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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VI ZR 55/12
  5. Verkündet am:
  6. 18. Dezember 2012
  7. Holmes
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. StPO § 406
  19. Eine im Adhäsionsverfahren auf Antrag des Verletzten (Geschädigten) gegen
  20. den Beschuldigten (Schädiger) ergehende Entscheidung entfaltet weder
  21. Rechtskraft gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Schädigers noch bindet
  22. es das in einem Folgeprozess zur Entscheidung berufene Gericht.
  23. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 - VI ZR 55/12 - LG Frankfurt (Oder)
  24. AG Strausberg
  25. - 2 -
  26. Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  27. vom 18. Dezember 2012 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter
  28. Wellner, Pauge und Stöhr und die Richterin von Pentz
  29. für Recht erkannt:
  30. Die Revision gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 15. Dezember 2011 wird hinsichtlich
  31. der Beklagten zu 1 zurückgewiesen.
  32. Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
  33. Von Rechts wegen
  34. Tatbestand:
  35. 1
  36. Der Kläger kam am 13. August 2007 zu Fall, als er nach einer Auseinandersetzung mit dem Beklagten zu 2 von diesem als Fahrer eines bei der Beklagten zu 1 haftpflichtversicherten Pkw angefahren wurde. Der Kläger erlitt
  37. eine Distorsion des rechten oberen Sprunggelenks und des rechten Kniegelenks sowie eine Zerrung des inneren Seitenbandes des rechten Fußes. Der
  38. Beklagte zu 2 wurde wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Der Kläger beantragte im Wege des Adhäsionsverfahrens, den Beklagten zu 2 zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes (mindestens 2.000 €) zu verurteilen. Darüber hinaus verlangte er den Ersatz materieller Schäden (1.752,84 €
  39. Haushaltsführungsschaden und 402,82 € außergerichtliche Rechtsanwaltskosten). Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts S. wurde der Beklagte zu 2
  40. - 3 -
  41. wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen
  42. zu je 25 € verurteilt. Den Schadensersatzanspruch des Klägers erklärte das
  43. Strafgericht wegen fahrlässiger Körperverletzung dem Grunde nach für gerechtfertigt. Die im Adhäsionsverfahren geltend gemachten Ansprüche sind Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Das Amtsgericht hat der Klage teilweise
  44. stattgegeben und die Beklagten - unter Abweisung der weitergehenden Klage als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 1.500 € sowie
  45. zum Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 186,24 € verurteilt. Dagegen haben der Kläger und die Beklagte zu 1, diese zugleich als
  46. Nebenintervenientin auf Seiten des Beklagten zu 2, Berufung eingelegt. Mit
  47. dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Verurteilung des Beklagten
  48. zu 2 auf ein zu zahlendes Schmerzensgeld von 1.000 € sowie auf zu erstattende Rechtsanwaltskosten von 155,30 € herabgesetzt und die Klage im Übrigen
  49. - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung des Beklagten zu 2 und
  50. der Berufung des Klägers - abgewiesen. Es hat die Revision zur Klärung der
  51. Frage zugelassen, inwieweit die in einem Adhäsionsverfahren ergangene Entscheidung Bindungswirkung für den nachfolgenden Schadensersatzprozess
  52. gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers entfaltet. Gegen dieses Urteil
  53. hat der Kläger Revision eingelegt, mit der er sein Begehren gegenüber der Beklagten zu 1 im Umfang der Verurteilung des Beklagten zu 2 weiterverfolgt.
  54. Hinsichtlich des Beklagten zu 2 hat er sein Rechtsmittel zurückgenommen.
  55. Entscheidungsgründe:
  56. I.
  57. 2
  58. Das Berufungsgericht bejaht hinsichtlich des Beklagten zu 2 einen Schadensersatzanspruch des Klägers gemäß § 7 StVG, § 823 Abs. 1, §§ 249, 253
  59. Abs. 2 BGB. Es sieht sich durch die im Adhäsionsverfahren getroffene Ent-
  60. - 4 -
  61. scheidung dahin gebunden, dass der Anspruch dem Grunde nach bestehe und
  62. dem Kläger ein den Anspruch minderndes Mitverschulden gemäß § 254 BGB
  63. nicht anzulasten sei. Wegen der erlittenen Verletzungen hält das Berufungsgericht ein Schmerzensgeld von 1.000 € für angemessen. Ersatz eines Haushaltsführungsschadens könne der Kläger nicht beanspruchen, weil er einen solchen
  64. Schaden nicht substantiiert dargetan habe. Dementsprechend habe der Kläger
  65. Anspruch auf Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten nur in Höhe von
  66. 155,30 €.
