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5.2 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. VI ZB 78/09
  4. vom
  5. 19. Oktober 2010
  6. in dem Rechtsstreit
  7. -2-
  8. Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Oktober 2010 durch den
  9. Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll und Wellner sowie die Richterinnen
  10. Diederichsen und von Pentz
  11. beschlossen:
  12. Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des
  13. 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 10. November
  14. 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung,
  15. auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das
  16. Beschwerdegericht zurückverwiesen.
  17. Beschwerdewert: 434,61 €
  18. Gründe:
  19. I.
  20. 1
  21. Die Klägerin hat den Beklagten auf Schadensersatz wegen angeblicher
  22. ärztlicher Behandlungsfehler in Anspruch genommen. Mit dem durch Beschluss
  23. des Landgerichts vom 26. Juni 2009 gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellten
  24. Vergleich haben sich die Parteien dahingehend geeinigt, dass der Beklagte
  25. 50.000 € an die Klägerin zu zahlen hat. Hinsichtlich der Kostenverteilung haben
  26. die Parteien vereinbart, dass die Klägerin 44 % der entstandenen Kosten trägt,
  27. der Beklagte 56 %. Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Rechtspflegerin die
  28. vom Beklagten angemeldete 1,3-Verfahrensgebühr in Höhe von 1.660,10 € zuzüglich Umsatzsteuer unter Hinweis auf die Anrechnungsvorschrift in Teil 3,
  29. -3-
  30. Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG auf 830,05 € zuzüglich Umsatzsteuer (insgesamt
  31. 987,76 €) gekürzt, wodurch sich der Erstattungsanspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten um einen Betrag in Höhe von 434,61 € erhöhte. Die sofortige Beschwerde des Beklagten dagegen hatte keinen Erfolg. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beklagte den
  32. Antrag auf Festsetzung einer 1,3-Verfahrensgebühr weiter.
  33. II.
  34. 2
  35. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde (§ 574
  36. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 575 ZPO) hat Erfolg.
  37. 3
  38. 1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, dass für die mit dem Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens identische außergerichtliche Tätigkeit
  39. der Prozessbevollmächtigten des Beklagten bereits eine Geschäftsgebühr entstanden sei. Nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG müsse deshalb die vom
  40. Beklagten angesetzte Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG wegen der
  41. Anrechnung der Geschäftsgebühr auf den 0,65-fachen Satz gekürzt werden.
  42. Die seit dem 5. August 2009 geltende Vorschrift des § 15a RVG ändere an der
  43. Anrechnung nichts. § 15a RVG finde wegen der zumindest entsprechend anwendbaren Überleitungsvorschrift des § 60 Abs. 1 RVG auf das vorliegende
  44. Verfahren keine Anwendung, weil der Auftrag zur Rechts-/Prozessvertretung
  45. des Beschwerdeführers vor Inkrafttreten des § 15a RVG (5. August 2009) erteilt
  46. worden sei. Bei § 15a RVG handle es sich um eine Gesetzesänderung und
  47. nicht um eine bloße Klarstellung des wahren Willens des Gesetzgebers.
  48. 4
  49. 2. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
  50. -4-
  51. 5
  52. Sie macht zutreffend geltend, dass die in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV
  53. RVG vorgeschriebene Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens der Parteien in der Weise hätte erfolgen müssen, wie sie nunmehr in § 15a
  54. RVG beschrieben ist.
  55. 6
  56. Die Vorschrift in § 15a RVG ist durch Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes
  57. zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht,
  58. zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2449) in das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz eingefügt worden und gemäß Art. 10 Satz 2 dieses
  59. Gesetzes am 5. August 2009 in Kraft getreten. Der Senat folgt der Auffassung
  60. der übrigen Senate des Bundesgerichtshofs, wonach § 15a RVG auch auf noch
  61. nicht abgeschlossene Kostenfestsetzungsverfahren anzuwenden ist (vgl. BGH,
  62. Beschlüsse vom 2. September 2009 - II ZB 35/07, NJW 2009, 3101 Rn. 6 ff.;
  63. vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 175/07, NJW 2010, 1375, Rn. 11 ff. m.w.N.
  64. zum Streitstand; vom 3. Februar 2010 - XII ZB 177/09, FamRZ 2010, 806
  65. Rn. 10; vom 11. März 2010 - IX ZB 82/08, JurBüro 2010, 159; vom 29. April
  66. 2010 - V ZB 38/10, AGS 2010, 263 unter III. 1. und vom 10. August 2010
  67. - VIII ZB 15/10, Rn. 9 z.V.b.). Danach ist für die Zeit vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes davon auszugehen, dass die in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG
  68. angeordnete Anrechnung für die Höhe der gesetzlichen Gebühren im Verhältnis
  69. der Prozessparteien untereinander ohne Bedeutung ist und die entsprechend
  70. berechtigte Prozesspartei die Erstattung einer ungekürzten Verfahrensgebühr
  71. nach Nr. 3100 VV RVG beanspruchen kann.
  72. 7
  73. Auf die Frage, ob im Hinblick auf die vorgerichtliche Korrespondenz der
  74. Prozessbevollmächtigten des Beklagten im Streitfall eine Geschäftsgebühr entstanden ist, kommt es somit nicht an. Die von den Beklagten angemeldete Ver-
  75. -5-
  76. fahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG ist hiernach mit dem 1,3-fachen Satz
  77. ohne Kürzung in Ansatz zu bringen.
  78. 8
  79. Danach ist der Beschluss des Oberlandesgerichts aufzuheben und die
  80. Sache zu erneuter Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzugeben
  81. (§ 577 Abs. 4 ZPO).
  82. Galke
  83. Zoll
  84. Diederichsen
  85. Wellner
  86. von Pentz
  87. Vorinstanzen:
  88. LG Siegen, Entscheidung vom 08.09.2009 - 2 O 210/06 OLG Hamm, Entscheidung vom 10.11.2009 - I-25 W 563/09 -