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936 lines
57 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. KZR 61/11
  5. Verkündet am:
  6. 6. November 2013
  7. Bürk
  8. Amtsinspektorin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juli 2013 durch die Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Dr. h.c. Bornkamm und Dr. Raum sowie die Richter Prof. Dr. Strohn, Dr. Kirchhoff und
  14. Dr. Bacher
  15. für Recht erkannt:
  16. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats
  17. des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 14. Dezember 2011 unter
  18. Zurückweisung des Rechtsmittels der Klägerin und des weitergehenden Rechtsmittels der Beklagten im Kostenpunkt und insoweit
  19. aufgehoben, als die Widerklage hinsichtlich der Zinsen auch mit
  20. dem Teil abgewiesen worden ist, der eine Zinshöhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nicht übersteigt.
  21. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
  22. und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
  23. an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  24. Von Rechts wegen
  25. Tatbestand:
  26. 1
  27. I. Die Klägerin, eine Anstalt öffentlichen Rechts, schließt mit Arbeitgebern
  28. des öffentlichen Dienstes (sogenannten Beteiligten) Beteiligungsvereinbarungen in Form von Gruppenversicherungsverträgen ab. Auf dieser Grundlage gewährt sie den Arbeitnehmern der Beteiligten nach Maßgabe ihrer Satzung
  29. -3-
  30. (VBLS) eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung.
  31. 2
  32. Die Finanzierung der Klägerin erfolgt im Abrechnungsverband West, dem
  33. die Beklagte angehörte, seit 1967 über ein Umlageverfahren in Form eines modifizierten Abschnittsdeckungsverfahrens. Der Umlagesatz ist so zu bemessen,
  34. dass die für die Dauer des Deckungsabschnitts zu entrichtende Umlage zusammen mit den übrigen zu erwartenden Einnahmen und dem verfügbaren Vermögen ausreicht, die Aufgaben der Klägerin während des Deckungsabschnitts sowie der sechs folgenden Monate zu erfüllen (§ 60 Abs. 1 Satz 1, § 61 Abs. 1
  35. VBLS 2001). § 23 Abs. 2 VBLS 2001 verpflichtet ausscheidende Beteiligte, einen Gegenwert zur Deckung der aus dem Anstaltsvermögen nach dem Ausscheiden zu erfüllenden Verpflichtungen zu zahlen. Die Bestimmungen des
  36. § 23 Abs. 2 und 4 VBLS haben in der vom Verwaltungsrat der Klägerin am 19.
  37. September 2002 beschlossenen und rückwirkend ab 1. Januar 2001 geltenden
  38. Fassung folgenden Wortlaut:
  39. 1
  40. (2) Zur Deckung der aus dem Anstaltsvermögen nach dem Ausscheiden zu
  41. erfüllenden Verpflichtungen aufgrund von
  42. a) Leistungsansprüchen von Betriebsrentenberechtigten aus einer Pflichtversicherung bzw. einer beitragsfreien Versicherung sowie
  43. b) Versorgungspunkten von Anwartschaftsberechtigten und
  44. c) künftigen Leistungsansprüchen von Personen, die im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Beteiligung als Hinterbliebene in Frage kommen,
  45. hat der ausscheidende Beteiligte einen von der Anstalt auf seine Kosten zu berechnenden Gegenwert zu zahlen.
  46. 2
  47. Der Gegenwert ist nach versicherungsmathematischen Grundsätzen zu berechnen, wobei als Rechnungszins 3,25 v.H. während der Anwartschaftsphase
  48. 3
  49. und 5,25 v.H. während des Rentenbezuges zugrundezulegen ist. Zur Deckung
  50. von Fehlbeträgen ist der Gegenwert um 10 v.H. zu erhöhen; dieser Anteil wird
  51. 4
  52. der Verlustrücklage nach § 67 zugeführt. Als künftige jährliche Erhöhung der
  53. Betriebsrenten ist der Anpassungssatz nach § 39 zu berücksichtigen.
  54. 5
  55. Bei der Berechnung des Gegenwerts werden die Teile der Leistungsansprüche
  56. und Anwartschaften nicht berücksichtigt, die aus dem Vermögen im Sinne des
  57. § 61 Abs. 2 oder § 66 zu erfüllen sind.
