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503 lines
21 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. V ZB 37/15
  4. vom
  5. 9. Juni 2016
  6. in dem Notarbeschwerdeverfahren
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. ZPO §§ 829, 840 Abs. 1; BNotO §§ 15, 23
  14. Wird eine Kaufpreiszahlung über ein Notaranderkonto abgewickelt, erstreckt
  15. sich das mit der Pfändung des Kaufpreisanspruchs entstandene Pfandrecht auf
  16. den Auszahlungsanspruch des Verkäufers gegen den Notar.
  17. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2016 - V ZB 37/15 - LG Zwickau
  18. ECLI:DE:BGH:2016:090616BVZB37.15.0
  19. -2-
  20. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Juni 2016 durch die
  21. Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Dr. Brückner und
  22. Weinland, den Richter Dr. Kazele und die Richterin Haberkamp
  23. beschlossen:
  24. Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 werden der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Zwickau vom
  25. 18. Februar 2015 und der Vorbescheid des Notars
  26. H.
  27. vom 22. November 2013 aufgehoben.
  28. Der Notar wird angewiesen, unter Beachtung der Rechtsansicht
  29. des Senats neu über die Auskehrung des auf dem Notaranderkonto befindlichen restlichen Guthabens zu entscheiden.
  30. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
  31. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
  32. 2.373,78 €.
  33. Gründe:
  34. I.
  35. 1
  36. Mit notariellem Vertrag vom 11. Juli 2013 verkaufte E.
  37. Folgenden: Verkäufer) den Eheleuten R.
  38. B.
  39. (im
  40. (im Folgenden: Käufer) ein
  41. Grundstück zu einem Kaufpreis von 347.000 €. Der Verkauf erfolgte frei von im
  42. Grundbuch eingetragenen Belastungen. Der Verkäufer übernahm die Kosten
  43. der Lastenfreistellung.
  44. -3-
  45. 2
  46. Nach Ziff. 5.2 des Kaufvertrages sollte die Kaufpreiszahlung über ein
  47. Notaranderkonto erfolgen. Der hinterlegte Kaufpreis sollte vorrangig dazu verwendet werden, die vertragsgemäße Lastenfreistellung zu erreichen, indem an
  48. die jeweiligen Gläubiger die von ihnen geforderten Ablösungsbeträge zu zahlen
  49. seien. Der Verkäufer wies den Notar diesbezüglich an, alle ihn im Zusammenhang mit dem Vertragsvollzug treffenden Kosten aus dem Notaranderkonto zu
  50. begleichen. Der Notar wurde ferner von den Vertragsparteien in einseitig nicht
  51. widerruflicher Weise angewiesen, den Restkaufpreis nach Eintritt der im Kaufvertrag geregelten Auszahlungsvoraussetzungen auf ein Konto des Verkäufers
  52. zu überweisen. Der Kaufpreis wurde im August 2013 auf das Notaranderkonto
  53. eingezahlt.
  54. 3
  55. Die Kaufpreisforderung war Gegenstand mehrerer durch verschiedene
  56. Gläubiger des Verkäufers veranlasster Pfändungen. Unter anderem brachte die
  57. Beteiligte zu 1 auf Grundlage eines Zahlungstitels eine Vorpfändung des Kaufpreisanspruchs aus, die den Käufern am 18. Juli 2013 zugestellt wurde. In gleicher Sache erwirkte sie am 30./31. August 2013 die Zustellung einer erneuten
  58. Vorpfändung des Kaufpreisanspruchs bei den Käufern. Der entsprechende
  59. Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wurde ihnen am 10. September 2013
  60. zugestellt.
