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5.3 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. V ZB 29/13
  4. vom
  5. 30. Oktober 2013
  6. in der Abschiebungshaftsache
  7. -2-
  8. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Oktober 2013 durch die
  9. Vorsitzende
  10. Richterin
  11. Dr. Stresemann,
  12. die
  13. Richter
  14. Dr. Lemke
  15. und
  16. Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland
  17. beschlossen:
  18. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss
  19. der
  20. 4.
  21. Zivilkammer
  22. des
  23. Landgerichts
  24. Lüneburg
  25. vom
  26. 26. Februar 2013 aufgehoben und festgestellt, dass der Beschluss
  27. des Amtsgerichts Lüneburg vom 25. November 2012 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.
  28. Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur
  29. zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen
  30. des Betroffenen in allen Instanzen werden der Hansestadt Lüneburg auferlegt.
  31. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
  32. 3.000 €.
  33. Gründe:
  34. I.
  35. 1
  36. Der Betroffene ist ukrainischer Staatsangehöriger. Nach einer Abschiebung in die Ukraine am 2. März 2000 reiste er vor dem 25. November 2012 erneut nach Deutschland ein, ohne über den erforderlichen Aufenthaltstitel zu
  37. verfügen. Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht mit Beschluss
  38. vom 25. November 2012 Haft zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen
  39. für die Dauer von acht Wochen angeordnet. Mit Schreiben vom 26. November
  40. -3-
  41. 2012 drohte die beteiligte Behörde dem Betroffenen die Abschiebung an. Am
  42. 13. Dezember 2012 wurde er abgeschoben. Seinen Antrag auf Feststellung der
  43. Rechtswidrigkeit der Haft hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt er seinen Feststellungsantrag weiter.
  44. II.
  45. 2
  46. Das Beschwerdegericht meint, die Voraussetzungen für die Anordnung
  47. von Zurückschiebungshaft gemäß § 57 Abs. 3, § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG hätten vorgelegen.
  48. III.
  49. 3
  50. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Haft hätte nicht angeordnet werden dürfen, da der Haftantrag nicht den Anforderungen des § 417
  51. Abs. 2 FamFG entsprach.
  52. 4
  53. 1. Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des
  54. Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Haftantrags
  55. (st. Rspr., siehe näher Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09,
  56. FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 12; Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10,
  57. NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 7). Bei einer beabsichtigten Abschiebung muss die
  58. Behörde in dem Haftantrag nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG unter anderem die Vollstreckungsvoraussetzungen darlegen, zu denen auch die Abschiebungsandrohung nach § 59 Abs. 1 AufenthG gehört; fehlt es an einer für die
  59. Vollstreckung erforderlichen Voraussetzung, darf auch eine kraft Gesetzes voll-
  60. -4-
  61. ziehbare Ausreisepflicht nicht durch eine Abschiebung durchgesetzt werden
  62. (Senat, Beschluss vom 27. September 2012 - V ZB 31/12, InfAuslR 2013, 38).
  63. 5
  64. 2. Dem genügte der Haftantrag nicht. Die beteiligte Behörde hat darin
  65. nicht dargelegt, dass die Abschiebung angedroht worden ist oder dass die Voraussetzungen für das Absehen von einer Abschiebungsandrohung (§ 59
  66. Abs. 1 Satz 3 AufenthG) vorgelegen haben. Das Fehlen entsprechender Ausführungen im Haftantrag ist nicht etwa deshalb unschädlich, weil das Beschwerdegericht die vom Amtsgericht angeordnete Abschiebungshaft an den
  67. für die Haft zur Sicherung einer Zurückschiebung geltenden Maßstäben gemessen hat, die eine Rückkehrentscheidung nicht voraussetzen. Beantragt die
  68. beteiligte Behörde - wie hier - Abschiebungshaft, ist sie selbst dann an die damit einhergehenden strengeren Verfahrenserfordernisse gebunden, wenn eine
  69. Zurückschiebung möglich gewesen wäre (Senat, Beschluss vom 13. März 2013
  70. - V ZB 135/12, NVwZ 2013, 1027 Rn. 9). Daher kommt es auch nicht darauf an,
  71. dass die Voraussetzungen des § 57 AufenthG für eine Zurückschiebung des
  72. Betroffenen, der sich nach den Angaben der beteiligten Behörde im Haftantrag
  73. vor seiner Festnahme vermutlich bereits über ein halbes Jahr in Deutschland
  74. aufgehalten hat, hier nicht vorlagen.
  75. 6
  76. 3. Der Mangel der Antragsbegründung ist nicht für die Zukunft geheilt
  77. worden. Selbst wenn die Behörde den Haftantrag nachträglich ergänzt haben
  78. sollte, wofür aus den Gerichtsakten nichts ersichtlich ist, hätte der Betroffene
  79. Gelegenheit erhalten müssen, in einer erneuten persönlichen Anhörung hierzu
  80. Stellung zu nehmen (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09,
  81. FGPrax 2010, 210, 211 f. Rn. 25; Beschluss vom 18. August 2010
  82. - V ZB 119/10, juris Rn. 14). Entgegen der Ansicht der beteiligten Behörde lässt
  83. der Umstand, dass der Betroffene in seiner Beschwerde zum Landgericht den
  84. -5-
  85. Mangel der Antragsbegründung nicht gerügt hatte, das Erfordernis einer Anhörung zu einer nachträglichen Ergänzung des Haftantrags nicht entfallen.
  86. IV.
  87. 7
  88. Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430
  89. FamFG, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO. Unter Berücksichtigung der Regelung in
  90. Art. 5 EMRK entspricht es billigem Ermessen, die Hansestadt Lüneburg zur Erstattung der notwendigen Auslagen des Betroffenen zu verpflichten.
  91. 8
  92. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO
  93. i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.
  94. Stresemann
  95. Lemke
  96. Brückner
  97. Schmidt-Räntsch
  98. Weinland
  99. Vorinstanzen:
  100. AG Lüneburg, Entscheidung vom 25.11.2012 - 101 XIV 187 B LG Lüneburg, Entscheidung vom 26.02.2013 - 4 T 7/13 -