  58. -4-
  59. 6
  60. Ansprüche, die im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Beteiligung ruhen,
  61. werden nur dann nicht berücksichtigt, wenn das Ruhen auf § 65 Abs. 6 der am
  62. Tag vor In-Kraft-Treten dieser Satzung geltenden Satzung beruht.
  63. 7
  64. Der Gegenwert ist zur Abgeltung der Verwaltungskosten um 2 v.H. zu erhö8
  65. hen. Der zunächst auf den Ausscheidestichtag abgezinste Gegenwert ist für
  66. den Zeitraum vom Tag des Ausscheidens aus der Beteiligung bis zum Ende
  67. des Folgemonats nach Erstellung des versicherungsmathematischen Gutachtens mit Jahreszinsen in Höhe des durchschnittlichen Vomhundertsatzes der in
  68. den letzten fünf Kalenderjahren vor dem Ausscheiden erzielten Vermögenserträge, mindestens jedoch mit 5,25 v.H. aufzuzinsen.
  69. 1
  70. (4) Der Gegenwert ist innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung
  71. 2
  72. über die Höhe des Gegenwerts zu zahlen. Die Anstalt kann die Zahlung unter
  73. Berechnung von Zinsen in Höhe von 4 v.H. über dem jeweiligen Basiszinssatz
  74. nach § 247 Abs. 1 BGB, mindestens jedoch 5,25 v.H., stunden.
  75. 3
  76. Die Beklagte hat ihre Beteiligung bei der Klägerin zum 31. Dezember
  77. 2002 gekündigt und nach ihrem Ausscheiden zum 22. Juni 2004 auf die Gegenwertforderung der Klägerin eine Zahlung in Höhe von 346.000 € geleistet.
  78. Die Klägerin berechnete den von der Beklagten zu zahlenden Gegenwert anhand eines versicherungsmathematischen Gutachtens vom 13. April 2005 auf
  79. 587.396,38 €. Der über die Zahlung der Beklagten hinausgehende Differenzbetrag ist Gegenstand der Klageforderung.
  80. 4
  81. Die Beklagte und weitere ehemalige Beteiligte aus dem Bereich der
  82. Krankenkassen, die ebenfalls in Rechtsstreitigkeiten mit der Klägerin verwickelt
  83. sind, schlossen mit der Klägerin eine Prozessvereinbarung. In § 2 dieser Vereinbarung wurden als „Prozessgegenstand“ die Rechtmäßigkeit der Gegenwertforderungen bei Beendigung des Beteiligungsverhältnisses bei der Klägerin sowie - hilfsweise - einzelne Punkte aus den Zahlungsaufforderungen der Gegenwertgutachten festgelegt. Gemäß § 3 Abs. 2 der Vereinbarung sollte die
  84. Klägerin die Beklagte auf Zahlung der restlichen Gegenwertforderung in Höhe
  85. von 241.396,38 € verklagen. Die ehemaligen Beteiligten behielten sich vor, eine
  86. -5-
  87. Widerklage zu erheben, wenn der Prozessverlauf ergibt, dass mit der Entscheidung über die Zahlungsklage nicht alle relevanten Punkte nach § 2 der Vereinbarung geklärt werden können. In § 3 Abs. 3 haben sich die Parteien der Prozessvereinbarung verpflichtet, die Entscheidung in den Musterverfahren auf alle
  88. gleichgelagerten Sachverhalte anzuwenden, als ob sie der Interventionswirkung
  89. nach § 68 ZPO unterlägen. Ferner sieht diese vertragliche Bestimmung vor,
  90. dass - soweit Mitglieder der Prozessgemeinschaft bereits Zahlungen geleistet
  91. haben oder noch leisten - die Klägerin ihnen den Teil ihrer Zahlungen zurückzahlt, der auf unbegründeten Gegenwertforderungen beruht.
