Search on legal documents using Tensorflow and a web_actix web interface
You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

396 lines
23 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. V ZB 2/06
  4. vom
  5. 5. Oktober 2006
  6. in dem Zwangsversteigerungsverfahren
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. BGB § 268
  14. Das Ablösungsrecht nach § 268 BGB steht dem Gläubiger eines Grundpfandrechts an
  15. dem Grundstück des Schuldners auch dann zu, wenn das Grundpfandrecht erst nach
  16. der Anordnung der Zwangsversteigerung entstanden ist.
  17. ZVG § 30 Abs. 1
  18. Die einstweilige Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens aufgrund einer Bewilligung desjenigen, der den betreibenden Gläubiger befriedigt hat (§ 268 BGB), setzt
  19. den Nachweis der Ablösung gegenüber dem Vollstreckungsgericht voraus; er kann
  20. durch die Vorlage von per Telefax übermittelten Urkunden geführt werden, eine Umschreibung der Vollstreckungsklausel auf den Ablösenden ist nicht erforderlich.
  21. -2-
  22. ZVG § 83 Nr. 6
  23. Ein Verstoß des Vollstreckungsgerichts gegen die ihm im Zwangsversteigerungsverfahren obliegende Pflicht zur umfassenden tatsächlichen und rechtlichen Klärung aller
  24. für die Zuschlagsentscheidung erheblichen Gesichtspunkte führt zur Versagung des
  25. Zuschlags.
  26. BGH, Beschl. v. 5. Oktober 2006 - V ZB 2/06 - LG Berlin
  27. AG Spandau
  28. -3-
  29. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 5. Oktober 2006 durch den
  30. Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub
  31. beschlossen:
  32. Auf die Rechtsmittel des Schuldners und der Beteiligten zu 4 werden der Beschluss der Zivilkammer 81 des Landgerichts Berlin
  33. vom 7. Dezember 2005 und der Beschluss des Amtsgerichts
  34. Spandau vom 8. September 2005 aufgehoben.
  35. Der Zuschlag auf das in dem Zwangsversteigerungstermin vom
  36. 25. August 2005 abgegebene Meistgebot wird versagt.
  37. Gründe:
  38. 1
  39. Die Gläubigerin betreibt wegen persönlicher und dinglicher Ansprüche
  40. die Zwangsvollstreckung in den im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten
  41. Grundbesitz des Schuldners. Nach Anordnung der Zwangsversteigerung bewilligte der Schuldner zu Lasten des Grundbesitzes die Eintragung einer Eigentümergrundschuld in Höhe von 200.000 € zuzüglich Zinsen. Noch vor der Eintragung der Grundschuld in das Grundbuch erklärte der Schuldner am 25. August
  42. 2005 schriftlich die Abtretung der Grundschuld an die Beteiligte zu 4. In der Abtretungsurkunde ermächtigte er das Grundbuchamt, den Grundschuldbrief nach
  43. Bildung unmittelbar der Beteiligten zu 4 zu übergeben.
  44. 2
  45. Die Versteigerung des Grundstücks ergab ein Meistgebot von 145.000 €.
  46. Das Vollstreckungsgericht sah von einer sofortigen Entscheidung über den Zu-
  47. -4-
  48. schlag ab, weil der Schuldner im Termin eine Ablösung der Gläubigerin in Aussicht gestellt hatte. Es bestimmte deshalb einen Termin zur Verkündung einer
  49. Entscheidung auf den 8. September 2005.
  50. Mit Schreiben vom 1. September 2005 bezifferte die Gläubigerin gegen-
  51. 3
  52. über der Beteiligten zu 4 auf deren Anfrage die Höhe des gegen den Schuldner
  53. geltend gemachten Anspruchs auf 168.934,84 € (Hauptforderung in Höhe von
  54. 155.333,16 €, Zinsen in Höhe von 10.705,49 €, außergerichtliche Kosten in Höhe von 1.565,54 € sowie den bisher von der Gläubigerin entrichteten Gerichtskostenvorschuss in Höhe von 1.330,65 €).
