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451 lines
24 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. V ZR 133/14
  5. Verkündet am:
  6. 27. Februar 2015
  7. Langendörfer-Kunz
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 438 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b
  19. a) Ansprüche nach §§ 440, 326 BGB a. F. wegen Rechtsmängeln der verkauften
  20. Sache verjähren nach dem 1. Januar 2002 gemäß § 438 Abs. 1 und 2 BGB.
  21. b) Die Verjährungsfrist von 30 Jahren gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b BGB
  22. gilt entsprechend, wenn der Rechtsmangel in einem sonstigen dinglichen Recht
  23. besteht, das ohne Eintragung in das Grundbuch entstanden und (vorübergehend)
  24. gegen einen gutgläubig lastenfreien Erwerb geschützt ist.
  25. BGH, Urteil vom 27. Februar 2015 - V ZR 133/14 - LG Meiningen
  26. AG Sonneberg
  27. -2-
  28. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  29. vom 27. Februar 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die
  30. Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Brückner und die Richter
  31. Dr. Kazele und Dr. Göbel
  32. für Recht erkannt:
  33. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 3. Zivilkammer
  34. des Landgerichts Meiningen vom 14. Mai 2014 aufgehoben.
  35. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  36. über die Kosten des Revisionsverfahrens an das Berufungsgericht
  37. zurückverwiesen.
  38. Von Rechts wegen
  39. Tatbestand:
  40. 1
  41. Mit notariellem Vertrag vom 28. April 1997 kaufte die Klägerin von der
  42. Beklagten mehrere mit Wohnhäusern bebaute Grundstücke in Thüringen. Nach
  43. dem Vertrag „haftet [der Verkäufer] für ungehinderten Besitz- und Eigentumsübergang sowie für Freiheit von allen Lasten und Beschränkungen, soweit diese in [dem Vertrag] nicht ausdrücklich vom Käufer übernommen wurden“, nicht
  44. jedoch „für das Nichtbestehen altrechtlicher Dienstbarkeiten“. Besitz, Nutzungen und Lasten gingen im Jahr 1997 auf die Klägerin über. Am
  45. 5. Dezember 2011 erhielt die Klägerin von dem Grundbuchamt eine Eintragungsnachricht, der zufolge in die Grundbücher der erworbenen Grundstücke
  46. ein Abwasserleitungsrecht nebst Schutzstreifen in Form einer beschränkten
  47. -3-
  48. persönlichen Dienstbarkeit zugunsten des örtlichen Zweckverbands für Wasserversorgung und Abwasserbehandlung nach § 9 GBBerG eingetragen worden sei. Die Klägerin forderte die Beklagte vergeblich zur Abtretung der Entschädigungsansprüche nach § 9 Abs. 3 GBBerG auf und verlangt von ihr mit
  49. der am 4. März 2013 eingegangenen Klage die Abtretung der Entschädigungsansprüche und Ersatz vorgerichtlicher Kosten sowie hilfsweise Auskunft über
  50. die Höhe der erhaltenen Ausgleichszahlung und Schadensersatz.
  51. 2
  52. Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem
  53. Landgericht zugelassenen Revision strebt die Klägerin weiterhin die Verurteilung der Beklagten an. Diese beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
  54. Entscheidungsgründe:
  55. I.
  56. 3
  57. Das Berufungsgericht geht davon aus, dass der Klägerin Ansprüche auf
  58. Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach §§ 440, 326 BGB a.F. und aus
  59. § 281 BGB a.F. zustehen, weil die verkauften Grundstücke mit dem Abwasserleitungsrecht zugunsten des Zweckverbands belastet sind. Diese Ansprüche
  60. seien aber verjährt. Sie unterlägen ab dem 1. Januar 2002 der regelmäßigen
  61. Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 BGB. Diese Frist ende gemäß § 199 Abs. 3
  62. Nr. 1 BGB, Art. 229 § 6 Abs. 3 EGBGB spätestens nach zehn Jahren, also am
  63. 31. Dezember 2011, und sei bei Klageerhebung abgelaufen gewesen. Anders
  64. als die Klägerin meine, sei auf den Anspruch nicht die Verjährungsfrist von
  65. 30 Jahren nach § 438 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b BGB anzuwenden. Diese Vorschrift betreffe nur dingliche Rechte, die bei Gefahrübergang im Grundbuch
  66. -4-
  67. eingetragen seien. Dazu gehöre das Abwasserleitungsrecht, um das es hier
  68. gehe, nicht.
