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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VI ZR 91/09
  5. Verkündet am:
  6. 23. Februar 2010
  7. Böhringer-Mangold
  8. Justizamtsinspektorin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB §§ 249 Hb, 254 Abs. 2 Dc
  19. Der Schädiger darf den Geschädigten im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht im Sinne
  20. des § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere und vom Qualitätsstandard gleichwertige Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen
  21. "freien Fachwerkstatt" verweisen, wenn der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt
  22. unzumutbar machen (Bestätigung des Senatsurteils vom 20. Oktober 2009
  23. - VI ZR 53/09 - zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
  24. BGH, Urteil vom 23. Februar 2010 - VI ZR 91/09 - LG Halle
  25. AG Halle (Saale)
  26. - 2 -
  27. Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  28. vom 23. Februar 2010 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll,
  29. Wellner, Pauge und Stöhr
  30. für Recht erkannt:
  31. Die Revision des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des
  32. Landgerichts Halle vom 10. März 2009 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
  33. Von Rechts wegen
  34. Tatbestand:
  35. 1
  36. Der Kläger macht einen Anspruch auf restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 12. November 2007 geltend, bei dem sein PKW, ein
  37. BMW 520i Touring mit Erstzulassung vom 16. April 1999 und einer Laufleistung
  38. von 139.442 km, im Heckbereich beschädigt wurde. Betroffen waren der Stoßfänger, die Heckklappe, das Heckabschlussblech, die Seitenwand unten und
  39. die Abgasanlage. Die volle Haftung des beklagten Haftpflichtversicherers des
  40. Unfallgegners ist unstreitig.
  41. 2
  42. Der Kläger rechnete den Fahrzeugschaden gegenüber der Beklagten fiktiv unter Bezugnahme auf ein von ihm eingeholtes Sachverständigengutachten
  43. auf der Grundlage der Stundenverrechnungssätze einer BMW-Vertragswerkstatt in seiner Region mit Netto-Reparaturkosten in Höhe von insgesamt
  44. - 3 -
  45. 4.160,41 € ab. In dem Gutachten ist der Wiederbeschaffungswert mit 7.800 €
  46. und der Restwert des Fahrzeuges mit 2.800 € angegeben.
  47. 3
  48. Die Beklagte zahlte an den Kläger vorgerichtlich auf den Fahrzeugschaden 3.404,68 € mit der Begründung, ihm seien gleichwertige, günstigere Reparaturmöglichkeiten ohne weiteres zugänglich. Sie berief sich dabei auf einen
  49. ihrem Regulierungsschreiben beiliegenden Prüfbericht, in welchem drei Reparaturwerkstätten mit Anschrift und Telefonnummer unter Benennung der jeweiligen Reparaturkosten angegeben waren und ausgeführt wurde, dass in diesen
  50. Reparaturwerkstätten eine fachgerechte und qualitativ hochwertige Reparatur
  51. gewährleistet sei. Die höchsten Reparaturkosten beliefen sich bei der Firma J.
  52. in B. auf insgesamt 3.404,68 € (netto), wobei deren Berechnung im Einzelnen
  53. aufgeschlüsselt wurde. Die drei von der Beklagten im Prüfbericht angeführten
  54. Werkstätten sind Mitglied des Zentralverbandes Karosserie- und Fahrzeugtechnik und zertifizierte Meisterbetriebe für Karosseriebau- und Lackierarbeiten, deren Qualitätsstandard regelmäßig vom TÜV oder von der DEKRA kontrolliert
  55. wird. Es werden ausschließlich Original-Ersatzteile verwendet und die Kunden
  56. erhalten mindestens drei Jahre Garantie.
  57. 4
  58. Nachdem der Kläger den Differenzbetrag von 755,73 € eingeklagt hat,
  59. hat die Beklagte im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens eine Forderung in
  60. Höhe von 217 € anerkannt. Dies beruhte darauf, dass sie nach einem Hinweis
  61. des Amtsgerichts von der Firma J. einen Kostenvoranschlag erstellen ließ, der
  62. eine höhere Stundenzahl für die Lackierarbeiten zugrunde legte, so dass sich
  63. nunmehr Reparaturkosten in Höhe von 3.621,68 € ergaben. Das Amtsgericht
  64. hat die Klage auf Zahlung des verbleibenden Differenzbetrages abgewiesen.