  55. Am Vorabend des Verkündungstermins bewilligte die Beteiligte zu 4 mit
  56. 4
  57. einem Telefaxschreiben an das Vollstreckungsgericht die einstweilige Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens, weil sie als Erwerberin der Eigentümergrundschuld die Gläubigerin durch eine telegrafische Überweisung des
  58. geforderten Betrags abgelöst habe. Zum Beleg der Ablösung fügte sie
  59. - ebenfalls per Telefax - unter anderem einen aktuellen Grundbuchauszug, die
  60. Abtretungserklärung des Schuldners betreffend die Eigentümergrundschuld, die
  61. Forderungsaufstellung der Gläubigerin sowie eine von der Volksbank
  62. R.
  63. e.G. am 7. September 2005 ausgestellte Bestätigung über die
  64. Ausführung der telegrafischen Überweisung bei. Den Grundschuldbrief übersandte die Beteiligte zu 4 dem Vollstreckungsgericht am 15. September 2005.
  65. 5
  66. Der von der Gläubigerin errechnete Ablösungsbetrag wurde ihr am
  67. 7. September 2005 um 22.06 Uhr gutgeschrieben. Sie überwies das Geld später an die Beteiligte zu 4 zurück.
  68. -5-
  69. 6
  70. In dem Verkündungstermin am 8. September 2005 hat das Vollstreckungsgericht Einstellungsanträge des Schuldners sowie den "Antrag" der Beteiligten zu 4 auf einstweilige Einstellung des Verfahrens zurückgewiesen und
  71. anschließend den Zuschlag auf das Meistgebot erteilt.
  72. 7
  73. Die gegen die Erteilung des Zuschlags gerichteten sofortigen Beschwerden des Schuldners und der Beteiligten zu 4 sind erfolglos geblieben. Mit den
  74. von dem Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerden wollen der
  75. Schuldner und die Beteiligte zu 4 weiterhin die Versagung des Zuschlags erreichen. Die Gläubigerin beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerden.
  76. II.
  77. 8
  78. Das Beschwerdegericht meint, die Zuschlagsentscheidung des Vollstreckungsgerichts sei rechtmäßig. Die Voraussetzungen für eine Einstellung des
  79. Zwangsversteigerungsverfahrens und damit für eine Versagung des Zuschlags
  80. lägen nicht vor.
  81. 9
  82. Zu Recht habe das Vollstreckungsgericht die einstweilige Einstellung
  83. nach § 30 Abs. 1 ZVG abgelehnt. Zwar habe die Beteiligte zu 4 unter Hinweis
  84. auf die Ablösung der Gläubigerin die Einstellung der Zwangsversteigerung bewilligt. Sie habe es jedoch versäumt, den für ihre Ablöseberechtigung notwendigen Erwerb der Eigentümergrundschuld des Schuldners gegenüber dem Vollstreckungsgericht schlüssig darzulegen. Insbesondere habe sie nicht vorgetragen, dass die für die Abtretung einer Grundschuld erforderliche Übergabe des
  85. Grundschuldbriefs erfolgt sei.
  86. -6-
  87. 10
  88. Auch aus § 775 Nr. 5 ZPO habe sich keine Verpflichtung des Vollstreckungsgerichts zur Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens ergeben,
  89. weil der dort genannte Einzahlungs- oder Überweisungsnachweis einer Bank
  90. nicht im Original vorgelegt worden sei. Angesichts des auf die Verzögerung des
  91. Verfahrens gerichteten Verhaltens der Beteiligten zu 4 und des Schuldners sei
  92. das Vollstreckungsgericht auch nicht verpflichtet gewesen, ihnen die Gelegenheit zur Nachreichung des Originals zu geben.
  93. 11
  94. Im Übrigen sei auch die Höhe des von der Beteiligten zu 4 überwiesenen
  95. Betrags unzureichend gewesen, weil er nicht alle im Laufe des Verfahrens angefallenen Gerichtskosten abgedeckt habe. Jedenfalls im Umfang des Differenzbetrags, der sich im Wesentlichen aus einer Gebühr zur Durchführung des
  96. Verteilungsverfahrens in Höhe von 628 € sowie aus noch offenen Veröffentlichungs- und Zustellungsauslagen in Höhe von insgesamt 635,27 € zusammensetze, sei das Vollstreckungsgericht zu einer Fortsetzung der Zwangsversteigerung verpflichtet gewesen.