  69. II.
  70. 4
  71. Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung im entscheidenden
  72. Punkt nicht stand.
  73. 5
  74. 1. Im Ergebnis zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Nach den im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Feststellungen kann die Klägerin zwar weder Abtretung des Entschädigungsanspruchs
  75. gemäß § 9 Abs. 3 GBBerG noch Auskunft über etwaige Zahlungen des Zweckverbands auf diesen Anspruch, wohl aber Schadenersatz wegen Nichterfüllung
  76. verlangen.
  77. 6
  78. a) Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 440
  79. Abs. 1, § 326 BGB a.F. Die Klägerin hat die Grundstücke nach dem Vertrag
  80. lastenfrei erworben. Sie waren aber mit dem auf Grund von § 9 Abs. 1 und 9
  81. GBBerG, § 1 SachenR-DV kraft Gesetzes entstandenen Abwasserleitungsrecht
  82. des Zweckverbands belastet. Eine solche Belastung ist ein Rechtsmangel (vgl.
  83. Senat, Urteil vom 19. November 1999 - V ZR 321/98, NJW 2000, 803 f.). Den
  84. dadurch entstandenen Schaden hat die Beklagte der Klägerin zu ersetzen.
  85. 7
  86. b) Die Beklagte ist aber nicht verpflichtet, der Klägerin den Entschädigungsanspruch nach § 9 Abs. 3 GBBerG abzutreten.
  87. 8
  88. aa) Sie ist allerdings Inhaberin dieses Anspruchs. Dieser steht nach § 9
  89. Abs. 3 Satz 1 GBBerG dem Eigentümer des belasteten Grundstücks zu. Das ist
  90. derjenige, dem das Grundstück bei Entstehen der Dienstbarkeit gehört (dazu
  91. -5-
  92. Senat, Urteil vom 7. November 2014 - V ZR 250/13, ZfIR 2015, 107 Rn. 9 ff.).
  93. Entstanden
  94. ist
  95. das
  96. Abwasserleitungsrecht
  97. des
  98. Zweckverbands
  99. am
  100. 11. Januar 1995 (vgl. § 9 Abs. 1 und 9 GBBerG, §§ 1, 14 SachenR-DV). Eigentümerin war seinerzeit die Beklagte.
  101. 9
  102. bb) Der Anspruch muss jedoch nicht an die Klägerin abgetreten werden.
  103. 10
  104. (1) Eine Verpflichtung zur Abtretung des Anspruchs nach § 9 Abs. 3
  105. GBBerG kann sich im Wege der ergänzenden Auslegung des Kaufvertrags
  106. oder seiner Anpassung infolge Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313
  107. Abs. 1 und 2 BGB ergeben (Senat, Urteil vom 7. November 2014
  108. - V ZR 250/13, ZfIR 2015, 107 Rn. 18). Das setzt indes voraus, dass der Vertrag ohne eine solche Abtretung lückenhaft wäre. Daran fehlt es, wenn dem
  109. Käufer – wie hier – wegen der Dienstbarkeiten ohnehin vertragliche Ansprüche
  110. zustehen.