  67. 3
  68. Eine Haftung der Beklagten zu 1 verneint das Berufungsgericht mit der
  69. Begründung, der Haftpflichtversicherer sei vorliegend von seiner Leistungspflicht befreit, weil der Beklagte zu 2 die Körperverletzung vorsätzlich begangen
  70. habe. Dieser Feststellung stehe die im Adhäsionsverfahren ergangene Entscheidung, wonach der Anspruch wegen einer fahrlässig begangenen Körperverletzung dem Grunde nach gerechtfertigt sei, nicht entgegen. Dabei könne
  71. offenbleiben, ob aufgrund des Strafurteils mit bindender Wirkung auch zu Lasten der Beklagten zu 1 feststehe, dass der Beklagte zu 2 den vor dem Pkw stehenden Kläger schuldhaft angefahren habe, dieser zur Seite geknickt und gestürzt sei und sich dabei verletzt habe. Das im Strafverfahren ergangene
  72. Grundurteil entfalte jedenfalls keine Bindungswirkung hinsichtlich des Grads
  73. des Verschuldens, denn diese Frage sei dort nicht entscheidungserheblich gewesen.
  74. 4
  75. Der Kläger selbst sei im Strafverfahren davon ausgegangen, dass der
  76. Beklagte zu 2 enthemmt gewesen sei und ihn vorsätzlich angefahren habe. Unerheblich sei, dass er im vorliegenden Rechtsstreit geltend mache, davon überzeugt zu sein, dass "letztlich eine lediglich fahrlässige Handlungsweise des Beklagten zu 2 feststehen dürfte". Dies sei eine rechtliche Wertung, auf die es
  77. nicht ankomme. Maßgebend dafür, ob dem Beklagten zu 2 vorsätzliches oder
  78. - 5 -
  79. fahrlässiges Verhalten zur Last zu legen sei, sei vielmehr der der Bewertung
  80. zugrunde zu legende tatsächliche Hergang des Geschehens. Der Kläger habe
  81. vorgetragen, der Beklagte zu 2 sei mit seinem Pkw vorwärts auf ihn zugefahren,
  82. wobei die vordere Stoßstange sein Bein berührt habe. Hierdurch sei er mit dem
  83. Fuß weggeknickt, und das Sprunggelenk habe sich verdreht. Danach sei der
  84. Beklagte zu 2 zunächst ein Stück zurück-, und dann erneut auf ihn zugefahren,
  85. wodurch er - wenn auch mit weniger Intensität - am selben Bein getroffen worden sei. Im Verhältnis zur Beklagten zu 1 sei diese Unfalldarstellung unstreitig,
  86. denn die Beklagte zu 1 habe sie sich ausdrücklich und in zulässiger Weise zu
  87. Eigen gemacht.
  88. 5
  89. Zur Überzeugung der Kammer stehe fest, dass derjenige, der - wie der
  90. Beklagte zu 2 - enthemmt und sehenden Auges mit einem Pkw auf eine vor
  91. seinem Fahrzeug stehende Person zufahre, nicht nur seine Sorgfaltspflichten
  92. verletze, sondern auch um eine mögliche körperliche Verletzung wisse, diese
  93. bei seinem Handeln billigend in Kauf nehme und damit zumindest mit bedingtem Vorsatz handele.
  94. II.
  95. 6
  96. Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
  97. 7
  98. 1. Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass aufgrund des im Adhäsionsverfahren ergangenen Urteils im Verhältnis zwischen dem Kläger und
  99. dem Beklagten zu 2 dessen Haftung dem Grunde nach rechtskräftig festgestellt
  100. ist, dieses Urteil jedoch keine Bindung hinsichtlich der Beklagten zu 1 entfaltet.
  101. - 6 -
  102. 8
  103. a) Die in einem Strafverfahren ergangene Entscheidung über den Antrag
  104. des Verletzten auf Ersatz des aus einer Straftat des Beschuldigten erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruchs (§§ 403 f. StPO) steht gemäß § 406
  105. Abs. 3 Satz 1 StPO einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil
  106. gleich. Gemäß § 406 Abs. 1 Satz 2 StPO kann sich die Entscheidung des
  107. Strafgerichts auf den Grund des geltend gemachten Anspruchs beschränken
  108. (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2002 - 5 StR 291/02, BGHSt 47, 378).