  97. 12
  98. Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
  99. III.
  100. 13
  101. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaften Rechtsbeschwerden
  102. sind zulässig und begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer
  103. Verletzung des Rechts (§§ 576 Abs. 1, 546 ZPO). Zu Unrecht hat das Beschwerdegericht die gegen die Erteilung des Zuschlags gerichteten sofortigen
  104. Beschwerden des Schuldners und der Beteiligten zu 4 zurückgewiesen.
  105. -7-
  106. 14
  107. 1. Zutreffend ist das Beschwerdegericht allerdings von der Zulässigkeit
  108. der Zuschlagsbeschwerden ausgegangen. Insbesondere war entgegen der Auffassung der Gläubigerin auch die Beteiligte zu 4 befugt, die Zuschlagsbeschwerde einzulegen.
  109. 15
  110. Nach § 97 Abs. 1 ZVG steht das Beschwerderecht den an dem Zwangsversteigerungsverfahren Beteiligten zu. Beteiligter ist dabei nach § 9 Nr. 2 ZVG
  111. jeder, der ein Recht an dem zu versteigernden Grundstück bei dem Vollstreckungsgericht anmeldet. Das hat die Beteiligte zu 4 mit ihrem Telefax vom
  112. 7. September 2005 getan. Für die Anmeldung reicht die bloße Willensbekundung des Erklärenden aus, dass er eine Berücksichtigung seines Rechts in dem
  113. Zwangsversteigerungsverfahren wünscht (vgl. nur Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 9
  114. Anm. 4.1). Erforderlich sind dabei lediglich Angaben zu Rechtsgrund und Rang
  115. des geltend gemachten Anspruchs sowie zu dem geforderten Betrag (Senat,
  116. BGHZ 21, 30, 33). Eine schlüssige Darlegung zu der Entstehung bzw. zu dem
  117. Erwerb des Rechts braucht die Anmeldung nicht zu enthalten. Hierzu sind nähere Erläuterungen erst notwendig, wenn - anders als im vorliegenden Fall das Vollstreckungsgericht oder ein anderer Beteiligter die Glaubhaftmachung
  118. verlangt. Der Einwand der Gläubigerin, die Beteiligte zu 4 habe gegenüber dem
  119. Vollstreckungsgericht unzureichend zu der Übergabe des Grundschuldbriefs
  120. und damit zu dem Erwerb der Grundschuld vorgetragen, ist daher für die Prüfung der Zulässigkeit der Zuschlagsbeschwerde unerheblich.
  121. 16
  122. 2. Die in der Sache getroffene Entscheidung des Beschwerdegerichts
  123. kann indessen keinen Bestand haben. Auf der Grundlage der dem Vollstreckungsgericht per Telefax vorgelegten Unterlagen bestanden zumindest erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass die Beteiligte zu 4 die Gläubigerin gem.
  124. §§ 1150, 268 BGB abgelöst hatte und damit berechtigt war, die einstweilige
  125. -8-
  126. Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens gem. § 30 Abs. 1 ZVG zu
  127. bewilligen (vgl. Stöber, aaO, § 30 Anm. 2.2). Deshalb war die Erteilung des Zuschlags ohne weitere Sachaufklärung unzulässig.
  128. 17
  129. a) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts hat die Beteiligte
  130. zu 4 durch die per Telefax vorgelegten Urkunden gegenüber dem Vollstreckungsgericht ausreichend dargelegt, dass sie zur Ablösung der Gläubigerin
  131. befugt war. Denn ablösungsberechtigt ist nach § 268 Abs. 1 BGB jeder, der Gefahr läuft, durch die Zwangsvollstreckung ein Recht an dem der Vollstreckung
  132. unterliegenden Gegenstand zu verlieren. Dieses Ablösungsrecht stand der Beteiligten zu 4 zu, weil sie Gläubigerin einer dem Grundpfandrecht der betreibenden Gläubigerin nachrangigen Grundschuld an dem Grundstück des Schuldners ist, nämlich der ursprünglichen Eigentümergrundschuld.