  111. 11
  112. (2) Aus § 281 BGB a.F. lässt sich, was die Beklagte zu Recht einwendet,
  113. ein Abtretungsanspruch ebenfalls nicht ableiten. Diese Vorschrift ist nicht anwendbar, wenn – wie hier - ein Rechtsmangel bei Abschluss des Kaufvertrags
  114. besteht und es nicht gelingt, ihn im Rahmen der Erfüllung des Vertrags zu beheben (Senat, Urteil vom 13. Februar 2004 – V ZR 225/03, NJW 2004, 1873,
  115. 1874).
  116. 12
  117. (3) Auch der Schadensersatzanspruch scheidet als Grundlage eines Anspruchs auf Abtretung des Entschädigungsanspruchs aus. Der Schaden, den
  118. die Beklagte der Klägerin zu ersetzen hat, besteht in der Belastung der gekauften Grundstücke mit dem Abwasserleitungsrecht, nicht in der Vorenthaltung des
  119. Entschädigungsanspruchs. Daran ändert es nichts, dass der Entschädigungs-
  120. -6-
  121. anspruch gemäß § 9 Abs. 3 GBBerG nach der Beeinträchtigung des Grundstücks zu bemessen ist. Diese Übereinstimmung in der Berechnung führt nicht
  122. dazu, dass der eingetretene Schaden durch die Abtretung des Anspruchs nach
  123. § 249 BGB in Natur ausgeglichen werden könnte. Das zeigt sich beispielsweise
  124. darin, dass die Fälligkeit des Entschädigungsanspruchs nach § 9 Abs. 3 Satz 3
  125. GBBerG weit hinausgeschoben war, was bei der Berechnung des durch die
  126. Belastung der Grundstücke mit dem Leitungsrecht entstandenen Schadens
  127. nicht zu berücksichtigen ist.
  128. 13
  129. c) Aus den vorgenannten Gründen kann die Klägerin von der Beklagten
  130. auch nicht Auskunft über die auf den Entschädigungsanspruch geleisteten Zahlungen verlangen. Diese Zahlungen können zwar - wegen der Ausrichtung der
  131. Entschädigung an der Beeinträchtigung des Eigentums - tatsächliche Anhaltspunkte dafür geben, wie der Schaden zu berechnen ist, der der Klägerin entstanden ist. Für die Berechnung des Schadens kommt es aber nicht darauf an,
  132. was der Zweckverband der Beklagten auf Grund von § 9 GBBerG gezahlt, sondern darauf, welche Einbuße die Klägerin durch die Dienstbarkeiten erlitten hat.
  133. Diese bestimmt sich nach dem Umfang des entstandenen Rechts, nicht nach
  134. einer hierüber etwa erteilten Anlagen- und Leitungsbescheinigung gemäß § 7
  135. SachenR-DV (Senat, Urteil vom 9. Mai 2014 – V ZR 176/13, NJW 2014, 2959
  136. Rn. 8).
  137. 14
  138. 2. Anders als das Berufungsgericht meint, ist der Anspruch der Klägerin
  139. auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung nicht verjährt.
  140. 15
  141. a) Der Anspruch verjährt in einer Frist von 30 Jahren.
  142. -7-
  143. 16
  144. aa) Er unterlag bis zum Ablauf des 31. Dezember 2001 der regelmäßigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB a.F. von seinerzeit 30 Jahren. Seit dem 1.
