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322 lines
13 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. VII ZR 101/02
  4. vom
  5. 19. Dezember 2002
  6. in dem Rechtsstreit
  7. Nachschlagewerk: ja
  8. BGHZ:
  9. nein
  10. BGHR:
  11. ja
  12. ZPO § 543 Abs. 2
  13. a) Die offensichtliche Unrichtigkeit eines Urteils ist allein kein hinreichender Grund für
  14. die Zulassung einer Revision.
  15. b) Die Revision ist nicht schon deshalb zuzulassen, weil das Berufungsgericht die
  16. Anforderungen an die Darlegungslast im Einzelfall überspannt hat. Eine Zulassung
  17. der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung kommt in diesem
  18. Fall in Betracht, wenn ein Verstoß gegen das Grundrecht auf ein faires,
  19. willkürfreies Verfahren vorliegt. Das ist in aller Regel erst dann anzunehmen, wenn
  20. die Auffassung des Gerichts unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar
  21. ist und daher auf sachfremden Erwägungen beruht.
  22. -2c) Die Revision ist nur dann zuzulassen, wenn die für die Zulassungsgründe
  23. relevante Rechtsfrage entscheidungserheblich ist. Das ist mit der Beschwerde
  24. darzulegen.
  25. d) Zu den Anforderungen an den Vortrag zur Entscheidungserheblichkeit einer
  26. Rechtsfrage, wenn sich diese aus einem Sachverhalt ergibt, der dem
  27. Berufungsurteil nicht zu entnehmen ist.
  28. BGH, Beschluß vom 19. Dezember 2002 - VII ZR 101/02 - OLG Braunschweig
  29. LG Göttingen
  30. -3-
  31. Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Dezember 2002 durch
  32. den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Hausmann, Dr. Kuffer,
  33. Prof. Dr. Kniffka und Bauner
  34. beschlossen:
  35. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der
  36. Revision in dem Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts
  37. Braunschweig vom 7. Februar 2002 wird zurückgewiesen.
  38. Die Beklagten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach
  39. einem Gegenstandswert von 84.011,72
  40. Gründe:
  41. I.
  42. Der Kläger verlangt Architektenhonorar. Die Beklagten wenden sich
  43. gegen den Honoraranspruch und machen Schadensersatzansprüche geltend,
  44. weil die Baukosten erheblich überschritten worden seien. Das Landgericht hat
  45. die Klage abgewiesen, weil den Beklagten in Höhe der Honorarforderung
  46. Schadensersatzansprüche zustünden. Auf die Berufung des Klägers sind die
  47. Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt worden, an ihn 42.005,86
  48. 
  49. Zinsen zu zahlen. Die zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzansprüche
  50. hat das Berufungsgericht als nicht gegeben angesehen.
  51. Die Revision ist nicht zugelassen worden. Dagegen richtet sich die
  52. Beschwerde der Beklagten.
  53. -4-
  54. II.
  55. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
  56. 1. Die mit der Beschwerde aufgeworfenen Fragen, welche Anforderungen
  57. an
  58. einen
  59. mit
  60. der
  61. Mitwirkung
  62. bei
  63. der
  64. Vergabe
  65. und
  66. der
  67. Objektüberwachung betrauten Architekten - im Interesse der Beschränkung der
  68. anfallenden Kosten auf das Nötige - bezüglich der Anleitung und Überwachung
  69. eines mit Sanierungs- und Renovierungsarbeiten in einem Altbau beauftragten
  70. Handwerkers (hier: Malers) und welche Anforderungen im Rechtsstreit
  71. bezüglich der Darlegung der Pflichtverletzung und des Schadens an den
  72. Bauherren und an den Architekten zu stellen seien, sind nicht von
  73. grundsätzlicher Bedeutung.
  74. a) Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO hat
  75. eine Sache,
  76. die eine
  77. entscheidungserhebliche,
  78. klärungsbedürftige
  79. und
  80. klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, welche sich in einer unbestimmten Vielzahl
  81. von Fällen stellen kann (BGH, Beschluß vom 4. Juli 2002 – V ZB 16/02, NJW
  82. 2002, 3029). Rechtsfehler, die einen über den Einzelfall hinaus wirkenden
  83. Rechtsverstoß nicht erkennen lassen, begründen kein öffentliches Interesse an
  84. einer Revisionsentscheidung unter einem der gesetzlichen Zulassungsgründe
  85. (BGH, Beschluß vom 25. Juli 2002 – V ZR 118/02, NJW 2002, 3180, 3181).
