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8.6 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. V ZB 17/04
  4. vom
  5. 24. Februar 2005
  6. in dem Rechtsstreit
  7. -2-
  8. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 24. Februar 2005 durch den
  9. Vizepräsidenten
  10. des
  11. Bundesgerichtshofes
  12. Dr.
  13. Wenzel,
  14. die
  15. Richter
  16. Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Lemke und die Richterin Dr. Stresemann
  17. beschlossen:
  18. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 4. Zivilsenats
  19. des Oberlandesgerichts Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - vom
  20. 7. April 2004 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.
  21. Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 9.968 €.
  22. Gründe:
  23. I.
  24. Der Beklagte beantragte am 2. Oktober 2003 Prozeßkostenhilfe für die
  25. Berufung gegen ein ihm wenige Tage zuvor zugestelltes Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen. Wegen seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nahm er auf eine im April 2003 im ersten Rechtszug auf dem hierfür
  26. bestimmten Vordruck eingereichte Erklärung Bezug, verbunden mit dem Hinweis, daß sich keine Änderungen ergeben hätten.
  27. In der Erklärung vom April 2003 hatte der Beklagte bei den Fragen nach
  28. seinem Vermögen sowohl bei "Grundvermögen" als auch in allen weiteren
  29. Rubriken "nein" angekreuzt. Auf Nachfrage des Landgerichts hatte sein Prozeßbevollmächtigter mit Schriftsatz vom 4. Juni 2003 mitgeteilt, daß der Beklagte über Grundbesitz in Sizilien verfüge. Dabei handele es sich um haupt-
  30. -3-
  31. sächlich von Olivenbäumen bewachsene Felder mit einem Verkehrswert von
  32. allenfalls 20.000 €. Es sei daher kaum möglich, diesen Grundbesitz zu veräußern. Anschließend hatte das Landgericht dem Beklagten Prozeßkostenhilfe
  33. für den ersten Rechtszug bewilligt.
  34. Nach dem Hinweis des Klägers, dem Beklagten gehörten drei Grundstücke in Sizilien, von denen eines bebaut und ein weiteres vermutlich bebaubar
  35. sei, forderte das Oberlandesgericht diesen auf, sich hierzu zu äußern und seine Angaben glaubhaft zu machen. Der Beklagte legte daraufhin zum Beleg,
  36. daß der Gesamtwert seiner Grundstücke in Sizilien 20.300 € betrage, ein
  37. Schriftstück in italienischer Sprache vor. Durch Beschluß vom 23. Februar
  38. 2004, dem Beklagten zugestellt am 3. März 2004, wies das Oberlandesgericht
  39. den Prozeßkostenhilfeantrag zurück. Der Beklagte müsse seine Grundstücke
  40. zur Finanzierung des Prozesses einsetzen, da sie kein Schonvermögen darstellten und eine aus ihrem Verkauf folgende unzumutbare Härte nicht ersichtlich sei.
  41. Der Beklagte hat am 11. März 2004 Berufung eingelegt und unter Hinweis auf seinen Prozeßkostenhilfeantrag Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Mit Beschluß vom 4. April 2004 hat das
  42. Oberlandesgericht die Wiedereinsetzung abgelehnt und die Berufung wegen
  43. der Fristversäumung als unzulässig verworfen. Diese sei nicht unverschuldet,
  44. da der Prozeßkostenhilfeantrag für das Berufungsverfahren nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen habe. Die in Bezug genommenen Angaben
  45. zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vom April 2003 seien
  46. im Zeitpunkt der Antragstellung inhaltlich überholt gewesen. Der Beklagte habe
  47. bereits durch Schriftsatz vom 4. Juni 2003 eingeräumt, über Grundbesitz zu
  48. verfügen. Allerdings habe er darin angegeben, es handele sich um Felder,
  49. -4-
  50. während er jetzt nicht in Abrede stelle, daß die Grundstücke teilweise bebaut
  51. bzw. bebaubar seien. Unerheblich sei, daß der Beklagte für den ersten
  52. Rechtszug Prozeßkostenhilfe erhalten habe. Eine Partei dürfe nur bei zutreffenden und umfassenden Angaben darauf vertrauen, daß das Rechtsmittelgericht keine strengeren Anforderungen an die Bedürftigkeit stelle als das Erstgericht.
  53. Gegen diesen Beschluß wendet sich der Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.
  54. II.
  55. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1
  56. Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig, weil es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.
  57. 1. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist nicht zur Fortbildung
  58. des Rechts erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, daß der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen aufzustellen, wenn es für die rechtliche
  59. Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an
  60. einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (Senat,
  61. BGHZ 154, 288, 292 zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO).
  62. a) Anlaß, Leitsätze aufzustellen, gibt der Rechtsstreit schon deshalb
  63. nicht, weil er entgegen der Auffassung der Beschwerde keine über den Einzelfall hinausreichende Rechtsfrage aufwirft. Ob ein ordnungsgemäßer Prozeßkostenhilfeantrag vorliegt, wenn eine Partei auf ein früher eingereichtes Formular zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen verweist, das zunächst unvollständig war, in einer weiteren Erklärung aber vervollständigt wur-
  64. -5-
  65. de, läßt sich nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und damit nicht abstrakt für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen beantworten.
