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39 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VI ZR 340/14
  5. Verkündet am:
  6. 28. Juli 2015
  7. Böhringer-Mangold
  8. Justizamtsinspektorin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. ja
  16. BGHR:
  17. ja
  18. GG Art. 1 Abs. 1; Art. 2 Abs. 1; Art. 5 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1 Ah; 1004
  19. Abs. 1 Satz 1
  20. a) Zur Beseitigung eines Zustands fortdauernder Rufbeeinträchtigung kann
  21. der Betroffene den Störer grundsätzlich nicht nur auf Berichtigung, sondern
  22. auch auf Löschung bzw. Hinwirken auf Löschung rechtswidriger, im Internet
  23. abrufbarer Tatsachenbehauptungen in Anspruch nehmen.
  24. - 2 -
  25. b) Die Löschung bzw. das Hinwirken auf Löschung im Internet abrufbarer Tatsachenbehauptungen kann im Rahmen eines Beseitigungsanspruchs nur
  26. verlangt werden, wenn und soweit die beanstandeten Behauptungen nachweislich falsch sind und die begehrte Abhilfemaßnahme unter Abwägung
  27. der beiderseitigen Rechtspositionen, insbesondere der Schwere der Beeinträchtigung, zur Beseitigung des Störungszustands geeignet, erforderlich
  28. und dem Störer zumutbar ist.
  29. c) Als Störer im Sinne von § 1004 BGB ist ohne Rücksicht darauf, ob ihn ein
  30. Verschulden trifft, jeder anzusehen, der die Störung herbeigeführt hat oder
  31. dessen Verhalten eine Beeinträchtigung befürchten lässt. Von der Norm erfasst wird sowohl der unmittelbare Störer, der durch sein Verhalten selbst
  32. die Beeinträchtigung adäquat verursacht hat, als auch der mittelbare Störer,
  33. der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat.
  34. BGH, Urteil vom 28. Juli 2015 - VI ZR 340/14 - OLG Hamburg
  35. LG Hamburg
  36. - 3 -
  37. Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  38. vom 28. Juli 2015 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Wellner,
  39. die Richterin von Pentz, den Richter Offenloch und die Richterin Dr. Roloff
  40. für Recht erkannt:
  41. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des
  42. Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 8. Juli 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der auf Bewirkung der Löschung einzelner Passagen aus dem Artikel vom 24. September
  43. 2010 gerichtete Hilfsantrag abgewiesen und der auf Schadensersatz gerichtete weitere Hilfsantrag als verspätet angesehen worden ist.
  44. Die weitergehende Revision wird zurückgewiesen.
  45. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
  46. und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  47. Von Rechts wegen
  48. - 4 -
  49. Tatbestand:
  50. 1
  51. Die klagende Aktiengesellschaft nimmt den Beklagten auf Löschung von
  52. im Internet abrufbaren Äußerungen in Anspruch.
  53. 2
  54. Der Beklagte ist Rechtsanwalt und war für die heute nicht mehr existierende Kanzlei Dr. S. & v. B. als freier Mitarbeiter tätig. Im Auftrag von Aktionären der Klägerin nahm er diese gerichtlich auf Erfüllung eines Vertrags über den
  55. Rückkauf von Aktien der Klägerin in Anspruch. Auf der Homepage der Kanzlei
  56. Dr. S. & v. B. wurde zeitnah über die Klageerhebung berichtet. Der Beitrag wurde später gelöscht. Vom 24. September 2010 an waren in dem Internetportal
  57. des B. e.V. und in dem Internetportal "recht§billig" mit dem Foto des Beklagten
  58. bebilderte Beiträge abrufbar, in dem unter voller Namensnennung wie folgt über
  59. die Klageerhebung berichtet wurde:
  60. 3
  61. "Die B. e.V. Anlegerschutzkanzlei Dr. S. & v. B. hat für Aktionäre Zahlungsklage gegen die A. & L. AG in H. erhoben. Die Aktionäre fordern die Erfüllung von Kaufzusagen bezüglich ihrer Aktien durch die A. & L. AG.
  62. 4
  63. Mit einem Emissionsprospekt warb die A. & L. AG im Jahre 2000 im
  64. Rahmen einer Kapitalerhöhung um Aktionäre. Angeboten wurden 10 Millionen
  65. Stück Aktien ohne Nennwert zum Verkaufspreis von 5 €. Die Gesellschaft wollte
  66. sich mit dem Kapital an Unternehmen in "interessanten aufstrebenden Branchen" beteiligen. Den umworbenen Anlegern wurde der baldige Börsengang
  67. zugesagt, ein Ziel, das der Alleinvorstand der Aktiengesellschaft schon bald
  68. wieder aufgab.
  69. 5
  70. Seit 2003 wird den Aktionären der Kauf ihrer Aktien zu einem höheren
  71. Preis als dem Emissionspreis versprochen und auch vertraglich zugesichert.
  72. Der Vorstand der A. & L. AG hält die Aktionäre mit immer neuen Versprechen,
  73. - 5 -
  74. wonach die Kaufabwicklung unmittelbar bevorstehe, nun schon ganze sieben
  75. Jahre hin. Hinzu kommt, dass die Aktionäre außer Hinhalteparolen keine aussagekräftigen Informationen über das Unternehmen erhalten. Mindestens seit
  76. 2003 fand weder eine Hauptversammlung statt, noch gab es Geschäftsberichte.
  77. Dividendenzahlungen blieben völlig aus. Die wahre Geschäftstätigkeit und Geschäftsentwicklung des Unternehmens wird verschleiert.