  109. Macht das Gericht von dieser Möglichkeit Gebrauch, gilt § 318 ZPO entsprechend. Das bedeutet, dass das im nachfolgenden Betragsverfahren zur Entscheidung berufene Zivilgericht (§ 406 Abs. 3 Satz 4 StPO) an die im Adhäsionsverfahren getroffene Entscheidung gebunden ist (Meyer-Goßner, StPO,
  110. 55. Aufl., § 406 Rn. 3; Musielak/Musielak, ZPO, 9. Aufl. § 318 Rn. 4; Löwe/
  111. Rosenberg/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 406 Rn. 12; Stein/Jonas/Leipold, ZPO,
  112. 22. Aufl., § 304 Rn. 76).
  113. 9
  114. b) Der Umfang der Bindungswirkung eines Grundurteils richtet sich danach, worüber das Gericht wirklich entschieden hat. Dies ist durch Auslegung
  115. von Urteilsformel und Entscheidungsgründen zu ermitteln (BGH, Urteile vom
  116. 14. April 1987 - IX ZR 149/86, VersR 1987, 939, 940 und vom 14. Juni 2002
  117. - V ZR 79/01, NJW 2002, 3478, 3479, jeweils mwN; MünchKommZPO/Musielak, 3. Aufl., § 304 Rn. 12).
  118. 10
  119. c) Ob die Bindungswirkung im vorliegenden Fall, wie das Berufungsgericht annimmt, die Verneinung eines Mitverschuldens (§ 254 BGB) erfasst, kann
  120. offen bleiben (vgl. dazu OLG Karlsruhe, MDR 2011, 979). Ebenso ist nicht zu
  121. entscheiden, ob die vom Strafgericht hier bejahte fahrlässige Begehungsweise
  122. mit bindender Wirkung für das Betragsverfahren gegenüber dem Beklagten zu
  123. 2 festgestellt worden ist. Die Bindung, die ein Grundurteil nach § 318 ZPO entfaltet, ist jedenfalls - ebenso wie die Wirkung der materiellen Rechtskraft
  124. - 7 -
  125. (§§ 322, 325 Abs. 1 ZPO) - grundsätzlich auf die an dem Verfahren beteiligten
  126. Parteien beschränkt (vgl. Wieczorek/Schütze/Rensen, ZPO, 3. Aufl., § 304
  127. Rn. 69; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., Vor § 322 Rn. 52 und § 325 Rn. 3).
  128. Da die Beklagte zu 1 an dem Adhäsionsverfahren nicht beteiligt war, vermag
  129. die dort ergangene Entscheidung ihr gegenüber mithin keine Bindungswirkung
  130. zu entfalten.
  131. 11
  132. d) Das im Adhäsionsverfahren gegen den Beklagten zu 2 ergangene
  133. Grundurteil ist für den Rechtsstreit des Klägers gegen die Beklagte zu 1 auch
  134. nicht deshalb bindend, weil diese als Haftpflichtversicherer des Beklagten zu 2
  135. in Anspruch genommen wird. Das Berufungsgericht erwägt für die vorliegende
  136. Fallgestaltung eine entsprechende Anwendung der von der Rechtsprechung
  137. entwickelten Grundsätze zur Bindungswirkung eines vorangegangenen Haftpflichtprozesses zwischen dem Geschädigten und dem Versicherungsnehmer
  138. für den nachfolgenden Deckungsprozess zwischen dem Versicherungsnehmer
  139. und dem Versicherer. In dieser Fallgestaltung wird die Haftpflichtfrage grundsätzlich abschließend im Haftpflichtprozess entschieden (sog. Trennungsprinzip). Die - jedenfalls soweit es um den Haftungstatbestand geht - geltende Bindungswirkung verhindert, dass die im Haftpflichtprozess getroffene Entscheidung und auch deren Grundlagen nochmals zwischen dem Versicherer und
  140. dem Versicherungsnehmer in Frage gestellt werden können (vgl. BGH, Urteil
  141. vom 30. September 1992 - IV ZR 314/91, BGHZ 119, 276, 278 mwN). Diese
  142. Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall, in dem der Haftpflichtversicherer
  143. nicht im Deckungsprozess von seinem Versicherungsnehmer, sondern im Wege der Direktklage durch den Geschädigten (§ 3 Nr. 1 PflVG a.F., jetzt § 115
  144. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG n.F.) in Anspruch genommen wird, nicht anwendbar.
