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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VI ZR 172/04
  5. Verkündet am:
  6. 15. Februar 2005
  7. Böhringer-Mangold,
  8. Justizhauptsekretärin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. ja
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 249 Hb
  19. Übersteigt der Kraftfahrzeugschaden den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs,
  20. können dem Geschädigten Reparaturkosten, die über dem Wiederbeschaffungsaufwand des Fahrzeugs liegen, grundsätzlich nur dann zuerkannt werden, wenn diese
  21. Reparaturkosten konkret angefallen sind oder wenn der Geschädigte nachweisbar
  22. wertmäßig in einem Umfang repariert hat, der den Wiederbeschaffungsaufwand
  23. übersteigt. Anderenfalls ist die Höhe des Ersatzanspruchs auf den Wiederbeschaffungsaufwand beschränkt.
  24. BGH, Urteil vom 15. Februar 2005 - VI ZR 172/04 - LG Bochum
  25. AG Bochum
  26. -2-
  27. -3-
  28. Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  29. vom 11. Januar 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
  30. Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll
  31. für Recht erkannt:
  32. Die Revision des Klägers gegen das Urteil der 11. Zivilkammer
  33. des Landgerichts Bochum vom 11. Mai 2004 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
  34. Von Rechts wegen
  35. Tatbestand:
  36. Der Kläger begehrt Ersatz restlichen Sachschadens aus einem Verkehrsunfall, für den die Beklagten in vollem Umfang einzustehen haben.
  37. Die für die fachgerechte und vollständige Reparatur des Fahrzeugs des
  38. Klägers erforderlichen Kosten schätzte der Kfz-Sachverständige auf 6.044,41 €
  39. ohne Mehrwertsteuer. Zum Ausgleich des Wertunterschiedes "neu für alt" bei
  40. den Ersatzteilen sah der Sachverständige einen Abzug von 185,79 € vor. Für
  41. die voraussichtliche Reparaturdauer ging er von neun bis zehn Arbeitstagen
  42. aus. Den Wiederbeschaffungswert schätzte er auf 5.450 € inklusive Mehrwertsteuer, den Restwert des Fahrzeugs auf 1.000 €. Der Kläger ließ das Fahr-
  43. -4-
  44. zeug in einen verkehrssicheren und fahrbereiten Zustand versetzen. Dafür
  45. wendete er 1.800 € zuzüglich 288 € Mehrwertsteuer auf.
  46. Der Kläger begehrte von den Beklagten die Reparaturkosten in Höhe von
  47. 5.858,62 € ohne Mehrwertsteuer gemäß Gutachten unter Berücksichtigung des
  48. Abzugs "neu für alt" (6.044,41 € minus 185,79 €), die von ihm für die durchgeführte Reparatur bezahlte Mehrwertsteuer in Höhe von 288 € sowie weitere Kosten, die nicht mehr im Streit sind.
  49. Der Kläger ist der Ansicht, daß ihm die geschätzten Reparaturkosten zu
  50. erstatten seien, da diese 130% des Wiederbeschaffungswerts nicht überstiegen
  51. und er sein Fahrzeug tatsächlich repariert habe. Eine vollständige Reparatur
  52. des Fahrzeugs sei nicht erforderlich. Die Mehrwertsteuer sei zu erstatten, da sie
  53. tatsächlich angefallen sei.
  54. Das Amtsgericht hat einen Ersatzanspruch in Höhe des Wiederbeschaffungsaufwands (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) des Fahrzeugs
  55. bejaht und dem Kläger weitere 752,73 € zuzüglich 5% Zinsen seit dem
  56. 21. Januar 2004 (dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung) zugesprochen.
