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9.1 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. V ZR 246/10
  4. vom
  5. 15. September 2011
  6. in dem Rechtsstreit
  7. -2-
  8. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. September 2011 durch
  9. den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und
  10. Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland
  11. beschlossen:
  12. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem
  13. Urteil des 5. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena
  14. vom 16. November 2010 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
  15. Der
  16. Gegenstandswert
  17. des
  18. Beschwerdeverfahrens
  19. beträgt
  20. 800.000 €.
  21. Gründe:
  22. I.
  23. 1
  24. Die Beklagte wollte in B.
  25. K.
  26. Wohngebäude errichten und erhielt
  27. dafür 1959 und 1963 Nutzungsrechte an damals volkseigenen Grundstücken.
  28. Für die Gebäude wurden Gebäudegrundbücher angelegt. Die Stadt verkaufte
  29. 1993 die ehemals volkseigenen Grundstücke an eine Wohnungsbaugenossenschaft C.
  30. e.G. In das dabei neu angelegte Grundbuch-
  31. blatt wurde in der Spalte „Wirtschaftsart und Lage“ die Angabe „GGB 2073“
  32. eingetragen. Eine andere Eintragung zu dem Gebäudeeigentum und dem Nutzungsrecht der Beklagten enthielt das neue Blatt nicht. Mit Bewilligungen vom
  33. 10. Februar 1995, 29. Mai 1997, 11. Januar 1999 und 4. Februar 1999 bestellte
  34. -3-
  35. die Erwerberin verschiedenen Banken Grundschulden über insgesamt rund
  36. 16 Mio. DM. Die ihr am 29. Mai 1997 bewilligte zweitrangige Grundschuld mit
  37. einem Betrag von 1,5 Mio. DM trat die Gläubigerin an die Klägerin ab, die am
  38. 15. November 2004 als neue Gläubigerin in das Grundbuch eingetragen wurde. Diese verlangt Berichtigung des Gebäudegrundbuchs dahin, dass diese
  39. Grundschuld am Grundstück seitdem auch auf dem Gebäudeeigentum lastet.
  40. 2
  41. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat
  42. ihr auf die Berufung der Klägerin stattgegeben. Gegen die Nichtzulassung der
  43. Revision in dem Berufungsurteil wendet sich die Beklagte mit der Beschwerde,
  44. mit welcher sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen
  45. will.
  46. II.
  47. 3
  48. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache wirft keine entscheidungserheblichen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Eine Entscheidung ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 ZPO).
  49. 4
  50. 1. Der rechtliche Ansatz des Berufungsgerichts ist zutreffend.
  51. 5
  52. a) Die Grundschuld lastete bei ihrer Bestellung nur an dem Grundstück,
  53. nicht auch an dem Gebäudeeigentum der Beklagten. Dieses war rechtlich
  54. selbständig. Der Umstand, dass zu diesem Zeitpunkt weder das Nutzungsrecht
  55. noch das Gebäudeeigentum der Beklagten im Grundbuchblatt für das Grundstück eingetragen war, wirkte sich zu diesem Zeitpunkt nicht aus. Der öffentliche Glaube des Grundbuchs für das Grundstück umfasste seinerzeit nicht auch
  56. -4-
  57. das Nichtbestehen von dort nicht gebuchten Nutzungsrechten oder von dort
  58. nicht gebuchtem Gebäudeeigentum.
  59. 6
  60. b) Das änderte sich mit dem Ablauf des 31. Dezember 2000. Wird nämlich nach diesem Zeitpunkt das Grundstück mit einem dinglichen Recht belastet
  61. oder – wie hier – ein solches Recht erworben, so gilt nach Art. 231 § 5 Abs. 4
  62. Satz 1 EGBGB für den Inhaber des Rechts das Gebäude als Bestandteil des
  63. Grundstücks. Das setzt nach Art. 231 § 5 Abs. 4 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 EGBGB
  64. indes voraus, dass das Nutzungsrecht oder das Gebäudeeigentum nicht in
  65. dem Grundbuch für das Grundstück eingetragen ist und dem Erwerber das
  66. nicht eingetragene Gebäudeeigentum oder Nutzungsrecht nicht bekannt war.
