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436 lines
28 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VI ZR 311/11
  5. Verkündet am:
  6. 2. Oktober 2012
  7. Holmes
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. ja
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 823 Dc, LWaldG SL § 25, BWaldG § 14
  19. Eine Haftung des Waldbesitzers wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht
  20. besteht grundsätzlich nicht für waldtypische Gefahren.
  21. BGH, Urteil vom 2. Oktober 2012 - VI ZR 311/11 - OLG Saarbrücken
  22. LG Saarbrücken
  23. - 2 -
  24. Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  25. vom 2. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen, den Richter Pauge und die Richterin von Pentz
  26. für Recht erkannt:
  27. Auf die Revisionen der Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats
  28. des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken vom
  29. 9. November 2011 aufgehoben.
  30. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts
  31. Saarbrücken vom 3. März 2010 wird zurückgewiesen.
  32. Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.
  33. Von Rechts wegen
  34. Tatbestand:
  35. 1
  36. Die Klägerin wurde bei einem Waldspaziergang von einem herabfallenden Ast getroffen und dabei schwer verletzt. Sie ging am 18. Juli 2006 mit ihrem
  37. Hund in einem etwa 300 ha großen, planmäßig bewirtschafteten Wald der Beklagten zu 1 spazieren, der am Stadtrand von D. gelegen ist und als Naherholungsgebiet dient. Der Beklagte zu 2 ist Diplom-Forstwirt und bei der Beklagten
  38. zu 1 für den Bereich des Waldgrundstücks zuständig. In einer Abteilung des
  39. Waldgebiets steht ein seinerzeit 106-jähriger Eichenwald, der teilweise mit an-
  40. - 3 -
  41. deren Laub- und Nadelhölzern gemischt ist und durch den ein etwa 3,5 m breiter Forstwirtschaftsweg führt. Von einer Eiche, die etwa fünf bis sechs Meter
  42. neben diesem von der Klägerin begangenen Weg stand, löste sich ein so genannter Starkast, der die Klägerin am Hinterkopf traf. Der Ast war etwa 17 m
  43. lang, mehrfach gekrümmt und in etwa 4,5 m Entfernung vom Stamm gegabelt.
  44. Sein Durchmesser betrug an der Basis 26 cm und im Ausgangsbereich des
  45. Bruchs - in etwa 1,8 bis 2,0 m Entfernung vom Stamm - etwa 23 cm. Zum Unfallzeitpunkt herrschte leichter Wind, und es war sehr warm.
  46. 2
  47. Die Klägerin erlitt eine schwere Hirnschädigung. Sie befindet sich - nach
  48. stationären Aufenthalten unter anderem in einer Klinik für Wachkomapatienten heute in häuslicher Pflege bei ihrer Schwester. Sie wird durch ihre Mutter als
  49. Betreuerin vertreten.
  50. 3
  51. Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch.
  52. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat
  53. das Oberlandesgericht der Klage durch Grund- und Teilurteil stattgegeben. Mit
  54. den vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen begehren die Beklagten
  55. die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
  56. Entscheidungsgründe:
  57. I.
  58. 4
  59. Das Berufungsgericht, dessen Urteil bei juris veröffentlicht ist (OLG
  60. Saarbrücken, Urteil vom 9. November 2011 - 1 U 177/10 - 46), ist der Auffassung, die Beklagten hätten die ihnen obliegenden Verkehrssicherungspflichten
  61. schuldhaft verletzt. Soweit in § 14 Abs. 1 Satz 3 BWaldG geregelt sei, dass das
  62. - 4 -
  63. Betreten des Waldes "auf eigene Gefahr" erfolge, schließe dies nicht die allgemeine Verkehrssicherungspflicht für Waldbesitzer aus, sondern lediglich die
  64. Entstehung besonderer zusätzlicher Verkehrssicherungspflichten. Der Grundsatz, dass der Waldbesitzer nicht für typische, sondern lediglich für atypische
  65. Waldgefahren hafte, gelte nicht uneingeschränkt. Unter Berücksichtigung der im
  66. Streitfall gegebenen besonderen Umstände habe die Beklagte zu 1 eine
  67. - allerdings herabgestufte und eingeschränkte - Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der am Rand des Erholungswegs stehenden Bäume getroffen, die sie
  68. unabhängig von der Typizität der Gefahr jedenfalls dann zum Einschreiten verpflichtet habe, wenn sich ihr konkrete Anhaltspunkte für eine besondere, unmittelbare Gefährdung geboten hätten. Diese Voraussetzungen seien vorliegend