  145. - 8 -
  146. 12
  147. aa) Die für das Verhältnis zwischen Haftungsprozess und nachfolgendem Deckungsprozess geltende Bindungswirkung folgt aus dem Wesen der
  148. Haftpflichtversicherung und der dort gegebenen umfassenden Abwehrzuständigkeit des Versicherers (Senatsurteil vom 13. Dezember 1977 - VI ZR 206/75,
  149. BGHZ 71, 339, 344; BGH, Urteile vom 18. März 1992 - IV ZR 51/91, BGHZ 117,
  150. 345, 350 und vom 19. Februar 1959 - II ZR 171/57, VersR 1959, 256, 257;
  151. Reiff, VersR 1990, 113, 119 f.; Fetzer, VersR 1999, 793, 797; Gottwald/
  152. Adolphsen, NZV 1995, 129, 130; Hagen, NVersZ 2001, 341 f.). Kommt es zum
  153. Prozess über den Haftpflichtanspruch, so hat der Versicherungsnehmer die
  154. Prozessführung dem Versicherer zu überlassen (§ 5 Nr. 4 Satz 1 AHB; vgl.
  155. auch §§ 100 f. VVG n.F.). Der Versicherer muss im Haftpflichtprozess die Interessen des Versicherten so wahren wie ein von diesem beauftragter Anwalt.
  156. Dem Versicherungsnehmer hingegen obliegt ein Anerkennungs- und Beweisverbot; er ist weitgehend den Weisungen des Versicherers unterworfen (§ 5
  157. Nr. 3 AHB). Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Haftpflichtversicherer allein die
  158. aus der Prüfung und Abwehr folgende Arbeitslast und Verantwortung trägt. Es
  159. wäre widersinnig, wenn der Haftpflichtanspruch in dem vom Versicherer für den
  160. Versicherungsnehmer geführten Haftpflichtprozess bejaht würde, dieser aber im
  161. anschließenden Deckungsprozess die Haftpflicht verneinen würde (Fetzer,
  162. aaO).
  163. 13
  164. bb) Wenn in einem Rechtsstreit zwischen dem Geschädigten und dem
  165. Schädiger über dessen Haftung entschieden wird und in einem Folgeprozess
  166. nicht der Schädiger, sondern der Geschädigte den Haftpflichtversicherer des
  167. Schädigers (im Wege der Direktklage) in Anspruch nimmt, ist eine andere Interessenlage gegeben, da es in diesem Folgeprozess nicht um vertragliche Ansprüche aus dem Versicherungsverhältnis, sondern um die Außenhaftung des
  168. Haftpflichtversicherers gegenüber einem Dritten (dem Geschädigten) geht. Für
  169. diesen Fall bestimmt § 3 Nr. 8 PflVG a.F. (jetzt § 124 Abs. 1 VVG n.F.), dass
  170. - 9 -
  171. eine rechtskräftige Klageabweisung ihre Rechtskraft auch für das jeweils andere Prozessrechtsverhältnis entfaltet. In den Fällen des § 115 Abs. 1 VVG hat es
  172. der Dritte in der Hand, seinen Anspruch gegen den Schädiger, dessen Haftpflichtversicherer oder gegen beide als Gesamtschuldner geltend zu machen.
  173. Die dem Dritten eröffnete Möglichkeit, nach seiner Wahl gegen den Versicherer,
  174. den Schädiger oder gegen beide vorzugehen, dient der Verbesserung des Opferschutzes. Der Geschädigte soll, dem Zweck der Pflichtversicherung entsprechend, zeitnah und angemessen entschädigt werden. Ungerechtfertigten Nutzen soll er aus dieser Rechtslage aber nicht erwerben; insbesondere darf ihm
  175. der Umstand, dass er die Gesamtschuldner auch einzeln und damit möglicherweise nacheinander belangen kann, keinen über die geschuldete Entschädigung hinausgehenden Vorteil bringen (Senatsurteile vom 29. Mai 1979 - VI ZR
  176. 128/77, VersR 1979, 841 f.; vom 14. Juli 1981 - VI ZR 254/79, VersR 1981,
  177. 1156, 1157 und vom 15. Januar 2008 - VI ZR 131/07, VersR 2008, 485
  178. Rn. 6 f.). Diesem Anliegen entspricht die in § 3 Nr. 8 PflVG a.F. (jetzt § 124
  179. Abs. 1 VVG n.F.) angeordnete Rechtskrafterstreckung des gegen einen
  180. Gesamtschuldner ergangenen klageabweisenden Urteils (MünchKommVVG/
  181. Schneider, 1. Aufl., § 124 Rn. 2; Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl.,
  182. § 124 Rn. 2). Mit dieser Regelung wäre eine Bindungswirkung, wie sie für den
