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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. NotSt (Brfg) 4/00
  5. Verkündet am:
  6. 20. November 2000
  7. Freitag
  8. Justizamtsinspektor
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Disziplinarverfahren
  12. gegen
  13. Nachschlagewerk:
  14. ja
  15. BGHZ:
  16. nein
  17. BGHR:
  18. ja
  19. BNotO § 97 Abs. 3
  20. Zur Berücksichtigung der Dauer einer vorläufigen Amtsenthebung bei der
  21. Bemessung einer als Disziplinarmaßnahme gegen den Anwaltsnotar verhängten Entfernung aus dem Amt auf bestimmte Zeit.
  22. BGH, Urteil vom 20. November 2000 - NotSt (Brfg) 4/00 - OLG Köln
  23. -2-
  24. Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat in der Sitzung vom
  25. 20. November 2000, an der teilgenommen haben:
  26. Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Rinne
  27. als Vorsitzender,
  28. die Richter am Bundesgerichtshof Tropf und Dr. Kurzwelly
  29. sowie die Notare Dr. Grantz und Dr. Lintz
  30. als beisitzende Richter
  31. Bundesanwalt Dr. Schnarr
  32. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  33. Justizamtsinspektor Freitag
  34. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
  35. für Recht erkannt:
  36. Auf die Berufung des Notars wird das Urteil des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Köln vom 9. Februar 2000 im
  37. Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.
  38. Der Notar wird wegen schuldhaften Dienstvergehens bis zum
  39. 31. Dezember 2000 aus dem Amt des Notars entfernt.
  40. Die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Notar darin
  41. entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur
  42. Last.
  43. -3-
  44. Von Rechts wegen
  45. Gründe:
  46. I.
  47. Das Oberlandesgericht hat den Notar wegen mehrfacher Verletzung
  48. dienstlicher Pflichten eines teils vorsätzlich, teils fahrlässig begangenen
  49. - einheitlichen - Dienstvergehens für schuldig befunden und gegen ihn auf
  50. Entfernung aus dem Amt bis zum 31. Dezember 2001 erkannt. Hiergegen
  51. richtet sich die zulässige, ausreichend begründete Berufung des Notars
  52. (§ 105 BNotO i.V.m. §§ 80 ff. BDO), die rechtswirksam auf den Maßnahmeausspruch beschränkt ist (vgl. dazu Claussen/Janzen, BDO, 8. Aufl., § 82
  53. Rdn. 5 a). Der Notar erstrebt eine Verkürzung seiner Entfernung aus dem Amt
  54. auf die Zeit bis zum 31. Dezember 2000. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
  55. II.
  56. Infolge der Berufungsbeschränkung sind der Schuldspruch und die diesem zugrundeliegenden Feststellungen des Urteils des Oberlandesgerichts in
  57. Rechtskraft erwachsen. Der Senat hatte daher von folgendem auszugehen:
  58. 1. Der Notar lernte 1990 oder 1991 einen Herrn H.
  59. kennen, von
  60. dem er wußte, daß er mehrfach wegen Betruges vorbestraft und zur damaligen
  61. Zeit Freigänger war. H.
  62. namens S.
  63. beauftragte den Notar Ende 1991, eine GmbH
  64. zu gründen. Zur Herstellung der Urkunde benutzte der Notar
  65. als Muster eine entsprechende Gründungsurkunde für die S.
  66. GmbH des
  67. -4-
  68. ehemaligen Rechtsanwaltes G.
  69. , dessen amtlich bestellter Vertreter er
  70. war. Diese lautete aber nicht auf den Namen "H.
  71. sondern auf den Namen Sch.
  72. " als Gesellschafter,
  73. und war offenbar dazu benutzt worden, die
  74. Eintragung des als Betrüger gerichtsbekannten H.
  75. H.
  76. beim Amtsgericht
  77. unter falschem Namen zu erreichen. Davon wußte der Notar nach seiner
  78. unwiderlegten Einlassung aber nichts. Er überklebte den Namen "Sch.
  79. " mit
  80. einem 0,5 mal 2 Zentimeter großen Papierstreifen mit dem Namen H.
  81. und fertigte so Kopien zur Herstellung von neuen Urkunden, die er zur Eintragung der GmbH im Handelsregister des Amtsgerichts K.
  82. benutzte. Auch
  83. das mit dem Papierstreifen überklebte Muster gelangte - wohl aufgrund eines
  84. Büroversehens - in den Rechtsverkehr.
  85. Die Herstellung der Urkunde mittels Überklebens mit einem Papierstreifen verstößt gegen die Regelungen der §§ 26, 27 DONot, da eine solche “Collage” keinesfalls in den Rechtsverkehr gelangen durfte. Auch wenn dies durch
  86. ein Büroversehen geschehen sein sollte, ist dem Notar insoweit der Vorwurf
  87. einer fahrlässigen Verletzung der Dienstordnung zu machen, denn die bewußte
  88. (und letztlich unnötige) Herstellung einer solchen Vorlage begründete und erhöhte die Gefahr eines Inverkehrbringens.
  89. 2. H.