  69. erfüllt, weil der Wald von der Bevölkerung als Naherholungsgebiet stark frequentiert werde, der Baum etwa fünf bis sechs Meter neben dem Weg gestanden habe und der betreffende Ast aufgrund seines Ausmaßes geeignet gewesen sei, auf den Weg zu stürzen und dort befindliche Waldbesucher zu schädigen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Forstwirt F. seien
  70. Auslöser des Bruchs zum einen der generelle Sommerbruch und zum anderen
  71. die den oberen Astquerschnitt durch Durchtrennung seines Zugmuskels schwächende Starkastfäule gewesen, welche vermutlich auf Geschosssplitter aus
  72. dem Zweiten Weltkrieg zurückgehe. Zwar hätte die Bruchstelle, die sich in einer
  73. Höhe von acht bis zehn Metern auf der Oberseite des Astes befunden habe, bei
  74. einer Sichtkontrolle vom Boden aus nicht erkannt werden können, doch habe
  75. das Spezifische der Gefahr in der fünf bis zehn Jahre zuvor weggebrochenen
  76. Hauptkrone und dem lediglich noch verbliebenen Nebenbereich des später abgebrochenen schweren, schräg stehenden Astes bestanden, bei dem es sich
  77. um einen "Löwenschwanzast" mit nur noch geringer aktiver Ernährung durch
  78. die Laubquaste gehandelt habe. Hauptursache für die Beeinträchtigung der
  79. Stabilität sei die ungünstige Statik des Baums gewesen, die durch den Abbruch
  80. - 5 -
  81. der Hauptkrone und das erhebliche Gewicht sowie den Schrägstand des Astes
  82. eingetreten sei. Aufgrund dieser Besonderheiten sei von dem Baum eine unmittelbare Gefahr ausgegangen, die sich jederzeit habe realisieren können und auf
  83. die der Beklagte zu 2 hätte reagieren müssen. Dessen pflichtwidriges Verhalten
  84. müsse sich die Beklagte zu 1, da seine Stellung als diejenige eines verfassungsmäßig berufenen Vertreters zu qualifizieren sei, gemäß § 31 BGB als eigenes zurechnen lassen. Darüber hinaus bestehe eine Eigenhaftung des Beklagten zu 2 gemäß §§ 823, 249 ff., 253 BGB.
  85. II.
  86. 5
  87. Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht
  88. stand. Das Berufungsgericht überspannt Ausmaß und Umfang der für einen
  89. Waldbesitzer geltenden Verkehrssicherungspflichten.
  90. 6
  91. 1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige,
  92. der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet,
  93. die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in
  94. vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält,
  95. um andere vor Schäden zu bewahren (Senatsurteile vom 6. März 1990 - VI ZR
  96. 246/89, VersR 1990, 796, 797; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04, VersR
  97. 2006, 233 Rn. 9; vom 6. Februar 2007 - VI ZR 274/05, VersR 2007, 659 Rn. 14;
  98. vom 3. Juni 2008 - VI ZR 223/07, VersR 2008, 1083 Rn. 9; vom 9. September
  99. 2008 - VI ZR 279/06, VersR 2008, 1551 Rn. 10; vom 2. März 2010 - VI ZR
  100. 223/09, VersR 2010, 544 Rn. 5 und vom 15. Februar 2011 - VI ZR 176/10,
  101. VersR 2011, 546 Rn. 8, jeweils mwN). Verkehrssicherungspflichtig ist auch der-
  102. - 6 -
  103. jenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine eingetretene Gefahrenlage
  104. andauern lässt (vgl. Senatsurteil vom 12. Februar 1985 - VI ZR 193/83, NJW
  105. 1985, 1773, 1774; BGH, Urteile vom 2. Februar 2006 - III ZR 159/05, VersR
  106. 2006, 803 Rn. 12 und vom 16. Februar 2006 - III ZR 68/05, VersR 2006, 665
  107. Rn. 13).
  108. 7
  109. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird
  110. eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende
  111. Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss
  112. nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet
  113. sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht
  114. ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung
  115. für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und
  116. gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend
  117. halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind (Senatsurteile vom 6. März 1990 - VI ZR 246/89,
  118. aaO; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04, aaO Rn. 10; vom 6. Februar 2007
  119. - VI ZR 274/05, aaO Rn. 15; vom 3. Juni 2008 - VI ZR 223/07, aaO; vom 9.