  133. 18
  134. aa) Zwar wurde diese Grundschuld erst nach der Beschlagnahme des
  135. Grundstücks bestellt. Dies führt jedoch nach §§ 23 Abs. 1 Satz 1 ZVG, 135
  136. Abs. 1, 136 BGB lediglich zur relativen Unwirksamkeit des Rechts gegenüber
  137. der betreibenden Gläubigerin. Im Übrigen hinderte die Beschlagnahme das
  138. Entstehen der Grundschuld nicht. Dementsprechend berechtigt auch ein solches nachträglich begründetes Recht den Inhaber zur Ablösung nach § 268
  139. BGB (OLG Frankfurt OLG 29, 366, 367; MünchKomm-BGB/Eickmann, 4. Aufl.,
  140. § 1150 Rdn. 12; BGB-RGRK/Mattern, 12. Aufl., § 1150 Rdn. 6; Soergel/Konzen,
  141. BGB, 13. Aufl., § 1150 Rdn. 3; Jaeckel/Güthe, ZVG, 7. Aufl., § 75 Rdn. 3; Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 15 Anm. 20.4; Storz, Praxis des Zwangsversteigerungsverfahrens, 9. Aufl., S. 273; Schiffhauer, Rpfleger 1973, 297).
  142. 19
  143. bb) Die Grundschuld ist wirksam auf die Beteiligte zu 4 übergegangen.
  144. -9-
  145. 20
  146. (1) Zu der rechtsgeschäftlichen Übertragung einer Grundschuld ist nach
  147. §§ 1192 Abs. 1, 1154 Abs. 1 BGB zunächst ein Abtretungsvertrag mit schriftlicher Abtretungserklärung erforderlich. Diese ist hier von dem Schuldner am
  148. 25. August 2005 abgegeben worden. Dass die Grundschuld im Zeitpunkt der
  149. Abtretung noch nicht in das Grundbuch eingetragen war, steht der Wirksamkeit
  150. der Abtretung nicht entgegen (Senat, BGHZ 53, 60, 63).
  151. 21
  152. (2) Des Weiteren setzt die rechtsgeschäftliche Übertragung einer
  153. Grundschuld regelmäßig die Übergabe des Grundschuldbriefs voraus. Zwar
  154. weist das Beschwerdegericht zutreffend darauf hin, dass die Beteiligte zu 4 eine
  155. solche Übergabe vor der Zuschlagserteilung weder vorgetragen noch durch die
  156. Vorlage des Briefs nachgewiesen hat. Dabei übersieht das Beschwerdegericht
  157. jedoch, dass die Übergabe hier entbehrlich war. Nach §§ 1192 Abs. 1, 1154
  158. Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz, 1117 Abs. 2 BGB kann sie nämlich durch die Vereinbarung ersetzt werden, dass der Zessionar berechtigt sein soll, sich den Brief
  159. von dem Grundbuchamt aushändigen zu lassen. Eine solche Befugnis ist der
  160. Beteiligten zu 4 in der Abtretungserklärung des Schuldners eingeräumt worden.
  161. Damit bestand für sie keine Notwendigkeit mehr, den Besitzwechsel an dem
  162. Grundschuldbrief gegenüber dem Vollstreckungsgericht darzulegen. Vielmehr
  163. war die Übertragung der Grundschuld bereits mit deren Eintragung in das
  164. Grundbuch am 30. August 2005 vollständig abgeschlossen (RG JW 1935,
  165. 2430; BFH BFH/NV 1987, 120, 122; Soergel/Konzen, aaO, § 1154 Rdn. 30;
  166. Staudinger/Wolfsteiner, BGB [2002], § 1154 Rdn. 12).
  167. 22
  168. b) Die Erteilung des Zuschlags kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass dem Vollstreckungsgericht zum Nachweis der Zahlung des Ablösungsbetrags nicht die Urschrift der Bestätigung der überweisenden Bank vorgelegt wurde.
  169. - 10 -
  170. 23
  171. aa) Bewilligt ein Dritter aufgrund der Befriedigung des betreibenden
  172. Gläubigers als dessen Rechtsnachfolger (§ 268 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BGB) die
  173. einstweilige Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens, kann diese nach
  174. § 30 Abs. 1 ZVG nur erfolgen, wenn die Ablösung gegenüber dem Vollstreckungsgericht nachgewiesen wird. Eine Umschreibung der Vollstreckungsklausel auf den Ablösenden ist dabei nicht erforderlich (Muth in Dassler/Schiffhauer/Gerhardt/Muth, ZVG, 12. Aufl., § 29 Rdn. 4, § 30 Rdn. 7; Stöber,
  175. aaO, § 15 Anm. 20.23, § 30 Anm. 2.2; Storz, ZVG, 9. Aufl., § 75 Rdn. 71; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 753 Rdn. 12; Hintzen, Handbuch der Immobiliarvollstreckung, 3. Aufl., Teil C Rdn. 319; Hock/Mayer, Immobiliarvollstreckung,
  176. 2. Aufl., Rdn. 441; Stöber, ZVG-Handbuch, 7. Aufl., Rdn. 139; Storz, Praxis des
  177. Zwangsversteigerungsverfahrens, 9. Aufl., S. 277 f.; ders., ZIP 1980, 159, 163;
  178. a.A. Böttcher, ZVG, 4. Aufl., § 75 Rdn. 37). Vielmehr kann die Ablösung auch in
  179. anderer geeigneter Weise, insbesondere durch Vorlage von Urkunden, nachgewiesen werden. Ist der Beweisführer dabei nicht in der Lage, das Original der
  180. Urkunde vorzulegen, genügt die Übermittlung derselben per Telefax. Die Telekopie ist zwar nicht mit der formalen Beweiskraft des § 416 ZPO ausgestattet.
