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252 lines
12 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. V ZR 131/11
  5. Verkündet am:
  6. 9. Dezember 2011
  7. Lesniak
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 212 Abs. 1 Nr. 1; ZVG § 152 Abs. 1, § 155 Abs. 1, § 156 Abs. 1 Satz 2
  19. a) Zahlungen, die der Zwangsverwalter in Erfüllung der ihm durch § 152 Abs. 1 ZVG
  20. zugewiesenen Aufgaben an den Gläubiger leistet, muss der Schuldner mit der
  21. Wirkung des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB gegen sich gelten lassen.
  22. b) Die Begleichung rückständiger Hausgelder oder rückständiger Sonderumlagen
  23. gehört nicht zum Pflichtenkreis des Zwangsverwalters. Solche Zahlungen können
  24. dem Schuldner daher nicht als Anerkenntnis im Sinne des § 212 Abs.1 Nr. 1 BGB
  25. zugerechnet werden.
  26. BGH, Urteil vom 9. Dezember 2011 - V ZR 131/11 - LG Köln
  27. AG Bergheim
  28. -2-
  29. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  30. vom 9. Dezember 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die
  31. Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Czub und die Richterinnen
  32. Dr. Brückner und Weinland
  33. für Recht erkannt:
  34. Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 5. Mai 2011 aufgehoben und
  35. das Urteil des Amtsgerichts Bergheim vom 14. Oktober 2010 abgeändert.
  36. Die Klage wird abgewiesen.
  37. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  38. Von Rechts wegen
  39. Tatbestand:
  40. 1
  41. Der Beklagte ist Eigentümer von zwei Wohnungen in einer Wohnungseigentumsanlage. Die Klägerin ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.
  42. Der Beklagte hatte mit der Verwalterin einen Sonderverwaltervertrag geschlossen, in dem er diese bevollmächtigte, etwaige Sonderumlagen aus den eingehenden Mietzahlungen zu begleichen.
  43. -3-
  44. 2
  45. Am 29. Juni 2005 beschlossen die Wohnungseigentümer die Erhebung
  46. einer im August fälligen Sonderumlage. Auf die Wohnungen des Beklagten entfielen insgesamt 7.758,48 €. Nach Zahlungsaufforderung teilte der Beklagte der
  47. Verwalterin mit Schreiben vom 24. und 29. August 2005 mit, dass er auf die
  48. Sonderumlage keine Zahlungen leisten werde. Auf ihr Antwortschreiben vom
  49. 30. August 2005 reagierte der Beklagte nicht. In der Zeit von August 2006 bis
  50. November 2006 nahm die Verwalterin aus den Mieteinnahmen des Beklagten
  51. Teilzahlungen auf die Sonderumlage vor.
  52. 3
  53. Ende 2006 wurde die Zwangsverwaltung für die Wohnungen des Beklagten angeordnet. Der Zwangsverwalter zahlte im Oktober 2008 auf die Sonderumlage 1.000 €.
  54. 4
  55. Wegen des restlichen Betrages hat die Klägerin den Erlass eines Mahnbescheids beantragt, der dem Beklagten am 14. Juli 2009 zugestellt worden ist.
  56. Nach dessen Widerspruch hat das Amtsgericht ihn zur Zahlung von 4.374,98 €
  57. verurteilt. Seine Berufung hat keinen Erfolg gehabt. Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt der Beklagte seinen
  58. Klageabweisungsantrag weiter.
  59. Entscheidungsgründe:
  60. I.
  61. 5
  62. Nach Ansicht des Berufungsgerichts greift die von dem Beklagten erhobene Einrede der Verjährung nicht durch. Mit der Teilzahlung des Zwangsverwalters im Oktober 2008, die sich der Beklagte zurechnen lassen müsse, habe
  63. -4-
  64. die Verjährung gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB erneut begonnen. Dasselbe gelte für die von der Verwalterin im Jahr 2006 vorgenommenen Teilzahlungen.
  65. Diese habe mit Vollmacht des Beklagten gehandelt. Dem stünden die beiden
  66. Schreiben des Beklagten vom August 2005 nicht entgegen, da er dem Antwortschreiben der Verwalterin, in dem diese den Grund der Sonderumlage dargelegt habe, nicht entgegengetreten sei.
  67. II.
  68. 6
  69. Die Revision ist zulässig und begründet.
  70. 7
  71. 1. Sie ist insbesondere statthaft, weil der Senat an die Revisionszulassung durch das Berufungsgericht gebunden ist, § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Es
  72. besteht allerdings Veranlassung zu dem Hinweis, dass es für die Zulassung der
  73. Revision auf das Vorliegen von Zulassungsgründen nach § 543 Abs. 2 Satz 1
  74. ZPO ankommt und deren Voraussetzungen von dem Berufungsgericht sorgfältig zu prüfen sind. Der hier angenommene Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung kommt nur in Betracht, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage
  75. entscheidungserheblich ist (Senat, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR
  76. 291/02, BGHZ 154, 288, 291). Dies ist zu verneinen, da das Berufungsgericht
  77. seine Entscheidung auf eine Alternativbegründung gestützt hat, für die die Frage, ob der Schuldner Zahlungen des Zwangsverwalters mit der Wirkung des
  78. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB gegen sich gelten lassen muss, ohne Bedeutung ist.
