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254 lines
11 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. NotZ 56/06
  4. vom
  5. 23. Juli 2007
  6. in dem Verfahren
  7. wegen Weiterführung der Amtsbezeichnung
  8. Nachschlagewerk:
  9. BGHZ:
  10. BGHR:
  11. ja
  12. nein
  13. ja
  14. BNotO § 52 Abs. 2
  15. Ist ein Notar, nachdem gegen ihn ein Disziplinarverfahren mit dem Ziel der Entfernung aus dem Amt eingeleitet worden war, auf seinen Antrag aus seinem
  16. Amt entlassen worden (§ 48 BNotO), so dient das Verfahren über die Weiterführung der Amtsbezeichnung nicht dazu, eine umfassende Klärung der gegen
  17. ihn erhobenen disziplinarrechtlichen Vorwürfe herbeizuführen; vielmehr darf die
  18. Weiterführung der Amtsbezeichnung schon dann versagt werden, wenn die gegen den ehemaligen Notar gerichteten Vorwürfe nach Aktenlage plausibel waren.
  19. BGH, Beschluss vom 23. Juli 2007 - NotZ 56/06 - OLG Frankfurt
  20. -2-
  21. Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat durch den Vorsitzenden
  22. Richter Schlick, die Richter Wendt und Becker sowie die Notare Dr. Ebner und
  23. Justizrat Dr. Bauer
  24. am 23. Juli 2007 beschlossen:
  25. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss
  26. des 2. Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts
  27. vom 15. November 2006 wird zurückgewiesen.
  28. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu
  29. tragen und die dem Antragsgegner im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
  30. Der Geschäftswert wird für beide Rechtszüge auf 3.000 € festgesetzt.
  31. Gründe:
  32. Der Antragsteller ist seit 1985 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und
  33. 1
  34. wurde im Jahr 1996 zum Notar mit Amtssitz in L.
  35. bestellt.
  36. Mit Disziplinarverfügung vom 10. Dezember 2001 setzte der Präsident
  37. 2
  38. des
  39. Landgerichts
  40. L.
  41. gegen
  42. den
  43. Antragsteller
  44. wegen
  45. ver-
  46. schiedener Verstöße gegen seine notariellen Amtspflichten aus den Jahren
  47. 1997 bis 2000 eine Geldbuße von 20.000 DM fest. Die dagegen vom Antragsteller eingelegte Beschwerde wies die Präsidentin des Oberlandesgerichts
  48. mit Bescheid vom 5. August 2002 zurück. Den hiergegen
  49. gerichteten Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung wies so-
  50. -3-
  51. dann
  52. das
  53. Oberlandesgericht
  54. durch
  55. Beschluss
  56. vom
  57. 10. Februar 2005 mit der Maßgabe zurück, dass die Geldbuße auf 5.000 € ermäßigt wurde.
  58. 3
  59. Mit Verfügung vom 24. März 2005 leitete die Präsidentin des Oberlandesgerichts
  60. ein
  61. förmliches
  62. Disziplinarverfahren
  63. gegen
  64. den
  65. Antragsteller mit dem Ziel der Amtsenthebung (§ 97 Abs. 1 Satz 1 Var. 3
  66. BNotO) ein, setzte dieses bis zum rechtskräftigen Abschluss eines gegen den
  67. Antragsteller beim Landgericht S.
  68. anhängigen Strafverfahrens aus und
  69. enthob diesen zugleich vorläufig seines Amtes. Diese Verfügung stützt sich auf
  70. eine Vielzahl weiterer, ab 1998 begangener Verstöße des Antragstellers gegen
  71. seine notariellen Amtspflichten. Auf seinen Antrag entließ die Präsidentin des
  72. Oberlandesgerichts
  73. den
  74. Antragsteller
  75. mit
  76. Verfügung
  77. vom
  78. 18. April 2005 zum 30. August 2005 aus dem Notaramt; gleichzeitig nahm sie
  79. seine vorläufige Amtsenthebung zurück.
  80. 4
  81. Am 9. August 2005 hat der Antragsteller beim Antragsgegner beantragt,
  82. nach seinem Ausscheiden aus dem Notaramt die Bezeichnung "Notar außer
  83. Dienst (a.D.)" führen zu dürfen. Diesen Antrag hat der Präsident des Landgerichts L.
  84. mit Bescheid vom 5. Mai 2006 abgelehnt. Den hier-
  85. gegen gerichteten Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung hat
  86. das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 15. November 2006 zurückgewiesen. Gegen diese, ihm am 4. Dezember 2006 zugestellte Entscheidung richtet
  87. sich die am 15. Dezember 2006 beim Oberlandesgericht eingegangene sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein ursprüngliches Begehren
  88. weiterverfolgt.