  92. 5
  93. Die Klägerin hat beantragt,
  94. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 241.398,38 € nebst Zinsen hieraus
  95. in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. Juni
  96. 2004 zu zahlen.
  97. 6
  98. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat diesen Antrag mit der Berufung weiterverfolgt. Im Wege der Anschlussberufung hat die
  99. Beklagte - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - widerklagend beantragt,
  100. 1. die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 346.000 € zu zahlen;
  101. 2. die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz des § 247 BGB aus
  102. 346.000 € seit 22. Juni 2004 zu zahlen;
  103. 3. festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten den gesamten
  104. Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden ist und noch entsteht, dass
  105. auf Basis der Regelung in § 23 Abs. 2 VBLS eine Gegenwertforderung erhoben wurde.
  106. 7
  107. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Auf
  108. die Anschlussberufung hat es die Klägerin verurteilt, an die Beklagte Zinsen
  109. aus 346.000 €
  110. - in Höhe von 4,1% für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2005
  111. - in Höhe von 3,3% für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2006,
  112. -6-
  113. - in Höhe von 3,9% für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2007,
  114. - in Höhe von 4,1% für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis 6. April 2010,
  115. - in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 7. April 2010
  116. zu zahlen.
  117. 8
  118. Außerdem hat das Berufungsgericht der Widerklage mit dem Feststellungsantrag stattgegeben. Die weitergehende Widerklage hat es abgewiesen.
  119. 9
  120. Hiergegen richten sich die vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen beider Parteien, mit denen sie die jeweiligen Zahlungsanträge weiterverfolgen. Beide Parteien treten der Revision der Gegenseite entgegen.
  121. Entscheidungsgründe:
  122. 10
  123. A. Das Berufungsgericht hat die Abweisung der Klage bestätigt, weil § 23
  124. Abs. 2 VBLS 2001 unwirksam sei, so dass sich aus dieser Bestimmung kein
  125. Anspruch auf Zahlung eines Gegenwerts ergeben könne. Zur Begründung hat
  126. es ausgeführt:
  127. 11
  128. § 23 Abs. 2 VBLS 2001 unterliege uneingeschränkt der Inhaltskontrolle
  129. nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Da das Beteiligungsverhältnis der Beklagten bereits zum 31. Dezember 2002 beendet worden sei,
  130. sei gemäß Art. 229 § 5 EGBGB das AGB-Gesetz anzuwenden. Der danach
  131. vorzunehmenden Inhaltskontrolle halte § 23 Abs. 2 VBLS unter mehreren Gesichtspunkten nicht stand. Eine unangemessene Benachteiligung ausscheidender Beteiligter liege zunächst darin, dass bei der Berechnung der Gegenwertforderung verfallbare und unverfallbare Rentenanwartschaften in gleicher Weise
  132. berücksichtigt würden. Auch der Zwang, den Gegenwert alsbald nach Beendigung der Beteiligung und im Wege einer Einmalzahlung zu leisten, benachteilige ausscheidende Beteiligte unangemessen. Nicht anders verhalte es sich
  133. -7-
  134. schließlich mit der Regelung in § 23 Abs. 3 Satz 3 VBLS 2001, der zufolge der
  135. nach versicherungsmathematischen Grundsätzen ermittelte Gegenwert "zur
  136. Deckung von Fehlbeträgen" um 10% zu erhöhen sei.
  137. 12
  138. Die Unwirksamkeit von § 23 Abs. 2 VBLS 2001 habe eine Regelungslücke zur Folge, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen
  139. werden müsse. Es bleibe indes der Klägerin vorbehalten, unwirksame Regelungen - auch rückwirkend für bereits ausgeschiedene Beteiligte - durch eine
  140. neue Regelung zu ersetzen, die den beiderseitigen Interessen in angemessener Weise Rechnung trage.