  90. verlegte sich in der Folgezeit auf Geschäfte, bei denen er
  91. potenten Geldanlegern versprach, gegen hohe Rendite mit sogenannten Bankgarantien zu handeln. Unter Fachleuten ist umstritten, ob es einen entsprechenden Handel überhaupt gibt oder ob er anderen als Banken offen steht.
  92. Jedenfalls ist er ein typisches Betätigungsfeld für Anlagebetrügereien.
  93. H.
  94. sammelte über die von ihm gegründete Firma "C.
  95. und C.
  96. Inc." von Anlegern hohe Geldbeträge ein, angeblich, um eine für den vermeint-
  97. -5-
  98. lichen Handel erforderliche Mindesteinlage (10 Mio. US-Dollar) zu erreichen.
  99. Tatsächlich tätigte H.
  100. aber keinen An- und Verkauf von Bankgarantien,
  101. sondern verwandte die eingesammelten Gelder teilweise zu eigenen Zwecken.
  102. Im Sommer 1993 erklärte sich der Notar bereit, bei diesen Geschäften des
  103. H.
  104. als Treuhänder mitzuwirken. Dies sollte in der Weise geschehen,
  105. daß er eine Treuhandvereinbarung mit dem jeweiligen Anleger schloß, wonach
  106. er auf einem schweizerischen Anderkonto eingehende Gelder zunächst "poolen" und bei Erreichen der erforderlichen Mindesteinlage auf ein anderes Konto
  107. transferieren sollte, von wo die C.
  108. und C.
  109. Inc. im Rahmen einer "einge-
  110. schränkten Verwaltungsvollmacht" die Gelder für den Ankauf vermeintlich
  111. werthaltiger "Bank-Debenture-Instruments" verwenden durfte. Der "Investitionsvertrag" zwischen den Anlegern und der C.
  112. und C.
  113. Inc. enthielt
  114. entsprechende Regelungen. In ihm ist ausdrücklich erwähnt und näher erläutert, daß und wie "das Notariat" als Treuhänder fungieren sollte, unter anderem, daß "das Notariat" ein Konto "in Deutschland oder der Schweiz" benennen werde. In der im Treuhandvertrag wie im Investitionsvertrag genannten
  115. "eingeschränkten Verwaltungsvollmacht" ist unter anderem geregelt, daß sich
  116. diese Vollmacht auf alle Transaktionen im Zusammenhang mit den bei der
  117. Bank geführten Konten des Notars beziehe und sich auf den An- und Verkauf
  118. von werthaltigen Bankschuldverschreibungen beschränke, daß alle Maßnahmen des Bevollmächtigten für den Vollmachtgeber voll umfänglich bindend seien und daß die Rechtsbeziehungen des Kunden schweizerischem Recht unterlägen. Entgegen der Regelung im Investitionsvertrag hatte der Notar allerdings keine Möglichkeit, sich das Kreditinstitut auszusuchen, schon gar nicht in
  119. Deutschland. Vielmehr überreichte H.
  120. ihm vorbereitete Kontoeröff-
  121. nungsunterlagen für ein Konto bei der G. -Bank in Z.
  122. . Bei dieser Bank
  123. handelte es sich um ein erst kurz zuvor wieder eröffnetes Institut ohne Schal-
  124. -6-
  125. terverkehr und mit wenigen Mitarbeitern. Der Notar erkannte zwar nicht die betrügerischen Absichten des H.
  126. H.
  127. - er ist noch heute davon überzeugt, daß
  128. jedenfalls bei diesen Geschäften nicht betrügen wollte - und beab-
  129. sichtigte nicht, den Anlegern Schaden zuzufügen. Aber um die näheren Einzelheiten und Hintergründe der Geschäfte, in die er eingespannt werden sollte,
  130. kümmerte er sich auch nicht. Er ging davon aus, daß H.
  131. wie jeder Straf-
  132. täter eine Chance zur Resozialisierung haben müsse, und vertraute darauf,
  133. daß H.
  134. redlich sei. Er erklärte sich bereit, in dem von H.
  135. vorge-
  136. gebenen Rahmen als Treuhänder mitzuwirken, ohne die ihm fremden Geschäfte mit Bankgarantien einer näheren Überprüfung zu unterziehen. Er überprüfte auch nicht die ihm angesonnene Treuhandtätigkeit auf ihre rechtliche
  137. Zulässigkeit. Er erklärte seine Bereitschaft zur Übernahme der Treuhand, obwohl ihm bewußt war, daß aufgrund der eingeschränkten Verwaltungsvollmacht
  138. entgegen Sinn und Zweck einer Treuhand ein Dritter ungehinderten Zugriff auf
  139. die verwalteten Gelder hatte. Er überprüfte nicht, was es mit der ihm völlig unbekannten G.
  140. -Bank auf sich hatte; Erkundigungen nahm er insoweit nicht
  141. vor. Obwohl ihm § 12 Abs. 2 DONot bekannt war, sah er hierin keinen Hinderungsgrund für die Eröffnung eines Notar-anderkontos im Ausland. Er handelte
  142. allerdings - wie er sich unwiderlegt eingelassen hat - nicht aus Gewinnstreben,
  143. sondern, weil er die Aufgabe in rechtlicher Hinsicht "reizvoll" fand, weil er sich
  144. im Rahmen seiner notariellen Tätigkeit noch nicht in dieser Weise betätigt
  145. hatte und er dieses Betätigungsfeld auch einmal kennenlernen wollte. Der Notar unterzeichnete die Kontoeröffnungsunterlagen und gab sie H.