  78. 6
  79. Die B. e.V. Anlegerschutzkanzlei Dr. S. & v. B. verfolgt mit der Klage das
  80. Ziel, dass von der A. & L. AG der bereits mehrfach zugesagte Kaufpreis für die
  81. Aktien nunmehr tatsächlich auch bezahlt wird.
  82. 7
  83. Betroffene Investoren können sich der Interessengemeinschaft "A. & L.
  84. AG" im B. e.V. anschließen."
  85. 8
  86. Nach einer Abmahnung des Beklagten war die Berichterstattung dort
  87. nicht mehr abrufbar. Die Klägerin stellte allerdings in der Folgezeit fest, dass
  88. eine entsprechende Berichterstattung unter der Überschrift "Zahlungsklage gegen A. & L. AG erhoben" in verschiedenen anderen Internetportalen abrufbar
  89. war. Die Berichterstattung war über Suchmaschinen abrufbar.
  90. 9
  91. Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die Löschung
  92. des im Internet über Suchmaschinen abrufbaren Artikels vom 24. September
  93. 2010 "Zahlungsklage gegen A. & L. AG erhoben" zu bewirken. In einem nach
  94. Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin hilfsweise beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihr jeden Schaden zu erstatten, der ihr infolge der jederzeitigen Abrufbarkeit
  95. des beanstandeten Artikels im Internet entstanden ist oder noch entstehen wird.
  96. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. In der mündlichen Verhandlung vor
  97. dem Oberlandesgericht hat die Klägerin hilfsweise beantragt, den Beklagten zu
  98. verurteilen, die Löschung folgender Passagen aus dem Artikel zu bewirken:
  99. - 6 -
  100. "Seit 2003 wird den Aktionären der Kauf ihrer Aktien zu einem höheren Preis
  101. als dem Emissionspreis versprochen und auch vertraglich zugesichert. Der
  102. Vorstand der A. & L. AG hält die Aktionäre mit immer neuen Versprechen, wonach die Kaufabwicklung unmittelbar bevorstehe, nun schon ganze sieben Jahre hin. Hinzu kommt, dass die Aktionäre außer Hinhalteparolen keine aussagekräftigen Informationen über das Unternehmen erhalten. Die wahre Geschäftstätigkeit und Geschäftsentwicklung des Unternehmens wird verschleiert." Das
  103. Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.
  104. Entscheidungsgründe:
  105. I.
  106. 10
  107. Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin ein Löschungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Zwar sei der Beklagte jedenfalls Mittäter hinsichtlich der zunächst auf der Internetseite der
  108. Kanzlei von Dr. S. & v. B. abrufbaren Veröffentlichung. Da der Beitrag jedoch
  109. bereits vor Klageerhebung aus dem Internetauftritt herausgenommen worden
  110. sei, gehe das Löschungsbegehren insoweit ins Leere. Es könne offenbleiben,
  111. ob der Beklagte auch Täter hinsichtlich dieses oder eines inhaltsgleichen Beitrags auf den Seiten des B. e.V. sei, da auch diese Veröffentlichungen vor Klageerhebung gelöscht worden seien. Für die Folgeveröffentlichungen im Internet
  112. hafte der Beklagte nicht. Dass er Täter oder Teilnehmer hinsichtlich der Folgeveröffentlichungen sei, behaupte die Klägerin nicht. Der Beklagte sei aber auch
  113. nicht Störer. Als Störer sei verpflichtet, wer, ohne Täter oder Teilnehmer zu
  114. sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung
  115. des Rechtsguts beitrage. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, da der ur-
  116. - 7 -
  117. sprüngliche Beitrag des Beklagten für die in Rede stehenden Folgeveröffentlichungen nicht adäquat kausal gewesen sei. Es entspreche nicht dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge, dass ein Beitrag des Beklagten ohne sein Zutun unter
  118. der möglichen Verletzung urheberrechtlich geschützter Positionen von Dritten
  119. veröffentlicht werde. Abgesehen davon habe der Beklagte nicht - wie für die
  120. Störerhaftung erforderlich - zumutbare Verhaltenspflichten verletzt. Es sei ihm
  121. nicht zuzumuten, fremde Internetauftritte zu überprüfen. Aber auch wenn er von
  122. rechtswidrigen Veröffentlichungen wisse, bestehe für ihn keine Löschungspflicht. Denn er sei nicht in der Lage, die Störung zu beseitigen, weil er keinen
  123. Zugriff auf fremde Internetauftritte habe. Zwar möge es Fälle geben, in denen
  124. einer Unterlassungsverpflichtung nur dadurch Genüge getan werden könne,
  125. dass aktiv in den Kausalverlauf eingegriffen werde. Dies könne aber nicht auf
  126. Fälle erstreckt werden, in denen - wie im Streitfall - die als rechtswidrig reklamierten Veröffentlichungen ohne Zutun durch den in Anspruch Genommenen
  127. erfolgten. Den mit - vom Landgericht nachgelassenen - Schriftsatz nachgeschobenen und auf Schadensersatz gerichteten Hilfsantrag habe das Landgericht zu Recht unberücksichtigt gelassen. Er sei verspätet.
  128. II.
  129. 11
  130. Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in
  131. allen Punkten stand. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass die Klägerin vom Beklagten nicht verlangen kann, die Löschung des
  132. gesamten, im Internet abrufbaren Artikels zu bewirken. Mit der Begründung des
  133. Berufungsgerichts kann aber der von der Klägerin mit dem Hilfsantrag geltend
  134. gemachte Anspruch, die Löschung einzelner Passagen des Artikels zu bewirken, nicht vollumfänglich verneint werden. Dem Berufungsgericht kann auch
  135. - 8 -
  136. nicht gefolgt werden, soweit es den auf Schadensersatz gerichteten Hilfsantrag
  137. als verspätet angesehen hat.