  57. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das
  58. Landgericht das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich des Zinsbeginns auf 26. Juli
  59. 2003 abgeändert und im übrigen die Berufung zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Anspruch auf Ersatz der geschätzten
  60. Reparaturkosten und der für die durchgeführte Reparatur gezahlten Mehrwertsteuer weiter.
  61. -5-
  62. Entscheidungsgründe:
  63. I.
  64. Das Berufungsgericht hat dem Kläger nur den Wiederbeschaffungsaufwand zuerkannt, weil die erforderlichen Reparaturkosten für eine ordnungsgemäße Instandsetzung des Fahrzeugs über dem Wiederbeschaffungswert lägen
  65. und der Kläger weder vollständig noch fachgerecht repariert habe. Dies sei Voraussetzung für die Abrechnung von Reparaturkosten bis zu 130% des Wiederbeschaffungswerts. In Umkehrung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
  66. (vgl. Senatsurteil BGHZ 115, 375 ff.), daß die Reparatur nicht in einen sinnvollen und einen nicht sinnvollen Teil aufgespalten werden könne, müsse bei einer
  67. nicht in vollem Umfang und nicht ordnungsgemäß durchgeführten Reparatur
  68. der Grundsatz gelten, daß der Geschädigte einen Integritätszuschlag nur für
  69. eine insgesamt wirtschaftlich sinnvolle, vollständig sach- und fachgerecht
  70. durchgeführte Reparatur verlangen könne. Der Kläger könne deshalb lediglich
  71. nach dem Wiederbeschaffungsaufwand abrechnen, denn der Restwert bleibe
  72. nur bei einer Abrechnung von Reparaturkosten bis zum Wiederbeschaffungswert außer Acht.
  73. Allerdings könne der Kläger die in dem vom Sachverständigen geschätzten Wiederbeschaffungsaufwand enthaltene Mehrwertsteuer gemäß § 249
  74. Abs. 2 Satz 2 BGB ersetzt verlangen. Diese werde zwar vom Sachverständigen
  75. mit 16% in Höhe von 613,79 € berechnet. Erwerbe der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug von einem Privatmann, der keine Mehrwertsteuer bezahle, sei deshalb
  76. der Wiederbeschaffungsaufwand um diesen Betrag zu kürzen. Da der Kläger
  77. kein neues Fahrzeug erworben habe, könne aber auf der Grundlage der Differenzbesteuerung des § 25a UStG die Mehrwertsteuer pauschal mit 2% des
  78. Wiederbeschaffungswerts auf 90 € angesetzt werden. In dieser Höhe sei Um-
  79. -6-
  80. satzsteuer für die Kosten der Teilreparatur vom Kläger tatsächlich gezahlt worden. Deshalb könne er den Wiederbeschaffungsaufwand einschließlich der
  81. Mehrwertsteuer ersetzt verlangen. Darüber hinausgehende für die Teilreparatur
  82. aufgewendete Mehrwertsteuer könne er hingegen nicht verlangen, da die Grenze seines Ersatzanspruches der Wiederbeschaffungsaufwand sei.
  83. II.
  84. Die Revision des Klägers bleibt erfolglos.
  85. 1. Mit Urteil vom heutigen Tag hat der erkennende Senat in der Sache
  86. VI ZR 70/04 entschieden, daß der Geschädigte Ersatz eines den Wiederbeschaffungswert übersteigenden Reparaturaufwands nur dann verlangen kann,
  87. wenn die Reparaturen fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt werden,
  88. wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht
  89. hat. Davon geht das Berufungsgericht zutreffend aus. Auch seine weitere Auffassung, daß der Kläger bei fiktiver Schadensberechnung lediglich Schadensersatz in Höhe des Wiederbeschaffungsaufwands - also abzüglich des Restwerts - verlangen könne, trifft im Ergebnis zu.
