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8.5 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. StB 17/07
  4. vom
  5. 7. August 2007
  6. in dem Strafverfahren
  7. gegen
  8. hier:
  9. wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung u. a.
  10. -2-
  11. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie des Angeklagten und seiner Verteidiger am 7. August 2007
  12. gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 1 StPO beschlossen:
  13. Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des
  14. Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. Juni 2007 wird verworfen.
  15. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
  16. Gründe:
  17. Der Angeklagte wurde am 23. Januar 2005 vorläufig festgenommen und
  18. 1
  19. befindet sich seit dem 24. Januar 2005 in Untersuchungshaft, zuerst aufgrund
  20. des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs von diesem
  21. Tag (2 BGs 46/05), sodann aufgrund des diesen ersetzenden Haftbefehls des
  22. Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. April 2006, der durch Beschlüsse vom
  23. 9. Mai 2006, 22. August 2006 und 15. Januar 2007 jeweils abgeändert worden
  24. ist.
  25. 2
  26. Das Oberlandesgericht Düsseldorf verhandelt seit dem 9. Mai 2006 gegen den Angeklagten, dem der Generalbundesanwalt Mitgliedschaft in einer
  27. ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit mehrfachem Betrug
  28. und vielfachem Betrugsversuch zur Last legt. Am 29. Mai 2007 hat die Verteidigerin des Angeklagten die Aufhebung des Haftbefehls beantragt, weil ein dringender Tatverdacht nicht mehr bestehe; hilfsweise hat sie beantragt, den Haft-
  29. -3-
  30. befehl außer Vollzug zu setzen, weil sein Zweck durch mildere Mittel, insbesondere eine intensive Meldeauflage, erreicht werden könne. Das Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 21. Juni 2007 die Haftfortdauer angeordnet. Der
  31. hiergegen eingelegten Beschwerde hat das Oberlandesgericht mit Beschluss
  32. vom 28. Juni 2007 nicht abgeholfen. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
  33. 3
  34. 1. Soweit die Untersuchungshaft mit dem dringenden Tatverdacht der
  35. Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung begründet
  36. wird, gilt Folgendes:
  37. 4
  38. Das Oberlandesgericht hat im Rahmen der Umstellung des Haftbefehls
  39. im April 2006 unter Auswertung aller vorhandenen Beweismittel einen dringenden Tatverdacht auch dahingehend angenommen, dass sich der Angeklagte
  40. - angeworben durch den Mitangeklagten K.
  41. - in der terroristischen Vereini-
  42. gung Al Qaeda als Mitglied betätigt hat. Darauf, dass eine solche Bewertung
  43. des Ermittlungsergebnisses grundsätzlich möglich ist, hat der Senat bereits in
  44. seinem Beschluss vom 8. September 2005 (AK 9/05) hingewiesen. Nunmehr
  45. hat das Oberlandesgericht in seinem die Haftfortdauer anordnenden Beschluss
  46. vom 21. Juni 2007 seine Einschätzung auf der Grundlage der bis dahin an
  47. 95 Verhandlungstagen durchgeführten Beweisaufnahme bestätigt.
  48. 5
  49. Nach der Rechtsprechung des Senats unterliegt die Beurteilung des
  50. dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender
  51. Hauptverhandlung vornimmt, im Haftbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht. Allein das Gericht,
  52. vor dem die Beweisaufnahme stattfindet, ist in der Lage, deren Ergebnisse aus
  53. eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage
  54. zu bewerten, ob der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrens-
  55. -4-
  56. stand noch fortbesteht oder dies nicht der Fall ist. Das Beschwerdegericht hat
  57. demgegenüber keine eigenen unmittelbaren Erkenntnisse über den Verlauf der
  58. Beweisaufnahme (vgl. BGHR StPO § 112 Tatverdacht 3 m. w. N.). Nach diesem Maßstab wird der dringende Tatverdacht durch das Vorbringen der Beschwerde nicht erschüttert. Dies gilt auch für die Beweisergebnisse zum Sehvermögen des Mitangeklagten K.
  59. ; denn nach dessen im Rahmen der Wohn-
  60. raumüberwachung dokumentierten Äußerungen ist er nicht wegen besonderer
  61. Fähigkeiten als Kämpfer, sondern wegen der ihm eröffneten Reisemöglichkeiten nach Europa entsandt worden, um hier Kämpfer und Spender für Al Qaeda
  62. zu gewinnen.
  63. 6
  64. 2. Einen dringenden Tatverdacht dahingehend, dass der Angeklagte zusammen mit den Mitangeklagten K.
  65. und I.
  66. A.
  67. in zehn Fällen
  68. einen vollendeten und in 23 Fällen einen versuchten Betrug zum Nachteil von
  69. Lebensversicherungsgesellschaften begangen hat, um die betrügerisch erstrebten Versicherungsleistungen in Höhe von über 4 Mio. € zumindest teilweise der
  70. ausländischen terroristischen Vereinigung Al Qaeda zukommen zu lassen, hat
  71. der Senat bereits in seinen die Untersuchungshaft des Angeklagten bestätigenden Beschlüssen vom 8. September 2005 (AK 9/05), 21. Dezember 2005 (AK
  72. 17/05) und 11. April 2006 (AK 4/06) bejaht. Er hat es dabei als nahe liegend
  73. angesehen, dass das Oberlandesgericht die begangenen bzw. versuchten Betrugstaten im Hinblick auf die Höhe des Schadens sowie die nach dem Hinzutreten des Mitangeklagten I.