  181. Grundsätzlich stellt sie jedoch in einem gerichtlichen Verfahren ein zulässiges
  182. Beweismittel dar, das der freien Beweiswürdigung durch das Gericht unterliegt
  183. (vgl. Senat, Urt. v. 16. November 1979, V ZR 93/77, NJW 1980, 1047, 1048;
  184. BGH, Urt. v. 20. Januar 1986, II ZR 56/85, WM 1986, 400, 401; Beschl. v.
  185. 4. Juni 1987, III ZR 139/86, BGHR ZPO § 416 Beweiskraft 1; Urt. v.
  186. 28. September 1989, VII ZR 298/88, NJW 1990, 1170, 1171; OLG Köln NJW
  187. 1992, 1774).
  188. 24
  189. bb) Ungeachtet dieser allgemeinen Grundsätze kann hier allerdings offen
  190. bleiben, ob die von der Beteiligten zu 4 per Telefax übermittelte Bankbestäti-
  191. - 11 -
  192. gung ausreichend war, um die Zahlung der Ablösungssumme an die Gläubigerin gegenüber dem Vollstreckungsgericht nachzuweisen. Denn die Erteilung des
  193. Zuschlags war selbst dann unzulässig, wenn das Vollstreckungsgericht die Zahlung nicht für ausreichend erwiesen erachtet hat. Es wäre nämlich vor einer
  194. Entscheidung über den Zuschlag verpflichtet gewesen, durch eine sachgerechte Verfahrensgestaltung eine Klärung der noch bestehenden Zweifel an der
  195. Zahlung herbeizuführen.
  196. 25
  197. (1) Dies ergibt sich unmittelbar aus der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
  198. (BVerfGE 46, 325, 334; 49, 220, 225; 51, 150, 156; KTS 1988, 564) und des
  199. Bundesgerichtshofs (Beschl. v. 30. Januar 2004, IXa ZB 196/03, WM 2004, 901
  200. f.; Beschl. v. 5. November 2004, IXa ZB 27/04, WM 2005, 136, 138) nicht nur
  201. das materielle Vermögensrecht, sondern auch das zugehörige Verfahren beeinflusst. Soll daher im Wege einer Zwangsversteigerung in das Eigentum an einem Grundstück sowie in daran bestehende nachrangige dingliche Rechte eingegriffen werden, folgt unmittelbar aus Art. 14 GG die Verpflichtung des Vollstreckungsgerichts, die Verhandlung fair zu führen und sämtlichen Verfahrensbeteiligten effektiven Rechtsschutz zu gewähren. Insbesondere muss das Gericht bei der Anwendung des Verfahrensrechts darauf bedacht sein, unverhältnismäßige und durch das wirtschaftliche Interesse des Gläubigers nicht gerechtfertigte Eingriffe in das Grundeigentum sowie in Rechte Dritter zu vermeiden. Zu diesem Zweck ist das Vollstreckungsgericht nach § 139 ZPO gehalten,
  202. eine umfassende tatsächliche und rechtliche Klärung aller für die Zuschlagsentscheidung erheblichen Gesichtspunkte herbeizuführen (Stöber, ZVG, 18. Aufl.,
  203. Einleitung, Anm. 33.1). Innerhalb dieser Aufklärungspflicht hat es insbesondere
  204. auch solche Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen, die - wie im vorliegenden Fall - erst nach dem Versteigerungstermin vorgebracht werden. Die-
  205. - 12 -
  206. se sind nach § 87 Abs. 3 ZVG in dem Verkündungstermin mit den Erschienenen zu erörtern. Darüber hinaus ist das Vollstreckungsgericht im Einzelfall aber
  207. auch verpflichtet, Hinweise oder Nachfragen an nicht anwesende Beteiligte zu
  208. richten, wenn dies zur Herbeiführung einer gesetzmäßigen Entscheidung notwendig ist (Stöber, aaO, Anm. 33.11). Zu diesem Zweck kann es erforderlich
  209. sein, einen anberaumten Termin zu verlegen oder einen bereits begonnenen
  210. Termin kurzfristig zu unterbrechen. Die damit verbundenen Verzögerungen sind
  211. insbesondere dann in Kauf zu nehmen, wenn es - wie hier - nahe liegt, dass die