  146. der sie der G.
  147. zurück,
  148. -Bank zuleitete. In der Folgezeit schlossen mehrere Anleger
  149. Verträge mit der C.
  150. und C.
  151. Inc., unterzeichneten die Treuhand-
  152. vereinbarung mit dem Notar und zahlten Gelder auf das von ihm eröffnete
  153. Konto ein, und zwar bis Ende September/Anfang Oktober 1993 insgesamt etwa
  154. -7-
  155. 1,1 Mio. DM. Sie taten dies im Vertrauen darauf, daß ein von einem deutschen
  156. Notar eingerichtetes Treuhandkonto eine hinreichende Sicherheit darstelle. Die
  157. G.
  158. -Bank übersandte dem Notar regelmäßig Kontoabrechnungsunterlagen,
  159. die dieser aber größtenteils nicht verstand. Insbesondere war es ihm häufig
  160. nicht möglich, die Buchungen einzelnen Anlegern zuzuordnen. Von den übersandten Kontoauszügen wies einer ein - mit den eigentlich vereinbarten Geschäften in keinerlei Zusammenhang stehendes - Devisengeschäft über den
  161. An- und Verkauf von US-Dollar im Gegenwert von über 400.000,-- DM aus.
  162. Auch dies konnte der Notar nicht zuordnen. Es veranlaßte ihn aber nicht zu
  163. weiteren Nachforschungen und zunächst auch nicht zu nachhaltigen Zweifeln
  164. hinsichtlich der Sicherheit der ihm anvertrauten Gelder vor unberechtigtem Zugriff Dritter, vielmehr behandelte er diesen Vorgang als Fehlbuchung. Die aus
  165. seiner Sicht unbefriedigende Handhabung der Angelegenheit durch die G.
  166. -
  167. Bank führte schließlich aber doch zu wachsenden Bedenken. Er sah sich nunmehr auch veranlaßt, sich bei der Notarkammer über die Zulässigkeit eines
  168. derartigen Treuhandkontos zu erkundigen. Er erhielt die Auskunft, daß ein
  169. Treuhandkonto im Ausland nicht geführt werden dürfe. Darauf schrieb er die
  170. Anleger, die mit ihm einen Treuhandvertrag abgeschlossen hatten, an und
  171. teilte ihnen mit, daß er sich nicht in der Lage sehe, das Treuhandkonto in seiner Eigenschaft als Notar zu führen. Er bot ihnen an, die Einlagen künftig als
  172. Rechtsanwalt zu verwalten oder sie zurückzuzahlen. Alle Anleger bestanden
  173. auf Rückzahlung, die auch erfolgte. Irgendwelche Gewinne wurden nicht ausgezahlt.
  174. H.
  175. hatte
  176. auf
  177. die
  178. vom
  179. Notar
  180. "verwalteten"
  181. Gelder
  182. - möglicherweise mit Ausnahme des Devisengeschäfts, dessen Verursacher
  183. unklar blieb, das aber auch keinen nennenswerten finanziellen Schaden verursachte - nicht zugegriffen.
  184. -8-
  185. Indem der Notar sich an den Geschäften des H.
  186. beteiligte, hat er
  187. vorsätzlich in schwerwiegender Weise gegen seine Pflichten aus §§ 14 Abs. 1
  188. und 2 BNotO und fahrlässig gegen seine Pflichten aus § 12 Abs. 2 DONot verstoßen. Der Notar hat sein Amt im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung,
  189. gewissenhaft, unabhängig und unparteiisch zu führen (§ 14 Abs. 1) und jegliche Amtstätigkeit zu versagen, die mit seinen Amtspflichten nicht vereinbar
  190. wäre (§ 14 Abs. 2). Wenn der Notar nicht sicher weiß, ob die Handlung unredlichen Zielen dient, sich dies aber nach den konkreten Umständen des Falles
  191. als möglich darstellt oder gar aufdrängt, muß er nachfragen; erhält er keine
  192. zufriedenstellende Antwort, muß er die Tätigkeit verweigern. An Geschäften,
  193. die er in ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Tragweite nicht ansatzweise
  194. durchschaut, darf er nicht mitwirken, ohne zuvor die tatsächlichen und rechtlichen Fragen sorgfältig geprüft zu haben. Wenn er nicht wußte, was "Bankgarantiehandel" bedeutet und was "Bank-Debenture-Instruments" sind, mußte er
  195. sich kundig machen, bevor er sich zur Mitwirkung bereit erklärte. Wenn er nicht
  196. übersehen konnte, wie die von ihm übernommene Treuhandtätigkeit sich in der
  197. praktischen Abwicklung und im Detail darstellte, mußte er nachfragen und im
  198. Zweifel seine Tätigkeit versagen. Er war gehalten, sich über die rechtliche Zulässigkeit, ein Notar-Anderkonto im Ausland zu führen, zu erkundigen, bevor er
  199. die Kontoeröffnungsunterlagen, die ihm ein Dritter präsentierte, unterschrieb.