  61. 4
  62. Aufgrund eines titulierten Zahlungsanspruchs in Höhe von 72.983,88 €
  63. wurde durch den Beteiligten zu 2 sowohl der Anspruch des Verkäufers auf
  64. Kaufpreiszahlung als auch dessen Auskehrungsanspruch aus dem Notaranderkonto gepfändet. Die vorausgegangene Vorpfändung wurde dem Notar am
  65. 17. September 2013 und der entsprechende Pfändungs- und Überweisungsbeschluss am 14. Oktober 2013 zugestellt. Ebenfalls am 14. Oktober 2013 erwirkte die Beteiligte zu 1 die Zustellung eines weiteren Pfändungs- und Überwei-
  66. -4-
  67. sungsbeschlusses an den Notar, durch welchen der Auskehrungsanspruch des
  68. Verkäufers gepfändet wurde.
  69. 5
  70. Bei Eintritt der Auszahlungsreife ergab sich nach Abzug aller an die auszulösenden
  71. von
  72. Gläubiger
  73. 19.991,16 €
  74. auf
  75. gezahlten
  76. dem
  77. Beträge
  78. ein
  79. Notaranderkonto.
  80. Guthaben
  81. Mit
  82. in
  83. Vorbescheid
  84. Höhe
  85. vom
  86. 22. November 2013 kündigte der Notar an, von dem hinterlegten Geldbetrag
  87. einen Teilbetrag auf sein Geschäftskonto einzuzahlen, damit von dort die
  88. Grundbuchkosten der Lastenfreistellung bestritten werden könnten. Der Restbetrag von 17.616,16 € werde an den Rechtsanwalt des Beteiligten zu 2 überwiesen.
  89. 6
  90. Hiergegen hat die Beteiligte zu 1 bei dem Notar Beschwerde eingelegt.
  91. Sie möchte die Anweisung des Notars erreichen, von dem verbleibenden Restbetrag den durch sie gepfändeten Betrag in Höhe von 2.373,78 € an sie auszuzahlen, hilfsweise diesen Betrag an die Käufer zurückzuzahlen. Der Notar hat
  92. der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landgericht zur Entscheidung
  93. vorgelegt. Dieses hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen
  94. Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung der Beteiligte zu 2 beantragt, verfolgt
  95. die Beteiligte zu 1 ihr Ziel weiter.
  96. II.
  97. 7
  98. Das Beschwerdegericht meint, die Beteiligte zu 1 habe durch die isolierte
  99. Pfändung des Kaufpreisanspruchs am 10. September 2013 kein Pfändungspfandrecht erlangt. Hierzu wäre entweder die zusätzliche Pfändung des Auskehrungsanspruchs gegen den Notar oder zumindest die Zustellung des den
  100. Kaufpreisanspruch pfändenden Beschlusses (auch) an den Notar erforderlich
  101. -5-
  102. gewesen. Aus der am 14. Oktober 2013 bewirkten Pfändung des Auskehrungsanspruchs gegen den Notar könne die Beteiligte zu 1 ebenfalls nichts herleiten,
  103. da die von dem Beteiligten zu 2 veranlasste Pfändung vorrangig sei und den
  104. auf dem Anderkonto verbliebenen Restbetrag vollständig ausschöpfe.
  105. 8
  106. Die Beteiligte zu 1 könne die Auszahlung des begehrten Betrages auch
  107. nicht aufgrund einer dem Notar seitens der Vertragsparteien nachträglich erteilten Weisung beanspruchen, da sich aus dem hierzu vorgelegten E-MailVerkehr keine Weisung ergebe, zudem nur der Käufer gehandelt habe und eine
  108. Weisung überdies formunwirksam wäre.
  109. III.
  110. 9
  111. Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
  112. 10
  113. 1. Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund der Zulassung in dem angefochtenen Beschluss insgesamt statthaft (§ 15 Abs. 2 Satz 3 BNotO i.V.m. § 70
  114. Abs. 1 u. 2 FamFG). Entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 2 ist sie ohne
  115. Einschränkung zugelassen. Die Begründung des Beschwerdegerichts, der
  116. Bundesgerichtshof habe "noch nicht über die hier zu entscheidende Rechtsfrage entschieden" - gemeint ist ersichtlich die Wirkung einer isolierten Pfändung
  117. des Kaufpreisanspruchs auf den Auskehrungsanspruch gegen den Notar -, ist
  118. nicht als inhaltliche Beschränkung der Zulassungsentscheidung zu verstehen.
  119. Zudem wäre eine beschränkte Zulassung unzulässig, da die Frage der Wirksamkeit der Pfändung der Beteiligten zu 1 vom 10. September 2013 nur eine
  120. von mehreren Vorfragen für die Rechtmäßigkeit des von dem Notar angekündigten Vorgehens ist. Insoweit bezieht sich die Rechtsfrage, derentwegen die
  121. -6-
  122. Rechtsbeschwerde zugelassen wurde, nicht auf einen abtrennbaren Teil des
  123. Streitgegenstands
  124. (vgl.