  212. Voraussetzungen für die Einstellung des Verfahrens tatsächlich vorliegen.
  213. 26
  214. (2) Danach war das Vollstreckungsgericht zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens verpflichtet, bestehende Zweifel an der Zahlung des Ablösebetrags durch die Beteiligte zu 4 aufzuklären. Dies hätte kurzfristig geschehen
  215. können, beispielsweise durch eine telefonische Rückfrage bei der Gläubigerin
  216. und/oder der Bank oder durch eine Anforderung der Originalurkunde. Dass sowohl die Beteiligte zu 4 als auch der Schuldner bislang die Ablösung der Gläubigerin nicht mit dem notwendigen Nachdruck verfolgt hatten, befreite das Vollstreckungsgericht angesichts der Tragweite des Eingriffs in ihre verfassungsrechtlich geschützten Rechte nicht von seiner Aufklärungspflicht. Die Verletzung
  217. dieser Aufklärungspflicht stellt einen Verfahrensmangel im Sinne der §§ 83
  218. Nr. 6, 100 Abs. 3 ZVG dar (OLG Zweibrücken Rpfleger 1978, 107, 108; OLG
  219. Schleswig Rpfleger 1979, 470; Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 83 Anm. 4.1), der im
  220. Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen ist und grundsätzlich
  221. zur Aufhebung der den Zuschlag erteilenden Entscheidung führt.
  222. 27
  223. c) Schließlich kann entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts
  224. die von dem Vollstreckungsgericht getroffene Zuschlagsentscheidung auch
  225. nicht damit gerechtfertigt werden, dass die Höhe des von der Beteiligten zu 4
  226. - 13 -
  227. gezahlten Ablösungsbetrags unzureichend gewesen sei. Dass in diesem Betrag
  228. - abweichend von der Berechnung des geringsten Gebots im Versteigerungstermin - weder die Veröffentlichungs- und Zustellungsauslagen noch die Gebühr
  229. für das Verteilungsverfahren gemäß GKG-KV 2215 enthalten war, ist unschädlich.
  230. 28
  231. aa) Die Gebühr für das Verteilungsverfahren konnte bei der Ablösungszahlung bereits deshalb unberücksichtigt bleiben, weil insoweit weder ein Vorschuss geleistet worden war noch die Gefahr einer zukünftigen Haftung der
  232. Gläubigerin gegenüber der Staatskasse bestand. Bei einem Gläubigerwechsel
  233. haftet der ursprüngliche Gläubiger nämlich lediglich für die bis zu seinem Ausscheiden entstandenen Kosten (so für den Klägerwechsel im Erkenntnisverfahren Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl., § 22 GKG Rdn. 17; Oestreich/
  234. Winter/Hellstab, GKG, § 22 Rdn. 3). Im vorliegenden Fall hat allerdings im Zeitraum bis zur Ablösung der Gläubigerin kein Verteilungsverfahren stattgefunden,
  235. so dass auch die entsprechende Gebühr nicht entstanden ist. Im Übrigen ist die