  141. 13
  142. Die im Wege der Anschlussberufung erhobene Widerklage der Beklagten
  143. habe nur zu einem geringen Teil Erfolg. Soweit sie auf Rückzahlung des auf die
  144. Gegenwertforderung gezahlten Betrages gerichtet sei, sei die Widerklage unzulässig, weil ihr die Prozessvereinbarung zwischen den Parteien entgegenstehe.
  145. Danach sei eine Widerklage der Beklagten nur insoweit zulässig, als es zur Klärung von Rechtsfragen zwischen den Parteien erforderlich sei, die nicht bereits
  146. durch die Entscheidung über die vereinbarungsgemäß erhobene Zahlungsklage
  147. der Klägerin geklärt werden könnten. Diese Voraussetzungen seien hinsichtlich
  148. der auf Rückzahlung gerichteten Widerklage nicht erfüllt. Das Landgericht habe
  149. die Gegenwertforderung der Klägerin insgesamt für unbegründet erklärt. Mit
  150. Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung müsse die Klägerin nach § 3 Abs. 3
  151. der Prozessvereinbarung der Beklagten die bereits auf die Gegenwertforderung
  152. geleisteten Zahlungen zurückerstatten.
  153. 14
  154. Die Prozessvereinbarung enthalte allerdings keine Regelungen über die
  155. Verzinsung von Zahlungsansprüchen und den Ersatz eventueller Schäden, die
  156. einem ehemaligen Beteiligten entstünden, wenn die Klägerin zu Unrecht Gegenwertforderungen erhebe. Insoweit sei die Widerklage zulässig. Zinsen kön-
  157. -8-
  158. ne die Beklagte indes nur nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen verlangen. Ein Anspruch auf höhere Zinsen ergebe sich nicht aus § 33 Abs. 3 Satz 4
  159. und 5 GWB in Verbindung mit § 288 BGB. Eine Verzinsung in Höhe von acht
  160. Prozentpunkten über dem Basiszinssatz scheide schon deshalb aus, weil es
  161. sich bei einer Schadensersatzforderung nicht um eine Entgeltforderung im Sinne von § 288 Abs. 2 BGB handele. Im Übrigen komme eine Verzinsung nach
  162. § 33 Abs. 3 GWB nicht in Betracht, weil die Klägerin nicht als Unternehmen im
  163. Sinne des Kartellrechts anzusehen sei. Der mit der Widerklage erhobene Feststellungsantrag sei zulässig und begründet, soweit er sich auf die Feststellung
  164. der Verpflichtung der Klägerin zum Schadensersatz beziehe.
  165. 15
  166. B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Klage zu Recht wegen Unwirksamkeit
  167. von § 23 Abs. 2 VBLS 2001 abgewiesen. Dabei kommt es im Ergebnis nicht
  168. darauf an, ob für die von der Beklagten zu zahlende Gegenwertforderung § 23
  169. VBLS in der am 19. September 2002 mit Wirkung vom 1. Januar 2001 beschlossenen Fassung (§ 23 VBLS 2001) oder in der am 29. März 1995 beschlossenen und rückwirkend zum 1. Januar 1995 in Kraft getretenen Fassung
  170. (§ 23 VBLS 1995) maßgeblich ist. Auch die Revision der Beklagten ist nur zu
  171. einem geringen Teil begründet. Das Berufungsgericht hat die Rückzahlungswiderklage der Beklagten ohne Rechtsfehler abgewiesen. Die Begründung, mit
  172. der es der Beklagten einen Anspruch auf Zinsen nicht nach kartellrechtlichen,
  173. sondern nur nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zugesprochen hat,
  174. hält indes revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
  175. I. Zur Revision der Klägerin
  176. 16
  177. Die Revision der Klägerin ist unbegründet, weil das Berufungsgericht zu
  178. Recht § 23 Abs. 2 VBLS als unwirksam angesehen hat.
  179. -9-
  180. 17
  181. 1. Der Änderungstarifvertrag Nr. 6 vom 24. November 2011 zum Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen
  182. Dienstes vom 1. März 2002 sowie die Neufassung des § 23 Abs. 2 Satz 3 VBLS
  183. vom 21. November 2012 sind für die revisionsrechtliche Beurteilung des Streitfalls nicht zu berücksichtigen.