  138. 12
  139. 1. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der auf Bewirkung der Löschung des gesamten, im Internet aufrufbaren Artikels gerichtete
  140. Hauptantrag unbegründet ist.
  141. 13
  142. a) Die Revision macht allerdings zu Recht geltend, dass der Betroffene
  143. gegen unwahre Tatsachenbehauptungen, die sein Ansehen in der Öffentlichkeit
  144. in unzulässiger Weise herabsetzen, in entsprechender Anwendung von
  145. §§ 1004, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 185 ff StGB, 824 BGB zivilrechtlichen Ehrenschutz beanspruchen kann (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember
  146. 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 14, 16; vom 13. Januar 2015 - VI ZR
  147. 386/13, VersR 2015, 336 Rn. 10, 15; vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14,
  148. AfP 2015, 41 Rn. 6 f., 11; vom 22. Juni 1982 - VI ZR 251/80, AfP 1982, 217,
  149. 218, jeweils mwN). Er kann den Störer nicht nur gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2
  150. BGB analog auf Unterlassung weiterer Störungen, sondern in entsprechender
  151. Anwendung von Satz 1 dieser Bestimmung auch auf Beseitigung eines durch
  152. die unwahren Tatsachenbehauptungen geschaffenen Zustands fortdauernder
  153. Rufbeeinträchtigung in Anspruch nehmen, der sich für ihn als eine stetig sich
  154. erneuernde und fortwirkende Quelle der Ehrverletzung darstellt (vgl. Senatsurteil vom 30. November 1971 - VI ZR 115/70, BGHZ 57, 325, 326 ff., 332 f.;
  155. BGH, Urteile vom 12. Januar 1960 - I ZR 30/58, JZ 1960, 701, 702; vom
  156. 28. September 1973 - I ZR 136/71, NJW 1973, 2285, 2286; BVerfG, AfP 1997,
  157. 619, 620; NK-BGB/Katzenmeier, 2. Auflage, Vor §§ 823 ff Rn. 79 ff., § 823
  158. Rn. 241 ff.; MünchKommBGB/Rixecker, 6. Aufl., Anhang zu § 12 Rn. 219 ff.;
  159. Staudinger/Hager, 13. Bearb. 1999, § 823 C 271; Palandt/Sprau, BGB,
  160. 74. Aufl., Einf v § 823 Rn. 38; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und
  161. Verfahren, 10. Aufl., 22. Kapitel, Rn. 2; vgl. auch Senatsurteil vom 14. Mai 2013
  162. - 9 -
  163. - VI ZR 269/12, BGHZ 197, 213 Rn. 28 sowie zum Beseitigungsanspruch in
  164. Gestalt der Veröffentlichung einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung
  165. bei unzulässiger Meinungsäußerung: Senatsurteil vom 25. November 1986
  166. - VI ZR 57/86, BGHZ 99, 133, 136 ff.). Eine besondere Ausprägung des Anspruchs auf Beseitigung einer durch unwahre Tatsachenbehauptungen herbeigeführten fortdauernden Rufbeeinträchtigung ist der von der Rechtsprechung
  167. entwickelte Berichtigungsanspruch (vgl. dazu Senatsurteil vom 18. November
  168. 2014 - VI ZR 76/14, BGHZ 203, 239 Rn. 13 mwN). Hierauf beschränkt sich der
  169. Beseitigungsanspruch aber nicht (vgl. Senatsurteil vom 30. November 1971
  170. - VI ZR 115/70, BGHZ 57, 325, 327 ff.; BVerfG, AfP 1997, 619, 620 zum Anspruch auf Ergänzung einer Berichterstattung im Rahmen eines "äußerungsrechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs"; MünchKommBGB/Rixecker, aaO
  171. Rn. 221; Staudinger/Hager, aaO, C 270). Vielmehr kann der Betroffene den
  172. Störer zur Beseitigung eines Zustands fortdauernder Rufbeeinträchtigung
  173. grundsätzlich auch auf Löschung bzw. Hinwirken auf Löschung rechtswidriger,
  174. im Internet abrufbarer Tatsachenbehauptungen in Anspruch nehmen (vgl. BGH,
  175. Urteil vom 18. September 2014 - I ZR 76/13, GRUR 2015, 258 Rn. 62 ff. sowie
  176. Art. 17 des Entwurfs der EU-Datenschutz-Grundverordnung, Stand 11. Juni
  177. 2015, abrufbar unter http://www.cr-online.de/Verabschiedete_Fassung_der_
  178. Datenschutz-GVO_durch_den_Europaeischen_Rat_v._11.06.2015.pdf).
  179. 14
  180. Dem steht nicht entgegen, dass es der Senat in seinem Urteil vom 3. Mai
  181. 1977 (VI ZR 36/74, BGHZ 68, 331, 332 ff.) abgelehnt hat, die Rechtsschutzmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gebiet des zivilrechtlichen Ehrenschutzes über die Rechtsbehelfe der Unterlassung und der Berichtigung hinaus
  182. durch Zulassung einer Klage auf Feststellung der Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung oder der Rechtswidrigkeit einer Persönlichkeitsverletzung zu erweitern. Denn tragend für diese Entscheidung war, dass Gegenstand der begehrten Feststellung nicht - wie in § 256 ZPO vorausgesetzt - das Bestehen oder
  183. - 10 -
  184. Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses, sondern eine bloße Vorfrage für die
