. BGH, Urteil vom 7. April 2011 - VII ZR 209/07 - OLG Naumburg
  24. LG Magdeburg
  25. -2-
  26. Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  27. vom 7. April 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, den Richter
  28. Dr. Kuffer, die Richterin Safari Chabestari, den Richter Halfmeier und den Richter Prof. Leupertz
  29. für Recht erkannt:
  30. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats
  31. des Oberlandesgerichts Naumburg vom 9. November 2007 aufgehoben.
  32. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  33. über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  34. Von Rechts wegen
  35. Tatbestand:
  36. 1
  37. Der Kläger nimmt die Beklagten auf Zahlung restlichen Architektenhonorars aus eigenem und abgetretenem Recht seines Vaters in Anspruch. Im April
  38. 1996 schlossen er und sein Vater einerseits und die Beklagten andererseits
  39. einen "Einheits-Architektenvertrag für Gebäude" betreffend den Neubau eines
  40. Einfamilienhauses. Gegenstand des Vertrages sind die Leistungsphasen 2 bis 9
  41. gemäß § 15 Abs. 2 HOAI a.F. Die dem Architektenvertrag beigefügten "Allgemeine(n) Vertragsbestimmungen zum Einheits-Architektenvertrag (AVA)" lauten
  42. in § 4 Nr. 4.5:
  43. -3-
  44. "Eine Aufrechnung gegen den Honoraranspruch ist nur mit einer
  45. unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung zulässig."
  46. 2
  47. Nachdem die Beklagten auf die dritte Abschlagsrechnung keine Zahlungen erbracht hatten, kündigten der Kläger und sein Vater mit Schreiben vom
  48. 23. Dezember 1998 den Architektenvertrag.
  49. 3
  50. Die Beklagten rechnen gegenüber der Honorarforderung mit Schadensersatzansprüchen wegen mangelhafter Planung und Bauüberwachung auf. Diese Mängel der Architektenleistung hätten zu Schallschutzmängeln, Rissbildungen und Feuchtigkeit im Kellerbereich geführt.
  51. 4
  52. Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 65.824,33 € nebst Zinsen zu zahlen. Das
  53. Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat einen Honoraranspruch in Höhe
  54. von 59.286,85 € für begründet erachtet, gegen den die Beklagten allerdings mit
  55. diesen Betrag übersteigenden Schadenersatzansprüchen wirksam aufgerechnet hätten. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Beklagten verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 59.286,85 € nebst Zinsen zu
  56. zahlen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision möchten die Beklagten die
  57. Zurückweisung der Berufung erreichen.
  58. Entscheidungsgründe:
  59. 5
  60. Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  61. -4-
  62. 6
  63. Auf das Rechtsverhältnis der Parteien sind die bis 31. Dezember 2001
  64. geltenden Rechtsvorschriften anwendbar (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
  65. I.
  66. 7
  67. Das Berufungsgericht hat die Aufrechnung der Beklagten mit Schadensersatzansprüchen gegen die rechnerisch unstreitige Resthonorarforderung des
  68. Klägers in Höhe von 59.286,85 € für unzulässig erachtet. Ihr stehe das Aufrechnungsverbot in § 4 Nr. 4.5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu dem
  69. vorgenannten Architektenvertrag entgegen. Diese Klausel sei wirksam. Sie sei
  70. weder intransparent noch benachteilige sie die Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Sie verstoße auch nicht gegen § 11
  71. Nr. 3 AGBG oder § 11 Nr. 2b AGBG. Soweit nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23. Juni 2005 (VII ZR 197/03, BGHZ 163, 274) Aufrechnungsverbote dann nicht zur Geltung kommen könnten, wenn sie den Auftraggeber zwängen, eine mangelhafte oder unfertige Leistung in vollem Umfang zu
  72. vergüten, obwohl ihm Gegenansprüche in Höhe der Mängelbeseitigungs- oder
  73. Fertigstellungskosten zustünden, läge diese Situation nicht vor. Es stehe gerade nicht fest, dass den Beklagten die zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzansprüche zustünden, weil diese Ansprüche weder unstreitig seien noch
  74. Entscheidungsreife bestehe.
  75. 8
  76. Der Rechtsstreit sei im Übrigen, was die Honorarforderung des Klägers
  77. angehe, entscheidungsreif. Frühere Einwendungen hätten die Beklagten im
  78. Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 5. Februar 2004
  79. fallengelassen und damit, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt habe, den
  80. geltend gemachten Honoraranspruch unstreitig gestellt.