  86. b) Welche Anforderungen an die Darlegung einer Pflichtverletzung im
  87. Zuge der Bauüberwachung und an die Darlegung eines infolge fehlerhafter
  88. Vergabe entstandenen Schadens zu stellen sind, richtet sich nach den
  89. Umständen des Einzelfalles. Selbst wenn das Berufungsgericht, wie die
  90. Beschwerde meint, die Grundsätze der sekundären Darlegungslast fehlerhaft
  91. nicht angewandt haben sollte, rechtfertigt das die Zulassung der Revision
  92. wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht. Die Beschwerde hat nicht dargelegt,
  93. -5-
  94. daß der konkrete Fall Anlaß gibt, die Grundsätze der Darlegungslast in einer
  95. über den Einzelfall hinausgehenden Weise zu ergänzen (vgl. BGH, Beschluß
  96. vom 4. Juli 2002 – V ZR 75/02, BGH NJW 2002, 2957). Ihr Hinweis darauf,
  97. nach der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung könnten Bauherren
  98. wohl niemals Schadensersatzansprüche gegen Architekten wegen schuldhafter
  99. Verteuerung von Baumaßnahmen durchsetzen, ist so nicht richtig. Eine über
  100. den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der Entscheidung ist damit nicht
  101. hinreichend dargelegt.
  102. 2. Der Beschwerde kann auch nicht in der Auffassung gefolgt werden,
  103. die Revision sei deshalb zuzulassen, weil das Berufungsurteil offensichtlich
  104. unrichtig sei.
  105. a) Die offensichtliche Unrichtigkeit eines Urteils ist allein
  106. kein
  107. hinreichender Grund, die Revision zuzulassen. Die Revision ist zur Sicherung
  108. einer einheitlichen Rechtsprechung dann zuzulassen, wenn vermieden werden
  109. soll, daß schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen
  110. oder fortbestehen, wobei es darauf ankommt, welche Bedeutung die
  111. angefochtene Entscheidung für die Rechtsprechung im Ganzen hat. Diese
  112. Voraussetzungen sind nach der Gesetzesbegründung nicht schon dann
  113. gegeben, wenn ein Gericht in einem Einzelfall eine Fehlentscheidung getroffen
  114. hat, selbst wenn der Rechtsfehler offensichtlich ist. Eine Zulassung der
  115. Revision kommt in Betracht, wenn materielle oder formelle Fehler bei der
  116. Auslegung oder Anwendung revisiblen Rechts über den Einzelfall hinaus
  117. allgemeine Interessen nachhaltig berühren. Hierher gehören vor allem die Fälle,
  118. in denen Verfahrensgrundrechte, namentlich die Grundrechte auf Gewährung
  119. des rechtlichen Gehörs und auf ein objektiv willkürfreies Verfahren, verletzt sind
  120. und
  121. deswegen
  122. Gegenvorstellung
  123. erhoben
  124. und
  125. Verfassungsbeschwerde
  126. eingelegt werden könnte (vgl. amtl. Begr. zum ZPO-RG, BT-Drucks. 14/4722,
  127. -6-
  128. S. 104; BGH, Beschluß vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, aaO S. 3030; Beschluß
  129. vom 25. Juli 2002 - V ZR 118/02, aaO). Die abweichende Auffassung des XI.
  130. Zivilsenats,
  131. dies
  132. sei
  133. keine
  134. Frage
  135. der
  136. Sicherung
  137. einer
  138. einheitlichen
  139. Rechtsprechung, sondern eine Frage der grundsätzlichen Bedeutung (Beschluß
  140. vom 1. Oktober 2002 - XI ZR 71/02, ZIP 2002. 2148, 2150), teilt der VII.