  185. Rechtsbeziehungen der Parteien war, auf die eine Feststellungsklage nicht gestützt werden kann (ebenda S. 332).
  186. 15
  187. Für die Anerkennung eines Beseitigungsanspruchs in Gestalt der Löschung bzw. des Hinwirkens auf Löschung rechtswidriger, im Internet abrufbarer Tatsachenbehauptungen spricht demgegenüber seine Nähe zum Unterlassungsanspruch. Die Löschung bzw. das Hinwirken auf diese ist in ihren Wirkungen für den Störer und in ihrem Zweck für den Betroffenen der Unterlassung
  188. unwahrer Tatsachenbehauptungen angenähert. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erschöpft sich die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen
  189. wurde, nämlich nicht in bloßem Nichtstun. Vielmehr umfasst sie auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands, wenn allein dadurch dem Unterlassungsgebot Folge geleistet werden
  190. kann (vgl. Senatsurteil vom 11. November 2014 - VI ZR 18/14, AfP 2015, 33
  191. Rn. 16 zur titulierten Unterlassungsverpflichtung; BGH, Urteile vom 22. Oktober
  192. 1992 - IX ZR 36/92, BGHZ 120, 73, 76 f.; vom 18. September 2014 - I ZR
  193. 76/13, GRUR 2015, 258 Rn. 64; Beschluss vom 25. Januar 2007 - I ZB 58/06,
  194. NJW-RR 2007, 863 Rn. 17, jeweils mwN).
  195. 16
  196. Als Mittel zur Beendigung einer fortdauernden Rufbeeinträchtigung ist
  197. das im Rahmen eines Beseitigungsanspruchs geltend gemachte Löschungsbegehren allerdings nicht von geringeren sachlich-rechtlichen und beweismäßigen
  198. Voraussetzungen abhängig als die bisher anerkannten Rechtsbehelfe (vgl. Senatsurteil vom 3. Mai 1977 - VI ZR 36/74, BGHZ 68, 331, 335 f.; vom 25. November 1986 - VI ZR 57/86, BGHZ 99, 133, 138). Die Löschung bzw. das Hinwirken auf Löschung im Internet abrufbarer Tatsachenbehauptungen kann
  199. dementsprechend nur verlangt werden, wenn und soweit die beanstandeten
  200. - 11 -
  201. Behauptungen nachweislich falsch sind und die begehrte Abhilfemaßnahme
  202. unter Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen, insbesondere der Schwere der Beeinträchtigung, zur Beseitigung des Störungszustands geeignet, erforderlich und dem Störer zumutbar ist (vgl. Senatsurteile vom 3. Mai 1977 - VI ZR
  203. 36/74, BGHZ 68, 331, 337; vom 25. November 1986 - VI ZR 57/86, BGHZ 99,
  204. 133, 138; vom 18. November 2014 - VI ZR 76/14, AfP 2015, 36 Rn. 40; BGH,
  205. Urteile vom 12. Januar 1960 - I ZR 30/58, JZ 1960, 701, 702 f.; vom 18. September 2014 - I ZR 76/13, GRUR 2015, 258 Rn. 62 ff.; MünchKomm-BGB/
  206. Rixecker, 6. Aufl., Anhang zu § 12 Rn. 223; Wenzel/Gamer, Das Recht der
  207. Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 13 Rn. 25; Kamps in Götting/
  208. Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, § 49 Rn. 33 f., 49; jeweils
  209. mwN).
  210. 17
  211. b) Nach diesen Grundsätzen scheitert der Hauptantrag bereits daran,
  212. dass er weit über das Ziel hinausschießt. Eine Löschung des gesamten Artikels
  213. ist zum Schutze des geschäftlichen Ansehens der Klägerin vor der Fortwirkung
  214. einer etwaigen rechtswidrigen Beeinträchtigung nicht erforderlich. Denn der Artikel enthält eine Vielzahl von Aussagen, die entweder ersichtlich zutreffend
  215. oder von der Klägerin nicht als unzutreffend beanstandet worden sind und damit die Rechte der Klägerin nicht verletzen (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 1992
  216. - I ZR 58/90, GRUR 1992, 527, 529).
  217. 18
  218. 2. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann aber der mit dem
  219. Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch, die Löschung einzelner Passagen des
  220. Artikels zu bewirken, nicht vollumfänglich verneint werden.
  221. 19
  222. a) Die Klägerin hat ihr eingeschränktes Beseitigungsbegehren wirksam in
  223. den Rechtsstreit eingeführt. Es ist allerdings nicht bereits als Minus im Hauptantrag mitenthalten. Die von der Klägerin gestellten Anträge sind so auszulegen,
  224. - 12 -
  225. dass sie mit dem Hauptantrag ausschließlich das Bewirken der Löschung des
  226. gesamten Artikels begehrt hat. Denn sie hat nach dem Hinweis des Vorsitzenden in der Verhandlung vor dem Berufungsgericht, sie könne nicht den gesamten Artikel "verbieten" lassen, an ihrem Hauptantrag uneingeschränkt festgehalten und ihr eingeschränktes Beseitigungsbegehren ausdrücklich zum Gegenstand eines selbstständigen Hilfsantrags gemacht.
  227. 20
  228. Das eingeschränkte Beseitigungsbegehren ist von der Klägerin aber
  229. wirksam zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht worden. Dabei
  230. kommt es nicht darauf an, ob die Voraussetzungen des § 533 ZPO erfüllt sind.
  231. Denn eine mit der Berufung vorgenommene Beschränkung des Klageantrags
  232. nach § 264 Nr. 2 ZPO stellt unabhängig davon, ob sie unbedingt erfolgt oder,
  233. wie hier, von dem Misserfolg des auf uneingeschränkte Leistung gerichteten
  234. Hauptantrags abhängig ist, keine § 533 ZPO unterfallende Klageänderung dar
  235. (vgl. BGH, Urteile vom 19. März 2004 - V ZR 104/03, BGHZ 158, 295, 305 ff.;
  236. vom 8. Dezember 2005 - VII ZR 138/04, VersR 2006, 1361 Rn. 25; vom 27. Februar 2007 - XI ZR 56/06, ZIP 2007, 718 Rn. 30).