  67. Das führt dazu, dass ein nicht im Grundbuch für das Grundstück gebuchtes
  68. Gebäudeeigentum durch die Abtretung von Grundpfandrechten nach dem
  69. 31. Dezember 2000 an einen gutgläubigen Erwerber „nachbelastet“ werden
  70. kann.
  71. 7
  72. 2. Diesen rechtlichen Ausgangspunkt stellt die Beklagte nicht in Frage.
  73. Sie meint, das Berufungsgericht sei in zulassungsbegründend fehlerhafter
  74. Weise zu dem Ergebnis gelangt, das Gebäudeeigentum sei nicht im Grundbuch für das Grundstück eingetragen gewesen. Das trifft nicht zu.
  75. 8
  76. a) Das Gebäudeeigentum der Beklagten ist auf Grund eines Nutzungsrechts entstanden und hätte nach § 5 GGV im Grundbuch des Grundstücks
  77. unter Eintragung des Nutzungsrechts in dessen zweiter Abteilung gebucht
  78. werden müssen. Das war bei Erwerb der Grundschuld durch die Klägerin nicht
  79. der Fall. Im Sinne von Art. 231 § 5 Abs. 4 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 EGBGB nicht
  80. eingetragen ist das Gebäudeeigentum allerdings, worauf die Beklagte zu Recht
  81. hinweist, indessen nicht schon dann, wenn es an der vorgesehenen Bu-
  82. -5-
  83. chungsstelle auf dem Grundbuchblatt nicht eingetragen ist, sondern erst dann,
  84. wenn es auch nicht an anderer Stelle auf dem Blatt nicht eingetragen ist (vgl.
  85. BayObLG, BayObLGZ 1995, 413, 417 f.). Das hat das Berufungsgericht aber
  86. entgegen der Ansicht der Beklagten keineswegs verkannt. Es hat sich vielmehr
  87. gerade deshalb mit der Eintragung „GGB 2073“ im Bestandsverzeichnis des
  88. Grundbuchblatts des Grundstücks überhaupt befasst und geprüft, ob diese Angabe als Eintragung des Nutzungsrechts oder des Gebäudeeigentums angesehen werden kann.
  89. 9
  90. b) Diese Frage hat es ohne, jedenfalls ohne zulassungsbegründenden
  91. Rechtsfehler verneint.
  92. 10
  93. aa) Für den Ausschluss einer gutgläubigen Nachbelastung des Gebäudeeigentums nach Art. 231 § 5 Abs. 4 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 EGBGB wäre es
  94. zwar unerheblich, wenn das Gebäudeeigentum der Beklagten an der (falschen)
  95. Buchungsstelle nicht so eingetragen gewesen wäre, wie es § 5 Abs. 1 GGV
  96. verlangt, also etwa statt des Nutzungsrechts wie bei nutzungsrechtslosem Gebäudeeigentum nach § 6 GGV das Gebäudeeigentum selbst eingetragen worden wäre. Aus der falsch plazierten Eintragung müssen aber, worauf das Berufungsgericht zu Recht abgestellt hat, Art und Inhalt des Rechts hervorgehen.
  97. Daran fehlt es hier.
  98. 11
  99. bb) Die Abkürzung lässt weder erkennen, dass überhaupt ein Recht eingetragen werden soll, noch, ob es sich dabei um ein Nutzungsrecht oder ein
  100. nutzungsrechtloses Gebäudeeigentum handeln soll. Daran änderte es nichts,
  101. wenn die Buchung des Nutzungsrechts von nutzungsrechtsbewehrtem Gebäudeeigentum mit diesem Kürzel seinerzeit tatsächlich, wie die Beklagte behauptet hat, üblich gewesen sein sollte.