  81. -5-
  82. II.
  83. 9
  84. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
  85. 10
  86. 1. Ohne Erfolg rügt die Revision allerdings, dass das Berufungsgericht
  87. den Rechtsstreit für entscheidungsreif gehalten hat, soweit es um die Honorarforderung des Klägers ging. Denn die Begründetheit der Klageforderung (vorbehaltlich der Frage ihres Erlöschens durch Aufrechnung) stand durch die Entscheidung des Landgerichts bereits rechtskräftig fest.
  88. 11
  89. Ein Urteil, das das ursprüngliche Bestehen der Klageforderung und der
  90. zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung bejaht, enthält insoweit zwei prozessual selbständige Elemente des Streitstoffs. Dementsprechend kann die
  91. Überwälzung des Streitstoffs in die Rechtsmittelinstanz (Devolution) auf jedes
  92. der beiden Elemente beschränkt werden. Die Devolution eines solchen abtrennbaren Teils des Streitstoffs setzt die Einlegung eines Rechtsmittels (oder
  93. eines Anschlussrechtsmittels) durch die beschwerte Partei voraus. Anderenfalls
  94. verbleibt dieser Teil des Streitstoffs in der Vorinstanz, wird rechtskräftig und
  95. gelangt nicht in die nächste Instanz (BGH, Urteil vom 3. November 1989
  96. - V ZR 143/87, BGHZ 109, 179, 189).
  97. 12
  98. Die Beklagten haben ausweislich des Berufungsurteils gegen die landgerichtliche Entscheidung keine Anschlussberufung eingelegt; dies wird auch von
  99. der Revision nicht geltend gemacht. Eine Aberkennung der Klageforderung unabhängig von den zur Aufrechnung gestellten Forderungen kommt daher nicht
  100. in Betracht.
  101. 13
  102. 2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, eine
  103. Aufrechnung gegen den Honoraranspruch des Klägers sei durch § 4 Nr. 4.5 der
  104. -6-
  105. Allgemeinen Vertragsbestimmungen zum Einheits-Architektenvertrag ausgeschlossen.
  106. 14
  107. a) Zu Recht ist das Berufungsgericht noch davon ausgegangen, dass
  108. etwaige Schadensersatzansprüche der Beklagten nur im Wege der Aufrechnung geltend gemacht werden können; eine Verrechnung mit der Werklohnforderung des Klägers findet nicht statt. Die Verrechnung ist kein gesetzlich vorgesehenes Rechtsinstitut in den Fällen, in denen sich nach der Gesetzeslage
  109. Werklohn und Anspruch wegen Nichterfüllung oder andere Ansprüche wegen
  110. Schlechterfüllung des Vertrages aufrechenbar gegenüber stehen. In diesen Fällen sind die vertraglichen oder gesetzlichen Regelungen zur Aufrechnung anwendbar (BGH, Urteil vom 23. Juni 2005 - VII ZR 197/03, BGHZ 163, 274, 278).
  111. Diese vom Bundesgerichtshof bereits für einen Werkvertrag unter Vereinbarung
  112. der VOB/B entschiedenen Grundsätze finden ebenso auf einen Architektenvertrag Anwendung, der als Werkvertrag zu qualifizieren ist.