  237. 21
  238. b) Die Klage ist hinsichtlich des mit dem Hilfsantrag geltend gemachten
  239. eingeschränkten Beseitigungsbegehrens zulässig. Sie ist insbesondere hinreichend bestimmt. Zwar hat die Klägerin in der Berufungsinstanz mit ihren zwei
  240. Hilfsanträgen verschiedene Streitgegenstände alternativ geltend gemacht, ohne
  241. die Reihenfolge zu benennen, in der sie die Anträge zur Überprüfung durch das
  242. Gericht stellt. Sie hat die gebotene Klarstellung aber in zulässiger Weise in der
  243. Revisionsinstanz nachgeholt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat
  244. hat sie erklärt, den auf Bewirkung der Löschung einzelner Passagen des Artikels gerichteten Antrag als ersten Hilfsantrag und den auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens gerichteten Antrag als zweiten Hilfsantrag verfolgen zu
  245. wollen. Damit hat sie die verschiedenen Streitgegenstände in der gebotenen
  246. - 13 -
  247. Weise in ein Eventualverhältnis gestellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. März
  248. 2011 - I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 Rn. 9 ff.; vom 27. November 2013 - III ZR
  249. 371/12, juris Rn. 2).
  250. 22
  251. c) Für das Revisionsverfahren ist davon auszugehen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen eines eingeschränkten Beseitigungsanspruchs in
  252. entsprechender Anwendung der § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2
  253. BGB i.V.m. §§ 186 StGB, 824 BGB gegeben sind. Die von der Klägerin beanstandeten Behauptungen haben auf der Grundlage des revisionsrechtlich zu
  254. unterstellenden Sachverhalts zu einer rechtswidrigen und fortdauernden Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Rufs der Klägerin geführt, für die der Beklagte
  255. verantwortlich ist.
  256. 23
  257. aa) Die mit dem ersten Hilfsantrag angegriffenen Äußerungen, wonach
  258. den Aktionären der Kauf ihrer Aktien zu einem höheren Preis als dem Emissionspreis seit 2003 versprochen und vertraglich zugesichert worden sei, der
  259. Vorstand der Klägerin die Aktionäre schon sieben Jahre mit immer neuen Versprechen hinhalte, wonach die Kaufabwicklung unmittelbar bevorstehe, die Aktionäre außer Hinhalteparolen keine aussagekräftigen Informationen über das
  260. Unternehmen erhielten und die wahre Geschäftstätigkeit und Geschäftsentwicklung des Unternehmens verschleiert werde, sind als Tatsachenbehauptungen
  261. zu qualifizieren.
  262. 24
  263. (1) Ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil einzustufen ist, ist eine Rechtsfrage, die der uneingeschränkten Beurteilung durch
  264. das Revisionsgericht unterliegt. Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Wesentlich für
  265. - 14 -
  266. die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer
  267. Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Dies
  268. scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das
  269. Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und
  270. sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen (vgl. Senatsurteil vom
  271. 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rn. 8 mwN). Sofern eine Äußerung, in der sich Tatsachen und Meinungen vermengen, durch die Elemente
  272. der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie als
  273. Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Das gilt
  274. insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen
  275. Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte (vgl. Senatsurteile
  276. vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 170; vom 11. März 2008
  277. - VI ZR 189/06, AfP 2008, 193 Rn. 12, 18; vom 22. September 2009 - VI ZR
  278. 19/08, AfP 2009, 588 Rn. 11; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03,
  279. BGHZ 166, 84 Rn. 70; BVerfGE 85, 1, 15; BVerfG, NJW 2008, 358, 359). Demgegenüber kann sich eine Äußerung, die auf Werturteilen beruht, als Tatsachenbehauptung erweisen, wenn und soweit bei dem Adressaten zugleich die
  280. Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorgerufen wird, die als solche einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 1991 - VI ZR 169/91, AfP
  281. 1992, 75, 78; vom 28. Juni 1994 - VI ZR 252/93, AfP 1994, 218 f.; vom 27. April
  282. 1999 - VI ZR 174/97, NJW-RR 1999, 1251, 1252 f.; vom 16. November 2004
  283. - VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 72, jeweils mwN). Entscheidend ist deshalb der
  284. Zusammenhang, in welchem die Äußerung gefallen ist (vgl. Senatsurteil vom
  285. 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rn. 9 mwN).
  286. 25
  287. (2) Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei den angegriffenen Äußerungen um in Werturteile eingekleidete Tatsachenbehauptungen. Mit ihnen
  288. werden Vorwürfe tatsächlichen Inhalts erhoben, die einer Überprüfung mit den
  289. - 15 -
  290. Mitteln des Beweises zugänglich sind. Sie sind nicht derart mit den Wertungen
  291. verknüpft, dass ihr Tatsachengehalt von dahinterstehenden Meinungsäußerungen überlagert und geprägt würde.
  292. 26
  293. Die Behauptungen, den Aktionären werde seit 2003 der Kauf ihrer Aktien
  294. zu einem höheren Preis als dem Emissionspreis versprochen und vertraglich
  295. zugesichert, der Vorstand der Klägerin halte die Aktionäre schon sieben Jahre
  296. mit immer neuen Versprechen hin, wonach die Kaufabwicklung unmittelbar bevorstehe, enthalten - im Gesamtzusammenhang mit dem den Artikel einleitenden Absatz betrachtet - für den unbefangenen Leser die dem Beweis zugängliche Tatsacheninformation, die Klägerin habe sich gegenüber den Aktionären
  297. zum Rückkauf eigener Aktien verpflichtet und komme dieser Verpflichtung seit
  298. sieben Jahren nicht nach. Die Äußerung, die Aktionäre erhielten außer Hinhalteparolen keine aussagekräftigen Informationen über das Unternehmen, bringt
  299. im Kontext mit dem unmittelbar nachfolgenden Satz, wonach es mindestens
  300. seit 2003 weder eine Hauptversammlung noch Geschäftsberichte gegeben habe, zum Ausdruck, dass die Klägerin ihren Informationspflichten gegenüber den
  301. Aktionären nicht nachgekommen sei; auch diese Behauptung ist der Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich. Dieser Vorwurf wird durch die
  302. weitere Tatsachenmitteilung verstärkt, die wahre Geschäftstätigkeit und Geschäftsentwicklung des Unternehmens werde verschleiert. Auch wenn insoweit
  303. nähere Einzelheiten zu konkreten Sachverhalten nicht mitgeteilt werden, bleibt
  304. die Aussage dennoch nicht gänzlich substanzarm, sondern enthält für den unbefangenen Leser die dem Beweis zugängliche Tatsacheninformation, die Klägerin entziehe ihre Geschäftstätigkeit und Geschäftsentwicklung einer genauen