  120. September 2008 - VI ZR 279/06, aaO; vom 2. März 2010 - VI ZR 223/09, aaO
  121. Rn. 6; vom 15. Februar 2011 - VI ZR 176/10, aaO Rn. 9, jeweils mwN).
  122. 8
  123. Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausge-
  124. - 7 -
  125. schlossen, aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden, so
  126. muss der Geschädigte - so hart dies im Einzelfall sein mag - den Schaden
  127. selbst tragen.
  128. 9
  129. 2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und der gesetzlichen Risikozuweisung hinsichtlich waldtypischer Gefahren ist eine Haftung der Beklagten
  130. zu 1 wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorliegend nicht gegeben.
  131. 10
  132. a) Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 des Waldgesetzes für das Saarland vom
  133. 26. Oktober 1977 (Landeswaldgesetz, Amtsbl. S. 1009, im Folgenden: LWaldG
  134. SL) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Landeswaldgesetzes vom
  135. 9. Juli 2003 (Amtsbl. S. 2130) erfolgt die Benutzung des Waldes auf eigene Gefahr. Hieraus ergibt sich, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat,
  136. dass der Waldbesitzer grundsätzlich nur für atypische Gefahren, nicht aber für
  137. waldtypische Gefahren haftet.
  138. 11
  139. aa) Dem Waldbesucher ist das Betreten des Waldes gestattet. Eine solche Gestattung ist in § 14 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft vom 2. Mai 1975 (BGBl. I S. 1037, im
  140. Folgenden: BWaldG) geregelt. § 14 BWaldG enthält allerdings keine für den
  141. Bürger unmittelbar verbindlichen Rechtssätze; Normadressaten sind vielmehr
  142. allein die Länder, die zum Erlass entsprechender Außenrechtssätze verpflichtet
  143. werden. Der Vorschrift kommt insgesamt lediglich ein rahmenrechtlicher Charakter zu (BVerfGE 80, 137, 156 f., vgl. §§ 5, 14 Abs. 2 BWaldG). Die Betretungsbefugnis ergibt sich aber aus den auf dieser Grundlage erlassenen landesgesetzlichen Vorschriften, im Streitfall aus § 25 Abs. 1 Satz 1 LWaldG SL.
  144. Mit der Betretungsbefugnis ist nach § 25 Abs. 5 Satz 1 LWaldG SL die Rege-
  145. - 8 -
  146. lung verbunden, dass die Benutzung des Waldes auf eigene Gefahr geschieht
  147. (siehe auch § 14 Abs. 1 Satz 3 BWaldG).
  148. 12
  149. bb) Da der Waldbesucher den Wald auf eigene Gefahr nutzt, ist eine
  150. Haftung des Waldbesitzers für waldtypische Gefahren ausgeschlossen. Dies
  151. entspricht der in der Rechtsprechung und Literatur ganz überwiegend vertretenen Auffassung (vgl. OLG Köln, NJW-RR 1987, 988; OLG Koblenz, NZV 1990,
  152. 391, 392; NJW-RR 2003, 1253, 1254; OLG Celle, VersR 2006, 1423 unter Bezugnahme auf LG Hannover, NuR 2006, 597; OLG Hamm, NuR 2007, 845;
  153. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2008, 1247, 1248; OLG Karlsruhe, NuR 2011, 823,
  154. 824; LG Braunschweig, NuR 2007, 778; LG Tübingen, NuR 2007, 780 f.; siehe
  155. auch OLG Nürnberg, MDR 1976, 222; OLG Düsseldorf, VersR 1998, 1166;
  156. OLG Naumburg, OLGR 2007, 224, 226; vgl. Fischer-Hüftle in Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 2. Aufl., § 60 Rn. 6 ff.; Gebhard, NuR 2008,
  157. 754, 763; Staudinger/Hager, BGB, Neubearb. 2009, § 823 Rn. E 171; Spindler
  158. in Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl., § 823 Rn. 288; Palandt/Sprau, BGB, 71.