  145. Januar 2002 verjährt er gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB in der Frist,
  146. welche das geltende Recht für Ansprüche vorsieht, die inhaltlich dem altrechtlichen Anspruch entsprechen. Das ist weder die regelmäßige noch die Verjährungsfrist des § 196 BGB für Ansprüche auf Verschaffung oder Aufhebung dinglicher Rechte an einem Grundstück und auf die Gegenleistung, sondern die in
  147. § 438 Abs. 1 BGB bestimmte Verjährungsfrist für die Mängelansprüche nach
  148. § 437 Nr. 1 und 3 BGB. Die Vorschrift des § 440 Abs. 1 BGB a.F. regelt, soweit
  149. hier von Interesse, die Haftung des Verkäufers auf Schadensersatz wegen
  150. Nichterfüllung auf Grund von Rechtsmängeln. Solche Ansprüche unterliegen
  151. nach geltendem Recht weder der für den ursprünglichen Erfüllungsanspruch
  152. vorgesehenen Verjährungsfrist gemäß § 196 BGB noch der Verjährungsfrist,
  153. die für den dem Schadensersatz wegen Nichterfüllung entsprechenden Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 280 Abs. 1 und 3, § 281
  154. BGB gilt (je nach Gegenstand §§ 195, 199 BGB oder § 196 BGB). Sie unterliegen ebenso wie der Anspruch auf Nacherfüllung, in den sich der Erfüllungsanspruch mit der mangelhaften Lieferung umwandelt, der Verjährungsfrist des
  155. § 438 Abs. 1 BGB. Dass die Vorschrift des § 440 Abs. 1 BGB a.F. auf bestimmte Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts, nämlich die Vorschriften der §§ 320 bis 327 BGB a.F., verweist, ändert daran entgegen der von der
  156. Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Ansicht
  157. nichts. Das ist nämlich bei dem Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung
  158. wegen eines Rechtsmangels nach geltendem Recht nicht anders (vgl. § 437 Nr.
  159. 3 BGB).
  160. 17
  161. bb) Die Verjährungsfrist für Ansprüche wegen eines Rechtsmangels beträgt nach § 438 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b BGB 30 Jahre, wenn der Mangel in
  162. -8-
  163. einem „sonstigen Recht, das im Grundbuch eingetragen ist, besteht“. Diese
  164. Frist gilt für den Schadensersatzanspruch der Klägerin.
  165. 18
  166. (1) Unmittelbar anwendbar ist sie allerdings nicht. Sie erfasst nach ihrem
  167. Wortlaut Mängelansprüche nur, wenn der Mangel in einem sonstigen Recht
  168. besteht, das bei Verjährungsbeginn im Grundbuch eingetragen ist. Daran fehlt
  169. es hier. Zu dem nach § 438 Abs. 2 BGB für den Verjährungsbeginn maßgeblichen Zeitpunkt der Übergabe des Grundstücks war das Recht zwar entstanden,
  170. aber nicht im Grundbuch eingetragen.
  171. 19
  172. (2) Auf solche Rechte ist die Vorschrift indessen entsprechend anzuwenden. Sie weist eine planwidrige Lücke auf, die plangemäß nur durch die entsprechende Anwendung der Vorschrift auf außerhalb des Grundbuchs entstandene, gegen den gutgläubig lastenfreien Erwerb geschützte dingliche Rechte zu
  173. schließen ist.
  174. 20
  175. (a) Die Anordnung einer Verjährungsfrist von 30 Jahren in § 438 Abs. 1
  176. Nr. 1 BGB soll sicherstellen, dass der Käufer bei einem vollständigen oder teilweisen Rechtsverlust auf Grund von Rechtsmängeln bei dem Verkäufer Rückgriff nehmen kann. Das ist mit der in § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB für den Regelfall
  177. vorgesehenen Verjährungsfrist für Mängelrechte von zwei Jahren nicht zu erreichen. Der Käufer müsste nämlich 30 Jahre lang mit dem Verlust der Kaufsache
  178. an einen Dritten rechnen, der aufgrund eines dinglichen Rechts die Herausgabe
  179. der Kaufsache verlangen kann. Denn dessen Herausgabeanspruch verjährt
  180. nach § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB in dieser Frist. Er selbst könnte demgegenüber
  181. aber ohne die Regelung in § 438 Abs. 1 Nr. 1 BGB nur für die Dauer von zwei
  182. Jahren ab Übergabe Rückgriff nehmen. Um diese sog. Eviktionsfalle zu vermeiden, war schon in dem Gesetzentwurf eine dem heutigen § 438 Abs. 1 Nr. 1
  183. -9-
  184. Buchstabe a BGB entsprechende Sonderregelung vorgesehen (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 14/6040 S. 227). Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens hat der Gesetzgeber erkannt, dass eine vergleichbare „Gewährleistungsfalle“ auch bei anderen Rechten an Grundstücken bestehen kann.