  305. Feststellung und verberge ihr tatsächliches Geschäftsfeld.
  306. 27
  307. bb) Die angegriffenen Äußerungen greifen in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin ein. Betroffen ist der durch Art. 2
  308. - 16 -
  309. Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete soziale Geltungsanspruch der Klägerin als Wirtschaftsunternehmen (vgl. Senatsurteile vom
  310. 3. Juni 1986 - VI ZR 102/85, BGHZ 98, 94, 97; vom 8. Februar 1994 - VI ZR
  311. 286/93, AfP 1994, 138 f.; vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 9;
  312. vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rn. 12). Denn die Behauptungen sind geeignet, ihr unternehmerisches Ansehen in der Öffentlichkeit
  313. zu beeinträchtigen. Die Klägerin wird als unzuverlässig und unredlich dargestellt. Da die angegriffenen Äußerungen jedenfalls zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch im Internet abrufbar waren, wirkt die Rufbeeinträchtigung fort.
  314. 28
  315. cc) Für das Revisionsverfahren ist davon auszugehen, dass die Beeinträchtigung des Rufs der Klägerin rechtswidrig ist.
  316. 29
  317. (1) Wegen der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als eines
  318. Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst
  319. durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange
  320. bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die
  321. betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in
  322. das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse
  323. des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl.
  324. Senatsurteile vom 29. April 2014 - VI ZR 137/13, AfP 2014, 325 Rn. 8; vom
  325. 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 22; vom 30. September 2014 - VI ZR 490/12, AfP 2014, 534, 536).
  326. 30
  327. (2) Im Streitfall ist deshalb das unter bb) genannte Schutzinteresse der
  328. Klägerin mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht
  329. des Beklagten auf Meinungsfreiheit abzuwägen.
  330. - 17 -
  331. 31
  332. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind verschiedene Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten Abwägungsvorgang vorgeben (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14, AfP
  333. 2015, 41 Rn. 21 mwN). Danach fällt bei Tatsachenbehauptungen bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen ihr Wahrheitsgehalt ins Gewicht. Denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender
  334. Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt
  335. der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Interesse (BVerfG, NJW 2012, 1643
  336. Rn. 33; NJW 2013, 217, 218). Wahre Tatsachenbehauptungen müssen dagegen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind (vgl. Senatsurteile vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, AfP 2013,
  337. 50 Rn. 12 mwN; vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rn. 21;
  338. BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 33).
  339. 32
  340. Auf der Grundlage des Mangels abweichender Feststellungen revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachvortrags der Klägerin hat das Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit nach diesen Grundsätzen hinter dem Interesse der
  341. Klägerin am Schutz ihres sozialen Geltungsanspruchs als Wirtschaftsunternehmen zurückzutreten. Denn danach sind die von der Klägerin beanstandeten
  342. Tatsachenbehauptungen unwahr. Zu Gunsten der Klägerin ist weiter zu berücksichtigen, dass der Beklagte seine Äußerungen nach dem zu unterstellenden
  343. Sachvortrag der Klägerin in erster Linie im eigenen Interesse zur Gewinnung
  344. neuer Mandanten gemacht und kein Informationsanliegen im Zusammenhang
  345. mit einer die Verbraucher wesentlich berührenden Frage verfolgt hat (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rn. 23 mwN).
  346. 33
  347. dd) Nach dem mangels abweichender Feststellungen revisionsrechtlich
  348. zugrunde zu legenden Sachvortrag der Klägerin ist der Beklagte auch für die
  349. rechtswidrige Störung verantwortlich.
  350. - 18 -
  351. 34
  352. (1) Als Störer im Sinne von § 1004 BGB ist ohne Rücksicht darauf, ob ihn
  353. ein Verschulden trifft, jeder anzusehen, der die Störung herbeigeführt hat oder
  354. dessen Verhalten eine Beeinträchtigung befürchten lässt. Von der Norm erfasst
  355. wird sowohl der unmittelbare Störer, der durch sein Verhalten selbst die Beeinträchtigung adäquat verursacht hat, als auch der mittelbare Störer, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der
  356. rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat. Dabei genügt als Mitwirkung in
  357. diesem Sinne auch die Unterstützung oder die Ausnutzung der Handlung eines
  358. eigenverantwortlich handelnden Dritten, sofern der in Anspruch Genommene
  359. die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (vgl. Senatsurteile vom 14. Mai 2013 - VI ZR 269/12, BGHZ 197, 213 Rn. 24; vom 30. Juni
  360. 2009 - VI ZR 210/08, AfP 2009, 494 Rn. 13; vom 18. November 2014 - VI ZR
  361. 76/14, AfP 2015, 36 Rn. 37; BGH, Urteil vom 17. Dezember 2010 - V ZR 44/10,
  362. AfP 2011, 156 Rn. 10 ff., jeweils mwN). Abweichend von dem im Urheber- und
  363. Markenrecht entwickelten Begriffsverständnis des I. Zivilsenats (vgl. Urteil vom
  364. 19. April 2007 - I ZR 35/04, BGHZ 172, 119 Rn. 34 - Internet-Versteigerung II
  365. sowie zuletzt Urteil vom 5. Februar 2015 - I ZR 240/12, GRUR 2015, 485 Rn.
