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168 lines
7.6 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. V ZB 19/12
  4. vom
  5. 21. Juni 2012
  6. in dem Rechtsstreit
  7. - 2 -
  8. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Juni 2012 durch den Vorsitzenden
  9. Richter
  10. Prof. Dr. Krüger,
  11. die
  12. Richter
  13. Dr. Lemke
  14. und
  15. Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland
  16. beschlossen:
  17. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer
  18. des Landgerichts Stralsund vom 11. Januar 2012 wird auf Kosten
  19. der Kläger und des Drittwiderbeklagten zurückgewiesen.
  20. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
  21. 600 €.
  22. Gründe:
  23. I.
  24. 1
  25. Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Das Grundstück der Klägerin ist
  26. mit einem Wegerecht belastet, wonach dem jeweiligen Eigentümer des Grundstücks der Beklagten gestattet wird, den auf dem Grundstück der Klägerin befindlichen Weg mit dem Pkw zu befahren. Die Beklagten nutzen den Weg auch
  27. durch Betreten mit einem Rasenmäher, einer Schubkarre bzw. einer Mülltonne;
  28. das Begehen durch Dritte lassen sie ebenfalls zu.
  29. 2
  30. Die Klägerin hat die Unterlassung der ihrer Meinung nach über das Wegerecht hinausgehenden Nutzung verlangt. Widerklagend haben die Beklagten
  31. beantragt festzustellen, dass sie berechtigt sind, das ihnen eingeräumte Wegerecht in bestimmter Weise und für bestimmte Zwecke zu nutzen, sowie die Klä-
  32. - 3 -
  33. gerin und den Drittwiderbeklagten zur Unterlassung von Behinderungen jedweder Art zu verurteilen, die geeignet sind, das bestehende Wegerecht zu vereiteln.
  34. 3
  35. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgeben. Den Streitwert hat es auf 800 € festgesetzt. Die Berufung der Klägerin und
  36. des Drittwiderbeklagten hat das Landgericht als unzulässig verworfen. Mit der
  37. Rechtsbeschwerde wollen die Klägerin und der Drittwiderbeklagte die Aufhebung dieser Entscheidung und die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht erreichen.
  38. II.
  39. 4
  40. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist für die Bemessung des Werts
  41. des Beschwerdegegenstands im Sinne von § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Wertminderung des Grundstücks der Klägerin maßgeblich, die durch die über den
  42. Wortlaut des Wegerechts hinausgehende Benutzung des Weges durch die Beklagten entsteht. Sie sei nicht höher als 600 €. Nennenswerte vermögensrechtliche Nachteile der Klägerin seien nicht ersichtlich. Solche ergäben sich auch
  43. nicht aus der von der Klägerin und dem Drittwiderbeklagten vorgelegten Stellungnahme des von ihnen beauftragten Sachverständigen. Zum einen werde
  44. darin der Ausgangspunkt für die Berechnung der Beschwer nicht hinreichend
  45. berücksichtigt; zum anderen sei die kumulative Berücksichtigung einer Wertminderung durch verminderte Mieteinnahmen und einer Wertminderung durch
  46. die erschwerte Verwertbarkeit des Grundstücks nicht möglich. Die Wertminderung durch verminderte Mieteinnahmen zuzüglich der zusätzlichen Wertminderung des belasteten Grundstücksteils ergäbe zusammen lediglich einen Betrag
  47. von 429 €.
  48. - 4 -
  49. III.
  50. 5
  51. 1. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1
  52. Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Hat das erstinstanzliche
  53. Gericht, wie hier, keine Veranlassung gesehen, die Berufung nach § 511 Abs. 4
  54. Satz 1 ZPO zuzulassen, weil es den Streitwert auf über 600 € festgesetzt hat,
  55. und hält das Berufungsgericht diesen Wert für nicht erreicht, muss es die Entscheidung darüber nachholen, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der
  56. Berufung erfüllt sind; denn die unterschiedliche Bewertung darf nicht zu Lasten
  57. der Partei gehen (siehe nur Senat, Beschluss vom 19. Mai 2011 - V ZB 250/10,
  58. ZMR 2011, 782 mwN). Diese Rechtsprechung ist dem Berufungsgericht offenbar nicht bekannt. Daher erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2
  59. ZPO).
  60. 6
  61. 2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet.
  62. 7
  63. a) Der Senat kann die Erheblichkeit der fehlenden Zulassungsentscheidung durch die Instanzgerichte im Rechtsbeschwerdeverfahren selbst prüfen
  64. (BGH, Beschluss vom 21. April 2010 - XII ZB 128/09, NJW-RR 2010, 934
  65. Rn. 21). Diese Prüfung ergibt, dass eine Zulassung der Berufung nicht in Betracht gekommen wäre. Die Rechtsbeschwerdeführer machen solches auch
  66. nicht geltend.