  79. 8
  80. 2. Die Revision ist begründet. Entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ist der Anspruch der Klägerin verjährt.
  81. -5-
  82. 9
  83. a) Rechtsfehlerhaft misst das Berufungsgericht der Teilzahlung des
  84. Zwangsverwalters auf die Sonderumlage die Wirkung eines Anerkenntnisses
  85. des Beklagten bei, das gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu einem Neubeginn der
  86. Verjährung führt.
  87. 10
  88. aa) Nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB beginnt die Verjährung erneut, wenn
  89. der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt. Für ein
  90. verjährungsunterbrechendes Anerkenntnis genügt ein tatsächliches Verhalten
  91. des Schuldners gegenüber dem Gläubiger, aus dem sich das Bewusstsein von
  92. dem Bestehen der Forderung unzweideutig entnehmen lässt und angesichts
  93. dessen der Gläubiger darauf vertrauen darf, dass sich der Schuldner nicht auf
  94. den Ablauf der Verjährung berufen wird (BGH, Urteil vom 1. März 2005 - VI ZR
  95. 101/04, NJW-RR 2005, 1044, 1047 mwN). Dem Anerkenntnis des Schuldners
  96. steht nach allgemeinen Regeln das eines anderen gleich, der aufgrund eines
  97. Rechtsgeschäfts oder kraft Gesetzes ermächtigt ist, für den Schuldner zu handeln (BGH, Urteil vom 3. Dezember 1968 - III ZR 2/68, BGHZ 51, 125, 126).
  98. 11
  99. bb) Der Vollstreckungsschuldner in der Zwangsverwaltung verliert mit der
  100. Beschlagnahme das Recht, das beschlagnahmte Grundstück zu verwalten und
  101. es zu benutzen, § 148 Abs. 2 ZVG. Diese Befugnisse werden von dem
  102. Zwangsverwalter ausgeübt, der insoweit als Träger der Rechte und Pflichten
  103. des Vollstreckungsschuldners an dessen Stelle tritt. Nimmt der Zwangsverwalter in Erfüllung der ihm durch § 152 Abs. 1 ZVG zugewiesenen Aufgaben Zahlungen an einen Gläubiger vor, wird der Schuldner so behandelt, als seien diese von ihm selbst geleistet worden. Solchen Zahlungen kommt daher nicht nur
  104. Erfüllungswirkung zugunsten des Schuldners zu, vielmehr muss er sie auch mit
  105. der Wirkung des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB gegen sich gelten lassen.
  106. -6-
  107. 12
  108. cc) Allerdings tritt der Zwangsverwalter nur insoweit an die Stelle des
  109. Schuldners, als dies sich ausdrücklich aus seinem Pflichtenkreis heraus ergibt
  110. (Wedekind/Wedekind, Zwangsverwaltung, Rn. 45). Er hat gemäß § 152 Abs. 1
  111. ZVG das Recht und die Pflicht, alle Handlungen vorzunehmen, die erforderlich
  112. sind, um das Grundstück in seinem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten und
  113. ordnungsmäßig zu benutzen. Die Ausgaben, die zur ordnungsgemäßen Durchführung der Zwangsverwaltung erforderlich sind, hat er gemäß § 155 Abs. 1
  114. ZVG ohne Teilungsplan und Anordnung des Vollstreckungsgerichts aus den
  115. Nutzungen des Grundstücks vorweg zu bestreiten. Zu den Ausgaben der Verwaltung zählt bei der Vollstreckung in ein Wohnungseigentum auch das laufende Hausgeld im Sinne des § 156 Abs. 1 Satz 2 ZVG (Senat, Beschluss vom
  116. 15. Oktober 2009 - V ZB 43/09, BGHZ 182, 361, 365 Rn. 11 ff.). Solche Zahlungen fallen in den durch § 152 Abs. 1 ZVG festgelegten Pflichtenkreis des
  117. Zwangsverwalters. Nicht zu den vorweg zu bestreitenden Ausgaben der Verwaltung gehören hingegen die vor der Beschlagnahme fällig gewordenen rückständigen Hausgelder (Becker in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 16 Rn. 191;
  118. Riecke/Schmid/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 16 Rn. 227; Jennißen in Jennißen,
  119. WEG, 2. Aufl., § 28 Rn. 244; Löhnig/Bäuerle, § 152 ZVG Rn. 15; Dassler/
  120. Schiffhauer/Engels, ZVG, 13. Aufl., § 152 Rn. 203, 213). Dies gilt auch für rückständige Sonderumlagen. Sie sind gemäß § 155 Abs. 2 Satz 2 ZVG nur im gerichtlichen Verteilungsverfahren zu berücksichtigen, wenn die Gemeinschaft