  185. Gedacht hat er an den eher seltenen Fall, dass zwischen der Beurkundung des
  186. Kaufvertrags und der Übergabe des Grundstücks ein Recht an dem Grundstück
  187. zur Eintragung gelangt, etwa weil ein schwebender Eintragungsantrag bei der
  188. Einsicht in das Verzeichnis unerledigter Anträge (sog. Markentabelle) übersehen oder weil nach der Beurkundung ein neuer Eintragungsantrag gestellt wurde. In solchen Fällen rechtfertigt der Gesetzgeber die Anwendung der Verjährungsfrist von 30 Jahren damit, dass diese Rechte den Käufer genauso beeinträchtigten wie auf Herausgabe gerichtete dingliche Rechte, dass der Käufer
  189. von dem Entstehen solcher Rechte nicht unterrichtet werde und dass er später
  190. oft lange Zeit nichts von dem Recht erfahre (vgl. Beschlussempfehlung in BTDrucks. 14/7052 S. 196).
  191. 21
  192. (b) Übersehen hat der Gesetzgeber, dass das gleiche Problem bei außerhalb des Grundbuchs entstandenen nicht eingetragenen Rechten besteht,
  193. die gegen einen gutgläubig lastenfreien Erwerb geschützt sind. Ihr Vorhandensein kann der Käufer in aller Regel noch weniger erkennen als Rechte, die nach
  194. der Beurkundung des Kaufvertrags zur Eintragung gelangen. Ein effektiver
  195. Rückgriff des Käufers gegenüber dem Verkäufer wäre bei dem Eintritt eines
  196. teilweisen Rechtsverlusts auf Grund solcher Rechte genauso wenig sichergestellt wie bei den eingetragenen Rechten, wenn für seine Mängelansprüche die
  197. kurze Verjährungsfrist von zwei Jahren nach § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB gälte. Ein
  198. sachlicher Grund, dem Käufer einen effektiven Rückgriff gegen den Verkäufer
  199. bei solchen Rechten zu versagen, ist nicht erkennbar.
  200. - 10 -
  201. 22
  202. (c) Die Regelung führte ohne eine entsprechende Anwendung auf solche
  203. Rechte auch zu vom Zufall bestimmten, widersprüchlichen Ergebnissen. Nicht
  204. eingetragene dingliche Rechte können jederzeit in das Grundbuch eingetragen
  205. werden. Das gilt für dingliche Rechte aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des
  206. Bürgerlichen Gesetzbuchs am 1. Januar 1900 und seinem Wiederinkrafttreten
  207. in den neuen Bundesländern am 3. Oktober 1990 ebenso wie für die mit § 9
  208. Abs. 1, 9 und 11 GBBerG, §§ 11, 14 SachenR-DV gesetzlich begründeten
  209. Dienstbarkeiten (vgl. Art. 187 Abs. 1 Satz 2, Art. 233 § 4 Abs. 1 Sätze 2 und 3,
  210. § 5 Abs. 3 Satz 1 EGBGB einerseits und § 9 Abs. 5 GBBerG, §§ 8, 9 SachenRDV andererseits). Weshalb dem Käufer der Rückgriff nur erhalten werden soll,
  211. wenn diese zufällig zwischen dem Abschluss des Kaufvertrags und der Übergabe des Grundstücks an den Käufer zur Eintragung gelangen, bei späterer
  212. Eintragung aber nicht, erschließt sich nicht. Diese Unterscheidung wäre umso
  213. unverständlicher, als die Vorschrift nach ihrem Wortlaut Mängelansprüche des
  214. Käufers auch erfasst, wenn der Mangel in dem Fortbestand eines schon bei
  215. Abschluss des Kaufvertrags eingetragenen sonstigen dinglichen Rechts besteht, das der Verkäufer nach dem Vertrag zur Löschung bringen sollte, aber
  216. bis zur Übergabe nicht zur Löschung hat bringen können. In solchen Fällen bedürfte der Käufer des Schutzes der Verjährungsfrist von 30 Jahren nicht, den er
  217. aber dennoch genießt. Er könnte sich gegen einen Rechtsverlust besser schützen als bei dinglichen Rechten, die - wie hier - außerhalb des Grundbuchs entstanden, nicht eingetragen und (vorübergehend) gegen einen gutgläubig lastenfreien Erwerb geschützt sind und bei denen er auf den Schutz einer langen Verjährungsfrist tatsächlich angewiesen ist.