  141. Zivilsenat nicht.
  142. b) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor
  143. aa) Das Berufungsgericht geht, wie die Beschwerde nicht verkennt, von
  144. der gefestigten Rechtsprechung des Senats zu den Anforderungen an die
  145. Prüffähigkeit einer Honorarschlußrechnung aus. Danach kommt es auf den
  146. Einzelfall an, inwieweit die Rechnung den Informations- und Kontrollinteressen
  147. des Auftraggebers genügt (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2000 – VII ZR 99/99,
  148. BauR 2001, 251 = ZfBR 2001, 102). Aus dem Umstand, daß ein Auftraggeber
  149. eine Prüfung vorgenommen hat, kann im Einzelfall der Schluß gezogen werden,
  150. daß die Rechnung prüffähig ist (BGH, Urteil vom 22. November 2001 – VII ZR
  151. 168/00, BauR 2002, 468 = NZBau 2002, 90 = ZfBR 2002, 248). Unrichtig ist die
  152. Auffassung der Beschwerde, die Anforderungen an die Prüffähigkeit seien
  153. verschärft,
  154. wenn
  155. der
  156. Auftraggeber
  157. Einwendungen
  158. gegen
  159. bestimmte
  160. Rechnungsansätze erhebe.
  161. bb) Die Rüge, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, daß § 10
  162. Abs. 3 a HOAI eine schriftliche Vereinbarung über die anrechenbaren Kosten
  163. der vorhandenen Bausubstanz verlange, ist schon deshalb unbeachtlich, weil
  164. die Beschwerde nicht darlegt, daß im konkreten Fall ein möglicher Verstoß
  165. gegen § 10 Abs. 3 a HOAI in Betracht kommt. Die Revision zur Sicherung einer
  166. einheitlichen Rechtsprechung ist nur dann zuzulassen, wenn es auf die
  167. aufgeworfene Rechtsfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits ankommt.
  168. -7-
  169. Insoweit gilt nichts anderes als für die Zulassung der Revision wegen
  170. grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Die Zulassung der Revision setzt
  171. allgemein voraus, daß die zu klärende Rechtsfrage im konkreten Fall
  172. entscheidungserheblich ist. Das ist sie nicht, wenn es auf sie zur Entscheidung
  173. des Rechtsstreits nicht ankommt (Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 543 Rdn. 4).
  174. Die Entscheidungserheblichkeit ist mit der Beschwerde vorzutragen.
  175. Ergibt sie sich nicht ohne weiteres aus dem Berufungsurteil, ist in der
  176. Beschwerde darzulegen, aus welchem Parteivortrag sie sich ergibt und warum
  177. dieser gemäß § 559 ZPO in der Revision zu berücksichtigen wäre. Ist die
  178. Entscheidungserheblichkeit nur bei einem Sachverhalt zu bejahen, den das
  179. Berufungsgericht nach Auffassung der Beschwerde verfahrensfehlerhaft nicht
  180. festgestellt hat, ist eine Verfahrensrüge gemäß § 551 Abs. 3 Nr. 2 b) ZPO
  181. notwendig. Ob die Revision zuzulassen ist, kann nicht ohne Einbeziehung der
  182. Verfahrensrüge in die nach § 543 Abs. 2 ZPO vorzunehmende Beurteilung
  183. entschieden werden, wobei sich die Frage stellen kann, ob sich aus dem
  184. Verfahrensfehler bereits - etwa im Hinblick auf die Verletzung von Verfahrensgrundrechten - ein Zulassungsgrund ergeben muß. Allein der Hinweis
  185. darauf, daß das Berufungsgericht zu einer Sachverhaltsvariante, für die es auf
  186. die Rechtsfrage ankäme, keine Feststellungen getroffen hat, reicht nicht. Die
  187. Beschwerde hat sich auf diesen Hinweis beschränkt. Sie hat schon nicht
  188. dargelegt, warum davon auszugehen wäre, daß eine schriftliche Vereinbarung
  189. über die anrechenbaren Kosten vorhandener Bausubstanz nicht getroffen
  190. worden ist. Aus dem Berufungsurteil ergibt sich dazu nichts.