  183. Deckungsprozess besteht, nicht vereinbar.
  184. 14
  185. cc) Für das Adhäsionsverfahren kann nichts anderes gelten. Das auf Antrag eines Verletzten (Geschädigten) gegen den Beschuldigten (Schädiger)
  186. eingeleitete Adhäsionsverfahren entspricht dem Haftpflichtprozess des Dritten
  187. (Geschädigten) gegen den Schädiger (vgl. §§ 403, 404 Abs. 2 StPO). Die gegen diesen ergehende Entscheidung steht einem im bürgerlichen Rechtsstreit
  188. ergangenen Urteil gleich (§ 406 Abs. 3 StPO). Sie entfaltet weder Rechtskraft
  189. gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Schädigers noch bindet es das in
  190. einem Folgeprozess zur Entscheidung berufene Gericht. Eine entsprechende
  191. - 10 -
  192. Anwendung der für den Deckungsprozess geltenden Bindungswirkung auf den
  193. Haftungsprozess nach vorausgegangenem Adhäsionsverfahren ist abzulehnen.
  194. Sie würde dazu führen, dass die in § 3 Nr. 8 PflVG a.F. (jetzt § 124 Abs. 1 VVG
  195. n.F.) auch zum Schutz des Versicherers angeordnete begrenzte Rechtskrafterstreckung (MünchKommVVG/Schneider, aaO) zu seinem Nachteil unterlaufen
  196. würde. Hinzu kommt, dass der Versicherer an dem Adhäsionsverfahren nicht
  197. beteiligt ist. Er kann - anders als in einem gegen seinen Versicherungsnehmer
  198. (Schädiger) vor dem Zivilgericht geführten Haftungsprozess - das Verfahren
  199. weder als Prozessvertreter des Beschuldigten führen (Schirmer, DAR 1988,
  200. 121, 127), noch hat er die Möglichkeit, zur Wahrung seiner Interessen dem Verfahren als Nebenintervenient beizutreten. Ersichtlich auch aus diesen Erwägungen heraus hat der Gesetzgeber bei der Einführung des Direktanspruchs
  201. (§ 3 Nr. 1 PflVG a.F.) die in § 3 Nr. 8 PflVG a.F. angeordnete Rechtskrafterstreckung auf Klage abweisende Urteile beschränkt (vgl. Begründung der Bundesregierung vom 16. Mai 1964 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von
  202. Vorschriften über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter, BT-Drucks.
  203. IV/2252, S. 18).
  204. 15
  205. 2. Ohne Erfolg wendet die Revision sich dagegen, dass das Berufungsgericht angenommen hat, ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 1
  206. sei gemäß § 152 VVG a.F. (vgl. jetzt: § 103 VVG n.F.) ausgeschlossen, weil der
  207. Beklagte zu 2 den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt habe.
  208. 16
  209. a) Die Leistungsfreiheit des Versicherers im Falle vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalles gilt grundsätzlich auch für den Direktanspruch
  210. in der Pflichtversicherung (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 1970 - VI ZR
  211. 97/69, VersR 1971, 239, 240 und vom 30. September 1980 - VI ZR 38/79,
  212. VersR 1981, 40; Jahnke in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 22. Aufl., § 103 VVG Rn. 30). Bei § 152 VVG a.F. handelt es sich, wie
  213. - 11 -
  214. allgemein anerkannt ist, nicht um eine Obliegenheitsverletzung, die den Versicherer nachträglich von seiner Verpflichtung zur Leistung befreit, sondern um
  215. einen subjektiven Risikoausschluss, bei dem von vornherein festgelegt ist, dass
  216. ein solcher Schadensfall nicht unter den Schutz des Versicherungsvertrages
  217. fällt (Senatsurteil vom 15. Dezember 1970 - VI ZR 97/69, aaO mwN).