  89. -4-
  90. II.
  91. 5
  92. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 111 Abs. 4 BNotO, § 42 Abs. 4
  93. BRAO), bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. Das Oberlandesgericht hat den
  94. Antrag auf gerichtliche Entscheidung zutreffend zurückgewiesen; denn der Antragsgegner hat durch die Ablehnung des Begehrens des Antragstellers, nach
  95. seinem Ausscheiden aus dem Notaramt die Bezeichnung "Notar außer Dienst
  96. (a.D.)" zu führen, weder die gesetzlichen Grenzen des ihm durch § 52 Abs. 2
  97. Satz 2 BNotO eingeräumten Ermessens überschritten noch von diesem in einer
  98. dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht
  99. (vgl. § 111 Abs. 1 Satz 3 BNotO).
  100. 6
  101. Gemäß § 52 Abs. 1 BNotO darf ein Notar nach dem Erlöschen seines
  102. Amtes die Bezeichnung "Notar" grundsätzlich nicht mehr führen, auch nicht mit
  103. einem Zusatz, der auf das Erlöschen des Amtes hinweist. Jedoch kann die
  104. Landesjustizverwaltung dem früheren Anwaltsnotar nach § 52 Abs. 2 Satz 2
  105. BNotO unter anderem dann die Erlaubnis erteilen, seine frühere Amtsbezeichnung "Notar" mit dem Zusatz "außer Dienst (a.D.)" weiterzuführen, wenn er
  106. - wie hier - durch Entlassung (§ 48 BNotO) aus dem Amt scheidet. Durch diese
  107. Regelung wollte der Gesetzgeber erreichen, dass der Eindruck eines unehrenhaften Ausscheidens aus dem Amt vermieden wird, wenn ein Anwaltsnotar seine Notartätigkeit etwa aus wirtschaftlichen Überlegungen aufgibt. Daher darf die
  108. Justizverwaltung die Weiterführung der Amtsbezeichnung nur verweigern, wenn
  109. besondere Gründe die Ausübung des Ermessens in diese Richtung rechtfertigen. Worin derartige Gründe gesehen werden können, regelt das Gesetz nicht
  110. ausdrücklich. Die Ermessensausübung hat sich daher an dessen Zweck zu orientieren. Wie sich der Regelung der Voraussetzungen, unter denen nach § 52
  111. Abs. 2 BNotO die Erlaubnis erteilt und gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 BNotO (zur
  112. vom Gesetzgeber bisher versäumten Anpassung dieser Bestimmung an die
  113. -5-
  114. Änderung des § 47 BNotO durch das Dritte Gesetz zur Änderung der Bundesnotarordnung und anderer Gesetze vom 31. August 1998 - BGBl. I S. 2585 vgl. Custodis in Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG 2. Aufl. § 52 BNotO Rdn. 19)
  115. wieder zurückgenommen werden kann, entnehmen lässt, will das Gesetz unter
  116. anderem verhindern, dass ein unwürdiger früherer Notar durch den weiteren
  117. Gebrauch der Amtsbezeichnung das Ansehen und das Vertrauen schädigt, die
  118. dem Notarberuf entgegengebracht werden. Dienstverfehlungen des Notars
  119. können es daher rechtfertigen, die Erlaubnis zur Weiterführung der Amtsbezeichnung zu versagen, wobei es nicht erforderlich ist, dass diese Verfehlungen
  120. ohne das freiwillige Ausscheiden des Notars zu dessen Entfernung aus dem
  121. Amt geführt hätten (s. insg. Senatsbeschluss vom 9. Mai 1988 - NotZ 9/87 =
  122. DNotZ 1989, 316, 317 f.).
  123. 7
  124. Nach der Rechtsprechung des Senats genügen andererseits leichte und
  125. mittelschwere Disziplinarverstöße noch nicht. Den Schutz vor dem ungerechtfertigten Eindruck, er habe sein Amt aus unehrenhaften Gründen aufgeben
  126. müssen, verdient der freiwillig aus dem Amt scheidende Anwaltsnotar erst dann
  127. nicht mehr, wenn seine Verfehlungen von erheblichem Gewicht waren. Er muss
  128. seine Dienstpflichten in grob unredlicher Weise verletzt und dadurch das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Sicherheit notarieller Amtsausübung schwer
  129. erschüttert haben (Senat, Beschlüsse vom 10. August 1987 - NotZ 6/87 =
  130. DNotZ 1988, 259 f.; vom 9. Mai 1988 - NotZ 9/87 = DNotZ 1989, 316, 318). Die
  131. dem Antragsteller hier in der Einleitungsverfügung angelasteten Amtsverstöße
  132. sind derart zahlreich und wiegen teilweise für sich so schwer, dass sie der Antragsgegner im Rahmen des ihm eröffneten Ermessens als ausreichend gewichtig erachten durfte, um dem Antragsteller die Erlaubnis nach § 52 Abs. 2
  133. Satz 2 BNotO zu versagen. Es handelte sich um eine Vielzahl von Verstößen
  134. gegen Treuhandauflagen, gegen das Verbot, bei Handlungen mitzuwirken, die
  135. erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgen, gegen das Gebot der
  136. -6-
  137. Unparteilichkeit und gegen die Pflichten aus den §§ 12, 17 und 54b Abs. 3 Satz
  138. 8 BeurkG. Der Grundsatz der Einheitlichkeit des Dienstvergehens ist für diese