  200. Er mußte ferner Erkundigungen über die ihm völlig unbekannte G.
  201. holen. Er hatte um so mehr Anlaß, seine Dienste für Herrn H.
  202. und sorgfältig zu prüfen, als er wußte, daß H.
  203. -Bank einkritisch
  204. ein wegen Betrügereien
  205. erheblich Vorbestrafter war. Die von ihm entfaltete Treuhandtätigkeit mußte er
  206. schlicht versagen, weil sie keine wirkliche Treuhandtätigkeit war, sondern nur
  207. der Anschein von treuhänderischer Funktion geweckt wurde; denn tatsächlich
  208. bestimmten andere als der Treuhänder darüber, wann und inwieweit auf das
  209. -9-
  210. Geld zugegriffen wurde. Bevor überhaupt klar war, ob er die Tätigkeit in seiner
  211. Eigenschaft als Notar entfalten durfte, mußte er unterbinden, daß in den Verträgen der C.
  212. und C.
  213. Inc. mehrfach der Hinweis auf ihn als Notar
  214. erfolgte. Er durfte schließlich ein Notar-Anderkonto nicht im Ausland eröffnen
  215. (§ 12 Abs. 2 DONot).
  216. 3. In den Jahren 1993 und 1994 stand der Notar in geschäftlicher Verbindung zu einem Herrn K.
  217. , der unter anderem im Immobilienhandel tä-
  218. tig war. Der Notar selbst gibt an, daß von den gesamten Umsätzen seines Notariats etwa 12 % auf Beurkundungsgeschäfte des K.
  219. 1994 erteilte K.
  220. einer Angestellten des Notars, Frau Kl.
  221. vollmacht. Außerdem mietete K.
  222. entfielen. Im Jahr
  223. , General-
  224. Ende 1993 von dem Notar Räumlichkei-
  225. ten auf der Etage an, auf der dieser seine Kanzlei unterhielt. Unter anderem
  226. stand ihm der Flur zur gemeinsamen Mitbenutzung offen. Hier befand sich zumindest zeitweise auch das Faxgerät des Notars. In mindestens einem Fall ist
  227. es dazu gekommen, daß K.
  228. das Faxgerät mit der für den Empfänger er-
  229. sichtlichen Kennung des Notars als Absender für eigene geschäftliche Korrespondenz benutzte. Der Notar hatte sich bis dahin nicht veranlaßt gesehen,
  230. Notariat und Geschäftsräume des K.
  231. so strikt voneinander zu trennen,
  232. daß ein Zugriff auf Einrichtungen des Notariats, insbesondere das Faxgerät,
  233. ausgeschlossen war. Nach dem Vorfall mit dem Faxgerät hat der Notar nach
  234. seiner unwiderlegten Darstellung K.
  235. zur Rede gestellt und eine weitere
  236. Benutzung des Faxgerätes unterbunden.
  237. Das Unterlassen von Sicherungsmaßnahmen gegen die eigenmächtige
  238. und unbefugte Benutzung von Büroeinrichtungen des Notariats, nämlich eines
  239. Faxgerätes, das die Kennung des Notariats trug, durch einen Dritten, stellt eine
  240. - 10 -
  241. weitere fahrlässige Amtspflichtverletzung dar. Zur Verpflichtung des Notars
  242. nach § 14 Abs. 1 BNotO, das Amt unabhängig, unparteiisch und in einer Weise
  243. auszuüben, daß Achtung und Vertrauen der Bevölkerung in die Amtsführung
  244. eines Notars gewahrt werden, gehört auch, jeden Anschein zu vermeiden,
  245. Dritte könnten nach Belieben im Notariat schalten und walten. Gerade weil der
  246. Notar durch die räumliche Nähe, die gemeinsame Nutzung von Räumlichkeiten, die geschäftlichen Verbindungen und die personellen Verflechtungen (über
  247. die Mitarbeiterin Kl.
  248. ) mit K.
  249. in besonders enger Verbindung stand,
  250. war er gehalten, die Geschäftsbereiche besonders sorgfältig zu trennen. Die
  251. Gefahr, daß K.
  252. auf ein im Flur befindliches Telefaxgerät bei Bedarf zu-
  253. greifen würde, lag auf der Hand. Das Gerät hatte im Flur nichts zu suchen und
  254. hätte von vornherein in den Räumlichkeiten des Notariats untergebracht werden müssen, die für K.
  255. nicht zugänglich waren.
  256. 4. In dem Zeitraum 1993 bis 1994 beurkundete der Notar mehrere Kaufverträge, an denen K.
  257. auf Käufer- oder Verkäuferseite beteiligt war. Allen
  258. diesen Verträgen ist gemeinsam, daß zunächst ein Vertrag mit einem höheren
  259. Kaufpreis und unmittelbar darauffolgend ein inhaltsgleicher Vertrag mit einem
  260. deutlich niedrigeren Kaufpreis beurkundet wurde, ohne daß den Urkunden ein
  261. hinreichend plausibler Grund für diese Vorgehensweise zu entnehmen wäre. In
  262. einigen Fällen steht fest, daß die Verträge mit der höheren Kaufpreissumme
  263. Bankinstituten im Zusammenhang mit der Gewährung von Krediten vorgelegen
  264. haben. Im einzelnen handelt es sich um folgende Beurkundungen:
  265. a) Am 3. März 1993 beurkundete der Notar einen Grundstückskaufvertrag zwischen der MBV M.