  218. 23
  219. (d) Das mit § 438 Abs. 1 Nr. 1 BGB verfolgte Regelungsziel lässt sich nur
  220. erreichen, wenn Mängelansprüche auch dann in 30 Jahren verjähren, wenn der
  221. Mangel in einem außerhalb des Grundbuchs entstandenen, nicht eingetragenen
  222. - 11 -
  223. und gegen einen gutgläubig lastenfreien Erwerb geschützten dinglichen Recht
  224. besteht.
  225. 24
  226. b) Diese Frist begann, weil sie nicht kürzer ist als die bisherige, gemäß
  227. Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 EGBGB, § 198 Satz 1 BGB a.F. mit dem
  228. Entstehen des Schadensersatzanspruchs. Das ist hier der Zeitpunkt, in dem
  229. feststand, dass die Beklagte den Rechtsmangel nicht mehr würde beseitigen
  230. können und deshalb eine Fristsetzung entbehrlich wurde (vgl. Senat, Urteil vom
  231. 19. November 1999 - V ZR 321/98, NJW 2000, 803, 804). Dieser Zeitpunkt ist
  232. hier nicht festgestellt, muss aber auch nicht festgestellt werden. Denn die Verjährung konnte nicht vor dem Abschluss des Vertrags am 28. April 1997 beginnen und war bei Einreichung der vorliegenden Klage am 4. März 2013 noch
  233. nicht abgelaufen.
  234. 25
  235. 3. Die Klageabweisung ist entgegen der Ansicht der Beklagten nach den
  236. für das Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Feststellungen auch nicht
  237. aus einem anderen Grund gerechtfertigt.
  238. 26
  239. a) Die Parteien haben zwar vereinbart, dass die Beklagte nicht für das
  240. Nichtbestehen „altrechtlicher Dienstbarkeiten“ einzustehen hat. Mit diesem Haftungsausschluss hat sich das Berufungsgericht nicht befasst. Er könnte im Revisionsverfahren deshalb nur berücksichtigt werden, wenn die Vertragsurkunde
  241. eindeutig wäre und eine weitere Sachaufklärung die Feststellung zusätzlicher
  242. für die Auslegung relevanter Umstände nicht erwarten ließe (vgl. Senat, Urteil
  243. vom 15. Juni 2012 – V ZR 198/11, BGHZ 193, 326 Rn. 12). Daran fehlt es hier.
  244. Dass die Haftung der Beklagten für das Nichtbestehen von Dienstbarkeiten wie
  245. derjenigen zugunsten des Zweckverbands mit der genannten Regelung ausge-
  246. - 12 -
  247. schlossen werden sollte, ist zweifelhaft. Nach dem Text der Urkunde und dem
  248. bislang erkennbar gewordenen Zweck der Regelung ist das nicht der Fall.
