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7.6 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. VERSÄUMNISURTEIL
  4. V ZR 266/12
  5. Verkündet am:
  6. 9. Mai 2014
  7. Langendörfer-Kunz
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. 2
  13. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  14. vom 9. Mai 2014 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den Richter
  15. Dr. Lemke und die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, Dr. Brückner und
  16. Weinland
  17. für Recht erkannt:
  18. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des
  19. Kammergerichts vom 16. Oktober 2012 aufgehoben.
  20. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  21. über
  22. die
  23. Kosten
  24. des
  25. Revisionsverfahrens,
  26. an
  27. das
  28. Berufungsgericht zurückverwiesen.
  29. Von Rechts wegen
  30. Tatbestand:
  31. 1
  32. Die
  33. Beklagte
  34. beauftragte
  35. die
  36. Firma
  37. T.
  38. GmbH mit dem Verkauf einer gebrauchten vermieteten Eigentumswohnung.
  39. Mitarbeiter dieser Firma führten Beratungsgespräche mit der Klägerin und
  40. ihrem (im Verlauf des Rechtsstreits verstorbenen) Ehemann und stellten in
  41. einem Gespräch am 12. August 2006 die Eigentumswohnung der Beklagten
  42. vor. Mit notarieller Urkunde vom gleichen Tag gaben die Klägerin und ihr
  43. Ehemann ein Kaufangebot ab, das die folgende Klausel enthält:
  44. „An dieses Angebot hält sich Käufer auf die Dauer von 4 Wochen
  45. von heute an gebunden. Nach Ablauf dieser Frist erlischt nicht das
  46. 3
  47. Angebot, sondern nur die Bindung hieran. Die Annahme des
  48. Angebots kann solange erklärt werden, solange dem
  49. beurkundenden Notar gegenüber das Angebot nicht schriftlich
  50. widerrufen
  51. worden
  52. ist.
  53. Für
  54. die
  55. Wirksamkeit
  56. des
  57. Vertragsabschlusses soll die Beurkundung der Annahmeerklärung
  58. ausreichen.
  59. Des
  60. Zuganges
  61. einer
  62. Ausfertigung
  63. der
  64. Annahmeerklärung beim Käufer bedarf es zur Wirksamkeit nicht.“
  65. 2
  66. Mit notarieller Erklärung vom 2. Oktober 2006 nahm die Beklagte das
  67. Angebot an. Die Käufer zahlten den Kaufpreis in Höhe von 91.000 € und
  68. wurden als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen.
  69. 3
  70. Auf die Klage hat das Landgericht die Beklagte - soweit von Interesse zur Rückzahlung von 91.000 € Zug um Zug gegen Rückübereignung und
  71. Rückgabe der Eigentumswohnung verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten
  72. hat das Kammergericht die Klage abgewiesen. Mit der von dem Senat
  73. zugelassenen Revision will die Klägerin die Zurückweisung der Berufung
  74. erreichen.
  75. Entscheidungsgründe:
  76. I.
  77. 4
  78. Das Berufungsgericht meint, der Kaufvertrag sei zustande gekommen,
  79. weil das Angebot der Klägerin und ihres Ehemannes im Zeitpunkt der Annahme
  80. noch nicht erloschen gewesen sei. Die maßgebliche Klausel sei nicht gemäß
  81. § 308 Nr. 1 BGB unwirksam. Sie sehe lediglich eine Bindung von vier Wochen
  82. vor. Auch sei nicht zu beanstanden, dass das Angebot nach Ablauf dieser Frist
  83. widerruflich fortgelte. Den Käufern habe es ohne weiteres offen gestanden, von
  84. 4
  85. dem Vertrag Abstand zu nehmen. Auf die schuldhafte Verletzung eines
  86. zwischen den Parteien geschlossenen Beratungsvertrags könne sich die
  87. Klägerin nicht stützen, weil jedenfalls kein Beratungsfehler ersichtlich sei.
  88. II.
  89. 5
  90. Über die Revision der Klägerin ist durch Versäumnisurteil zu
  91. entscheiden. Inhaltlich beruht das Urteil jedoch nicht auf der Säumnis der
  92. Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. Senat, Urteil vom 4. April 1962
  93. - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 82).
  94. 6
  95. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten revisionsrechtlicher
  96. Nachprüfung nicht stand.
  97. 7
  98. 1. Rechtsfehlerhaft verneint das Berufungsgericht einen Anspruch der
  99. Klägerin auf Rückzahlung des Kaufpreises von 91.000 € Zug um Zug gegen
  100. Rückgabe und Rückübereignung der Eigentumswohnung gemäß § 812 Abs. 1
  101. Satz 1 Alt. 1 BGB. Die Käufer haben den Kaufpreis ohne Rechtsgrund
  102. geleistet, weil ein Kaufvertrag nicht zustande gekommen ist.