  184. 18
  185. a) Der Änderungstarifvertrag Nr. 6 vom 24. November 2011 ordnet eine
  186. unzulässige echte Rückwirkung an, soweit er zum 1. Januar 2001 rückwirkend
  187. in Kraft gesetzte Regelungen zum Gegenwert für Beteiligungen enthält, die vor
  188. Abschluss dieses Änderungstarifvertrags beendet wurden (BGHZ 195, 93
  189. Rn. 26 bis 29).
  190. 19
  191. b) Die Neufassung des § 23 Abs. 2 Satz 3 VBLS vom 21. November
  192. 2012, die mit Rückwirkung zum 1. Januar 2001 den gegen die Wirksamkeit dieser Bestimmung bestehenden Bedenken Rechnung tragen sollte, ist in der Revisionsinstanz nicht zu berücksichtigen. Die Satzung der Klägerin enthält bezogen auf die zwischen ihr und den beteiligten Arbeitgebern begründeten privaten
  193. Versicherungsverhältnisse kein revisibles objektives Recht, sondern Allgemeine
  194. Geschäftsbedingungen in Form Allgemeiner Versicherungsbedingungen. Diese
  195. können nicht erstmals in der Revisionsinstanz zur Überprüfung gestellt werden,
  196. und zwar auch dann nicht, wenn es sich nur um eine - gegenüber einer bereits
  197. streitgegenständlichen - abgewandelte Fassung handelt (BGH, Urteil vom
  198. 13. Februar 2013 - IV ZR 17/12, juris Rn. 26).
  199. 20
  200. 2. Wie sich aus den auf den Seiten 23 und 25 des Berufungsurteils geprüften Satzungsbestimmungen ergibt, hat das Berufungsgericht seiner Prüfung
  201. § 23 VBLS 2001 zugrunde gelegt. Die Beklagte macht dagegen geltend, die am
  202. 19. September 2002 rückwirkend zum 1. Januar 2001 beschlossene und erst
  203. am 3. Januar 2003 im Bundesanzeiger veröffentlichte Änderung des § 23
  204. - 10 -
  205. Abs. 2 VBLS könne auf sie keine Anwendung finden, weil sie bereits zum
  206. 1. Januar 2003 aus der VBL ausgeschieden sei. Für den Streitfall maßgeblich
  207. sei deshalb die Satzung der VBL in der Fassung von 1995.
  208. 21
  209. Die Frage, welche Satzungsfassung für die Beurteilung des Streitfalls
  210. maßgeblich ist, kann jedoch dahinstehen. In beiden Fassungen ist § 23 VBLS
  211. Gegenstand uneingeschränkter Inhaltskontrolle (dazu 3), der er weder in der
  212. neuen (dazu 4) noch in der alten Fassung (dazu 5) standhält.
  213. 22
  214. 3. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterliegt § 23
  215. VBLS - gleich in welcher Fassung - der uneingeschränkten Inhaltskontrolle des
  216. § 307 BGB bzw. des § 9 AGBG. § 23 VBLS ist eine originäre Satzungsregelung
  217. ohne
  218. tarifrechtlichen
  219. Ursprung
  220. (BGH,
  221. Urteil
  222. vom
  223. 10. Oktober
  224. 2012
  225. - IV ZR 10/11, VersR 2013, 46 Rn. 14 bis 24; Urteil vom 13. Februar 2013
  226. - IV ZR 17/12, juris Rn. 15).