  74. A.
  75. ebenfalls nahe liegende ban-
  76. denmäßige Begehung als besonders schwere Fälle einstufen werde.
  77. 7
  78. Soweit das Oberlandesgericht unter Berücksichtigung der bisher durchgeführten Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gekommen ist, es lägen nur acht
  79. Fälle des vollendeten Betruges vor, hat es durch entsprechende Beschlüsse
  80. -5-
  81. den Haftbefehl jeweils angepasst. An der tatsächlichen Grundlage des dringenden Tatverdachts hat sich dadurch nichts Wesentliches geändert. Gegenteiliges
  82. wird von der Verteidigung auch nicht behauptet. Soweit diese an der rechtlichen
  83. Einordnung des dem Angeklagten vorgeworfenen Sachverhalts zweifelt, sieht
  84. der Senat keinen Anlass zu einer von seinen bisherigen Entscheidungen abweichenden Bewertung.
  85. 8
  86. 3. Aus den Erwägungen, die das Oberlandesgericht im Haftbefehl und in
  87. dem angegriffenen Haftfortdauerbeschluss angestellt hat und die durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet werden, besteht weiterhin die Gefahr, dass
  88. sich der Angeklagte dem weiteren Verfahren durch Flucht zu entziehen suchen
  89. wird. Sie kann durch mildere Maßnahmen als den fortdauernden Vollzug der
  90. Untersuchungshaft nicht abgewendet werden.
  91. 9
  92. 4. Der Senat hat in seinen Haftentscheidungen die Fortdauer der Untersuchungshaft bislang bereits aufgrund der Betrugsvorwürfe für gerechtfertigt
  93. angesehen. Daran hält er fest: Unter Berücksichtigung der Tatumstände, insbesondere der Höhe der insgesamt erstrebten Versicherungssumme und der
  94. Verwendungsabsicht, steht die Untersuchungshaft auch derzeit noch nicht außer Verhältnis zu der insoweit zu erwartenden Strafe.
  95. 10
  96. An dieser Beurteilung ändern die Beanstandungen nichts, die die Verteidigung gegen den bisherigen Verlauf der Hauptverhandlung vorbringt. Um dem
  97. Gebot zügiger Verfahrensdurchführung zu entsprechen, hat der Senatsvorsitzende die Sache an jeweils drei Wochentagen (Dienstag, Mittwoch und Donnerstag) terminiert. Dabei war der dritte Verhandlungstag (Donnerstag) dazu
  98. vorgesehen, Urkundsbeweise zu erheben oder Vernehmungen zum Abschluss
  99. zu bringen, die an den Vortagen länger als erwartet angedauert hatten. Der
  100. -6-
  101. Strafsenat hat auf der Grundlage dieser Planung bislang auch zügig verhandelt.
  102. Wie die vom Vorsitzenden übersandte Liste über den Ablauf der bisherigen
  103. Verhandlungstage ausweist, haben die Sitzungen überwiegend bis zum späten
  104. Nachmittag gedauert. Zur Verlesung von Urkunden hat das Oberlandesgericht
  105. den dritten Verhandlungstag plangemäß auch mehrfach genutzt. Soweit in zahlreichen Fällen der dritte Verhandlungstag aufgehoben worden ist, lag dies daran, dass die Vernehmung der Zeugen in dem vorgesehenen Zeitrahmen durchgeführt werden konnte und eine weitere Sachbeweisaufnahme nicht erforderlich
  106. war. Der Beschwerdeführer hat nicht behauptet, dass wegen der Aufhebung
  107. von Sitzungstagen am Donnerstag nennenswerter Beweisstoff dieser Art bislang nicht in die Hauptverhandlung eingeführt werden konnte oder dass andere
  108. Verhandlungstage deswegen hierfür genutzt wurden. Solches ist auch nicht ersichtlich. Die vom Vorsitzenden gewählte Verfahrensweise, Urkunden zeitnah
  109. zur Vernehmung von Zeugen einzuführen, die zum selben Komplex Bekundungen machen sollen, ist sachgerecht. Dass das Beweisprogramm nicht "dichter"
  110. gestaltet werden konnte, hat der Senatsvorsitzende überzeugend damit erklärt,
  111. dass jeweils nicht vorauszusehen ist, wie sich die Vernehmung einzelner Zeugen zeitlich gestaltet, und dass zudem die Vor- und Nachbereitung des äußerst
  112. umfangreichen Verfahrensstoffes erhebliche Arbeitszeit außerhalb der Hauptverhandlungstermine in Anspruch nimmt. Die Behauptung des Beschwerdeführers, das Verfahren sei nicht mit der gebotenen Intensität gefördert worden, trifft
  113. deshalb nicht zu.
  114. -7-
  115. 11
  116. Die Beweisaufnahme steht nach einer vorläufigen Beurteilung des Senatsvorsitzenden im Wesentlichen vor dem Abschluss.
  117. Tolksdorf
  118. Pfister
  119. Hubert