  218. 17
  219. b) Der Ausschluss der Leistungspflicht des Kfz-Haftpflichtversicherers für
  220. vorsätzliche Schadenszufügung im Straßenverkehr widerspricht entgegen der
  221. Auffassung der Revision nicht europarechtlichen Vorgaben. Zutreffend weist die
  222. Revisionserwiderung darauf hin, dass die Bundesrepublik Deutschland von der
  223. in Anhang II Nr. 3 zu dem Europäischen Übereinkommen über die obligatorische Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge vom 20. April 1959 (KfzHPflÜbk
  224. Straßburg, BGBl. II 1965 S. 282, 293) vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch
  225. gemacht hat, die von einem Versicherten vorsätzlich verursachten Schäden von
  226. der Versicherung auszuschließen (Art. 2 des Gesetzes zu dem Europäischen
  227. Übereinkommen vom 20. April 1959 über die obligatorische Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge vom 1. April 1965, BGBl. II 1965 S. 281). Die Zulässigkeit des Ausschlusses des Direktanspruchs bei vorsätzlich herbeigeführten
  228. Versicherungsfällen besteht fort (OLG Koblenz, ZfS 2003, 68, 69). Die in der
  229. Folgezeit von dem Rat der Europäischen Gemeinschaften erlassenen Richtlinien betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kfz-Haftpflichtversicherung (Erste KH-Richtlinie 72/166/EWG vom
  230. 24. April 1972, ABl. EG Nr. L 103 S. 1 vom 2. Mai 1972; Zweite KH-Richtlinie
  231. 84/5/EWG vom 30. Dezember 1983, ABl. EG L 8 S. 17 vom 11. Januar 1984;
  232. Dritte KH-Richtlinie 90/232/EWG vom 14. Mai 1990, ABl. EG L 129 S. 33 vom
  233. 19. Mai 1990; Vierte KH-Richtlinie 2000/26/EG vom 16. Mai 2000, ABl. EG
  234. Nr. L 181 S. 65 vom 20. Juli 2000; Fünfte KH-Richtlinie 2005/14/EG vom
  235. 11. Mai 2005, ABl. EG Nr. L 149 S. 14 vom 11. Juni 2005) gehen, obwohl sie
  236. sich teilweise eingehend mit dem Deckungsumfang der Versicherung sowie
  237. - 12 -
  238. möglichen Risikoausschlüssen befassen, auf den Tatbestand der Vorsatztat
  239. nicht ausdrücklich ein (vgl. Heitmann, VersR 1997, 941, 942). Allein der Umstand, dass es ausweislich der Präambeln dieser Richtlinien - insbesondere
  240. denen der Zweiten und der Dritten KH-Richtlinie - ihr Anliegen ist, den Deckungsumfang der Kfz-Haftpflichtversicherung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Interesse der Unfallopfer möglichst umfassend auszugestalten und Ausschlussklauseln mit Wirkung gegenüber Geschädigten nur in geringem Maße zuzulassen, führt nicht zur Unwirksamkeit des von der Bundesrepublik Deutschland zuvor in zulässiger Weise erklärten Ausschlusses des Versicherungsschutzes für von einem Versicherten vorsätzlich verursachte Schäden. Nichts anderes gilt für den Ausschluss der Leistungspflicht des Versicherers im Falle des Direktanspruchs des Geschädigten in der Kfz-Haftpflichtversicherung (a.A. Heitmann, aaO; zweifelnd Knappmann, aaO, § 117 Rn. 24).
  241. 18
  242. c) Die Voraussetzungen für den Ausschluss der Leistungspflicht hat das
  243. Berufungsgericht im Streitfall rechtsfehlerfrei bejaht.
  244. 19
  245. aa) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, einem Haftungsausschluss
  246. der Beklagten zu 1 stehe entgegen, dass die Leistungsfreiheit des Versicherers
  247. nur eingreifen könne, wenn der Versicherungsnehmer selbst vorsätzlich gehandelt habe. Dies habe die insoweit darlegungspflichtige Beklagte zu 1 jedoch
  248. nicht vorgetragen. Vielmehr werde der Beklagte zu 2 stets nur als "Fahrer" bezeichnet.
  249. 20
  250. (1) Richtig ist, dass der Kfz-Haftpflichtversicherer nicht leistungsfrei ist,
  251. wenn der vorsätzlich handelnde Fahrer nicht zugleich auch Halter des Kfz ist.