  249. 27
  250. b) Ein Haftungsausschluss, der von der gesetzlichen Regelung abweicht,
  251. die die beiderseitigen Interessen angemessen gewichtet, ist im Zweifel eng
  252. auszulegen (Senat, Urteile vom 24. Januar 2003 - V ZR 248/02, NJW 2003,
  253. 1316, 1317 und vom 5. November 2010 - V ZR 228/09, NJW 2011, 1217
  254. Rn. 17). Danach erfasst die angeführte Regelung Dienstbarkeiten nach § 9
  255. GBBerG und § 1 SachenR-DV nicht.
  256. 28
  257. aa) Altrechtlich ist eine Dienstbarkeit nach dem Wortsinn, wenn sie nach
  258. einem nicht mehr geltenden und damit „alten“ Recht begründet worden ist. Zu
  259. diesen alten Rechten gehören die vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs am 1. Januar 1900 geltenden Partikularrechte und das bis zum
  260. 2. Oktober 1990 geltende Recht der DDR. Nach geltendem Recht entstandene
  261. Dienstbarkeiten sind dagegen keine altrechtlichen Dienstbarkeiten. Das gilt insbesondere für die am 11. Januar 1995 und damit nur etwas mehr als zwei Jahre
  262. vor dem Abschluss des Kaufvertrags entstandenen Dienstbarkeiten für wasserwirtschaftliche Leitungen und Anlagen, um die es hier geht.
  263. 29
  264. bb) Daran ändert der Umstand, dass sie durch Gesetz begründet worden
  265. und nicht eingetragen sind, nichts. Das Motiv der Parteien für den Ausschluss
  266. der Rechtsmängelhaftung für altrechtliche Dienstbarkeiten mag der Umstand
  267. sein, dass diese Rechte oft nicht im Grundbuch eingetragen sind und - vorbehaltlich abweichender landesrechtlicher Regelung - gegen einen gutgläubig lastenfreien Erwerb geschützt sind (vgl. Art. 187 Abs. 1 EGBGB). Die Parteien haben aber gerade nicht auf die fehlende Eintragung, sondern auf die Bestellung
  268. unter einem nicht mehr geltenden Recht abgestellt.
  269. - 13 -
  270. 30
  271. cc) Solchen Rechten können die mit § 9 Abs. 1, 9 und 11 GBBerG, §§ 1,
  272. 14 SachenR-DV begründeten Dienstbarkeiten auch nicht gleich gestellt werden.
  273. Sie sichern zwar eine Mitbenutzung fremder Grundstücke nachträglich ab, die
  274. vor dem 3. Oktober 1990 in der DDR bestanden hat. Sie sind aber gerade deshalb begründet worden, weil die bei dem Wirksamwerden des Beitritts am
  275. 3. Oktober 1990 vorübergehend aufrechterhaltenen Mitbenutzungsrechte bis zu
  276. ihrem Wegfall wegen der Vielzahl der Fälle nicht auf rechtsgeschäftlichem Wege durch Dienstbarkeiten würden ersetzt werden können und weil sehr viele
  277. Leitungen und Anlagen gar nicht durch Mitbenutzungsrechte abgesichert waren
  278. (Begründung der Regelung in BT-Drucks. 12/6228 S. 74 f.). An den ehemals
  279. volkseigenen Grundstücken war eine solche Absicherung rechtlich auch nicht
  280. möglich (Senat, Urteile vom 14. November 2003 - V ZR 72/03, WM 2004, 1394,
  281. 1395 f. und vom 23. Januar 2015 - V ZR 318/13, juris Rn. 31). Hinzu kommt,
  282. dass mit den Dienstbarkeiten gleichzeitig ein Entschädigungsanspruch begründet wurde, der demjenigen zusteht, dem das Grundstück bei deren Entstehen
  283. gehört (Senat, Urteil vom 7. November 2014 - V ZR 250/13, ZfIR 2015, 107
  284. Rn. 9). Ein schlichter Haftungsausschluss ohne Regelung zu dem Entschädigungsanspruch liegt deshalb, anders als bei altrechtlichen Dienstbarkeiten,
  285. eher fern.
