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8.3 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VI ZR 237/07
  5. Verkündet am:
  6. 22. April 2008
  7. Holmes,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 249 Hb
  19. Der Geschädigte kann auch nach einer vollständigen und fachgerechten Reparatur
  20. zum Ausgleich eines Fahrzeugschadens, der den Wiederbeschaffungswert um nicht
  21. mehr als 30 % übersteigt, Reparaturkosten im Regelfall nur verlangen, wenn er das
  22. Fahrzeug nach dem Unfall sechs Monate weiter nutzt.
  23. BGH, Urteil vom 22. April 2008 - VI ZR 237/07 - LG Duisburg
  24. AG Oberhausen
  25. -2-
  26. Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren mit
  27. Schriftsatzfrist bis zum 29. Februar 2008 durch die Richter Dr. Greiner, Wellner,
  28. Pauge, Stöhr und Zoll
  29. für Recht erkannt:
  30. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der 5. Zivilkammer
  31. des Landgerichts Duisburg vom 30. August 2007 aufgehoben.
  32. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts
  33. Oberhausen vom 23. Mai 2007 wird zurückgewiesen.
  34. Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens trägt der
  35. Kläger.
  36. Von Rechts wegen
  37. Tatbestand
  38. 1
  39. Der Kläger begehrt restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall
  40. vom 14. September 2006, bei dem die alleinige Haftung des Beklagten dem
  41. Grunde nach außer Streit steht. Der vom Kläger beauftragte Sachverständige
  42. schätzte die Reparaturkosten auf 5.574,89 €, den Wiederbeschaffungswert auf
  43. 4.400 € und den Restwert auf 800 €, jeweils einschließlich Mehrwertsteuer. Der
  44. Kläger ließ das Auto bei einer Fachwerkstatt reparieren, die am 29. September
  45. 2006 einen Betrag in Höhe von 5.650,62 € in Rechnung stellte. Im November
  46. -3-
  47. 2006 veräußerte der Kläger sein Fahrzeug. Er verlangt von dem Beklagten, der
  48. lediglich 3.505,88 € zahlte, die restlichen Reparaturkosten und außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 148,33 € ersetzt.
  49. 2
  50. Das Amtsgericht hat den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 94,12 € nebst Zinsen und Freistellung von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 46,41 € verurteilt. Das Landgericht hat dieses
  51. Urteil teilweise abgeändert und den Beklagten zur Zahlung weiterer 2.050,62 €
  52. nebst Zinsen und Freistellung von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe
  53. von weiteren 101,92 € verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen
  54. Revision begehrt der Beklagte, die Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil
  55. zurückzuweisen.
  56. Entscheidungsgründe
  57. I.
  58. 3
  59. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts, das eine sechsmonatige
  60. Weiternutzung des reparierten Fahrzeugs als erforderlich angesehen hat, um
  61. das für eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis erforderliche Integritätsinteresse nachzuweisen, ist das Berufungsgericht der Auffassung, dem Kläger stehe der in Rechnung gestellte Reparaturbetrag zu. Dieser liege innerhalb der
  62. Grenze von 30 % über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs. Eine weitere Nutzung von mindestens sechs Monaten nach dem Unfall sei nicht erforderlich. Der Bundesgerichtshof stelle bei einer fachgerechten Reparatur nicht
  63. auf eine nachfolgende längere Nutzung des Fahrzeugs durch den Geschädigten ab. Soweit der Beklagte eine vollständige Reparatur bestreite, sei dies nicht
  64. hinreichend substantiiert.
  65. -4-
  66. II.
  67. 4
  68. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Geschädigte kann auch nach einer vollständigen und fachgerechten Reparatur zum Ausgleich eines Fahrzeugschadens,
  69. der den Wiederbeschaffungswert um nicht mehr als 30 % übersteigt, Reparaturkosten im Regelfall nur verlangen, wenn er das Fahrzeug nach dem Unfall
  70. sechs Monate weiter nutzt.
  71. 5
  72. 1. Nach gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats hat der
  73. Geschädigte unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Ersatz des Reparaturaufwands bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs (vgl. Senatsurteile BGHZ 115, 364, 371; 162, 161, 166; 162, 170, 173).