  125. zu
  126. diesem
  127. Erfordernis:
  128. Senat,
  129. Beschluss
  130. vom 9. Dezember 2010 - V ZB 149/10, juris Rn. 7; Beschluss vom
  131. 29. Januar 2004 - V ZR 244/03, NJW-RR 2004, 1365, 1366; BGH, Urteil vom
  132. 27. Mai 2009 - XII ZR 111/08, NJW 2009, 2450 Rn. 9 jeweils mwN).
  133. 11
  134. 2. Die auch im Übrigen zulässige (§ 71 FamFG) Rechtsbeschwerde hat
  135. in der Sache Erfolg.
  136. 12
  137. a) Zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass gegen die
  138. Ankündigung des Notars, die Auskehrung des auf dem Anderkonto verbliebenen Restbetrages an die Beteiligte zu 2 zu veranlassen, die Beschwerde nach
  139. § 15 Abs. 2 BNotO statthaft ist. Gegenstand einer Beschwerde nach dieser
  140. Vorschrift kann nicht nur die Verweigerung einer Amtstätigkeit durch den Notar
  141. sein, sondern auch die - wie hier im Wege eines Vorbescheids erfolgte - Ankündigung, eine Amtstätigkeit gegen den Willen eines Beteiligten vornehmen zu
  142. wollen (Senat, Beschluss vom 1. Oktober 2015 - V ZB 67/14, NJW 2016, 163
  143. Rn. 6; Beschluss vom 28. Oktober 2010 - V ZB 70/10, juris Rn. 12 jeweils
  144. mwN). Als Pfändungspfandgläubigerin ist die Beteiligte zu 1 zudem beschwerdebefugt, da sie in die Rechtsposition eingetreten ist, die ihrem Schuldner, dem
  145. Verkäufer, an dem auf dem Anderkonto des Notars eingezahlten Betrag zustehen könnte (vgl. OLG Hamm, OLGR 1993, 208; Sandkühler in Arndt/
  146. Lerch/Sandkühler, BNotO, 8. Aufl., § 15 Rn. 103; Eylmann/Vaasen/Frenz,
  147. BNotO/BeurkG, 3. Aufl., § 15 BNotO Rn. 42).
  148. 13
  149. b) Rechtsfehlerfrei ist auch die Auffassung des Beschwerdegerichts, der
  150. Notar sei nicht aufgrund einer ihm erteilten Weisung zur Auszahlung des durch
  151. die Beteiligte zu 1 beanspruchten Betrages verpflichtet.
  152. -7-
  153. 14
  154. Eine nachträgliche Änderung der nach dem Kaufvertrag einseitig unwiderruflicher Verwahrungsanweisungen erfordert eine übereinstimmende Erklärung aller an dem Vertrag beteiligten Parteien. Daran fehlt es nach den tatrichterlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts, die entgegen der Ansicht der
  155. Beteiligten zu 1 nicht zu beanstanden sind. Den E-Mail-Verkehr, aus dem sich
  156. die übereinstimmende nachträgliche Änderung der Verwahrungsanweisungen
  157. ergeben soll, hat das Beschwerdegericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt.
  158. Empfänger der E-Mail des Käufers vom 26. Juli 2013 war nicht der Notar. Demgegenüber ist die E-Mail des Käufers vom 31. Juli 2013, der offenbar die Vollmacht des Verkäufers bezüglich einer Kaufpreisänderung vom 24. Juli 2013
  159. beigefügt war, zwar an den Notar gerichtet. Die Würdigung des Beschwerdegerichts, ihr lasse sich keine Weisung entnehmen, ist angesichts ihres Inhalts aber
  160. aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dies gilt auch hinsichtlich der Feststellung des Beschwerdegerichts, aus dem vorgelegten Schriftverkehr ergebe
  161. sich nicht, dass der Käufer zugleich für seine Ehefrau gehandelt habe.