  286. III.
  287. 31
  288. Das Berufungsurteil kann keinen Bestand haben. Die Sache ist mangels
  289. der erforderlichen Feststellungen nicht entscheidungsreif. Sie ist deshalb zur
  290. neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dafür weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
  291. - 14 -
  292. 32
  293. 1. a) Ein Anspruch auf Schadensersatz bestünde nach § 439 BGB a.F.
  294. nicht, wenn die Klägerin den Rechtsmangel gekannt haben sollte. Kenntnis erfordert positive Gewissheit. Anders als nach dem geltenden § 442 Abs. 1 Satz 2
  295. BGB genügt (grob) fahrlässige Unkenntnis nicht. Die Kenntnis der Klägerin
  296. kann deshalb nicht damit begründet werden, dass Käufer von Grundstücken im
  297. Beitrittsgebiet allgemein mit dem Vorhandensein nicht eingetragener dinglicher
  298. Rechte rechnen mussten. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der
  299. Beklagten auch nicht aus dem Urteil des Senats vom 7. November 2014 (V ZR
  300. 250/13, ZfIR 2015, 107 Rn. 18). Mit dem angeführten Argument hat der Senat
  301. darin nicht die Kenntnis des Käufers von einem konkreten Recht begründet,
  302. sondern lediglich die Zuordnung des Entschädigungsanspruchs nach § 9 Abs. 3
  303. GBBerG an denjenigen gerechtfertigt, der bei Begründung der Dienstbarkeit
  304. Eigentümer des belasteten Grundstücks war.
  305. 33
  306. b) Kenntnis ist ferner nicht schon gegeben, wenn der Käufer Kenntnis
  307. von Anknüpfungstatsachen - hier etwa dem Vorhandensein von Kanaldeckeln
  308. oder Anlagen, die auf Abwasserleitungen hindeuten - hatte. Es muss vielmehr
  309. hinzukommen, dass er auch die rechtlichen Folgen solcher ihm bekannter Tatsachen kennt (BGH, Urteil vom 29. Mai 1954 – II ZR 163/53, BGHZ 13, 341,
  310. 345). Dabei wäre hier zu berücksichtigen, dass die Dienstbarkeiten nicht schon
  311. durch § 9 GBBerG begründet worden sind, sondern erst mit dem Inkrafttreten
  312. von § 1 Satz 1 SachenR-DV, durch den § 9 GBBerG auf die in § 9 Abs. 9 Nr. 1
  313. GBBerG bezeichneten Abwasserentsorgungsleitungen und -anlagen erstreckt
  314. wurde. Mit dieser Erstreckung sind Dienstbarkeiten nicht zur Absicherung jeder
  315. Abwasserleitung, sondern nur für Abwasserleitungen und Anlagen zur Fortleitung von Abwasser begründet worden, die zur öffentlichen Abwasserentsorgung gehören. Keineswegs eindeutig sind schließlich Lage und Umfang solcher
  316. - 15 -
  317. Rechte (vgl. zum Schutzstreifen bei Wasserleitungen: Senat, Urteil vom
  318. 9. Mai 2014 - V ZR 176/13, NJW 2014, 2959 Rn. 13).
  319. 34
  320. 2. Für die Auslegung des Haftungsausschlusses kann zwar auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände zurückgegriffen werden (vgl. Senat, Urteil
  321. vom 5. Juli 2002 - V ZR 143/01, NJW 2002, 3164 f.). An dem aufgezeigten
  322. Grundsatz, dass ein Haftungsausschluss im Zweifel eng auszulegen ist, ändert
  323. das aber nichts.
  324. Stresemann
  325. Schmidt-Räntsch
  326. Kazele
  327. Brückner
  328. Göbel
  329. Vorinstanzen:
  330. AG Sonneberg, Entscheidung vom 05.12.2013 - 3 C 83/13 LG Meiningen, Entscheidung vom 14.05.2014 - 3 S 5/14 (3) -