  90. a) Bei der Frage, welchen Aufwand der Geschädigte für die Reparatur
  91. seines Fahrzeugs ersetzt verlangen kann, ist - wie der Senat im Urteil
  92. - VI ZR 70/04 - vom heutigen Tag (vorges. zur Veröff. in BGHZ) ausgeführt hat zum einen das Verhältnis der Reparaturkosten zum Wiederbeschaffungswert
  93. des Fahrzeugs zu berücksichtigen (Senatsurteil, BGHZ 115, 364, 367); zum
  94. anderen ist zu bedenken, daß regelmäßig nur die Reparatur des dem Geschädigten vertrauten Fahrzeugs sein Integritätsinteresse befriedigt (vgl. Senatsurteile BGHZ 115, 364, 371; vom 8. Dezember 1998 - VI ZR 66/98 - VersR 1999,
  95. -7-
  96. 245 f. und vom 17. März 1992 - VI ZR 226/91 - VersR 1992, 710; OLG Hamm,
  97. NZV 1991, 351, 352 = DAR 1991, 333, 334; Medicus, Jus 1973, 211, 212;
  98. Weber, DAR 1991, 11). Deshalb steht es mit den Grundsätzen des Schadensrechts im Einklang, daß dem Geschädigten, der eine Reparatur nachweislich
  99. durchführt, die zur Instandsetzung erforderlichen Kosten zuerkannt werden
  100. können, die den Wiederbeschaffungswert bis zu 30% übersteigen (Senatsurteil,
  101. BGHZ 115, aaO). Allerdings kann ein solcher Integritätszuschlag bis zu 30%
  102. über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs nur verlangt werden, wenn
  103. die Reparaturen fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt werden, wie
  104. ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat.
  105. b) Repariert der Geschädigte - wie im Streitfall - sein Fahrzeug nicht
  106. fachgerecht oder nur unvollständig, beweist er zwar durch die Weiternutzung
  107. des unvollständig reparierten Fahrzeugs sein Interesse an der Mobilität. Dieses
  108. kann aber im allgemeinen durch die Beschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs in vergleichbarer Weise befriedigt werden. Hingegen kommt in einem
  109. solchen Fall dem für den fraglichen Zuschlag maßgeblichen Gesichtspunkt, daß
  110. der Geschädigte besonderen Wert auf das vertraute Fahrzeug lege, weil dieses
  111. zuverlässig und gut gewartet sei, was er im Falle eines Gebrauchtwagenkaufs
  112. unter Umständen missen müßte (vgl. Senatsurteil vom 8. Dezember 1998
  113. - VI ZR 66/98 - aaO), keine entscheidende Bedeutung mehr zu. Übersteigt der
  114. erforderliche Reparaturaufwand den Fahrzeugwert, kann deshalb - nach den im
  115. Senatsurteil vom heutigen Tag (VI ZR 70/04) dargelegten Grundsätzen - Ersatz
  116. dieses Reparaturaufwands nur verlangt werden, wenn der Geschädigte durch
  117. eine qualifizierte Reparatur der oben beschriebenen Art sein Integritätsinteresse
  118. nachweist. Entspricht die Reparatur diesen Anforderungen nicht, kann eine fiktive Schadensabrechnung auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens nur bis zur Höhe des Wiederbeschaffungsaufwands erfolgen. Ein darüber
  119. -8-
  120. hinausgehender Schadensausgleich ließe das Gebot der Wirtschaftlichkeit und
  121. das Verbot der Bereicherung außer Acht.
  122. aa) Insofern liegt der Sachverhalt in einem entscheidenden Punkt anders
  123. als im Senatsurteil vom 29. April 2003 - VI ZR 393/02 - BGHZ 154, 395 ff.. Dort
  124. hat der Senat entschieden, daß Qualität und Umfang der Reparatur jedenfalls
  125. so lange keine Rolle spielen, als die geschätzten Reparaturkosten zwar den
  126. Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert),
  127. nicht aber den Wiederbeschaffungswert übersteigen. In einem solchen Fall
  128. kann der Geschädigte nämlich grundsätzlich nach den zur Schadensbehebung
  129. erforderlichen Kosten abrechnen, wenn er das Fahrzeug tatsächlich reparieren
  130. läßt und weiter nutzt. Dann ist auch der Restwert nicht abzuziehen, weil er sich
  131. - wie in den Senatsurteilen BGHZ 154, 395 ff. und 115, 364, 371 ff. dargelegt im Rahmen einer solchen Schadensberechnung lediglich als hypothetischer