  162. 15
  163. c) Ohne Rechtsfehler geht das Beschwerdegericht weiter davon aus,
  164. dass die auf Veranlassung der Beteiligten zu 1 den Käufern am 18. Juli 2013
  165. zugestellte Vorpfändung die Wirkung eines Arrests gemäß § 845 Abs. 2 ZPO
  166. i.V.m. § 930 Abs. 1 ZPO nicht entfalten konnte. Die Vorpfändung wirkt wie
  167. eine
  168. Beschlagnahme
  169. der
  170. betroffenen
  171. Forderung
  172. (BGH,
  173. Urteil
  174. vom
  175. 30. März 1983 - VIII ZR 7/82, BGHZ 87, 166, 168) und begründet den Rang des
  176. Pfändungspfandrechts, das durch eine Pfändung innerhalb eines Monats seit
  177. Zustellung des vorläufigen Zahlungsverbots entsteht (§ 845 Abs. 2 i.V.m.
  178. §§ 804, 930 Abs. 1 ZPO; BGH, Urteil vom 8. Mai 2001 - IX ZR 9/99, NJW 2001,
  179. 2976; Beschluss vom 10. November 2011 - VII ZB 55/10, MDR 2012, 54 Rn. 9).
  180. Da die Pfändung der Kaufpreisforderung erst am 10. September 2013 und damit nicht innerhalb der Monatsfrist bewirkt worden ist, hat die Vorpfändung vom
  181. 18. Juli 2013 ihre Wirkung verloren.
  182. -8-
  183. 16
  184. d) Rechtsfehlerhaft nimmt das Beschwerdegericht dagegen an, auch
  185. durch die erneute, den Käufern am 30./31. August 2013 zugestellte Vorpfändung
  186. des
  187. Kaufpreisanspruchs
  188. in
  189. Verbindung
  190. mit
  191. dem
  192. ihnen
  193. am
  194. 10. September 2013 zugestellten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss habe die Beteiligte zu 1 kein Pfändungspfandrecht erwerben können.
  195. 17
  196. aa) Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Pfändung des
  197. Anspruchs auf Auszahlung von dem Notaranderkonto unwirksam, wenn nicht
  198. zugleich auch der der Verwahrung zugrunde liegende Anspruch - hier der Kaufpreisanspruch - gepfändet wird. Dies beruht auf der Erwägung, dass der Verkäufer ansonsten über seine Forderung noch frei verfügen könnte und dies mit
  199. dem Gebot der Rechtssicherheit nicht vereinbar wäre (BGH, Urteil vom
  200. 19. März 1998 - IX ZR 242/97, BGHZ 138, 179, 184; BGH, Urteil vom
  201. 30. Juni 1988 - IX ZR 66/87, BGHZ 105, 60, 64 f.).
  202. 18
  203. bb) Die umgekehrte Konstellation und damit die Frage, welche Wirkung
  204. einer isolierten Pfändung des Kaufpreisanspruchs zukommt, wird dagegen im
  205. Schrifttum unterschiedlich beurteilt.
  206. 19
  207. Nach einer vereinzelt vertretenen Ansicht, der das Beschwerdegericht
  208. folgt, ist die Pfändung des Kaufpreisanspruchs ohne gleichzeitige Pfändung des