  102. -6-
  103. 12
  104. cc) Dass das so war, hat die Beklagte zudem nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Die vor dem 3. Oktober 1990 geltenden Vorschriften über die
  105. Eintragung von nutzungsrechtsbewehrtem Gebäudeeigentum auf dem Grundbuchblatt für das Grundstück sind in der DDR zwar nicht selten außer Acht gelassen worden. Hier liegt der Fehler aber nicht in der Buchung des Nutzungsrechts vor dem 3. Oktober 1990, sondern darin, dass das Nutzungsrecht weder
  106. bei der Anlegung des neuen Grundbuchblatts für das verkaufte Grundstück im
  107. Jahr 1993 nach der gemäß § 150 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 GBO fortgeltenden Regelung in Nr. 18 Abs. 2 der Colido-Grundbuchanweisung (abgedruckt bei Fieberg/Reichenbach, Enteignung und offene Vermögensfragen, 2. Aufl., Bd. 3 Nr.
  108. 4.14.1) in dessen zweite Abteilung übernommen noch bei der Eintragung der
  109. Grundpfandrechte in den Jahren 1995, 1997 und 1999 gemäß § 5 Abs. 1 Satz
  110. 2 GGV von Amts wegen nachträglich eingetragen worden ist. Anhaltspunkte
  111. dafür, dass diese Vorschriften im Grundbuchbezirk B.
  112. K.
  113. auch zu den
  114. genannten Zeitpunkten üblicherweise missachtet worden wären, hat die Beklagte nicht vorgetragen.
  115. 13
  116. 3. Ohne, jedenfalls ohne zulassungsbegründende Rechtsfehler hat das
  117. Berufungsgericht auch die anderweitige Kenntnis der Klägerin von dem Gebäudeeigentum (oder dem Nutzungsrecht) der Beklagten verneint. Die Beklagte leitet die Kenntnis der Klägerin aus einer Gesamtwürdigung des Inhalts der
  118. Grundschuldbestellungsurkunde, der Eigenschaft der Klägerin als „Immobilienprofi“ und des Kürzels ab. Mit diesen Gesichtspunkten hat sich das Berufungsgericht befasst. Seine Würdigung lässt (zulassungsbegründende) Rechtsfehler
  119. nicht erkennen und wirft entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht die
  120. grundsätzlich klärungsbedürftige Frage nach den Anforderungen an den
  121. Nachweis der Kenntnis auf. Das Kürzel im Bestandsverzeichnis mag einem
  122. -7-
  123. „Immobilienprofi“ Anlass zu Nachforschungen geben, vermittelt aber auch ihm
  124. nicht die nach § 892 BGB erforderliche Kenntnis von der wahren Rechtslage.
  125. Die in der Grundbuchbestellungsurkunde enthaltenen – nicht ausgefüllten –
  126. Vorratsklauseln besagen über das Bestehen oder Nichtbestehen von Gebäudeeigentum nichts.
  127. 14
  128. 4. Ob die Beklagte ohne Einschränkungen zu der Abgabe der Bewilligung hätte verurteilt werden dürfen, ist allerdings nicht frei von Zweifeln. Der
  129. Grundschuld der Klägerin an dem Gebäudeeigentum der Beklagten dürfte
  130. nämlich ein Teil des erstrangigen Grundpfandrechts an dem Grundstück in Höhe von 150.000 DM vorgehen, der vorher abgetreten und mit dem das Gebäudeeigentum der Beklagten vorher erstrangig gutgläubig nachbelastet worden
  131. sein dürfte. Das bedarf keiner Entscheidung, weil die Beklagte diesen Gesichtspunkt nicht geltend gemacht hat.
  132. III.
  133. 15
  134. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
  135. Krüger
  136. Lemke
  137. Brückner
  138. Schmidt-Räntsch
  139. Weinland
  140. Vorinstanzen:
  141. LG Gera, Entscheidung vom 12.03.2010 - 3 O 735/09 OLG Jena, Entscheidung vom 16.11.2010 - 5 U 344/10 -