  103. 8
  104. a) Bei der Angebotsannahme durch die Beklagte war die in dem
  105. Kaufangebot bestimmte vierwöchige Bindungsfrist, die sich - regelmäßig und
  106. auch hier - mit der dem Empfänger für die Annahme des Angebots
  107. eingeräumten Frist (§ 148 BGB) deckt, verstrichen; denn die Beklagte hat die
  108. Annahmeerklärung erst nach Ablauf von fast zwei Monaten abgegeben.
  109. 9
  110. b) Die in dem Angebot enthaltene Erklärung, dass nach Ablauf der
  111. vierwöchigen Bindungsfrist nur die Bindung an das Angebot, nicht aber das
  112. 5
  113. Angebot selbst erlöschen solle, führt nicht zu einer Fortgeltung des Angebots,
  114. weil die Klausel gemäß § 308 Nr. 1 BGB unwirksam ist.
  115. 10
  116. aa) Unter Bezugnahme auf die Feststellungen und die rechtliche
  117. Würdigung des Landgerichts sieht das Berufungsgericht die Klausel als von der
  118. Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung an. Dies ist nicht zu
  119. beanstanden, nachdem das Landgericht festgestellt hat, dass der Inhalt des
  120. Kaufangebots von der gewerblich im Grundstückshandel tätigen Beklagten
  121. vorgegeben war und nicht zur Disposition der Käufer stand. Danach unterliegt
  122. die Klausel gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 1 und 2 BGB den Vorschriften über die
  123. richterliche Kontrolle des Inhalts Allgemeiner Geschäftsbedingungen (§§ 307
  124. bis 309 BGB) und wird als Vertragsabschlussklausel von § 308 Nr. 1 BGB
  125. erfasst (vgl. zu Letzterem Senat, Urteile vom 11. Juni 2010 - V ZR 85/09, NJW
  126. 2010, 2873 Rn. 7; vom 7. Juni 2013 - V ZR 10/12, NJW 2013, 3434 Rn. 11 ff.;
  127. vom 27. September 2013 - V ZR 52/12, ZfIR 2014, 51 Rn. 9; vom
  128. 22. November 2013 - V ZR 229/12, juris Rn. 13; vom 17. Januar 2014
  129. - V ZR 5/12, NJW 2014, 857 Rn. 6).
  130. 11
  131. bb) Der Senat hat - allerdings erst nach dem Erlass des angefochtenen
  132. Urteils - entschieden, dass Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen,
  133. nach denen das Angebot des anderen Teils - wie hier - unbefristet fortbesteht
  134. und von dem Verwender jederzeit angenommen werden kann, auch dann mit
  135. § 308 Nr. 1 Halbs. 1 BGB unvereinbar sind, wenn sich der andere Teil durch
  136. einen Widerruf von seinem Angebot lösen kann (näher Senat, Urteil vom
  137. 7. Juni 2013 - V ZR 10/12, NJW 2013, 3434 Rn. 11 ff.).
  138. 12
  139. cc) Danach war das Angebot der Käufer im Zeitpunkt der Annahme
  140. gemäß § 146 BGB erloschen. Anhaltspunkte dafür, dass die Käufer die
  141. verspätete Annahmeerklärung der Beklagten, die gemäß § 150 Abs. 1 BGB als
  142. 6
  143. neues Angebot gilt, angenommen haben, sind nicht ersichtlich. Eine Annahme
  144. durch Schweigen kommt bei beurkundungsbedürftigen Grundstücksgeschäften
  145. nicht in Betracht. Die von dem anderen Teil zur Erfüllung vorgenommenen
  146. Handlungen wie etwa die Kaufpreiszahlung sind grundsätzlich nicht als
  147. schlüssige Annahmeerklärung auszulegen (näher Senat, Urteil vom 11. Juni
  148. 2010 - V ZR 85/09, NJW 2010, 2873 Rn. 16 ff.).
  149. 13
  150. 2. Ob die Klägerin den Rückzahlungsanspruch auch auf § 280 Abs. 1
  151. BGB wegen schuldhafter Verletzung der Pflichten aus einem zwischen den
  152. Kaufvertragsparteien geschlossenen Beratungsvertrag stützen könnte, kann
  153. offenbleiben. Denn über den Bereicherungsanspruch hinausgehende Rechte
  154. könnten sich aus § 280 Abs. 1 BGB im Hinblick auf den nunmehr allein
  155. verfahrensgegenständlichen Rückzahlungsanspruch nicht ergeben.
  156. III.
  157. 14
  158. Danach ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen
  159. (§ 562 Abs. 1 ZPO; § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht im
  160. Sinne von § 563 Abs. 3 ZPO zur Endentscheidung reif. Das Berufungsgericht
  161. hat - von seinem rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen
  162. zu der Höhe des Bereicherungsanspruchs der Klägerin getroffen, insbesondere
  163. im Hinblick auf etwaige Nutzungen bzw. Verwendungen auf die Sache (vgl.
  164. 7
  165. dazu Senat, Urteile vom 17. Januar 2014 - V ZR 5/12, NJW 2014, 857 Rn. 17
  166. und vom 27. September 2013 - V ZR 52/12, ZfIR 2014, 51 Rn. 31 ff. jeweils
  167. mwN).
  168. Stresemann
  169. Lemke
  170. Brückner
  171. Schmidt-Räntsch
  172. Weinland
  173. Vorinstanzen:
  174. LG Berlin, Entscheidung vom 10.02.2011 - 23 O 6/10 KG Berlin, Entscheidung vom 16.10.2012 - 7 U 67/11 -