  266. und K.
  267. und V.
  268. GmbH als Verkäuferin
  269. als Käufer zu einem Kaufpreis von 2.521.785,-- DM (UR-Nr. 44/93)
  270. - 11 -
  271. und am selben Tag einen Kaufvertrag über dasselbe Grundstück zu einem
  272. Kaufpreis von 1.840.000,-- DM (UR-Nr. 46/93). Am 6. März 1993 trat K.
  273. vom ursprünglichen Vertrag zurück.
  274. b) Ebenfalls am 3. März 1993 beurkundete der Notar zwischen denselben Beteiligten einen Vertrag über ein weiteres Grundstück zu einem Kaufpreis
  275. von 3.396.925,-- DM (UR-Nr. 45/93) und sodann einen Vertrag zu einem Kaufpreis von 2.648.450,-- DM (UR-Nr. 47/93). Auch hier trat K.
  276. am 6. März
  277. 1993 vom Ursprungsvertrag zurück.
  278. c) Am 7. Juni 1993 beurkundete der Notar einen Grundstückskaufvertrag
  279. zwischen einem Herrn H.
  280. K.
  281. als Verkäufer und einem Herrn O.
  282. sowie
  283. als Käufer zu einem Kaufpreis von 1.050.000,-- DM (UR-Nr. 122/93).
  284. Am selben Tag beurkundete er einen Vertrag über dasselbe Grundstück zu
  285. einem Kaufpreis von 650.000,-- DM (UR-Nr. 123/93). Die Käufer traten vom
  286. ursprünglichen Vertrag am 8. Juni 1993 zurück.
  287. d) Am 10. Januar 1994 beurkundete der Notar einen Grundstückskaufvertrag zwischen den Verkäufern Sch.
  288. K.
  289. und Ha.
  290. und dem Käufer
  291. (UR-Nr. 2/94), wobei der Kaufpreis 650.000,-- DM betrug, in einer
  292. weiteren, am selben Tag
  293. aufgenommenen
  294. Vertragsurkunde
  295. aber
  296. auf
  297. 380.000,-- DM reduziert wurde (UR-Nr. 5/94). Am 22. April 1994 beurkundete
  298. der Notar unter UR-Nr. 94/94 die Bewilligung einer Grundschuldbestellung in
  299. Höhe von 510.000,-- DM für die Bank für V.
  300. D.
  301. und H.
  302. AG in
  303. , die am 5. Oktober 1994 in das Grundbuch eingetragen wurde. Be-
  304. reits am 19. April 1994 hatte die Bank 480.000,-- DM an den Notar überwiesen,
  305. die dieser auch auszahlte.
  306. - 12 -
  307. e) Am 15. Januar 1994 beurkundete der Notar einen Grundstückskaufvertrag zwischen der Firma B & S als Verkäufer und K.
  308. als Käufer mit ei-
  309. nem Kaufpreis von 1.680.000,-- DM (UR-Nr. 13/94), der mit beurkundetem
  310. Vertrag vom gleichen Tag unter UR-Nr. 16/94 auf 1,1 Mio. DM reduziert wurde.
  311. Mit Schreiben vom 10. Mai 1994 teilte die B.
  312. H.
  313. - und F.
  314. Bank
  315. dem Notar mit, daß ihr die Ansprüche aus dem Kaufvertrag abgetreten worden
  316. seien. Beigefügt war eine Kopie der Abtretungserklärung, in der der Kaufpreis
  317. mit 1,68 Mio. DM angegeben war. Der Notar bestätigte der Bank den Erhalt der
  318. Abtretungserklärung, wies aber nicht darauf hin, daß der Kaufpreis tatsächlich
  319. auf 1,1 Mio. DM reduziert worden war.
  320. f) Am 7. Dezember 1994 beurkundete der Notar einen Grundstückskaufvertrag zwischen den Verkäufern M.
  321. und K.
  322. und Frau P.
  323. als
  324. Käuferin zu einem Kaufpreis von zunächst 870.000,-- DM (UR-Nr. 377/94), der
  325. mit Vertrag vom 22. Dezember 1994 (UR-Nr. 404/94) auf 750.000,-- DM herabgesetzt wurde, und zwar, wie es in der Urkunde heißt, "wegen Renovierung".
  326. Am 30. März 1995 beurkundete der Notar insoweit die Bestellung einer Grundschuld
  327. zugunsten
  328. der
  329. Bank
  330. für
  331. V.
  332. und
  333. H.
  334. AG
  335. über
  336. 870.000,-- DM.
  337. Ob auch in den Fällen a bis c und f die Vertragsurkunden mit den höheren Kaufpreisen Banken zum Zwecke der Kreditgewährung vorgelegt wurden,
  338. ist nicht feststellbar. Ebenso kann nicht festgestellt werden, daß einem Kreditinstitut durch die Vorlage von Verträgen mit nicht der Realität entsprechenden
  339. Kaufpreisen ein Vermögensschaden entstanden ist. Außer im Fall f enthalten
  340. - 13 -
  341. die Vertragsurkunden keine Begründung für die Reduzierung des ursprünglichen Kaufpreises.