  236. für die Durchführung des Verteilungsverfahrens angefallene Gebühr ohnehin
  237. nach § 109 Abs. 1 ZVG aus dem Versteigerungserlös zu entnehmen. Auch aus
  238. diesem Grund kam eine Kostenhaftung der Gläubigerin insoweit zu keinem
  239. Zeitpunkt in Betracht.
  240. 29
  241. bb) Demgegenüber konnte zum Zeitpunkt der Ablösung eine zukünftige
  242. Inanspruchnahme der Gläubigerin für die gerichtlichen Veröffentlichungs- und
  243. Zustellungsauslagen nicht ausgeschlossen werden. Diese sind vor dem Gläubigerwechsel entstanden, so dass unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 1
  244. GKG der ursprüngliche Gläubiger gesamtschuldnerisch neben dem Ablösenden
  245. haftet (vgl. Hartmann und Oestreich/Winter/Hellstab, jeweils aaO). Ob allerdings
  246. diese Haftungslage dazu führt, dass der Ablösende - vergleichbar dem in § 75
  247. - 14 -
  248. ZVG gesetzlich geregelten Fall - auch bei einer Zahlung nach § 268 BGB bereits entstandene Verfahrenskosten gegenüber dem betreibenden Gläubiger
  249. begleichen
  250. muss,
  251. kann
  252. hier
  253. offen
  254. bleiben
  255. (verneinend
  256. MünchKomm-
  257. BGB/Eickmann, 4. Aufl., § 1150 Rdn. 29; Steiner/Storz, ZVG, 9. Aufl., § 75
  258. Rdn. 13; Storz, Praxis des Zwangsversteigerungsverfahrens, S. 288 und 294).
  259. In ihrer Forderungsaufstellung vom 1. September 2005 hatte die Gläubigerin
  260. nämlich gegenüber der Beteiligten zu 4 mit Wirkung zum 7. September 2005
  261. verbindlich mitgeteilt, die Höhe der zur Ablösung erforderlichen Gerichtskosten
  262. belaufe sich auf 1.330,65 €. Auf eine solche Auskunft des Gläubigers darf der
  263. Ablösende grundsätzlich vertrauen. Die Zahlung des angegebenen Betrags
  264. reicht daher regelmäßig aus, um den von dem Ablösenden beabsichtigten
  265. Gläubigerwechsel innerhalb des Vollstreckungsverfahrens herbeizuführen. Entgegen der Auffassung der Gläubigerin bestand für die Beteiligte zu 4 kein Anlass, an der Richtigkeit der Angaben zur Höhe der Verfahrenskosten zu zweifeln. Zwar hatte das Vollstreckungsgericht abweichend von der Mitteilung der
  266. Gläubigerin bei der Berechnung des geringsten Gebots auch die in Rede stehenden Auslagen berücksichtigt. Diese in einer Anlage zum Protokoll des Versteigerungstermins enthaltene Berechnung war jedoch nur dem Schuldner,
  267. nicht auch der Beteiligten zu 4 übermittelt worden.
  268. 30
  269. 3. Der angefochtene Beschluss kann somit keinen Bestand haben, ohne
  270. dass es auf die Begründetheit der Einstellungsanträge des Schuldners und darauf ankommt, ob die Zwangsvollstreckung nach § 775 Nr. 5 ZPO einzustellen
  271. ist. Einer Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht bedarf es
  272. nicht, weil der Sachverhalt abschließend geklärt und zwischen den Beteiligten
  273. nicht im Streit ist. Nachdem die Gläubigerin nämlich unmittelbar nach Erteilung
  274. des Zuschlags das Vollstreckungsgericht telefonisch über den Eingang des Ablösungsbetrags informiert hat, bestehen an der Zahlung durch die Beteiligte
  275. - 15 -
  276. zu 4 keine Zweifel mehr. Daher ist die Sache nunmehr zur Endentscheidung reif
  277. (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO), so dass der Zuschlag nach §§ 30 Abs. 1, 33, 83 Nr.
  278. 6 ZVG zu versagen ist.
  279. IV.
  280. 31
  281. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Gerichtskosten fallen weder für die sofortige Beschwerde noch für die Rechtsbeschwerde an (vgl.
  282. Nr. 2241 und 2243 KV-GKG). Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten
  283. des Schuldners und der Beteiligten zu 4 kommt nicht in Betracht, da sich die
  284. - 16 -
  285. Beteiligten im Verfahren über die Zuschlagsbeschwerde regelmäßig nicht als
  286. Parteien gegenüber stehen (Senat, Beschl. v. 20. Juli 2006, V ZB 168/05, zur
  287. Veröffentlichung vorgesehen).
  288. Krüger
  289. Lemke
  290. Stresemann
  291. Schmidt-Räntsch
  292. Czub
  293. Vorinstanzen:
  294. AG Berlin-Spandau, Entscheidung vom 08.09.2005 - 30 K 127/04 LG Berlin, Entscheidung vom 07.12.2005 - 81 T 822/05 -