  121. wegen dieser Ansprüche die Zwangsverwaltung betreibt (Becker in Bärmann,
  122. WEG, 11. Aufl., § 16 Rn. 191).
  123. 13
  124. dd) Hier hat der Zwangsverwalter selbständig eine Teilzahlung auf die
  125. vor der Anordnung der Zwangsverwaltung von der Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossene, rückständige Sonderumlage geleistet. Dies war von
  126. -7-
  127. seinem Pflichtenkreis gemäß § 152 Abs. 1 ZVG i.V.m. § 156 Abs. 1 Satz 2 ZVG
  128. nicht erfasst. Seine Handlung kann, da er hierzu gesetzlich nicht ermächtigt
  129. war, dem Beklagten nicht als Anerkenntnis im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1
  130. BGB zugerechnet werden.
  131. 14
  132. b) Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich nicht aus anderen
  133. Gründen als richtig dar. Dessen Alternativbegründung, die Teilzahlungen der
  134. (Wohnungseigentums-) Verwalterin führten zu einem Neubeginn der Verjährung, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Auch deren Zahlungen können dem Beklagten nicht als Anerkenntnis im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB zugerechnet werden.
  135. 15
  136. aa) Das Berufungsgericht weist lediglich darauf hin, dass die Verwalterin
  137. in dem Sonderverwaltervertrag vom 18. November 2002 bevollmächtigt worden
  138. sei, aus den verwalteten Mieteinnahmen Zahlungen auf Sonderumlagen vorzunehmen. Es meint zwar, dass der Beklagte "zu Recht" auf seine beiden Schreiben vom August 2005 hinweise, in denen er der Verwalterin mitteilte, er werde
  139. auf die Sonderumlage keine Zahlungen leisten und auch die Verwalterin sei
  140. nicht bevollmächtigt. Mit der Frage, welche rechtliche Bedeutung den Schreiben
  141. zukommt, insbesondere ob sie als teilweiser Widerruf der erteilten Vollmacht
  142. (§ 168 Satz 2 BGB) auszulegen sind, setzt es sich jedoch nicht auseinander.
  143. Der Senat kann die von dem Berufungsgericht unterlassene Auslegung selbst
  144. vornehmen, weil weitere tatsächliche Feststellungen nicht in Betracht kommen
  145. (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 1975 - VII ZR 179/73, BGHZ 65, 107,
  146. 112). Sie führt zu dem Ergebnis, dass der Beklagte die der Verwalterin erteilte
  147. Vollmacht teilweise widerrufen hat. Der Beklagte brachte in den Schreiben unmissverständlich zum Ausdruck, dass er die Sonderumlage nicht bezahlen werde. Seine Formulierung, "auch die Verwalterin sei nicht bevollmächtigt", kann in
  148. -8-
  149. diesem Zusammenhang nur dahingehend verstanden werden, dass er der Verwalterin untersagte, in seinem Namen Zahlungen auf die beschlossene Sonderumlage zu leisten. Darin liegt, soweit es um die strittige Sonderumlage geht,
  150. ein teilweiser Widerruf der erteilten Vollmacht.
  151. 16
  152. bb) Das Schweigen des Beklagten auf das Antwortschreiben der Verwalterin vom 30. August 2005 stellt nicht einen Widerruf des Vollmachtswiderrufs
  153. dar. Das bloße Schweigen ist regelmäßig keine Willenserklärung (BGH, Urteil
  154. vom 24. September 1980 - VIII ZR 299/79, NJW 1981, 43, 44). Als Willenserklärung ist es nur dann anzusehen, wenn ihm ausnahmsweise ein Erklärungswert
  155. zukommt (vgl. zum Ganzen Senat, Beschluss vom 19. September 2002 - V ZB
  156. 37/02, BGHZ 152, 63, 68). Dies ist hier zu verneinen. Die Verwalterin hatte in
  157. ihrem Antwortschreiben lediglich darauf hingewiesen, die Auffassung des Beklagten, Eigentum in einem sanierten Objekt erworben zu haben, sei nicht richtig. Ihrem etwaigen Willen, trotz teilweisen Widerrufs der Vollmacht die verwalteten Mieteinnahmen des Beklagten zur Zahlung der strittigen Sonderumlage zu
  158. verwenden, hat sie hingegen nicht Ausdruck verliehen. Bereits deshalb kann
  159. aus Sicht der Verwalterin dem Schweigen des Beklagten auf ihr Antwortschreiben nicht der Erklärungswert beigemessen werden, er sei nun doch mit einer
  160. Begleichung der Sonderumlage durch die Verwalterin einverstanden.
  161. 17
  162. c) Da die Verjährungsfrist nach den Regelungen in den § 195, § 199
  163. Abs. 1 BGB am 31. Dezember 2008 endete, vermochte die Zustellung des
  164. Mahnbescheids im Juli 2009 die Verjährung nicht zu hemmen.
  165. -9-
  166. III.
  167. 18
  168. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat
  169. hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei der Anwendung des Gesetzes erfolgt und die
  170. Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage ist abzuweisen.
  171. IV.
  172. 19
  173. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
  174. Krüger
  175. Stresemann
  176. Brückner
  177. Czub
  178. Weinland
  179. Vorinstanzen:
  180. AG Bergheim, Entscheidung vom 14.10.2010 - 29a C 62/09 LG Köln, Entscheidung vom 05.05.2011 - 29 S 223/10 -