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9.4 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. V ZR 91/99
  5. Verkündet am:
  6. 29. September 2000
  7. Kanik,
  8. Justizamtsinspektorin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. -----------------------------------
  19. SachenRBerG § 7 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b
  20. Die Bebauung eines Grundstücks durch eine Genossenschaft auf vertraglicher
  21. Grundlage kann nur dann zu einem Anspruch nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz führen, wenn die Absicherung der Investition über die vertraglichen Vereinbarungen hinaus nach den Rechtsvorschriften der DDR im Augenblick der Bebauung vorgeschrieben und möglich war.
  22. BGH, Urt. v. 29. September 2000 - V ZR 91/99 - OLG Naumburg
  23. LG Halle
  24. -2-
  25. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
  26. vom 29. September 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die
  27. Richter Dr. Vogt, Schneider, Prof. Dr. Krüger und Dr. Klein
  28. für Recht erkannt:
  29. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats
  30. des Oberlandesgerichts Naumburg vom 19. Januar 1999 aufgehoben.
  31. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 14. Zivilkammer
  32. des Landgerichts Halle vom 17. Juli 1998 wird zurückgewiesen.
  33. Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
  34. Von Rechts wegen
  35. Tatbestand:
  36. Die Parteien streiten um die Berechtigung der Klägerin nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz.
  37. Durch Vertrag vom 14. Januar 1964 verpachtete die Rechtsvorgängerin
  38. der Beklagten, H.
  39. T.
  40. , der Produktionsgenossenschaft des Dachdecker-
  41. und Ofensetzerhandwerks Q.
  42. (im folgenden: PGH) eine Teilfläche von
  43. 2.600 qm zweier aneinander grenzender Grundstücke in Q.
  44. . Durch Ver-
  45. -3-
  46. träge vom 20. Februar 1968 und 24. September 1971 wurde die Pachtfläche
  47. auf schließlich 10.039 qm erweitert. Die Dauer des Pachtverhältnisses war bis
  48. zum 31. Dezember 2001 vereinbart. Die Verträge gestatteten der Pächterin die
  49. Errichtung massiver Gebäude auf den Grundstücken. Zwischen 1964 und 1971
  50. errichtete sie auf ihnen gemäß genehmigter Planung aus eigenen Mitteln fünf
  51. oder sechs Gebäude und legte auf einem der Grundstücke einen KfzWaschplatz an.
  52. Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der PGH. Sie hat die Feststellung
  53. ihrer Berechtigung zum Ankauf der Pachtfläche beantragt. Das Landgericht hat
  54. die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Die Revision der Beklagten erstrebt die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
  55. Entscheidungsgründe:
  56. I.
  57. Das Berufungsgericht meint, die vertragliche Grundlage der Bebauung
  58. der Grundstücke stehe der beantragten Feststellung nicht entgegen. Bei ihrer
  59. Bebauung durch die PGH handele es sich um eine genehmigte und geplante
  60. Investition, zu deren Absicherung die betroffenen Grundstücke als Bauland
  61. hätten bereitgestellt werden müssen. Die hierzu notwendige Enteignung von
  62. H.
  63. T.
  64. sei zwar zunächst nicht möglich gewesen. Mit Inkrafttreten des
  65. Baulandgesetzes vom 15. Juni 1984 (GBl. I, 201) sei dieses Hindernis jedoch
  66. entfallen. Die Enteignung von H.
  67. T.
  68. sei nachzuholen und der PGH an
  69. den in Volkseigentum zu überführenden Grundstücken ein Nutzungsrecht zu
  70. -4-
  71. bestellen gewesen. Daß dies unterbleiben sei, führe dazu, die Situation als
  72. hängenden Fall im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b SachenRBerG zu qualifizieren, in welchem die vertragliche Grundlage der Bebauung der Grundstücke einer Berechtigung nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz nicht
  73. entgegen stehe.