  159. Aufl., § 823 Rn. 190; Geigel/Wellner, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., Kap. 14
  160. Rn. 95; vgl. MünchKommBGB/Wagner, 5. Aufl., § 823 Rn. 437).
  161. 13
  162. Der Tatbestand des Handelns auf eigene Gefahr ist erfüllt, wenn sich jemand in eine Situation drohender Eigengefährdung begibt, obwohl er die besonderen Umstände kennt, die für ihn eine konkrete Gefahrenlage begründen
  163. (vgl. Senatsurteile vom 14. März 1961 - VI ZR 189/59, BGHZ 34, 355, 363 ff.;
  164. vom 17. März 2009 - VI ZR 166/08, VersR 2009, 693 Rn. 9 mwN; Gebhard,
  165. aaO S. 759 f.; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 254 Rn. 32). Der Waldbesucher setzt sich mit dem Betreten des Waldes bewusst den waldtypischen Gefahren aus. Nach der Wertung des Gesetzgebers fallen diese Gefahren grundsätzlich in seinen Verantwortungsbereich (vgl. Bittner, VersR 2009, 896, 899).
  166. In einem Schadensfall ist dieses Handeln auf eigene Gefahr gemäß § 25 Abs. 5
  167. - 9 -
  168. Satz 1 LWaldG SL deshalb ausnahmsweise nicht erst im Rahmen der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile nach § 254 BGB zu berücksichtigen (zu § 254 BGB vgl. Senatsurteile vom 14. März 1961 - VI ZR 189/59,
  169. aaO und vom 17. März 2009 - VI ZR 166/08, aaO Rn. 7 ff.). Soweit der Waldbenutzer auf eigene Gefahr handelt, fehlt es vielmehr bereits an einer Verkehrssicherungspflicht des Waldbesitzers, denn diesem sollen nach der Begründung zu dem Gesetzentwurf, der § 14 Abs. 1 BWaldG zugrunde liegt, neben der "normalen" Verkehrssicherungspflicht keine weiteren Sicherungspflichten auferlegt werden (vgl. BT-Drucks. 7/889, S. 29).
  170. 14
  171. Die Verkehrssicherungspflicht des Waldbesitzers ist mithin nicht gänzlich
  172. ausgeschlossen, sondern auf die Sicherung gegen solche Gefahren beschränkt, die nicht waldtypisch, sondern im Wald atypisch sind (zum jeweiligen
  173. Landesrecht vgl. OLG Düsseldorf, VersR 1983, 542 f.; OLG Köln, aaO; OLG
  174. Karlsruhe, aaO; OLG Celle, aaO; OLG Hamm, aaO; OLG Düsseldorf, NJW-RR
  175. 2008, 1247, 1248; OLG Karlsruhe, aaO; LG Braunschweig, aaO; LG Tübingen,
  176. aaO S. 780; Staudinger/Hager, BGB, aaO; Endres, in Kolodziejcok/Endres/Krohn/Bendomir-Kahlo, Naturschutz, Landschaftspflege und einschlägige
  177. Regelungen des Jagd- und Forstrechts, § 14 BWaldG Rn. 20 [Stand: Dezember
  178. 2011]; Klose/Orf, Forstrecht, 2. Aufl., § 14 BWaldG Rn. 45 f.; anders noch OLG
  179. Hamm, VersR 1985, 597: keine Verkehrssicherungspflicht). Dementsprechend
  180. stellt § 25 Abs. 5 Satz 2 LWaldG SL klar, dass durch die Benutzung des Waldes
  181. keine besonderen Sorgfalts- und Verkehrssicherungspflichten begründet werden.
  182. 15
  183. cc) Die Haftungsbeschränkung auf atypische Gefahren gilt auch für
  184. Waldwege. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 LWaldG SL gelten auch Waldwege als
  185. Wald (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 BWaldG). Der Waldbesucher, der auf eigene Gefahr Waldwege betritt, kann grundsätzlich nicht erwarten, dass der Waldbesitzer
  186. - 10 -
  187. Sicherungsmaßnahmen gegen waldtypische Gefahren ergreift. Mit waldtypischen Gefahren muss der Waldbesucher stets, also auch auf Wegen rechnen
  188. (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2008, 1247, 1248; Geigel/Wellner, aaO; Orf,
  189. RdL 2008, 281, 284). Er ist primär selbst für seine Sicherheit verantwortlich (vgl.
  190. OLG Naumburg, aaO; MünchKommBGB/Wagner, aaO Rn. 470). Risiken, die
  191. ein freies Bewegen in der Natur mit sich bringt, gehören grundsätzlich zum entschädigungslos hinzunehmenden allgemeinen Lebensrisiko (vgl. Senatsurteil
  192. vom 18. Oktober 1988 - VI ZR 94/88, VersR 1989, 155, 156; Braun, AUR 2012,
  193. 207, 208).