  227. 23
  228. a) Entgegen der Ansicht der Revision der Klägerin ist die Inhaltskontrolle
  229. nicht eingeschränkt, weil die Verpflichtung zur Zahlung des Gegenwerts eine
  230. notwendige Konsequenz des Umlageverfahrens ist, das seinerseits auf einer
  231. maßgeblichen Grundentscheidung der Tarifvertragsparteien beruht. Dieses Argument ist vom IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs bereits mit ausführlicher
  232. Begründung zurückgewiesen worden (BGHZ 195, 93 Rn. 30 bis 34). Der Senat
  233. schließt sich dieser Beurteilung an.
  234. 24
  235. b) Ebenso hat der Bundesgerichtshof bereits das Argument der Revision
  236. der Klägerin zurückgewiesen, es handele sich bei der Gegenwertforderung um
  237. eine Hauptleistung der Beteiligten, die der AGB-Kontrolle entzogen sei. Die Gegenwertforderung entsteht erst aufgrund der Kündigung eines Beteiligten und
  238. liegt damit außerhalb der normalen Vertragsabwicklung. Sie stellt daher nicht
  239. - 11 -
  240. die Gegenleistung des Versicherungsnehmers für den Versicherungsschutz dar
  241. (BGHZ 195, 93 Rn. 35 f.).
  242. 25
  243. c) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, § 23 Abs. 2 VBLS 2001 sei
  244. ausgehandelt worden und unterliege deshalb nicht der Inhaltskontrolle. Wie der
  245. Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, stellt die Klägerin als Verwenderin
  246. die aus ihrer Satzung folgenden Bedingungen. Der einzelne Arbeitgeber als
  247. Beteiligter hat keine Wahl, sich ihnen zu unterwerfen oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 1999 - IV ZR 136/98, BGHZ 142, 103, 107).
  248. 26
  249. 4. Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, dass die in § 23
  250. Abs. 1 VBLS 2001 geregelte volle Berücksichtigung von Versicherten ohne erfüllte Wartezeit bei der Berechnung des Gegenwerts sowie die Verpflichtung,
  251. den Gegenwert durch Einmalzahlung eines Barwerts zu erbringen, den ausgeschiedenen Beteiligten unangemessen benachteiligen (BGHZ 195, 93 Rn. 37 ff.
  252. und 58 ff.). Das ergibt sich im Streitfall aus § 9 AGBG, der gemäß Art. 229 § 5
  253. EGBGB anzuwenden ist. Da § 23 Abs. 2 VBLS 2001 schon deshalb unwirksam
  254. ist, kommt es auf etwaige weitere Unwirksamkeitsgründe nicht an.
  255. 27
  256. Der IV. Zivilsenat hat sich mit den gegen diese Beurteilung gerichteten
  257. Argumenten in seinen zitierten Entscheidungen befasst und sie nicht für durchgreifend erachtet (BGHZ 195, 93 Rn. 49 ff.; BGH, Urteil vom 10. Oktober 2012
  258. - IV ZR 12/11, juris Rn. 41 ff.; Urteil vom 13. Februar 2013 - IV ZR 17/12, juris
  259. Rn. 19). Die in dieselbe Richtung gehenden Angriffe der Revision der Klägerin
  260. geben zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass. Insbesondere hat der
  261. IV. Zivilsenat den Einwand als unbegründet angesehen, das Berufungsgericht
  262. habe verkannt, dass gegenüber Unternehmen der Kontrollmaßstab des § 9
  263. AGBG großzügiger sei (BGHZ 195, 93 Rn. 50, zu § 307 BGB), und es für uner-
  264. - 12 -
  265. heblich gehalten, dass die Klägerin sich auf eine im Handelsverkehr geltende
  266. Gewohnheit beruft (BGHZ 195, 93 Rn. 51).
  267. 28
  268. Entgegen der Ansicht der Revision der Klägerin stellt die Einbeziehung
  269. von Versicherten ohne erfüllte Wartezeit im Streitfall keinen untergeordneten
  270. Teil des Gegenwerts dar. Nach dem Vortrag der Klägerin beläuft sich der fragliche Anteil an der Gegenwertforderung auf einen Betrag von über 110.000 €. Es
  271. handelt sich daher nicht um eine zu vernachlässigende Summe (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2012 - IV ZR 12/11, juris Rn. 44).