  132. Rechnungsposten darstellt.
  133. bb) Demgegenüber ist eine grundlegend andere Betrachtungsweise in
  134. Fällen wie dem vorliegenden geboten, in dem die für eine Schadensbehebung
  135. erforderlichen Kosten den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs übersteigen.
  136. Zwar steht es dem Geschädigten auch in solchen Fällen frei, in welcher Weise
  137. er den Schaden beseitigen will. Doch können dem Geschädigten Reparaturkosten, die über dem Wiederbeschaffungsaufwand des Fahrzeugs liegen, grundsätzlich nur dann zuerkannt werden, wenn diese Reparaturkosten konkret angefallen sind oder wenn der Geschädigte nachweisbar wertmäßig in einem Umfang repariert hat, der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigt. Anderenfalls ist die Höhe des Ersatzanspruchs auf den Wiederbeschaffungsaufwand
  138. beschränkt.
  139. -9-
  140. Hiernach hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht dem Kläger nur
  141. den Wiederbeschaffungsaufwand zuerkannt.
  142. 2. Da der Kläger keine tatsächliche Ersatzbeschaffung vorgenommen
  143. hat, besteht gemäß § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB auch kein Anspruch auf die von
  144. ihm geltend gemachte Mehrwertsteuer. Die Mehrwertsteuer ist - entgegen der
  145. Auffassung der Revision - nur zu ersetzen, wenn sie bei einer Wiederbeschaffung tatsächlich angefallen wäre. Ohne Durchführung der Ersatzbeschaffung
  146. hat
  147. der Geschädigte
  148. hingegen nur einen
  149. Anspruch auf
  150. den
  151. Netto-
  152. Wiederbeschaffungsaufwand.
  153. Auch der Meinung des Berufungsgerichts, daß dem Kläger ein Anspruch
  154. jedenfalls zustehe, soweit die gezahlte Mehrwertsteuer dem als Kosten der Ersatzbeschaffung geschätzten Mehrwertsteuersatz entspreche, ist nicht zu folgen. Da nur der Kläger Revision eingelegt hat, wirkt sich die Auffassung des
  155. Berufungsgerichts im vorliegenden Fall allerdings nicht aus. Sie steht aber in
  156. Widerspruch zu § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB, wonach die Umsatzsteuer nur zu
  157. ersetzen ist, soweit sie tatsächlich angefallen ist, wobei eine Kombination von
  158. konkreter und fiktiver Schadensabrechnung nicht zulässig ist (vgl. Senatsurteil
  159. vom 15. Juli 2003 - VI ZR 361/02 - DAR 2003, 554).
  160. Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich nichts anderes aus
  161. dem Senatsurteil vom 20. April 2004 - VI ZR 109/03 - VersR 2004, 876. In diesem Urteil hat der Senat klargestellt, daß auch im Falle des wirtschaftlichen Totalschadens die Naturalrestitution in Form der Ersatzbeschaffung in Frage
  162. kommt und nicht nur die Kompensation gemäß § 251 Abs. 1 BGB. § 249 Abs. 2
  163. Satz 2 BGB bleibt im Fall der Kompensation außer Betracht, findet aber grundsätzlich Anwendung im Fall der Naturalrestitution durch Ersatzbeschaffung (vgl.
  164. Luckey, VersR 2004, 1525, 1526).
  165. - 10 -
  166. 3. Nach alledem ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1
  167. ZPO zurückzuweisen.
  168. Müller
  169. Greiner
  170. Pauge
  171. Diederichsen
  172. Zoll