  366. 49 - Kinderhochstühle im Internet III) wird im Rahmen des § 1004 BGB auch
  367. derjenige als - unmittelbarer - Störer bezeichnet, der nach der Art seines Tatbeitrags sonst als Täter oder Teilnehmer anzusehen wäre (vgl. Senatsurteile vom
  368. 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, AfP 2009, 494 Rn. 13; vom 14. Mai 2013 - VI ZR
  369. 269/12, BGHZ 197, 213 Rn. 24; BGH, Urteil vom 24. Juni 2003 - KZR 32/02,
  370. BGHZ 155, 189, 194 f. - Buchpreisbindung; NK-BGB/Katzenmeier, 2. Aufl., Vor
  371. §§ 823 ff Rn. 83; Hollenders, Mittelbare Verantwortlichkeit von Intermediären im
  372. Netz, S. 84 f.; Ingendaay, AfP 2011, 126, 127 f.; von Pentz, AfP 2014, 8, 15 ff.).
  373. 35
  374. (2) Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagte sei hinsichtlich der angegriffenen Veröffentlichungen weder "Täter" noch "Teilnehmer" (unmittelbarer Störer), sondern hafte als
  375. - 19 -
  376. Dritter, der die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen habe,
  377. allenfalls nach den Grundsätzen der Haftung des mittelbaren Störers.
  378. 36
  379. (a) Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen hat der
  380. Beklagte den auf der Internetseite der Kanzlei von Dr. S. & v. B. abrufbaren ursprünglichen Beitrag selbst verfasst und in das Internet gestellt. Mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts ist für die Nachprüfung in der
  381. Revisionsinstanz zu unterstellen, dass die von der Klägerin beanstandeten Tatsachenbehauptungen bereits Gegenstand dieses Beitrags waren. Dann hat der
  382. Beklagte aber durch sein Verhalten den von der Klägerin beklagten Störungszustand herbeigeführt. Er hat die maßgebliche Ursache für die von der Klägerin
  383. beanstandeten Veröffentlichungen gesetzt; erst durch sein Verhalten wurden
  384. die beanstandeten Tatsachenbehauptungen einem größeren Personenkreis
  385. bekannt und konnten von diesen weiterverbreitet werden (vgl. Senatsurteil vom
  386. 3. Februar 1976 - VI ZR 23/72, NJW 1976, 799, 800).
  387. 37
  388. (b) Die Revision wendet sich auch mit Erfolg gegen die Beurteilung des
  389. Berufungsgerichts, der ursprüngliche Beitrag des Beklagten sei für die Folgeveröffentlichungen nicht adäquat kausal geworden, weil es nicht dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge entspreche, dass ein Beitrag ohne Zutun des Verfassers von Dritten veröffentlicht werde. Nach der Rechtsprechung des Senats ist
  390. dem Verfasser eines im Internet abrufbaren Beitrags eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch insoweit zuzurechnen, als sie durch die
  391. Weiterverbreitung des Ursprungsbeitrags durch Dritte im Internet entstanden
  392. ist. Da Meldungen im Internet typischerweise von Dritten verlinkt und kopiert
  393. werden, ist die durch die Weiterverbreitung des Ursprungsbeitrags verursachte
  394. Rechtsverletzung sowohl äquivalent als auch adäquat kausal auf die Erstveröffentlichung zurückzuführen. Der Zurechnungszusammenhang ist in solchen
  395. Fällen auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Persönlichkeitsrechtsverlet-
  396. - 20 -
  397. zung insoweit erst durch das selbstständige Dazwischentreten Dritter verursacht worden ist. Denn durch die "Vervielfältigung" der Abrufbarkeit des Beitrags durch Dritte verwirklicht sich eine durch die Veröffentlichung des Ursprungsbeitrags geschaffene internettypische Gefahr (vgl. Senatsurteile vom
  398. 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 55 f.; vom 11. November 2014 - VI ZR 18/14, AfP 2015, 33 Rn. 21).
  399. 38
  400. d) Auch wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des Beseitigungsanspruchs auf der Grundlage des revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalts erfüllt sind, kann die Klägerin vom Beklagten allerdings nicht verlangen,
  401. die Löschung der angegriffenen Behauptungen zu bewirken. Ihr steht lediglich
  402. ein Anspruch darauf zu, dass der Beklagte im Rahmen des ihm Möglichen und
  403. Zumutbaren bei den Betreibern der Internetplattformen, auf denen die angegriffenen Äußerungen noch abrufbar sind, auf eine Löschung hinwirkt.
  404. 39
  405. aa) Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, ist der Beklagte nicht verpflichtet, die Löschung der angegriffenen Behauptungen "zu bewirken". Unter "Bewirken" der Löschung ist die Herbeiführung eines entsprechenden Erfolgs - der Löschung - zu verstehen. Hierzu ist der Beklagte aber
  406. nicht in der Lage, weil er keinen Zugriff auf fremde Internetseiten hat. Allein die
  407. Inhaber dieser Internetseiten entscheiden darüber, ob die auf ihren Internetseiten bereitgehaltenen Inhalte der Öffentlichkeit zugänglich bleiben oder nicht.
  408. Der Schuldner ist aber nur zu solchen Beseitigungsmaßnahmen verpflichtet, die
  409. in seiner Macht stehen (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2014 - I ZR 76/13,
  410. GRUR 2015, 258 Rn. 62 ff.; Ott, WRP 2007, 605, 608; Bornkamm in Köhler/
  411. Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 8 Rn. 1.87; Teplitzky, aaO, 57. Kapitel Rn. 26).