  209. gegenüber dem Notar bestehenden Auskehrungsanspruchs unbeachtlich (Bräu,
  210. Verwahrungstätigkeit des Notars, 1992, Rn. 248; Kawohl, Notaranderkonto,
  211. 1995, Rn. 112). Demgegenüber genügt nach ganz überwiegend vertretener
  212. Auffassung eine isolierte Pfändung des Kaufpreisanspruchs, da sich das hieran
  213. begründete Pfändungspfandrecht auf den Auskehrungsanspruch erstrecke
  214. (Sandkühler
  215. in
  216. Arndt/Lerch/Sandkühler,
  217. BNotO,
  218. 8. Aufl.,
  219. § 23
  220. Rn. 190;
  221. Eylmann/Vaasen/Hertel, BNotO/BeurkG, 3. Aufl., § 23 BNotO Rn. 29; Hertel in
  222. Ganter/Hertel/Wöstmann, Handbuch der Notarhaftung, 3. Aufl., Rn. 1945; ders.
  223. -9-
  224. in Limmer/Hertel/Frenz/Mayer, Würzburger Notarhandbuch, 4. Aufl., Teil 2
  225. Kapitel 2 Rn. 772; Winkler, BeurkG, 17. Aufl., § 54 b Rn. 41; Renner in
  226. Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG, 6. Aufl.,
  227. § 54 b
  228. Rn. 77; Grziwotz/
  229. Heinemann/Grziwotz, BeurkG, 2. Aufl., § 54 b Rn. 29; Haug/Zimmermann, Die
  230. Amtshaftung des Notars, 3. Aufl., Rn. 745; Strehle, Die Zwangsvollstreckung in
  231. das Guthaben des Notaranderkontos, 1995, S. 73 ff.; Ganter, DNotZ 2004, 421,
  232. 432; Volhard, DNotZ 1987, 523, 543 f.; Göbel, DNotZ 1984, 257, 259;
  233. Rupp/Fleischmann, NJW 1983, 2368, 2369).
  234. 20
  235. cc) Der Senat entscheidet die Frage im Sinne der zuletzt genannten Auffassung. Wird eine Kaufpreiszahlung über ein Notaranderkonto abgewickelt,
  236. erstreckt sich das mit der Pfändung des Kaufpreisanspruchs entstandene
  237. Pfandrecht auf den Auszahlungsanspruch gegen den Notar.
  238. 21
  239. (1) Die mit der Pfändung des Hauptrechts verbundene Beschlagnahme
  240. erstreckt sich ohne weiteres auf alle Nebenrechte, die im Falle einer Abtretung
  241. nach §§ 412, 401 BGB auf den Gläubiger übergehen (vgl. BGH, Beschluss vom
  242. 18. Juli 2003 - IXa ZB 148/03, NJW-RR 2003, 1555, 1556; Beschluss vom
  243. 16. Juni 2000 - BLw 30/99, WM 2000, 2555, 2556; Urteil vom 18. Juni 1998
  244. - IX ZR 311/95, NJW 1998, 2969 jeweils mwN). Die Vorschrift des § 401 BGB
  245. erfasst neben den dort genannten Rechten auch andere unselbständige Sicherungsrechte sowie Hilfsrechte, die zur Durchsetzung der Forderung erforderlich
  246. sind (BGH, Urteil vom 7. Dezember 2006 - IX ZR 161/04, WM 2007, 406
  247. Rn. 13; Urteil vom 14. Juli 1966 - VIII ZR 229/64, BGHZ 46, 14, 15).
  248. 22
  249. Der Auskehrungsanspruch gegen den Notar ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Verhältnis zur Kaufpreisforderung als ein solches Nebenrecht einzuordnen. Die Einschaltung des Notars zur Abwicklung des
  250. Kaufpreises soll sicherstellen, dass die Ansprüche der Parteien Zug um Zug
  251. - 10 -
  252. erfüllt werden. Die Vertragspartner sollen vor rechtlichen Nachteilen geschützt
  253. werden, die mit Inhalt und Zweck der getroffenen Regelung nicht vereinbar
  254. sind. Der Auszahlungsanspruch gegen den Notar entsteht im Zuge der Vertragsabwicklung; er hängt daher, solange die Kaufpreisforderung noch nicht
  255. erloschen ist, eng und unmittelbar mit ihr zusammen. Der Anspruch gegen den
  256. Notar wird nur deshalb begründet, weil der Verkäufer von seinem Vertragspartner nicht Zahlung an sich verlangen kann; er ergänzt die vertragliche Forderung (BGH, Urteil vom 19. März 1998 - IX ZR 242/97, BGHZ 138, 179, 184). Die
  257. Abtretung des Kaufpreisanspruchs führt deshalb entsprechend § 401 BGB auch
  258. zum Übergang des Auskehrungsanspruchs gegen den Notar (vgl. auch BGH,
  259. Urteil vom 7. Dezember 2006 - IX ZR 161/04, WM 2007, 406 Rn. 13 zu einem
  260. Treuhandvertrag eines Kreditinstituts; KG, DNotZ 1999, 994, 996 f.; Renner in
  261. Armbrüster/Preuß/Renner,
  262. BeurkG,
  263. 6. Aufl.,
  264. § 54 b
  265. Rn. 89;
  266. Eylmann/
  267. Vaasen/Hertel, BNotO/BeurkG, 3. Aufl., § 23 BNotO Rn. 33; Hertel in Limmer/
  268. Hertel/Frenz/Mayer, Würzburger Notarhandbuch, 4. Aufl., Teil 2 Kapitel 2
  269. Rn. 775; Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 8. Aufl., § 23 Rn. 187;
  270. Winkler, BeurkG, 17. Aufl., § 54 b Rn. 35; Haug/Zimmermann, Die Amtshaftung
  271. des Notars, 3. Aufl., Rn. 747; Kawohl, Notaranderkonto, 1995, Rn. 107). Die
  272. durch das Beschwerdegericht für zwingend erforderlich gehaltene zusätzliche
  273. Pfändung des Auskehrungsanspruchs findet vor diesem Hintergrund im Gesetz
  274. keine Stütze.