  342. Die Doppelbeurkundungen von Kaufverträgen stellen schuldhafte Amtspflichtverletzungen von ganz erheblichem Gewicht dar, weil der Notar es unterlassen hat, sich sorgfältig über die Hintergründe dieser Verträge zu vergewissern und notfalls die Beurkundung abzulehnen. Wie beim Komplex
  343. H.
  344. gilt auch hier, daß der Notar seine Amtstätigkeit zu versagen hat,
  345. wenn sie mit seinen Amtspflichten nicht vereinbar wäre, insbesondere seine
  346. Mitwirkung bei Handlungen verlangt wird, mit denen erkennbar unerlaubte oder
  347. unredliche Ziele verfolgt werden (§ 14 Abs. 2 BNotO). Das gilt vor allem, wenn
  348. der Verdacht besteht, daß seine Tätigkeit zur Begehung von Straftaten dienen
  349. könnte. Der Grundsatz, daß der Notar im Zweifel den Angaben der Beteiligten
  350. vertrauen darf, gilt um so weniger, je gewichtiger die Hinweise auf unredliches
  351. Verhalten sind und je größer die mögliche Unredlichkeit des verfolgten Zwecks
  352. ist. Bei den Verträgen des K.
  353. mußte es sich dem Notar aufdrängen, daß
  354. unredliche, möglicherweise strafwürdige Zwecke verfolgt wurden. Die kurzfristige Änderung eines gerade erst abgeschlossenen Kaufvertrages durch deutliche Reduzierung des Kaufpreises ist ein äußerst ungewöhnlicher Vorgang.
  355. Daß sich ein beurkundeter Preis als Irrtum herausstellt, oder gar, daß sich innerhalb weniger Stunden entscheidende Änderungen der Sachlage ergeben,
  356. ist als Vorgang auffällig und fordert Erklärungen geradezu heraus. Es ist völlig
  357. unvertretbar, daß ein Notar in solchen Fällen die Kaufpreisänderung kommentarlos hinnimmt und sich für deren Gründe nicht interessiert, weil die Preisvereinbarung Sache der Vertragsparteien sei, die ihn - den Notar - nichts angehe.
  358. Eine zumindest mögliche Schädigung Dritter, speziell der finanzierenden Banken, liegt auf der Hand. Ferner hat der Notar dafür zu sorgen, daß der Vertrag
  359. - 14 -
  360. mit dem nicht (mehr) gewollten höheren Kaufpreis nicht in den Rechtsverkehr
  361. gelangt, indem er davon keine Ausfertigungen herausgibt bzw. den Vertragspartnern schon erteilte Ausfertigungen zurückfordert. Ein vernünftiger, "harmloser" Grund, einen Vertrag, der nicht mehr gelten soll, im Rechtsverkehr zu belassen (beziehungsweise ihn überhaupt erst in den Rechtsverkehr zu bringen),
  362. ist kaum vorstellbar. Wohl aber gibt es Gründe, mit einer derartigen Vertragsurkunde unredliche Zwecke zu verfolgen, insbesondere den, einen tatsächlich
  363. nicht gegebenen Wert des Grundstücks vorzutäuschen, um höhere Kredite zu
  364. erlangen. Kreditbetrügereien dieser Art müssen einem Notar nicht nur aus der
  365. Fachliteratur, sondern auch aus der Tagespresse bekannt sein. Erst recht
  366. mußte sich dem Notar hier die Unredlichkeit der Vorgehensweise aufdrängen,
  367. als er merkte, daß es sich nicht um einen einmaligen Vorfall handelte, sondern
  368. daß dieses Vorgehen System hatte und durch K.
  369. immer wieder praktiziert
  370. wurde. Vollends alarmierend hätte die Erkenntnis sein müssen, daß K.
  371. tatsächlich die nicht (mehr) gültigen Verträge finanzierenden Banken vorlegte
  372. und ihnen im Zusammenhang damit Sicherheiten vorspiegelte, die weit über
  373. dem letztendlich gültigen Kaufpreis lagen. Auch war der Notar verpflichtet, die
  374. Banken, die sich an ihn wandten, darüber zu unterrichten, daß es sich um nicht
  375. mehr gültige Verträge handelte. Dies gilt namentlich für die B.
  376. F.
  377. H.
  378. - und
  379. Bank, die ihm die Abtretung einer in der angegebenen Höhe nicht exi-
  380. stierenden Kaufpreisforderung mitgeteilt hatte. Wenn der Notar angesichts all
  381. dieser Umstände beteuert, er habe sich bei all dem nichts Böses gedacht und
  382. sei davon ausgegangen, das alles habe so seine Richtigkeit, es sei ihm nicht in
  383. den Sinn gekommen, hier nachzufragen, so fällt es nicht leicht, ihm das zu
  384. glauben. Auch wenn ihm insoweit eine gewisse Weltfremdheit zugute gehalten
  385. werden kann, so ist dem Notar aber jedenfalls im Hinblick auf die Verletzung
  386. der Pflichten aus § 14 Abs. 2 BNotO besonders grobe Fahrlässigkeit vorzu-
  387. - 15 -
  388. werfen. Er hat die Augen verschlossen vor Bedenken, die sich ihm förmlich
  389. hätten aufdrängen müssen, er hat Naheliegendes nicht getan. Die von einem
  390. Notar zu fordernde Sorgfalt hat er damit in besonders schwerwiegender Weise
  391. verletzt.