  194. 16
  195. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Rechtsprechung
  196. entwickelten Grundsätzen für die Verkehrssicherung von Straßenbäumen. Der
  197. Eigentümer des an einer öffentlichen Straße liegenden Waldgrundstücks ist mit
  198. Rücksicht auf den Straßenverkehr verpflichtet, schädliche Einwirkungen auf die
  199. Verkehrsteilnehmer durch umstürzende Bäume zu vermeiden. Er ist verpflichtet, den Baumbestand so anzulegen, dass er im Rahmen des nach forstwirtschaftlicher Erkenntnis Möglichen gegen Windbruch und Windwurf gesichert ist
  200. (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 1973 - VI ZR 115/72, VersR 1974, 88, 89
  201. mwN; siehe auch BGH, Urteile vom 21. Januar 1965 - III ZR 217/63, VersR
  202. 1965, 475, 476; vom 27. Oktober 1988 - III ZR 23/88, NVwZ 1990, 297, 298 und
  203. vom 4. März 2004 - III ZR 225/03, VersR 2004, 877, 878). Entsprechendes gilt,
  204. wenn Bäume ein Nachbargrundstück gefährden (vgl. Senatsurteil vom 31. Mai
  205. 1988 - VI ZR 275/87, VersR 1988, 957 f.; BGH, Urteile vom 21. März 2003
  206. - V ZR 319/02, NJW 2003, 1732, 1733; vom 2. Juli 2004 - V ZR 33/04, BGHZ
  207. 160, 18, 22 f. und vom 8. Oktober 2004 - V ZR 84/04, AUR 2005, 410). Diese
  208. Grundsätze sind auf Waldwege nicht übertragbar.
  209. 17
  210. Waldwege sind mangels entsprechender Widmung keine öffentlichen
  211. Straßen nach dem Straßen- und Wegerecht (vgl. Agena, NuR 2007, 707, 713;
  212. - 11 -
  213. Kodal/Herber, Straßenrecht, 7. Aufl., Kap. 5 Rn. 5 und 17 sowie Kap. 8 Rn. 1;
  214. Orf, RdL 2008, 311, 313; Sauthoff, Öffentliche Straßen, 2. Aufl., Rn. 206). Nach
  215. § 25 Abs. 1 Satz 3 LWaldG SL sind Wege im Sinne des Landeswaldgesetzes
  216. nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmete, dauerhaft angelegte oder naturfeste
  217. forstliche Wirtschaftswege. Die Befugnis, Waldwege zu betreten, ergibt sich erst
  218. aus den landesgesetzlichen Regelungen, die auf der Grundlage von § 14
  219. BWaldG ergangen sind (vgl. auch OLG Hamm, VersR 1985, 597), im Streitfall
  220. aus § 25 Abs. 1 Satz 1 LWaldG SL. Für das Betreten der Waldwege gilt mithin
  221. dasselbe wie für das Betreten des Waldes. Beides erfolgt - anders als etwa bei
  222. öffentlichen Straßen - grundsätzlich auf eigene Gefahr (vgl. § 25 Abs. 5 Satz 1
  223. LWaldG SL; Orf, RdL 2008, 281, 282).
  224. 18
  225. dd) Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Waldbesitzer nicht für
  226. waldtypische Gefahren an Waldwegen verantwortlich ist, kommt entgegen der
  227. vom Berufungsgericht und Teilen der Rechtsprechung und Literatur vertretenen
  228. Ansicht nicht bereits dann in Betracht, wenn diese stark frequentiert werden
  229. (vgl. zu dieser Ansicht LG Tübingen, aaO S. 781; Agena, aaO S. 715; Breloer,
  230. Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen, 6. Aufl., S. 77 f.; dies., AFZ-Der Wald
  231. 2000, 710, 711; dies., AUR 2004, 174, 176; Endres, aaO; Klose/Orf, aaO
  232. Rn. 45 ff., 63; Hötzel, VersR 2004, 1234, 1238; Schaefer/Vanvolxem, LWaldG
  233. Rheinland-Pfalz, § 22 Nr. 2.5 [Stand: Februar 2011]; Schneider, VersR 2007,
  234. 743, 753; ders. in FLL-Verkehrssicherheitstage 2011, S. 9, 32; Schulz, AUR
  235. 2012, 121, 126 f.).