  65. Das Berufungsgericht hat die (zugelassene) Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
  66. - 4 -
  67. Entscheidungsgründe:
  68. I.
  69. 5
  70. Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann der Kläger im Rahmen
  71. seiner fiktiven Schadensabrechnung nur die Kosten beanspruchen, die bei einer
  72. Reparatur des Fahrzeuges durch die Firma J. entstanden wären. Zwar könne
  73. nach dem sog. Porsche-Urteil des Bundesgerichtshofs (BGHZ 155, 1) der Geschädigte seiner Schadensabrechnung grundsätzlich die in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten zugrunde legen, er
  74. müsse sich jedoch auf eine mühelos und ohne weiteres zugängliche günstigere
  75. und gleichwertige Reparaturmöglichkeit verweisen lassen. Ein wirtschaftlich
  76. denkender Geschädigter in der Lage des Klägers hätte eine Reparatur in der
  77. Firma J. in diesem Sinne als zweckmäßig und angemessen angesehen. Die
  78. Beklagte habe den Kläger nicht lediglich abstrakt auf günstigere Reparaturbetriebe verwiesen, sondern ihm drei Reparaturbetriebe genannt, welche die Arbeiten am Fahrzeug ohne Qualitätseinbuße durchführen könnten. Erst wenn der
  79. Geschädigte konkret aufzeige, wegen welcher Nachteile oder Risiken er sich für
  80. berechtigt halte, seiner Abrechnung eine kostenintensivere als die ihm aufgezeigte Reparaturmöglichkeit zugrunde zu legen, sei diese andere Reparaturmöglichkeit unter Umständen nicht als gleichwertig anzusehen. Entscheidend
  81. sei zunächst die fachliche Wertigkeit der Reparatur. Andere Gesichtspunkte
  82. spielten bei dem Kauf eines älteren Fahrzeugs mit hoher Laufleistung nur noch
  83. eine untergeordnete Rolle.
  84. - 5 -
  85. II.
  86. 6
  87. Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
  88. 7
  89. 1. Das Berufungsurteil steht im Einklang mit dem Senatsurteil BGHZ 155,
  90. 1 ff. (sog. Porsche-Urteil) und dem - nach dem Berufungsurteil ergangenen Senatsurteil vom 20. Oktober 2009 - VI ZR 53/09 - VersR 2010, 225 (sog. VWUrteil, vorgesehen zur Veröffentlichung in BGHZ).
  91. 8
  92. a) Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten,
  93. kann der Geschädigte vom Schädiger gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB den zur
  94. Herstellung erforderlichen Geldbetrag beanspruchen. Was insoweit erforderlich
  95. ist, richtet sich danach, wie sich ein verständiger, wirtschaftlich denkender
  96. Fahrzeugeigentümer in der Lage des Geschädigten verhalten hätte (vgl. Senatsurteile BGHZ 61, 346, 349 f.; 132, 373, 376; vom 4. Dezember 1984 - VI ZR
  97. 225/82 - VersR 1985, 283, 284 f. und vom 15. Februar 2005 - VI ZR 74/04 VersR 2005, 568). Der Geschädigte leistet im Reparaturfall dem Gebot zur
  98. Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er
  99. der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein von ihm eingeschalteter
  100. Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (vgl. Senatsurteil BGHZ 155, 1, 3). Wählt der Geschädigte den vorbeschriebenen Weg
  101. der Schadensberechnung und genügt er damit bereits dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, so begründen besondere Umstände, wie
  102. das Alter des Fahrzeuges oder seine Laufleistung keine weitere Darlegungslast
  103. des Geschädigten.
  104. 9
  105. b) Will der Schädiger bzw. der Haftpflichtversicherer des Schädigers den
  106. Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht im
  107. - 6 -
  108. Sinne des § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer
  109. mühelos und ohne weiteres zugänglichen "freien Fachwerkstatt" verweisen,
  110. muss der Schädiger darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht.
  111. 10
  112. Nach den insoweit unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich bei der von der Beklagten aufgezeigten Reparaturmöglichkeit bei der Firma J. um eine im Vergleich zu einer Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit. Die Unfallschäden am Fahrzeug des Klägers würden unter Verwendung
  113. von Originalersatzteilen in einem zertifizierten Meisterbetrieb für Lackier- und
  114. Karosseriearbeiten, der Mitglied des Zentralverbandes Karosserie- und Fahrzeugtechnik ist, instand gesetzt, dessen Qualitätsstandard regelmäßig von unabhängigen Prüforganisationen kontrolliert wird. Den Kunden dieser Fachbetriebe werden drei Jahre Garantie gewährt.
  115. 11
  116. 3. Die Revision zeigt keine Gesichtspunkte auf, die es dem Kläger unzumutbar machen könnten, die ihm von der Beklagten aufgezeigte günstigere
  117. und gleichwertige Reparaturmöglichkeit wahrzunehmen.