  191. cc) Gleiches gilt für die Rüge, das Berufungsgericht habe nicht
  192. berücksichtigt, daß der Kläger nach der Senatsrechtsprechung nach Treu und
  193. Glauben gehindert sei, ein höheres als das unter Verstoß gegen die HOAI
  194. vereinbarte Honorar zu verlangen. Dazu habe es keine Feststellungen
  195. -8-
  196. getroffen. Die Beschwerde führt nicht an, daß das Berufungsgericht überhaupt
  197. Anlaß hatte, diese Frage zu prüfen.
  198. dd) Ob das Berufungsgericht die Anforderungen an die Darlegungslast
  199. des Auftraggebers zur Pflichtverletzung des Architekten oder zum daraus
  200. entstandenen Schaden überspannt hat, kann dahin stehen. Ein derartiger, auf
  201. den Einzelfall bezogener Fehler gäbe keine Veranlassung, die Revision
  202. zuzulassen.
  203. Die Zurückweisung von Vorbringen als unschlüssig oder unsubstantiiert
  204. kann einen Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte darstellen, wenn dadurch
  205. das rechtliche Gehör versagt wird oder ein Verstoß gegen den Grundsatz des
  206. willkürfreien Verfahrens vorliegt. Eine Revision ist in der Regel zuzulassen,
  207. wenn nach den Darlegungen der Beschwerde der Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte im Einzelfall klar zu Tage tritt, also offenkundig ist und die
  208. angefochtene Entscheidung hierauf beruht (BGH, Beschluß vom 4. Juli 2002
  209. – V ZB 16/02, aaO S. 3030). Das ist hier nicht der Fall.
  210. Ein Verstoß gegen das Grundrecht auf rechtliches Gehör kommt nicht in
  211. Betracht. Denn Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz dagegen, daß ein
  212. Gericht das Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder
  213. materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt läßt (BVerfGE 60, 1, 5;
  214. 69, 141, 143; 85, 386, 404). Es stellt deshalb keinen Verstoß gegen Art. 103
  215. Abs. 1 GG dar, wenn ein Gericht das Vorbringen der Partei zur Kenntnis nimmt,
  216. jedoch als unschlüssig wertet.
  217. In Betracht kommt allenfalls ein Verstoß gegen das Grundrecht der
  218. betroffenen Partei auf ein faires, willkürfreies Verfahren. Ein derartiger Verstoß
  219. kann unter den sonstigen Voraussetzungen zur Zulassung der Revision führen,
  220. wenn ein Gericht die Bedeutung und Tragweite des Rechts auf ein faires
  221. -9-
  222. Verfahren verkannt hat, rechtsstaatlich unverzichtbare Erfordernisse nicht mehr
  223. gewahrt sind oder das Willkürverbot verletzt ist (vgl. BVerfGE 85, 386, 404;
  224. BVerfGE 87, 273, 278). Fehlerhafte Rechtsanwendung allein belegt keine
  225. Willkürlichkeit einer Gerichtsentscheidung. Willkür liegt vielmehr erst vor, wenn
  226. eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer
  227. Norm in krasser Weise mißdeutet wird (vgl. BVerfGE 62, 189, 192; 83, 82, 85;
  228. 86, 59, 62). Danach ist auch die Zurückweisung eines Vortrags als unschlüssig
  229. oder unsubstantiiert in aller Regel erst dann ein Verstoß gegen das Grundrecht
  230. auf ein faires, willkürfreies Verfahren, wenn sie unter keinem denkbaren Aspekt
  231. rechtlich vertretbar ist und daher auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl.
  232. BGH, Beschluß vom 4. Juli 2002 – V ZB 16/02, aaO S. 3031).
  233. Das Berufungsgericht hat sich von der Erwägung leiten lassen, daß die
  234. Vergabe zum Stundenlohn nur dann zu einem Schaden führt, wenn die
  235. Vergabe zu Einheitspreisen günstiger gewesen wäre. Auf dieser nicht
  236. sachfremden Grundlage ist es konsequent, den Schaden in der Differenz des
  237. Stundenlohns zum Werklohn nach einem Einheitspreisvertrag zu sehen. Zu
  238. dieser Differenz haben die Beklagten nicht vorgetragen. Ein offen zu Tage
  239. tretender Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte liegt in der Zurückweisung
  240. ihrer andersartigen Schadensberechnung als unsubstantiiert nicht.
  241. - 10 -
  242. III.
  243. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
  244. Dressler
  245. Hausmann
  246. Kniffka
  247. Kuffer
  248. Bauner