  113. 15
  114. b) Rechtsfehlerhaft bejaht das Berufungsgericht dagegen die Wirksamkeit von § 4 Nr. 4.5 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen. Diese Bestimmung ist entgegen einer vielfach in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte vertretenen Auffassung (OLG Hamm, BauR 2004, 1643, 1645 m.w.N.) gemäß § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam. Denn sie benachteiligt den Vertragspartner
  115. des verwendenden Architekten entgegen den Geboten von Treu und Glauben
  116. unangemessen.
  117. 16
  118. aa) Eine solche Benachteiligung liegt vor, wenn der Besteller durch das
  119. Verbot der Aufrechnung in einem Abrechnungsverhältnis eines Werkvertrages
  120. gezwungen würde, eine mangelhafte oder unfertige Leistung in vollem Umfang
  121. zu vergüten, obwohl ihm Gegenansprüche in Höhe der Mängelbeseitigungsoder Fertigstellungskosten zustehen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2005
  122. -7-
  123. - VII ZR 197/03, BGHZ 163, 274, 279; OLG Frankfurt, OLGR Frankfurt 2008,
  124. 665; H.-D. Hensen in Ulmer/Brander/Hensen, AGB-Recht, 10. Aufl., § 309 Nr. 3
  125. BGB Rn. 7 m.w.N.; Kessen, BauR 2005, 1691, 1693 ff.). Denn hierdurch würde
  126. in das durch den Vertrag geschaffene Äquivalenzverhältnis von Leistung und
  127. Gegenleistung in für den Besteller unzumutbarer Weise eingegriffen.
  128. 17
  129. Die synallagmatische Verknüpfung der Werklohnforderung mit der Forderung auf mangelfreie Erfüllung des Vertrages findet zunächst ihren Ausdruck in
  130. einem Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers im Falle einer mangelhaften
  131. oder nicht fertig gestellten Leistung, § 320 Abs. 1 BGB. Der Besteller kann sich
  132. im Prozess mit dem Leistungsverweigerungsrecht verteidigen mit der Folge,
  133. dass die Werklohnforderung ganz oder teilweise nicht durchsetzbar ist. Dies
  134. kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht ausgeschlossen werden
  135. (§ 11 Nr. 2a AGBG, § 309 Nr. 2a BGB). Es wäre ein nicht hinnehmbares Ergebnis, wenn eine aus dem Leistungsverweigerungsrecht erwachsene auf Zahlung gerichtete Gegenforderung dazu führen würde, dass der Werklohn nunmehr
  136. durchsetzbar
  137. ist
  138. (vgl.
  139. BGH,
  140. Urteil
  141. vom
  142. 24. November 2005
  143. - VII ZR 304/04, BGHZ 165, 134, 137).
  144. 18
  145. Aus diesen Gründen hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden,
  146. dass ein Vorbehaltsurteil grundsätzlich nicht erlassen werden darf, wenn damit
  147. eine Werklohnforderung zugesprochen wird und zur Aufrechnung gestellte Ansprüche auf Zahlung der Mängelbeseitigungskosten oder der Fertigstellungsmehrkosten dem Nachverfahren vorbehalten werden. Dies würde nämlich zu
  148. einer vorübergehenden Aussetzung der Wirkung einer materiell-rechtlich begründeten Aufrechnung führen und hätte zur Folge, dass der Kläger einen Titel
  149. über eine Forderung erhält, die tatsächlich infolge der Aufrechnung nicht besteht. Diese Wirkung ist grundsätzlich nicht gerechtfertigt, wenn der Besteller
  150. gegenüber einer Werklohnforderung mit Ansprüchen aufrechnet, die dazu die-
  151. -8-
  152. nen, das durch den Vertrag geschaffene Äquivalenzverhältnis von Leistung und
  153. Gegenleistung
  154. herzustellen
  155. (BGH,
  156. Urteil
  157. vom
  158. 24. November 2005
  159. - VII ZR 304/04, BGHZ 165, 134; BGH, Urteil vom 27. September 2007
  160. - VII ZR 80/05, BauR 2007, 2052 = NZBau 2008, 55 = ZfBR 2008, 39).