  236. 19
  237. Zwar ist dem Berufungsgericht zuzugeben, dass das Bestehen von Verkehrssicherungspflichten von der Verkehrserwartung und der Zweckbestimmung der jeweiligen Verkehrsfläche abhängen kann. Dies gilt angesichts der in
  238. § 25 LWaldG SL normierten Risikoverteilung jedoch nicht hinsichtlich waldtypischer Gefahren. Die Befugnis der Waldbesucher, den Wald zu betreten, stellt
  239. - 12 -
  240. als Konkretisierung der Sozialgebundenheit (Art. 14 Abs. 2 GG) eine zulässige
  241. Inhaltsbestimmung des Eigentums dar (vgl. Bryde in von Münch/Kunig, GG,
  242. 6. Aufl., Art. 14 Rn. 65 "Wald"; BT-Drucks. 7/889, S. 29). Indem § 25 LWaldG
  243. SL dem Waldbesucher auf der Grundlage von § 14 BWaldG eine Betretungsbefugnis einräumt, ihm aber zugleich das Risiko waldtypischer Gefahren auferlegt,
  244. schafft die Vorschrift den nach § 1 Nr. 3 BWaldG und § 1 Abs. 2 Nr. 3 LWaldG
  245. SL bezweckten Ausgleich zwischen dem Interesse der Allgemeinheit und den
  246. Belangen der Waldeigentümer bzw. Waldbesitzer.
  247. 20
  248. Nach der gesetzlichen Risikoverteilung (§ 25 Abs. 5 Satz 1 LWaldG SL)
  249. ist auch eine auf stark frequentierte Waldwege beschränkte Verkehrssicherungspflicht des Waldbesitzers hinsichtlich waldtypischer Gefahren grundsätzlich nicht gegeben. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass die Waldnutzung im
  250. Verlauf der Jahre zugenommen hat (vgl. Orf, RdL 2008, 281, 284 f.; ders., RdL
  251. 2008, 311 f.). Auch an stark frequentierten Waldwegen werden die Haftungsrisiken relevant, die nach den gesetzlichen Vorschriften der Waldbesucher tragen
  252. soll. Gegen eine vom Grad der Frequentierung abhängige Verkehrssicherungspflicht sprechen auch praktische Erwägungen. Eine solche Verkehrssicherungspflicht würde zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen (vgl. Agena, aaO
  253. S. 714). Unter welchen Voraussetzungen eine starke Frequentierung anzunehmen ist, kann abstrakt nicht mit hinreichender Zuverlässigkeit beschrieben werden. Hinzu kommt, dass die Frage, welche Sicherungsmaßnahmen gegebenenfalls erforderlich sein sollen, nicht allgemein, sondern nur für den jeweiligen
  254. Einzelfall beantwortet werden kann.
  255. 21
  256. Baumkontrollen wie bei Straßenbäumen sind dem Waldbesitzer auch an
  257. stark frequentierten Waldwegen nicht zuzumuten. Sie sind nicht mit einer allgemeinen Überprüfung häufig genutzter Waldwege, die ein Waldbesitzer etwa
  258. nach einem Sturm zur Schadensfeststellung durchführen mag, zu vergleichen.
  259. - 13 -
  260. Auch als Kehrseite der Bewirtschaftung ist es dem Waldbesitzer nicht zumutbar, ihm neben seiner mit der Betretungsbefugnis des Waldbesuchers verbundenen Duldungspflicht noch entsprechende Verkehrssicherungspflichten aufzuerlegen (vgl. Gebhard, aaO S. 763; Orf, RdL 2008, 281, 285; zur Gefahrenabwehr als Kehrseite der Bewirtschaftung Senatsurteil vom 31. Mai 1988 - VI ZR
  261. 275/87, aaO S. 958). Dass der Waldbesucher die waldtypischen Gefahren
  262. selbst tragen muss, ist gleichsam der Preis für die eingeräumte Betretungsbefugnis (vgl. Gebhard, aaO).
