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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. StB 29/09
  4. vom
  5. 18. Juni 2009
  6. in der Strafvollstreckungssache
  7. gegen
  8. wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung
  9. hier: Sofortige Beschwerde gegen den Widerruf der Strafaussetzung zur
  10. Bewährung
  11. -2-
  12. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 18. Juni 2009 gemäß § 454 Abs. 3
  13. Satz 1, § 304 Abs. 4 Satz 2 Nr. 5 StPO beschlossen:
  14. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss
  15. des Oberlandesgerichts München vom 22. April 2009 aufgehoben.
  16. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Beschwerdeführer dadurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Landeskasse auferlegt.
  17. Gründe:
  18. 1
  19. Das Bayerische Oberste Landesgericht hatte den Beschwerdeführer am
  20. 5. April 2005 - rechtskräftig seit dem 25. Mai 2005 - wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und vier
  21. Monaten verurteilt und deren Vollstreckung für die Dauer von drei Jahren zur
  22. Bewährung ausgesetzt. Mit Beschluss vom 27. Juli 2007 hat das (nach der Auflösung des Bayerischen Obersten Landesgerichts nunmehr zuständige) Oberlandesgericht München die Bewährungszeit um ein Jahr auf vier Jahre verlängert. Die Bewährungszeit endete mit Ablauf des 24. Mai 2009.
  23. 2
  24. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht die Aussetzung der Jugendstrafe widerrufen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Verurteilten ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
  25. -3-
  26. 3
  27. Seine Entscheidung hat das Oberlandesgericht damit begründet, der
  28. Verurteilte habe seit seiner Verurteilung zwei weitere Straftaten begangen und
  29. dadurch gezeigt, dass sich die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde
  30. lag, nicht erfüllt habe (§ 26 Abs. 1 Nr. 1 JGG). Dem liegt Folgendes zugrunde:
  31. Der Verurteilte hatte am 22. September 2006 auf dem Oktoberfest in München
  32. einen Teleskopschlagstock bei sich. Wegen vorsätzlichen unerlaubten Führens
  33. einer Waffe erteilte ihm deshalb das Jugendschöffengericht München mit Urteil
  34. vom 18. Dezember 2006 eine Geldauflage von 250 Euro. Dieses Urteil war
  35. auch der Anlass, die Bewährungszeit auf das höchstzulässige (vgl. § 22 Abs. 2
  36. Satz 2 JGG) Maß von vier Jahren zu verlängern. Am 7. Oktober 2007 hatte der
  37. Verurteilte wiederum auf dem Münchener Oktoberfest ein Springmesser bei
  38. sich. Er wurde deshalb am 1. Juli 2008 wegen unerlaubten Führens von Waffen
  39. bei öffentlichen Veranstaltungen zu einer Geldstrafe von 130 Tagessätzen zu je
  40. 15 Euro verurteilt.
  41. 4
  42. Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass neue Straftaten in der Bewährungszeit grundsätzlich ein Indiz
  43. dafür sind, dass sich die Erwartung, der (zum Zeitpunkt der Verurteilung) Heranwachsende werde sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen
  44. und auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs unter der erzieherischen Einwirkung in der Bewährungszeit künftig einen rechtschaffenen Lebenswandel
  45. führen (§ 21 Abs. 1 Satz 1 JGG), nicht erfüllt hat. Neue Straftaten führen indes
  46. nicht zwingend zum Widerruf der Strafaussetzung, selbst wenn, wie hier, mildere Maßnahmen nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 JGG wegen des Ablaufs der Bewährungsfrist nicht mehr angeordnet werden können. Erneute Straftaten stehen
  47. einer günstigen Prognose nicht durchweg entgegen (vgl. Sonnen in
  48. Diemer/Schoreit/Sonnen, JGG 5. Aufl. §§ 26, 26 a Rdn. 10 m. w. N.). Vorlie-
  49. -4-
  50. gend ist von besonderer Bedeutung, dass der Verurteilte seit 2006 eine berufliche Ausbildung durchgehalten hat, unmittelbar vor dem erfolgreichen Abschluss
  51. seiner Ausbildung zum Brauer steht und die Möglichkeit hat, in dem erlernten
  52. Beruf eine Beschäftigung zu finden. Der Widerruf der Strafaussetzung und der
  53. damit verbundene Strafvollzug würden diese positive Entwicklung unterbrechen.
  54. Hinzu kommt, dass die beiden Taten, die nur mit einer jugendrichterlichen
  55. Sanktion sowie einer Geldstrafe geahndet werden mussten, bereits erhebliche
  56. Zeit zurückliegen. Dass der Angeklagte sich in zwei weiteren Fällen vor Gericht
  57. verantworten musste, kann für die Prognoseentscheidung keine Rolle spielen,
  58. weil der Angeklagte jeweils freigesprochen worden ist. Gleiches gilt für die "polizeilichen Berichte" über eine angeblich nicht vollständige Loslösung des Verurteilten von der rechtsextremistischen Szene. Auf solche vagen Angaben kann
  59. nichts gestützt werden. Das Oberlandesgericht erklärt sie zwar als für seine
  60. Entscheidung bedeutungslos (BA S. 9), verwendet sie aber gleichwohl zur Beschreibung dessen, wovon sich der Verurteilte unter dem Eindruck der für nötig
  61. erachteten Vollstreckung der Jugendstrafe distanzieren sollte.
  62. Becker
  63. Pfister
  64. Hubert