  66. b) Die Frage ist zudem nicht entscheidungserheblich. Der Prozeßkostenhilfeantrag des Beklagten vom 2. Oktober 2003 stellt auch dann keine
  67. geeignete Grundlage für eine Wiedereinsetzung dar, wenn er als Bezugnahme
  68. auf die mittels Schriftsatz vom 4. Juni 2003 vervollständigte und korrigierte
  69. erstinstanzliche Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verstanden wird.
  70. Nach Ablehnung eines innerhalb der Frist für die Einlegung eines
  71. Rechtsmittels eingereichten Prozeßkostenhilfeantrags ist einer Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie vernünftigerweise
  72. nicht damit rechnen mußte, daß ihr Antrag aus wirtschaftlichen Gründen wegen
  73. fehlender Bedürftigkeit abgelehnt werden würde. Diese Voraussetzung ist nur
  74. erfüllt, wenn die Partei sich für bedürftig halten und annehmen durfte, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozeßkostenhilfe ordnungsgemäß dargetan zu haben (BGH, Beschl. v. 23. Februar 2000, XII ZB
  75. 221/99, NJW-RR 2000, 1387; Beschl. v. 12. Juni 2001, XI ZR 161/01, NJW
  76. 2001, 2720, 2721).
  77. Das war hier nicht der Fall. Der Beklagte konnte nicht davon ausgehen,
  78. seine wirtschaftlichen Verhältnisse ordnungsgemäß dargetan zu haben, denn
  79. die Angabe im Schriftsatz vom 4. Juni 2003, bei seinem Grundbesitz in Sizilien
  80. handele es sich um Felder, war unzutreffend. Nach den Feststellungen des
  81. Berufungsgerichts stellt der Beklagte nicht in Abrede, daß die Grundstücke tatsächlich teilweise bebaut bzw. bebaubar sind. Die Auffassung der Beschwerde,
  82. daß es hierauf nicht ankommen könne, weil für die Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten allein der - durchgängig mit etwa 20.000 €
  83. -6-
  84. angegebene - Wert der Grundstücke maßgeblich sei, trifft nicht zu. Die Beschwerde übersieht dabei, daß der Beklagte seinen Grundbesitz in dem
  85. Schriftsatz vom 4. Juni 2003 deshalb als praktisch unverkäuflich dargestellt
  86. hat, weil es sich um mit Olivenbäumen bewachsene Felder handele. Aufgrund
  87. dieses von dem Beklagten selbst hergestellten Zusammenhangs durfte das
  88. Berufungsgericht demgegenüber annehmen, daß bebaute oder bebaubare
  89. Grundstücke in Sizilien verkäuflich sind, und folgern, daß der Beklagte in dem
  90. Schriftsatz vom 4. Juni 2003 unrichtige Angaben zur Verwertbarkeit seines
  91. Grundbesitzes gemacht hat.
  92. 2. Eine Entscheidung ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen
  93. Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO), insbesondere verletzt der angefochtene Beschluß nicht den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Entgegen der Auffassung
  94. der Beschwerde bestand für das Berufungsgericht kein Anlaß, den Beklagten
  95. zu einer weiteren Glaubhaftmachung aufzufordern. Bei der Entscheidung über
  96. den Prozeßkostenhilfeantrag, die im übrigen nicht Gegenstand der Rechtsbeschwerde ist, hat das Berufungsgericht die Wertangaben des Beklagten
  97. zugrunde gelegt. Im Rahmen des Wiedereinsetzungsgesuchs war der Beklagte
  98. bereits nach § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO gehalten, die für eine Wiedereinsetzung
  99. maßgeblichen Tatsachen glaubhaft zu machen. Dabei konnte es allerdings
  100. nicht mehr um den Wert der Grundstücke, sondern nur um die berechtigte Erwartung des Beklagten gehen, sein Prozeßkostenhilfeantrag werde nicht wegen fehlender Bedürftigkeit abgelehnt werden. Tatsachen, die ein solches Vertrauen begründen könnten, hat der Beklagte jedoch nicht vorgetragen. Auf die
  101. Bewilligung von Prozeßkostenhilfe im ersten Rechtszug kann sich der Beklagte
  102. insoweit nicht stützen, weil die Angaben zu seinem Grundbesitz, wie dargelegt,
  103. in einem maßgeblichen Punkt unzutreffend waren.
  104. -7-
  105. -8-
  106. III.
  107. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
  108. Wenzel
  109. Krüger
  110. Lemke
  111. Klein
  112. Stresemann