  392. 5. Im Jahr 1991 erteilte ein Herr Peter M.
  393. dem Notar in seiner
  394. Funktion als Rechtsanwalt das Mandat zur Wahrnehmung seiner Rechte in
  395. einem Zwangsversteigerungsverfahren mit dem Ziel, die Versteigerung des
  396. Hauses von Herrn M.
  397. zu verhindern. Weil M.
  398. wegen seiner wirt-
  399. schaftlichen Verhältnisse keine Chance hatte, selbst ein entsprechendes Darlehen zu erhalten, schlossen er und der Notar unter dem 15. Januar 1991 einen Vertrag, wonach der Notar oder ein von ihm beauftragter Dritter "bei Finanzierungszusage durch eine Bank" versuchen sollte, die erstrangige und das
  400. Zwangsversteigerungsverfahren betreibende Gläubigerin abzulösen. Von den
  401. Kosten des vom Notar aufzunehmenden Darlehens, dessen Volumen die Parteien mit 190.000,-- DM veranschlagten, sollte Herr M.
  402. den Notar im In-
  403. nenverhältnis freistellen, außerdem sollte er ihm für seine Tätigkeit ein Honorar
  404. in Höhe von 9.000,-- DM zuzüglich Mehrwertsteuer zahlen. Der Notar unternahm auch Anstrengungen, das Darlehen zu erhalten, wobei er nicht als Notar
  405. auftrat. Letztlich konnte die Zwangsversteigerung aber nicht abgewendet werden, so daß sich die Kreditaufnahme durch den Notar erledigte.
  406. Der Notar hat insoweit fahrlässig gegen § 14 Abs. 4 BNotO verstoßen.
  407. Die Vereinbarung mit Herrn M.
  408. vom 15. Januar 1991 war auf die Ver-
  409. mittlung eines Kredites gerichtet. Daß er selbst als "Strohmann" fungieren
  410. wollte und wirtschaftlich M.
  411. der eigentliche Kreditnehmer sein sollte (der
  412. allerdings nicht mehr kreditwürdig war und keine Chance hatte, einen Kredit zu
  413. - 16 -
  414. erhalten), ändert an dieser Beurteilung nichts. Das Verbot des § 14
  415. Abs. 4 BNotO, wonach es dem Notar verboten ist, unter anderem Darlehen zu
  416. vermitteln, gilt uneingeschränkt; es gilt auch für Anwaltsnotare, und zwar gerade auch im Rahmen ihrer anwaltlichen Tätigkeit (vgl. Schippel, BNotO, 7. Aufl.
  417. 2000, § 14 Rdn. 63 m.w.N.). Da die Einlassung des Notars, den Anwendungsbereich des § 14 Abs. 4 BNotO verkannt zu haben, nicht widerlegt werden
  418. kann, ist auch hier von einer nur fahrlässigen Pflichtverletzung auszugehen.
  419. Daß der Notar diese Pflichtverletzung nicht in seiner Eigenschaft als Notar begangen hat, hindert die Einbeziehung in die disziplinarrechtliche Ahndung nicht
  420. (§ 110 Abs. 1 BNotO; Sandkühler in Arnd/Lerch/Sandkühler, BNotO, 4. Aufl.,
  421. § 110 Rdn. 18).
  422. III.
  423. Aufgrund der Berufungshauptverhandlung hat der Senat, gestützt auf die
  424. glaubhaften Angaben des Notars, zu dessen persönlichen Verhältnissen und
  425. beruflichem Werdegang, dem Ablauf der disziplinaren Vorermittlungen und des
  426. Disziplinarverfahrens in vorliegender Sache sowie hinsichtlich des Strafverfahrens wegen Betruges bzw. Untreue in Zusammenhang mit den Anlagegeschäften des H.
  427. , in dem der Notar freigesprochen wurde, im wesentli-
  428. chen dieselben Feststellungen wie das Oberlandesgericht getroffen. Auf die
  429. entsprechende Darstellung unter Nrn. I und II des angefochtenen Urteils wird
  430. daher Bezug genommen. Ergänzend ist klarzustellen, daß der Notar bereits
  431. während der Dauer seiner Inhaftierung seit 6. September 1995 wie auch während der Zeit der seit 10. November 1995 angeordneten Haftverschonung gemäß § 54 Abs. 4 Nr. 1 BNotO kraft Gesetzes vorläufig seines Amtes enthoben
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  433. war; daran schloß sich die vorläufige Amtsenthebung im Disziplinarverfahren
  434. seit dem 12. April 1996 an.
  435. IV.
  436. Die festgestellten, von dem Notar teils vorsätzlich, teils fahrlässig begangenen Dienstpflichtverletzungen sind als einheitliches Dienstvergehen zu
  437. ahnden (§ 95 BNotO). Der Senat hält es - insoweit in Übereinstimmung mit dem
  438. Oberlandesgericht - für geboten, den Notar für eine bestimmte Zeit aus dem
  439. Amt zu entfernen (§ 97 Abs. 3 BNotO). Die Pflichtverletzungen hinsichtlich der
  440. Tatkomplexe H.
  441. und K.