  74. Dass der Geschädigte Schadensersatz erhält, der den Wiederbeschaffungswert
  75. übersteigt, steht mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot und dem Bereicherungsverbot
  76. aber nur im Einklang, wenn er den Zustand des ihm vertrauten Fahrzeugs wie
  77. vor dem Unfall wiederherstellt, um dieses Fahrzeug nach der Reparatur weiter
  78. zu nutzen. Sein für den Zuschlag von bis zu 30 % ausschlaggebendes Integritätsinteresse bringt der Geschädigte im Regelfall dadurch hinreichend zum
  79. Ausdruck, dass er das Fahrzeug nach der Reparatur für einen längeren Zeitraum nutzt (vgl. Senatsurteile vom 13. November 2007 - VI ZR 89/07 - VersR
  80. 2008, 134, 135; vom 27. November 2007 - VI ZR 56/07 - VersR 2008, 135,
  81. 136). Nach Erlass des Berufungsurteils hat der Senat für Fälle, bei denen eine
  82. Reparatur in Eigenregie erfolgt ist, entschieden, dass der Geschädigte zum
  83. Ausgleich eines Fahrzeugschadens, der den Wiederbeschaffungswert um nicht
  84. mehr als 30 % übersteigt, Reparaturkosten über dem Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) auch bei vollständiger und
  85. -5-
  86. fachgerechter Reparatur im Regelfall nur verlangen kann, wenn er das Fahrzeug nach dem Unfall sechs Monate weiter nutzt (vgl. Senatsurteile vom
  87. 13. November 2007 - VI ZR 89/07 - aaO; vom 27. November 2007 - VI ZR
  88. 56/07 - aaO).
  89. 6
  90. Die Frage, wie lange der Geschädigte sein Fahrzeug weiter nutzen
  91. muss, um sein Integritätsinteresse hinreichend zum Ausdruck zu bringen und
  92. auf Reparaturkostenbasis abrechnen zu können, ist für die im Streitfall gegebene Fallgestaltung, in der eine konkrete Abrechnung aufgrund einer in einer
  93. Fachwerkstatt erfolgten vollständigen und fachgerechten Reparatur erfolgt,
  94. nicht anders zu beurteilen. Auch hier trifft der aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot
  95. folgende Grundsatz zu, dass allein ein Integritätsinteresse am Behalten des
  96. vertrauten Fahrzeugs die Erstattung des höheren Reparaturaufwandes rechtfertigt, wenn bei der Reparatur der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs überschritten wird. Ist dies nicht - etwa durch eine Weiternutzung von sechs Monaten - nachgewiesen, kann der Geschädigte mithin im Regelfall nur den Wiederbeschaffungsaufwand ersetzt verlangen (vgl. Senatsurteil vom 27. November
  97. 2007 - VI ZR 56/07 - aaO; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3. März 2008
  98. - I-1 W 6/08 -, juris Rn. 21 f.; Heß/Burmann, NJW - Spezial 2007, 207 f. und
  99. 2008, 170 f.; Eggert/Ernst, Verkehrsrecht aktuell 2008, 28; Schneider, jurisPRVerkR 2/2008 Anm. 2 und 3; Staab NZV 2007, 279, 280 f.; Praxishinweis, Verkehrsrecht aktuell 2008, 21; Wittschier, NJW 2008, 898 f.; a.A. OLG Celle, NJW
  100. 2008, 928).
  101. 7
  102. 2. Dies steht nicht in Widerspruch zu den Senatsurteilen vom
  103. 5. Dezember 2006 - VI ZR 77/06 - VersR 2007, 372 f. und vom 15. Februar
  104. 2005, BGHZ 162, 161 und 162, 170. In dem Urteil vom 5. Dezember 2006 kam
  105. es auf das Integritätsinteresse nicht an, weil der Geschädigte einen Schaden
  106. tatsächlich hat reparieren lassen, der den Wiederbeschaffungswert nicht über-
  107. -6-
  108. stiegen hat. Ihm waren die Kosten für die Wiederherstellung des Fahrzeugs in
  109. jedem Fall entstanden und sie waren vom Wert des Fahrzeugs auch gedeckt. In
  110. den den Entscheidungen vom 15. Februar 2005 zugrunde liegenden Fällen hatte der jeweilige Kläger das Fahrzeug weiter genutzt. Es ging daher nur um die
  111. Frage, unter welchen sonstigen Voraussetzungen bei einer Weiternutzung des
  112. Fahrzeugs ein Reparaturaufwand von bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert erstattet verlangt werden kann.
  113. 8
  114. 3. Der Kläger hat keine besonderen Umstände dargelegt, die ausnahmsweise ein Integritätsinteresse trotz der nicht ausreichenden Weiternutzung begründen könnten, sondern nur darauf hingewiesen, dass er ein wirtschaftliches Interesse an der Durchführung der Reparatur gehabt habe, um bei
  115. der Neuanschaffung eines Fahrzeugs einen angemessenen Preis für das verunfallte Fahrzeug zu erhalten. Der Senat kann daher gemäß § 563 Abs. 3 ZPO
  116. in der Sache selbst entscheiden. Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben
  117. und die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts zurückzuweisen. Der Kläger kann entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung wegen seines fehlenden Integritätsinteresses an einer Reparatur nur Schadensersatz in Höhe
  118. des Wiederbeschaffungsaufwands verlangen.
  119. -7-
  120. 9
  121. 4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.
  122. Greiner
  123. Wellner
  124. Stöhr
  125. Pauge
  126. Zoll
  127. Vorinstanzen:
  128. AG Oberhausen, Entscheidung vom 23.05.2007 - 31 C 28/07 LG Duisburg, Entscheidung vom 30.08.2007 - 5 S 63/07 -