  412. 40
  413. bb) In dem Antrag, die Löschung der angegriffenen Behauptungen zu
  414. bewirken, ist als Minus das Begehren enthalten, bei den Betreibern der Inter-
  415. - 21 -
  416. netplattformen, auf denen die angegriffenen Äußerungen noch abrufbar sind,
  417. auf eine Löschung hinzuwirken. Dieser Antrag ist auf der Grundlage des revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalts begründet. Denn die Verpflichtung, den durch das Einstellen rechtswidriger Tatsachenbehauptungen in das
  418. Internet geschaffenen Zustand fortdauernder Rufbeeinträchtigung zu beseitigen, schließt die Pflicht mit ein, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auf
  419. die Betreiber der Internetplattformen, auf denen die angegriffenen Äußerungen
  420. noch abrufbar sind, einzuwirken, um diese zu einem Entfernen der rechtswidrigen Inhalte zu veranlassen (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2014 - I ZR
  421. 76/13, GRUR 2015, 258 Rn. 70; Ott, WRP 2007, 605, 608; Teplitzky, aaO;
  422. Art. 17 des Entwurfs der EU-Datenschutz-Grundverordnung, Stand 11. Juni
  423. 2015, abrufbar unter http://www.cr-online.de/Verabschiedete_Fassung_der_
  424. Datenschutz-GVO_durch_den_Europaeischen_Rat_v._11.06.2015.pdf; Wybitul/
  425. Fladung, BB 2012, 509, 511 f.). Es ist anerkannten Rechts, dass der Unterlassungs- oder Beseitigungsschuldner zur Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtung erforderlichenfalls auf Dritte einzuwirken hat, wenn und soweit er auf diese
  426. - rechtlich oder tatsächlich - Einfluss nehmen kann (vgl. BGH, Urteil vom 18.
  427. September 2014 - I ZR 76/13, GRUR 2015, 258 Rn. 70; OLG Köln, GRUR-RR
  428. 2008, 365; MMR 2010, 782, 783; Ott, WRP 2007, 605, 608; Teplitzky, aaO;
  429. Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. § 12 Rn. 6.7). Dabei ist allerdings
  430. zu berücksichtigen, dass die Auswahl unter mehreren tatsächlich möglichen
  431. Abhilfemaßnahmen dem Störer überlassen bleiben muss. Dies hat seinen
  432. Grund darin, dass die Rechte des Störers nicht weitergehend eingeschränkt
  433. werden sollen, als der Schutz des Berechtigten vor Beeinträchtigungen seiner
  434. Rechte es erfordert. Abgesehen davon trägt der Störer ggf. das Risiko der
  435. Zwangsvollstreckung, wenn die gewählte Maßnahme die Störung nicht beseitigt
  436. (vgl. BGH, Urteile vom 22. Oktober 1976 - V ZR 36/75, BGHZ 67, 252, 253;
  437. vom 12. Dezember 2003 - V ZR 98/03, VersR 2004, 797, 798; BVerfG, NJW
  438. - 22 -
  439. 2010, 220 Rn. 26; Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 8
  440. Rn. 1.81 ff.; BeckOK BGB/Fritzsche § 1004 Rn. 66 (Stand: 01.02.2015)).
  441. 41
  442. 3. Die Revision wendet sich schließlich mit Erfolg gegen die Beurteilung
  443. des Berufungsgerichts, der in dem vom Landgericht nachgelassenen Schriftsatz
  444. gestellte und auf Schadensersatz gerichtete Hilfsantrag sei auch im Berufungsverfahren nicht zu berücksichtigen, weil er verspätet sei. Das Berufungsgericht
  445. hat übersehen, dass die Klägerin diesen Antrag in der Berufungsinstanz ausdrücklich gestellt und ihn damit durch nachträgliche (Eventual-)Klagehäufung in
  446. den Prozess eingeführt hat (vgl. BGH, Urteil vom 20. August 2009 - VII ZR
  447. 205/07, BGHZ 182, 158 Rn. 71). Das Berufungsgericht hätte über diesen Antrag entscheiden müssen. Die objektive Klagehäufung ist wie eine Klageänderung im Sinne der §§ 263, 533 ZPO zu behandeln (vgl. BGH, Urteile vom
  448. 4. Februar 2015 - VIII ZR 175/14, NJW 2015, 1296 Rn.14; vom 19. März 2004
  449. - V ZR 104/03, NJW 2004, 2152, 2154; vom 27. September 2006 - VIII ZR
  450. 19/04, NJW 2007, 2414 Rn. 8). Die mit dem Hilfsantrag verbundene Klageänderung ist gemäß § 533 ZPO zulässig. Der Beklagte hat stillschweigend in die
  451. Klageänderung eingewilligt. Seine Einwilligung ist entsprechend § 267 ZPO
  452. unwiderleglich zu vermuten, da er sich in der mündlichen Verhandlung vor dem
  453. Berufungsgericht rügelos auf die geänderte Klage eingelassen hat (vgl. BGH,
  454. Urteil vom 30. Mai 1956 - I ZR 43/55, BGHZ 21, 8, 13; Musielak/Ball, ZPO,
  455. 12. Aufl., § 533 Rn. 4). Die Klägerin stützt ihren Hilfsantrag darüber hinaus ausschließlich auf Tatsachen, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und
  456. Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen
  457. hatte (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2015 - I ZR 127/13, NJW 2015, 1608).
  458. - 23 -
  459. 42
  460. 4. Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen
  461. Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen,
  462. damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 562 Abs. 1, § 563
  463. Abs. 1 Satz 1 ZPO).
  464. Galke
  465. Wellner
  466. Offenloch
  467. von Pentz
  468. Roloff
  469. Vorinstanzen:
  470. LG Hamburg, Entscheidung vom 31.05.2013 - 324 O 550/12 OLG Hamburg, Entscheidung vom 08.07.2014 - 7 U 60/13 -