  252. Der Ausschluss des Versicherungsschutzes gemäß § 152 VVG a.F. gilt gegenüber dem Versicherungsnehmer nur, wenn er selbst vorsätzlich und rechtswidrig gehandelt hat (OLG Hamm, VersR 1993, 1372 1373; OLG Nürnberg, VersR
  253. - 13 -
  254. 2001, 634; OLG Hamm, NJW-RR 2006, 397, 399; Jahnke, aaO Rn. 31). Sind
  255. Halter und Fahrer personenverschieden, bleibt der Versicherer dem Halter gegenüber zur Leistung verpflichtet, da diesem ein vorsätzliches Handeln des
  256. Fahrers grundsätzlich nicht zurechenbar ist (MünchKommVVG/Littbarski,
  257. 1. Aufl., § 103 VVG, Rn. 74). Ist der Versicherer dem Halter als Versicherungsnehmer gegenüber zur Leistung verpflichtet, haftet er gemäß § 3 Nr. 1 PflVG
  258. auch dem geschädigten Dritten. Dessen Direktanspruch entfällt nicht, wenn der
  259. Fahrer, der nicht zugleich Halter des Kfz war, den Versicherungsfall vorsätzlich
  260. herbeigeführt hat.
  261. 21
  262. (2) Entgegen der Auffassung der Revision ist das Berufungsgericht
  263. rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Beklagte zu 2 sowohl Fahrer als
  264. auch Halter des Pkw war. Seine Haltereigenschaft ergibt sich aus den im Ermittlungsverfahren getroffenen polizeilichen Feststellungen. Die Strafakten sind
  265. vom Berufungsgericht beigezogen worden. Ihr Inhalt war ausweislich des Tatbestands des angefochtenen Urteils Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
  266. 22
  267. bb) Die Revision hat auch keinen Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht das Verhalten des Beklagten zu 2 als vorsätzliche Körperverletzung bewertet hat. Gemäß § 286 ZPO hat das Gericht unter
  268. Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden,
  269. ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist.
  270. Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr
  271. oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend,
  272. es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter
  273. Revisionsangriff erhoben ist (§ 559 Abs. 2 ZPO).
  274. - 14 -
  275. 23
  276. Das Berufungsgericht hat seine tatrichterliche Würdigung rechtsfehlerfrei
  277. auf den Sachvortrag des Klägers gestützt, den sich die Beklagte zu 1 in zulässiger Weise zu Eigen gemacht hat und der deshalb im Verhältnis zwischen diesen Parteien unstreitig ist. Dass sich der Kläger - zumindest hilfsweise - einen
  278. abweichenden, ihm günstigen Sachvortrag des Beklagten zu 2 zu Eigen gemacht habe, erschließt sich entgegen der Auffassung der Revision nicht. Zutreffend weist die Revisionserwiderung darauf hin, dass der Beklagte zu 2 nicht
  279. etwa behauptet hat, den Unfall nicht bemerkt zu haben, sondern vielmehr bestritten hat, den Kläger angefahren zu haben. Da dieses Vorbringen für den
  280. Kläger ungünstig ist, ist die Annahme, er habe es sich - hilfsweise - zu Eigen
  281. gemacht, auszuschließen. Soweit die Revision beanstandet, das Berufungsgericht habe nicht die Möglichkeit erwogen, dass der Beklagte zu 2 den Kläger
  282. nicht habe anfahren, sondern vielmehr zu einem Sprung zur Seite habe nötigen
  283. wollen, ergeben sich dafür aus dem Sachvortrag der Parteien keinerlei Anhaltspunkte.
  284. 24
  285. cc) Die tatrichterliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Beklagte zu 2, als er mit seinem Pkw auf den vor dem Fahrzeug stehenden Kläger
  286. zufuhr, dessen Verletzung und damit auch den eingetretenen Schaden (vgl.
  287. dazu Lücke in Prölss/Martin, aaO, § 103 Rn. 4 ff.) billigend in Kauf genommen
  288. und damit den Versicherungsfall zumindest mit bedingtem Vorsatz herbeige-
  289. - 15 -
  290. führt hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die gegen die Beklagte
  291. zu 1 gerichtete Klage ist mithin zu Recht als unbegründet abgewiesen worden.
  292. Galke
  293. Wellner
  294. Stöhr
  295. Pauge
  296. v. Pentz
  297. Vorinstanzen:
  298. AG Strausberg, Entscheidung vom 23.12.2009 - 23 C 39/09 LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 15.12.2011 - 19 S 14/10 -