  275. 23
  276. (2) Die Erwägung des Beschwerdegerichts, dass der Notar Drittschuldner des Auskehrungsanspruchs sei und ihn die Rechte und Pflichten aus § 840
  277. ZPO träfen, an ihn aber bei der isolierten Pfändung des Kaufpreisanspruchs
  278. eine Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht erfolge
  279. und ihn damit auch nicht das Verbot erreiche, an den Schuldner zu zahlen, geht
  280. in ihrer Prämisse fehl.
  281. - 11 -
  282. 24
  283. Bei einer isolierten Pfändung des Kaufpreisanspruchs ist - auch wenn
  284. sich die Pfändung nach § 401 BGB auf den Auskehrungsanspruch erstreckt nur der Käufer Drittschuldner. Dieser muss im Rahmen seiner Drittschuldnererklärung nach § 840 Abs. 1 ZPO die notarielle Verwahrung angeben. Weil der
  285. Notar hinsichtlich des Kaufpreisanspruchs nicht Drittschuldner ist, trifft ihn keine
  286. Auskunftspflicht nach § 840 Abs. 1 ZPO. Wird ihm die isolierte Pfändung und
  287. Überweisung des Kaufpreisanspruchs nachgewiesen, hat er den hinterlegten
  288. Betrag an den Pfändungspfandgläubiger auszukehren (Zöller/Stöber, ZPO,
  289. 31. Aufl., § 829 Rn. 33 unter "Notar"; Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl.,
  290. Rn. 1781a; Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 8. Aufl., § 23
  291. Rn. 190; Ganter, DNotZ 2004, 421 432; Rupp/Fleischmann, NJW 1983, 2368,
  292. 2369).
  293. 25
  294. (3) Im Übrigen verblieben auch bei einer Doppelpfändung des Kaufpreisanspruchs und des Auskehrungsanspruchs in Bezug auf die Frage der Wirksamkeit der Pfändung für den Notar Unwägbarkeiten, da er sich nicht sicher
  295. sein kann, ob der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auch an den Käufer
  296. zugestellt worden ist (vgl. Ganter, DNotZ 2004, 421, 434 f.). Für eine zutreffende Bewertung, an wen der verwahrte (Rest-) Kaufpreis auszuzahlen ist, muss
  297. der Notar in jedem Fall Kenntnis davon haben, ob und zu welchem Zeitpunkt
  298. die Pfändung des Kaufpreisanspruchs durch Zustellung des entsprechenden
  299. Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Käufer bewirkt worden ist.
  300. Diese hat er erst dann, wenn ihm die Zustellung des Pfändungsbeschlusses an
  301. den Käufer als Drittschuldner im Sinne des § 829 Abs. 3 ZPO durch Vorlage der
  302. Zustellungsurkunde nachgewiesen wird oder der Drittschuldner dem Notar die
  303. erfolgte Zustellung bestätigt (vgl. Hertel in Limmer/Hertel/Frenz/Mayer, Würzburger Notarhandbuch, 4. Aufl., Teil 2 Kapitel 2 Rn. 772).
  304. - 12 -
  305. 26
  306. (4) Hinzu kommt, dass der Pfändungspfandgläubiger ausgehend von
  307. dem Rechtsstandpunkt des Berufungsgerichts vor erhebliche Probleme gestellt
  308. würde. Er hat im Zweifel weder Kenntnis darüber, dass die Kaufpreiszahlung
  309. über ein Notaranderkonto erfolgt, noch über die Person des Notars. Er wäre
  310. daher auf die schnelle und richtige Auskunft des Drittschuldners angewiesen,
  311. um eine wirksame Pfändung vornehmen zu können.