  74. Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
  75. II.
  76. Ein Anspruch der Klägerin nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz
  77. besteht nicht. Die vertragliche Grundlage der Bebauung der Grundsstücke
  78. durch die PGH schließt die beantragte Feststellung aus (§ 2 Abs. 1 Nr. 2
  79. 1. Halbsatz SachenRBerG).
  80. Anders wäre nur zu entscheiden, wenn die verpachtete Fläche der
  81. Grundstücke im Zeitpunkt ihrer Bebauung in Volkseigentum oder genossenschaftliches Eigentum zu überführen gewesen wäre und die Bebauung hierdurch eine über die vertragliche Sicherung hinausgehende Sicherung hätte
  82. erhalten müssen. Dies ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Satz 2 SachenRBerG, der
  83. auch für den von dem Berufungsgericht herangezogenen Bereinigungstatbestand des § 7 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b SachenRBerG gilt. Denn das Gesetz hat
  84. zum Ziel, die nach dem Recht der DDR begründete oder zu begründende
  85. rechtliche Position des Nutzers in eine solche des bürgerlichen Rechts zu
  86. überführen und so die Erwartung des Nutzers in die Dauerhaftigkeit seiner Investition zu schützen. War im Augenblick der Investition der Genossenschaft
  87. -5-
  88. eine Absicherung über die vertraglichen Vereinbarungen hinaus nach dem
  89. Recht der DDR nicht möglich, scheidet daher ein Anspruch nach dem Sachenrechtsberingungsgesetz wegen der vertraglichen Grundlage der Bebauung aus
  90. (Eickmann/Rothe, Sachenrechtsbereinigungsgesetz, § 2 Rdn. 33 f; Czub aaO
  91. § 2 Rdn. 73). Ist eine Absicherung der Investition auch später nicht erfolgt, verbleibt es hierbei. Ob die spätere Rechtsentwicklung der DDR eine Absicherung
  92. durch die Enteignung der Grundstücke erlaubt oder geboten hätte, ist ohne
  93. Bedeutung (vgl. Czub in Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz, Sachenrechtsbereinigungsgesetz, § 3 Rdn. 43, 75).
  94. So liegt der Fall hier. Zwischen 1964 und 1971 war H.
  95. T.
  96. nach
  97. dem Vortrag der Klägerin nicht bereit, ihre Grundstücke zu teilen und die
  98. Pachtfläche an die PGH zu veräußern. Ihre Enteignung war nach dem Aufbaugesetz vom 6. September 1950 (GBl. I, 965) nicht möglich. Die 2. Durchführungsverordnung zum Aufbaugesetz vom 29. September 1972 (GBl. II, 641)
  99. war im Zeitpunkt der Investitionen der PGH noch nicht erlassen. Die Grundstücke waren nicht zum Aufbaugebiet erklärt. H.
  100. T.
  101. konnte zum Ab-
  102. schluß der von ihr mit der PGH geschlossenen Pachtverträge und zur Gestattung der Bebauung ihrer Grundstücke nicht gezwungen werden. Soweit die
  103. PGH sie trotzdem bebauen wollte, konnte sie auch den geplanten Investitionsaufwand nur auf Zeit durch den Abschluß eines langfristigen Pachtvertrages
  104. sichern. Die Gebäude gingen nicht als wesentliche Bestandteile der Grundstücke in das Eigentum von H.