  442. wiegen schwer. Der Notar hat sich in be-
  443. sonders leichtfertiger Weise für die Belange zwielichtiger Geschäftemacher
  444. einspannen lassen, er hat die Vermögensinteressen Dritter gefährdet, deren
  445. Wahrung ihm - wie im Komplex H.
  446. hinsichtlich der Anleger - teilweise
  447. selbst oblag; dabei hat er in erheblichem Maße das Vertrauen der Betroffenen
  448. und der Öffentlichkeit in die Integrität des Berufsstandes der Notare enttäuscht.
  449. Daß es durch seine Handlungen und Unterlassungen nicht zu finanziellen
  450. Schäden von erheblichem Ausmaß gekommen ist, beruht nach Einschätzung
  451. des Senats vor allem auf Glück und Zufall. Auch wenn der Notar sich hier aufgrund einer kaum mehr nachvollziehbaren Weise geradezu blauäugig und
  452. weltfremd gezeigt hat und dadurch zum Instrument zwielichtiger Dritter geworden ist, reichen - wie auch der Notar selbst nicht verkennt - Verweis und Geldbuße nicht aus, um seine erheblichen Verfehlungen zu ahnden. Die aus dem
  453. Gesamtverhalten abzuleitenden persönlichen Mängel des Notars überschreiten
  454. die Grenze, die die Justizverwaltung im Rahmen ihrer Aufgabe, eine ordnungsgemäße Rechtspflege zu gewährleisten (§ 4 BNotO), hinnehmen kann, in ei-
  455. - 18 -
  456. nem solchen Maße, daß eine - wenn auch vorübergehende - Entfernung des
  457. Notars aus dem Amt notwendig ist.
  458. Den konkreten Zeitraum der Maßnahme hat der Senat unter Berücksichtigung aller in der Berufungshauptverhandlung zutage getretenen für und gegen den Notar sprechenden Umstände kürzer bemessen, als dies das Oberlandesgericht getan hat. Trotz der aufgezeigten Schwere der Verfehlungen des
  459. Notars konnte zu seinen Gunsten nicht unberücksichtigt bleiben, daß er sich im
  460. Verlaufe der Ermittlungen und in der Hauptverhandlung einsichtig gezeigt und
  461. sein Fehlverhalten in vollem Umfang eingeräumt hat. Der Notar hat insbesondere durch die erlittene Untersuchungshaft, die Presseveröffentlichungen über
  462. ihn und den wirtschaftlichen Niedergang seiner Anwaltskanzlei erfahren müssen, wie sensibel die Öffentlichkeit auf Verfehlungen reagiert, die zumindest in
  463. der Nähe krimineller Machenschaften anzusiedeln sind. Auch hat er - jedenfalls
  464. im Falle H.
  465. - zumindest nachträglich erhebliche Bedenken hinsichtlich
  466. der Zulässigkeit seines Handelns bekommen, ist von sich aus an die Anleger
  467. herangetreten und hat ihnen ermöglicht, ihre Gelder noch rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände geht der Senat davon
  468. aus, daß der Notar zwischenzeitlich die grundlegenden Anforderungen an sein
  469. Amt, insbesondere an die notarielle Treuhandtätigkeit, erkannt hat und sich
  470. künftig ernsthaft bemühen wird, ihnen mit der gebotenen hohen Sorgfalt gerecht zu werden. Zugunsten des Notars konnte vor allem nicht unberücksichtigt
  471. bleiben, daß er durch die lange Dauer der Vorermittlungen und des förmlichen
  472. Disziplinarverfahrens bereits erheblich belastet worden ist. Dabei konnten insbesondere die Auswirkungen der seit dem 12. April 1996 andauernden vorläufigen Amtsenthebung im förmlichen Disziplinarverfahren bei der Bemessung
  473. der Disziplinarmaßnahme nicht außer Betracht gelassen werden. Darüber hin-
  474. - 19 -
  475. aus hat der Senat zugunsten des Angeklagten ins Gewicht fallen lassen, daß
  476. gegen ihn weitergehend gemäß § 54 Abs. 4 Nr. 1 BNotO kraft Gesetzes die
  477. Wirkungen der vorläufigen Amtsenthebung aufgrund der Anordnung der Untersuchungshaft im Strafverfahren seit dem 6. September 1995 nicht nur während
  478. der Dauer der Inhaftierung bis zum 10. November 1995, sondern auch in der
  479. anschließenden Zeit der Haftverschonung eingetreten sind; tatsächlich war er
  480. also nicht erst aufgrund der vorläufigen Amtsenthebung im Disziplinarverfahren
  481. im April 1996, sondern bereits seit seiner Inhaftierung ununterbrochen bis
  482. heute nicht mehr als Notar tätig.
  483. Angesichts dieser Gesamtumstände hält der Senat - auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - eine Befristung der
  484. Maßnahme der Entfernung aus dem Amt bis zum 31. Dezember 2000 für ausreichend.
  485. - 20 -
  486. V.
  487. Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf §§ 109 BNotO, 113,
  488. 114, 115 Abs. 4 BDO.
  489. Rinne
  490. Tropf
  491. Grantz
  492. Kurzwelly
  493. Lintz