  139. Beurteilung ohne Belang (Senat, Beschluss vom 10. August 1987 - NotZ 6/87 =
  140. DNotZ 1988, 259 f.).
  141. 8
  142. Entgegen der Ansicht des Antragstellers durfte sich der Antragsgegner
  143. bei seiner Entscheidung auf die Ergebnisse seiner disziplinarrechtlichen Vorermittlungen stützen. Diese ergaben ein derart erdrückendes Beweisbild für die
  144. kontinuierliche Missachtung notarieller Amtspflichten durch den Antragsteller,
  145. dass sie geeignet waren, die Ablehnung des Antrags nach § 52 Abs. 2 Satz 2
  146. BNotO zu rechtfertigen, auch wenn nicht in jedem Einzelpunkt eine jedes tatsächliche und rechtliche Detail durchdringende formelle Aufklärung der Vorwürfe stattgefunden hat. Der Antragsteller war wegen dieser Amtspflichtverletzungen teilweise bereits zu erheblichen Schadensersatzleistungen verurteilt worden. Beachtliche Gründe gegen die ihm gemachten Vorwürfe hat er nicht vorzubringen gewusst. Im Gegenteil war sein Verlangen auf Entlassung aus dem
  147. Amt (§ 48 BNotO) ersichtlich von dem Bestreben getragen, einer Entfernung
  148. aus diesem durch disziplinarrechtliches Urteil (§ 97 Abs.1 Satz 1 Var. 3 BNotO)
  149. zuvor zu kommen. Zwar trägt der Antragsteller vor, er habe das Notaramt aus
  150. "eigenen Motiven" beziehungsweise "höchst persönlichen Gründen" niedergelegt. Er hat jedoch keinen einzigen plausiblen Grund zu nennen vermocht, der
  151. ihn unabhängig von den gegen ihn laufenden Disziplinar- und Strafverfahren
  152. - trotz weiterer Ausübung des Berufs eines Rechtsanwalts - zu diesem Schritt
  153. hätte veranlassen können. Solche sind auch nicht ersichtlich.
  154. 9
  155. Bei dieser Sachlage dient das Verfahren nach § 52 Abs. 2 BNotO nicht
  156. dazu, die gegen den Antragsteller ursprünglich erhobenen Vorwürfe nunmehr
  157. im Einzelnen zu klären und damit das formelle Disziplinarverfahren in anderem
  158. Gewande nachzuholen. Vielmehr muss sich der Antragsteller daran festhalten
  159. -7-
  160. lassen, dass er durch seinen Antrag auf Entlassung aus dem Notaramt die abschließende disziplinarrechtliche Klärung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe
  161. verhindert hat (vgl. Senatsbeschluss vom 26. März 2007 - NotZ 37/06 - Rdn. 7).
  162. Nicht etwa gilt hier die Unschuldsvermutung. Es geht weder um die straf- noch
  163. um die disziplinarrechtliche Ahndung der vorgeworfenen Verstöße, sondern allein darum, ob der Antragsteller durch sein Verhalten das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Sicherheit notarieller Amtsausübung so schwer erschüttert hat,
  164. dass es der Antragsgegner als angemessen ansehen durfte, ihm die Erlaubnis
  165. nach § 52 Abs. 2 Satz 2 BNotO zu versagen, so dass es ihm entsprechend dem
  166. Regelfall des § 52 Abs. 1 BNotO nicht gestattet ist, seine frühere Amtsbezeichnung weiterzuführen.
  167. 10
  168. Mit Recht hat der Antragsgegner darüber hinaus auch die (feststehenden) Amtspflichtverletzungen berücksichtigt, die Gegenstand der disziplinarrechtlichen Ahndung mit einer Geldbuße von letztlich 5.000 € waren. Denn auch
  169. wenn diese nur zu einer weniger gewichtigen disziplinarrechtlichen Ahndung
  170. geführt haben, werfen sie doch insoweit ein bezeichnendes Licht auf die notarielle Amtsführung des Antragstellers, dass sie kontinuierliche Pflichtverstöße
  171. über einen noch längeren Zeitraum erkennen lassen und zum anderen trotz
  172. ihrer disziplinarrechtlichen Würdigung den Antragsteller nicht davon abhielten,
  173. teils einschlägige Verstöße erneut zu begehen, wie sie in der Einleitungsverfügung vom 24. März 2005 beschrieben wurden.
  174. -8-
  175. Nach alledem hat der Antragsgegner ermessensfehlerfrei entschieden,
  176. 11
  177. so dass sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers als unbegründet erweist.
  178. Schlick
  179. Wendt
  180. Ebner
  181. Becker
  182. Bauer
  183. Vorinstanz:
  184. OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 15.11.2006 - 2 Not 5/06 -