  118. 12
  119. a) Soweit die Revision wegen der Entfernung der Firma J. vom Wohnort
  120. des Klägers (21 km) Zweifel daran äußert, dass diese Fachwerkstatt dem Kläger ohne weiteres zugänglich sei, hat bereits das Berufungsgericht zutreffend
  121. darauf hingewiesen, dass der Kläger in den Instanzen nicht aufgezeigt hat,
  122. dass sich eine markengebundene Fachwerkstatt in einer deutlich geringeren
  123. Entfernung zu seinem Wohnort befindet.
  124. 13
  125. Weiterhin zeigt die Revision keine konkreten Anhaltspunkte dafür auf,
  126. dass es sich bei den Preisen der Firma J. nicht um deren (markt-)übliche Preise
  127. - 7 -
  128. (vgl. hierzu Senatsurteil vom 20. Oktober 2009 - VI ZR 53/09 - aaO), sondern
  129. um Sonderkonditionen aufgrund vertraglicher Vereinbarungen mit der Beklagten handeln könnte. Die Revisionserwiderung weist insoweit zutreffend darauf
  130. hin, dass die Beklagte mit Schriftsatz vom 25. Juli 2008 klargestellt habe, dass
  131. die Preise von einem unabhängigen Prüfinstitut ermittelt würden und daher
  132. auch jedem anderen frei zugänglich seien. Da sich die (markt-)üblichen Preise
  133. eines Fachbetriebes im Allgemeinen ohne weiteres in Erfahrung bringen lassen
  134. und der Kläger in diesem Zusammenhang nichts Abweichendes mehr vorgetragen hat, war das Berufungsgericht im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO aus Rechtsgründen nicht
  135. mehr gehalten, diesen Gesichtspunkt weiter aufzuklären.
  136. 14
  137. c) Soweit die Revision schließlich meint, die Gleichwertigkeit der von der
  138. Beklagten aufgezeigten Reparaturmöglichkeit fehle schon deshalb, weil dem
  139. Kläger nur von seiner Markenwerkstatt drei Jahre Garantie gewährt würden, auf
  140. die er einen Käufer hätte verweisen können, wird übersehen, dass nach den
  141. unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts dem Kläger auch bei
  142. einer Reparatur durch die Firma J. auf deren Arbeiten eine Garantie von drei
  143. Jahren gewährt würde.
  144. 15
  145. d) Weitere Umstände, die es dem Kläger gleichwohl unzumutbar machen
  146. könnten, sich auf eine technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit außerhalb
  147. der markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 20. Oktober 2009 - VI ZR 53/09 - aaO), zeigt die Revision nicht
  148. auf. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war das Fahrzeug des
  149. Klägers zum Zeitpunkt des Unfalls bereits mehr als 8 ½ Jahre alt und hatte eine
  150. Laufleistung von 139.442 km. Bei dieser Sachlage spielen Gesichtspunkte wie
  151. die Erschwernis einer Inanspruchnahme von Gewährleistungsrechten, einer
  152. Herstellergarantie und/oder von Kulanzleistungen regelmäßig keine Rolle mehr.
  153. - 8 -
  154. Zwar kann auch bei älteren Fahrzeugen die Frage Bedeutung haben, wo das
  155. Fahrzeug regelmäßig gewartet, "scheckheftgepflegt" oder gegebenenfalls nach
  156. einem Unfall repariert worden ist. In diesem Zusammenhang kann es dem Kläger unzumutbar sein, sich auf eine günstigere gleichwertige und ohne weiteres
  157. zugängliche Reparaturmöglichkeit in einer freien Fachwerkstatt verweisen zu
  158. lassen, wenn er konkret darlegt, dass er sein Fahrzeug bisher stets in der markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen oder - im Fall
  159. der konkreten Schadensberechnung - sein besonderes Interesse an einer solchen Reparatur durch die Reparaturrechnung belegt (vgl. Senatsurteil vom
  160. 20. Oktober 2009 - VI ZR 53/09 - aaO). Diese Voraussetzungen liegen nach
  161. den Feststellungen des Berufungsgerichts im Streitfall nicht vor. Soweit die Revision nunmehr die Gleichwertigkeit der Reparatur bei der Firma J. mit der Begründung in Abrede stellen will, dass es sich nicht um die markengebundene
  162. Vertragswerkstatt handele, bei der der Kläger sein Auto gekauft habe und auch
  163. habe warten und bei erforderlichen Reparaturen instand setzen lassen, zeigt sie
  164. nicht auf, wo der Kläger in den Instanzen entsprechenden - vom Berufungsgericht übergangenen - konkreten Sachvortrag gehalten hat. In der Revisionsinstanz ist neuer Sachvortrag grundsätzlich rechtlich unbeachtlich (vgl. § 559
  165. ZPO).
  166. - 9 -
  167. 4. Nach alledem erweist sich die Revision als unbegründet und ist des-
  168. 16
  169. halb mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
  170. Galke
  171. Zoll
  172. Pauge
  173. Wellner
  174. Stöhr
  175. Vorinstanzen:
  176. AG Halle (Saale), Entscheidung vom 15.10.2008 - 97 C 707/08 LG Halle, Entscheidung vom 10.03.2009 - 2 S 277/08 -