  263. 22
  264. ee) Dass den Waldbesitzer grundsätzlich keine Pflicht trifft, den Verkehr
  265. auf Waldwegen gegen waldtypische Gefahren zu sichern, entspricht auch der
  266. nunmehr in § 14 BWaldG für das Betreten des Waldes getroffenen Regelung. In
  267. Abs. 1 Satz 3 dieser Vorschrift heißt es, dass die Benutzung auf eigene Gefahr
  268. geschieht. Nach Abs. 1 Satz 4 in der heute geltenden Fassung gilt dies insbesondere für waldtypische Gefahren. Diese Vorschrift wurde - zeitlich nach dem
  269. Unfall der Klägerin - mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Bundeswaldgesetzes vom 31. Juli 2010 (BGBl. I 2010, S. 1050) eingeführt und ist am
  270. 6. August 2010 in Kraft getreten (zur Gesetzgebung des Bundes und der Länder in den Jahren zuvor vgl. Orf, RdL 2008, 311, 314 ff.). Mit der in § 14 Abs. 1
  271. BWaldG als Satz 4 eingefügten Vorschrift wollte der Gesetzgeber die "derzeit
  272. gültige Rechtsprechung" durch eine klarstellende Ergänzung gesetzlich verankern (BT-Drucks. 17/1220, S. 1, 7; vgl. auch OLG Karlsruhe, NuR 2011, 823,
  273. 824; Endres, aaO). Zur Begründung wurde angeführt, dass die Waldbesitzer
  274. aufgrund Landes- oder Kommunalrechts oft das Ausschildern von Wanderwegen durch Kommunen und/oder anerkannte Wandervereine dulden müssten
  275. und außerdem eine möglichst naturnahe Waldbewirtschaftung mit ausreichendem Totholzanteil gefordert werde. Die Waldbesitzer würden folglich durch Vorschriften im Sinne des Gemeinwohls mehr und mehr gezwungen, gefährliche
  276. Situationen zu dulden oder gar zu schaffen. Im Gegensatz zu jedem anderen
  277. - 14 -
  278. Grundstückseigentümer sei es dem Waldbesitzer aber verwehrt, seinen Verkehrssicherungspflichten dadurch nachzukommen, dass er Besuchern den Zutritt zu seinen Flächen verwehre (BT-Drucks. 17/1220, S. 6; vgl. dazu Gebhard,
  279. AFZ-Der Wald 17/2010, 44 f.).
  280. 23
  281. Die neu eingeführte Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 4 BWaldG entspricht
  282. der für die Betretungsbefugnis des § 59 Abs. 1 BNatSchG in § 60 BNatSchG
  283. angeordneten Haftungsregelung der neuen Fassung des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege vom 29. Juli 2009 (Bundesnaturschutzgesetz,
  284. BGBl. I 2009, S. 2542, im Folgenden: BNatSchG, in Kraft getreten am 1. März
  285. 2010). Das Betreten der freien Landschaft erfolgt gemäß § 60 Satz 1 BNatSchG
  286. auf eigene Gefahr. § 60 Satz 2 BNatSchG regelt, dass durch die Betretungsbefugnis des § 59 Abs. 1 BNatSchG keine zusätzlichen Sorgfalts- oder Verkehrssicherungspflichten begründet werden. Nach § 60 Satz 3 BNatSchG besteht
  287. insbesondere keine Haftung für typische, sich aus der Natur ergebende Gefahren. Damit sollen in der Praxis bestehende Unsicherheiten zur Frage der Verkehrssicherungsmaßnahmen durch eine gesetzgeberische Klarstellung verringert werden (vgl. BT-Drucks. 16/12274, S. 74; näher zur Haftungsregelung siehe Fischer-Hüftle in Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 2. Aufl., § 60 Rn. 4
  288. ff.; Maus in Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 2011, § 60 Rn. 4 ff.). Eine Änderung der zuvor bestehenden Rechtslage ist mit den in § 14 Abs. 1 Satz 4 und
  289. § 60 Satz 2 und 3 BNatSchG getroffenen Klarstellungen nicht eingetreten. Sie
  290. war ausweislich der jeweiligen Gesetzesbegründung auch nicht beabsichtigt.
  291. 24
  292. b) Im Streitfall hat sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
  293. eine waldtypische Gefahr verwirklicht, für welche die Beklagte zu 1 mithin nicht
  294. verantwortlich war.