  161. 19
  162. Ein Aufrechnungsverbot führt in noch stärkerer Weise als ein Vorbehaltsurteil zu einer Auflösung der synallagmatischen Verbundenheit der genannten gegenseitigen Forderungen. Diese Wirkung wäre anders als bei einem
  163. Vorbehaltsurteil nicht nur vorübergehend, sondern sogar endgültig. Deshalb gilt
  164. hier erst recht, dass dies in den genannten Fällen nicht gerechtfertigt ist und
  165. den Besteller deshalb unangemessen benachteiligt.
  166. 20
  167. bb) Auch in einem Architektenvertrag können dem Besteller wegen Mängeln der Leistung des Architekten Ansprüche auf Schadensersatz zustehen, die
  168. darin bestehen, die Kosten zur Beseitigung der Mängel des Architektenwerkes
  169. (etwa die Überarbeitung einer fehlerhaften Planung) oder die Fertigstellungsmehrkosten (etwa die notwendige Beauftragung eines weiteren Architekten mit
  170. denselben Leistungen) erstattet zu bekommen. Durch § 4 Nr. 4.5 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen wird die Aufrechnung mit jeder Forderung für unzulässig erklärt, es sei denn, sie ist unbestritten oder rechtskräftig festgestellt.
  171. Damit umfasst das Aufrechnungsverbot auch derartige in einem engen
  172. synallagmatischen Verhältnis zur Werklohnforderung stehende Ersatzansprüche wegen Mängelbeseitigungskosten und Fertigstellungsmehrkosten. Die
  173. Klausel führt daher aus den dargelegten Gründen zu einer unangemessenen
  174. Benachteiligung des Bestellers.
  175. 21
  176. Es kann dahinstehen, ob der Ausschluss der Möglichkeit der Aufrechnung mit Ansprüchen, die nicht auf die Fertigstellungsmehrkosten oder die
  177. Mängelbeseitigungskosten des Architektenwerkes gerichtet sind, zulässig wäre.
  178. -9-
  179. Denn jedenfalls umfasst die Klausel alle Gegenansprüche unterschiedslos. Sie
  180. kann nicht hinsichtlich des Ausschlusses der Aufrechnung von unbedenklichen
  181. Gegenforderungen aufrechterhalten werden (vgl. Kessen, BauR 2005, 1691,
  182. 1695 f.). Dies ist wegen des für Allgemeine Geschäftsbedingungen allgemein
  183. zu beachtenden Verbots einer geltungserhaltenden Reduktion (st. Rspr., vgl.
  184. zuletzt BGH, Urteil vom 8. Dezember 2010 - VIII ZR 86/10, NJW 2011, 597
  185. Rn. 16) unmöglich. Somit fehlt es in jedem Fall an einem wirksam vereinbarten
  186. Ausschluss der Aufrechnung auch insoweit, als es um solche Schadensersatzansprüche geht, wie sie hier von den Beklagten geltend gemacht werden.
  187. 22
  188. cc) Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, eine unangemessene Benachteiligung könne allenfalls angenommen werden, wenn die Gegenansprüche entscheidungsreif feststünden. Das trifft nicht zu. Vielmehr ist es dem Besteller in jedem Fall, in dem ihm die Gegenansprüche tatsächlich zustehen, unzumutbar, zunächst die volle Werklohnforderung zahlen zu müssen und auf die
  189. gesonderte Geltendmachung seiner Ansprüche verwiesen zu werden.
  190. - 10 -
  191. III.
  192. 23
  193. Der Senat kann nicht selbst in der Sache entscheiden. Das Berufungsgericht hat die zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüche nicht abschließend
  194. geprüft. Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
  195. Kniffka
  196. Kuffer
  197. Halfmeier
  198. Safari Chabestari
  199. Leupertz
  200. Vorinstanzen:
  201. LG Magdeburg, Entscheidung vom 28.06.2006 - 4 O 3223/98 OLG Naumburg, Entscheidung vom 09.11.2007 - 9 U 102/06 -