  312. 27
  313. (5) Auch wird die Zustellung des die Kaufpreisforderung betreffenden
  314. Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in der Praxis dem Notar - wie auch
  315. hier - regelmäßig zur Kenntnis gebracht werden. Da eine Auszahlung des Kaufpreises durch den Notar trotz der erfolgten Pfändung des Kaufpreisanspruchs
  316. gegen das gerichtliche Verfügungsverbot verstoßen würde (§ 829 Abs. 1 Satz 2
  317. ZPO i.V.m. §§ 135, 136 BGB), läuft der Käufer Gefahr, erneut zahlen zu müssen, so dass sein Eigeninteresse auf eine unverzügliche Unterrichtung des
  318. Notars gerichtet sein wird. Nichts anderes gilt für den Pfändungspfandgläubiger,
  319. wenn ihm die Hinterlegung auf einem Notaranderkonto - etwa aufgrund der
  320. Drittschuldnererklärung - bekannt ist. Er hat ein Interesse daran zu verhindern,
  321. dass die hinterlegten Beträge bei Auszahlungsreife an den Verkäufer abfließen.
  322. 28
  323. (6) Die durch das Beschwerdegericht angeführte Gefahr einer Haftung
  324. des Notars gegenüber dem Pfändungspfandgläubiger nach § 840 Abs. 2 ZPO
  325. oder § 19 BNotO besteht nicht. Der Notar muss keine Pfändungen beachten,
  326. von denen er keine Kenntnis hat (vgl. Renner in Armbrüster/Preuß/Renner,
  327. BeurkG, 6. Aufl., § 54 b Rn. 79). In einem solchen Fall scheidet eine Haftung
  328. des Notars aus. Zahlt er in Unkenntnis einer wirksamen Pfändung an den Verkäufer oder an einen nachrangigen Pfändungspfandgläubiger aus, wird er in
  329. entsprechender Anwendung von § 407 Abs. 1 BGB von seiner Leistungspflicht
  330. frei (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 26. Januar 1983 - VIII ZR 258/81, BGHZ 86,
  331. - 13 -
  332. 337, 338 f.; Urteil vom 27. Oktober 1988 - IX ZR 27/88, BGHZ 105, 358, 359 f.;
  333. RGZ 87, 412, 418; Becker in Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., § 829 Rn. 20).
  334. IV.
  335. 29
  336. Die angefochtene Entscheidung ist daher ebenso wie der Vorbescheid
  337. des Notars aufzuheben (§ 15 Abs. 2 Satz 3 BNotO i.V.m. § 74 Abs. 5 FamFG).
  338. Der Notar ist anzuweisen, über die Auskehrung des noch auf dem Notaranderkonto befindlichen Guthabens unter Beachtung der Rechtsansicht des Senats
  339. erneut zu entscheiden (§ 15 Abs. 2 Satz 3 BNotO i.V.m. § 74 Abs. 6 Satz 2
  340. FamFG). Ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt kam es auf das Rangverhältnis der durch andere Gläubiger bewirkten Pfändungen nicht an. Wie der
  341. Notar in seinem Vorbescheid zutreffend ausführt, ist er bei einer abweichenden
  342. Beurteilung der Wirksamkeit der Pfändung der Beteiligten zu 1 gehalten, die
  343. gesamte Auskehrsituation unter Berücksichtigung der weiteren Pfändungen neu
  344. zu prüfen.
  345. - 14 -
  346. V.
  347. 30
  348. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 15 Abs. 2 Satz 3 BNotO i.V.m.
  349. § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf
  350. § 61 Abs. 1 Satz 1, § 36 Abs. 1 GNotKG und richtet sich nach der Höhe des im
  351. Streit stehenden Auskehrungsbetrages.
  352. Stresemann
  353. Brückner
  354. Kazele
  355. Weinland
  356. Haberkamp
  357. Vorinstanz:
  358. LG Zwickau, Entscheidung vom 18.02.2015 - 6 T 32/14 -