  295. - 15 -
  296. 25
  297. aa) Zu den typischen Gefahren des Waldes, gegen die der Waldbesitzer
  298. Waldwege grundsätzlich nicht sichern muss, zählen solche, die sich aus der
  299. Natur oder der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Waldes unter Beachtung der jeweiligen Zweckbestimmung ergeben (vgl. Endres, aaO; Klose/Orf,
  300. aaO Rn. 48; Gebhard, NuR 2008, 754, 758; ders., AFZ-Der Wald 17/2010,
  301. 44 f.). Sie umfassen die Gefahren, die von lebenden oder toten Bäumen ausgehen (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 des Landesforstgesetzes für das Land NordrheinWestfalen in der Fassung vom 19. Juni 2007, GV. NW. S. 234; LG Hannover,
  302. aaO S. 597 f., bestätigt durch OLG Celle, VersR 2006, 1423). Zu den typischen
  303. Gefahren des Waldes können herabhängende Äste (vgl. OLG Köln, aaO; Bittner, aaO; Gebhard, NuR 2008, 754, 758; Staudinger/Hager, aaO) oder die
  304. mangelnde Stand- oder Bruchfestigkeit von Bäumen gehören (vgl. OLG Koblenz, aaO; OLG Hamm, NuR 2007, 845; LG Braunschweig, aaO S. 778 f.; LG
  305. Tübingen, aaO; Agena, aaO S. 715; Endres, aaO; Klose/Orf, aaO).
  306. 26
  307. Atypische Gefahren sind alle nicht durch die Natur oder durch die Art der
  308. Bewirtschaftung mehr oder weniger zwangsläufig vorgegebenen Zustände, insbesondere vom Waldbesitzer geschaffene oder geduldete Gefahren, die ein
  309. Waldbesucher nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann und auf die er sich
  310. nicht einzurichten vermag, weil er nicht mit ihnen rechnen muss (vgl. OLG Köln,
  311. aaO; OLG Düsseldorf, VersR 1998, 1166; NJW-RR 2008, 1247, 1248; OLG
  312. Hamm, NuR 2007, 845; OLG Karlsruhe, NuR 2011, 823, 824; LG Braunschweig, aaO S. 778; LG Tübingen, aaO S. 780; Gebhard, NuR 2008, 754, 758;
  313. Staudinger/Hager, aaO; Klose/Orf, aaO Rn. 50; Geigel/Wellner, aaO Rn. 95).
  314. Dazu können etwa (nicht waldtypische) Hindernisse, die einen Weg versperren,
  315. oder nicht gesicherte Holzstapel gehören (vgl. OLG Köln, aaO; OLG Koblenz,
  316. aaO; LG Tübingen, aaO S. 780; Gebhard, aaO; Klose/Orf, aaO Rn. 51).
  317. - 16 -
  318. 27
  319. bb) Nach den getroffenen Feststellungen hat sich mit dem Astabbruch
  320. eine Gefahr verwirklicht, die in der Natur des Baumes begründet war. Wie der
  321. Sachverständige F., auf dessen Ausführungen sich das Berufungsgericht stützt,
  322. dargelegt hat, war ein Auslöser des Astabbruchs der generelle Sommerbruch,
  323. ein durch Trockenheit und hohe Temperaturen begünstigter Versagensmechanismus. Weiterer Auslöser war eine Faulstelle an der Oberseite des Astes. Diese Faulstelle sei vermutlich durch Geschosssplitter aus dem Zweiten Weltkrieg
  324. verursacht worden. Auch die Gefahr, dass sich durch Verletzungen eines Baumes über mehrere Jahrzehnte Faulstellen bilden, die einen Ast schwächen, ist
  325. jedoch in der Natur des Baumes begründet. Gleiches gilt für die Ausbildung eines langen "Löwenschwanzastes" und den Abbruch der Hauptkrone des Baumes. Eine der Beklagten zu 1 zuzurechnende atypische Gefahr, die eine Verkehrssicherungspflicht begründet hätte, hat nach den getroffenen Feststellungen demnach nicht vorgelegen. Die Gefahr eines Astabbruchs wird nicht deshalb, weil ein geschulter Baumkontrolleur sie erkennen kann, zu einer im Wald
  326. atypischen Gefahr, für die der Waldbesitzer einzustehen hätte.
  327. 28
  328. 3. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ist auch dem Beklagten
  329. zu 2, der als Mitarbeiter der Beklagten zu 1 für Baumkontrollen verantwortlich
  330. war, nicht anzulasten, denn ihn treffen keine weitergehenden Pflichten als die
  331. Beklagte zu 1.
  332. - 17 -
  333. 29
  334. 4. Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, kann der Senat gemäß
  335. §§ 562, 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Die Berufung der
  336. Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts ist als unbegründet zurückzuweisen.
  337. Galke
  338. Wellner
  339. Pauge
  340. Diederichsen
  341. von Pentz
  342. Vorinstanzen:
  343. LG Saarbrücken, Entscheidung vom 03.03.2010 - 12 O 271/06 OLG Saarbrücken, Entscheidung vom 09.11.2011 - 1 U 177/10-46 -