  67. 8
  68. b) Die Bemessung der Wertminderung des Grundstücks der Klägerin
  69. durch die Benutzung des Weges in dem in dem amtsgerichtlichen Urteil festgelegten Umfang durch die Beklagten mit nicht mehr als 600 € ist rechtlich nicht
  70. zu beanstanden.
  71. 9
  72. aa) Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Die Beschwer der abgewiesenen Unterlassungsklage bemisst sich grundsätzlich nach
  73. - 5 -
  74. der Wertminderung des beeinträchtigten Grundstücks durch die zu unterlassende Störung (siehe nur Senat, Beschluss vom 18. August 2010 - V ZB 45/10,
  75. WuM 2011, 296, 297). Eine Besonderheit besteht hier darin, dass das Grundstück der Klägerin bereits durch die Belastung mit dem Wegerecht eine Wertminderung erlitten hat. Deshalb ist - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - der Wert des Beschwerdegegenstands nur nach der Wertminderung des Grundstücks zu bemessen, die durch die über den Wortlaut des Wegerechts hinausgehende Benutzung des Weges entsteht.
  76. 10
  77. bb) Dass diese Wertminderung den Betrag von 600 € übersteigt, lässt
  78. sich anhand der von der Klägerin und dem Drittwiderbeklagten in der Berufungsinstanz vorgelegten Stellungnahme eines Sachverständigen nicht feststellen. Zwar ist dieser - anders als das Berufungsgericht es gesehen hat - zutreffend davon ausgegangen, dass es auf die durch die Erweiterung des Wegerechts über dessen Wortlaut hinaus eingetretene zusätzliche Grundstückswertminderung ankommt. Diese hat er hinsichtlich der mit dem Wegerecht belasteten Teilfläche mit 45 € ermittelt. Ob diesem Betrag eine Wertminderung durch
  79. verringerte Mieteinnahmen und eine Wertminderung durch die erschwerte Vermietbarkeit, die der Sachverständige mit 384 € bzw. 284 € beziffert hat, hinzuzurechnen ist, kann offenbleiben. Denn es ist nicht nachvollziehbar, wie der
  80. Sachverständige zu diesen Beträgen gelangt ist. Er hat sie schlicht genannt,
  81. ohne eine Berechnung dargestellt zu haben. Auch in der Rechtsbeschwerdebegründung findet sich dazu nichts.
  82. 11
  83. cc) Erst recht haben weder die in der Berufungsbegründung vorgetragene Beeinträchtigung der Privatsphäre der Klägerin und des Drittwiderbeklagten
  84. noch deren Vortrag in der Streitwertbeschwerde, "dass unter Berücksichtigung
  85. der Interessen der Beteiligten die gegenseitigen Unterlassungsansprüche einen
  86. Streitwert von mindestens 2.000 € rechtfertigen", für die Bemessung des nach
  87. - 6 -
  88. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO maßgeblichen Werts des Beschwerdegegenstands eine
  89. Bedeutung. Zwar wird in der Rechtsbeschwerdebegründung auf diesen Vortrag
  90. hingewiesen; es fehlt aber an Darlegungen, weshalb sich daraus eine 600 €
  91. übersteigende Grundstückswertminderung ergeben soll.
  92. 12
  93. c) Entgegen der in der Rechtsbeschwerdebegründung vertretenen Ansicht war das Berufungsgericht nicht gehindert, das Rechtsmittel mit dem angefochtenen
  94. Beschluss
  95. zu
  96. verwerfen.
  97. Das
  98. Amtsgericht
  99. hat
  100. am
  101. 28. November 2011 mit dem Hinweis auf § 320 Abs. 4 Satz 2 ZPO über den
  102. Tatbestandsberichtigungsantrag der Klägerin und des Drittwiderbeklagten entschieden, und zwar dahingehend, dass eine Berichtigung des Tatbestands wegen Verhinderung des Richters, der das erstinstanzliche Urteil gefällt hat, nicht
  103. möglich ist (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 320 Rn. 12).
  104. - 7 -
  105. IV.
  106. 13
  107. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
  108. Krüger
  109. Lemke
  110. Brückner
  111. Schmidt-Räntsch
  112. Weinland
  113. Vorinstanzen:
  114. AG Anklam, Entscheidung vom 18.04.2011 - 7 C 31/09 LG Stralsund, Entscheidung vom 11.01.2012 - 1 S 87/11 -