  105. T.
  106. über, sondern blieben als bewegli-
  107. ches Eigentum zur Verfügung der PGH (vgl. Senatsurt. v. 15. Mai 1998,
  108. V ZR 83/97, VIZ 1998, 582, 583). Mit dieser Maßgabe hat sich die PGH zur
  109. Errichtung der Gebäude und der Waschanlage entschlossen.
  110. -6-
  111. Dabei verbleibt es. Die Gewährung eines weitergehenden Schutzes wird
  112. vom Ziel des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes nicht gedeckt. Das Gesetz
  113. dient nicht dazu, eine nicht umgesetzte spätere Änderung der rechtlichen Regelungen der DDR, aufgrund deren "ungesicherter" Investitionsaufwand nachträglich zu sichern war, durch die Gewährung eines Ankaufsrechts oder eines
  114. Anspruchs auf Bestellung eines Erbbaurechts unter der Geltung des Rechts
  115. der Bundesrepublik zu verewigen. Es ist daher ohne Bedeutung, ob nach dem
  116. Baulandgesetz die Enteignung der Pachtfläche und die Verleihung eines Nutzungsrechts an den in Volkseigentum zu überführenden Grundstücken an die
  117. PGH möglich wurden, also nachträglich eine "ewige" Absicherung des Investitionsaufwandes der PGH herbeigeführt werden konnte oder auch mußte. Im
  118. Zeitpunkt der Investitionen der PGH bestand diese Möglichkeit nicht. Die PGH
  119. war bei ihrer Investitionsentscheidung vielmehr auf die vertragliche Sicherung
  120. ihres Aufwands beschränkt. Trotzdem hat sie sich zur Bebauung der Grundstücke entschlossen. Damit ist sie das Risiko eingegangen, die von ihr errichteten Gebäude nach Beendigung der vereinbarten Pachtzeit nicht mehr nutzen
  121. zu können. Dieses Risiko will das Sachenrechtsbereinigungsgesetz ihr nachträglich nicht abnehmen. Die Gewährung eines Anspruchs auf Erwerb der
  122. Pachtfläche oder die Bestellung eines Erbbaurechts an den Grundstücken
  123. würde die Klägerin besser stellen, als sie im Zeitpunkt ihrer Aufwendungen
  124. stand und erwarten konnte.
  125. Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist ebenso ohne Bedeutung, ob
  126. der Beschluß des Ministerrats über die Grundsätze zur Vorbereitung und
  127. Durchführung von Investitionen vom 26. Oktober 1967 (GBl. II, 813) der Bebauung gepachteter Grundstücke durch Genossenschaften entgegen stand,
  128. wie das Berufungsgericht meint. Dieser Beschluß enthielt keine Bestimmungen,
  129. -7-
  130. aufgrund deren dem Investor eine gesicherte Rechtsposition hätte verschaftt
  131. werden können. Wurde er – wie hier – nicht befolgt, so erwächst dem Investor
  132. hieraus kein Bereinigungsanspruch gegen den Erwerber. Auch das von der
  133. Rechtspraxis der DDR betonte Erfordernis der Baufreiheit verlangte entgegen
  134. der Meinung des Berufungsgerichts nicht, daß die Absicherung einer Investition in ein fremdes Grundstück durch eine dingliche oder einem dinglichen
  135. Recht gleich kommende staatlich gewährte Berechtigung zu erfolgen hatte (vgl.
  136. Arlt/Rohde, Bodenrecht, Grundriß, Besonderer Teil, Kapitel III § 3 Nr. 3,
  137. S. 401). Im Gegensatz zur Bebauung volkseigener Grundstücke durch Genossenschaften (Czub aaO § 7 Rdn. 139) stand das Recht der DDR einer Bebauung privater Grundstücke durch Genossenschaften auch nicht grundsätzlich
  138. entgegen, sondern regelte in § 459 ZGB deren zivilrechtliche Rechtsfolgen.
  139. Danach führte die Bebauung privater Grundstücke auf vertraglicher Grundlage
  140. durch eine Genossenschaft nicht zum Entstehen von Gebäudeeigentum der
  141. -8-
  142. Genossenschaft und damit eben nicht zu einer vom Sachenrechtsbereinigungsgesetz als bereinigungsbedürftig anerkannten Rechtsposition des Nutzers.
  143. Wenzel
  144. Schneider
  145. RiBGH Dr. Vogt ist in den
  146. Ruhestand getreten und kann
  147. nicht mehr unterschreiben.
  148. Karlsruhe, den 4.10.2000
  149. Wenzel
  150. Krüger
  151. Klein