  272. 29
  273. 5. § 23 Abs. 2 VBLS hält der Inhaltskontrolle auch in der Fassung von
  274. 1995 nicht stand. Die unangemessene Regelung über die Entrichtung des Gegenwerts als Einmalzahlung ist dort ebenfalls enthalten (vgl. BGH, Urteil vom
  275. 10. Oktober 2012 - IV ZR 12/11, juris Rn. 53).
  276. 30
  277. 6. Die Revision der Klägerin ist auch insoweit zurückzuweisen, als sie
  278. sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht der Widerklage teilweise
  279. stattgegeben hat. Die Regelungen über den Gegenwert halten der Inhaltskontrolle nicht stand, so dass ein Zinsanspruch der Beklagten jedenfalls nach Bereicherungsrecht besteht. Die Revision der Klägerin erhebt insoweit keine weiteren Rügen.
  280. II. Zur Revision der Beklagten
  281. 31
  282. Die Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg, soweit sie sich dagegen
  283. wendet, dass das Berufungsgericht ihre Widerklage mit dem auf Rückerstattung
  284. der Gegenwertzahlung gerichteten Antrag abgewiesen hat. Dagegen hält die
  285. Begründung, mit der das Berufungsgericht den mit der Widerklage geltend ge-
  286. - 13 -
  287. machten Anspruch auf höhere Zinsen verneint hat, der revisionsrechtlichen Prüfung nur teilweise stand.
  288. 32
  289. 1. Eine Erledigung oder Teilerledigung der Widerklage ist entgegen der
  290. Ansicht der Revision nicht durch die am 21. November 2012 beschlossene
  291. Neufassung des § 23 Abs. 2 Satz 3 VBLS eingetreten, die mit Rückwirkung
  292. zum 1. Januar 2001 den gegen die Wirksamkeit dieser Bestimmung bestehenden Bedenken Rechnung tragen sollte. Diese Satzungsänderung stellt eine
  293. Veränderung des Streitgegenstands dar, die - wie oben Randnummer 19 ausgeführt - in der Revisionsinstanz nicht zu berücksichtigen ist (BGH, Urteil vom
  294. 13. Februar 2013 - IV ZR 17/12, juris Rn. 26). Sie hat keinen Einfluss auf die
  295. Zulässigkeit oder Begründetheit der Widerklage.
  296. 33
  297. 2. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Widerklage als unzulässig angesehen, soweit sie auf Rückzahlung der auf die Gegenwertforderung geleisteten Zahlungen der Beklagten gerichtet ist. Das folgt aus der Prozessvereinbarung zwischen den Parteien.
  298. 34
  299. a) Das Berufungsgericht hat angenommen, aus dem Zusammenhang der
  300. Regelungen der Prozessvereinbarung ergebe sich, dass die Erhebung einer
  301. Widerklage der Beklagten nur soweit zulässig sei, als es die Klärung von
  302. Rechtsfragen erfordere, die zwischen den Parteien streitig seien und die nicht
  303. bereits durch die Entscheidung über die vereinbarungsgemäß erhobene Zahlungsklage der Klägerin geklärt würden. Die Revision der Beklagten nimmt diese Auslegung der Prozessvereinbarung hin. Sie meint aber, die Rückzahlungsklage der Beklagten sei danach zulässig, weil die Frage, ob und gegebenenfalls
  304. in welchem Umfang der Klägerin Gegenwertansprüche aufgrund einer Regelung zustehen, die die infolge der Unwirksamkeit von § 23 Abs. 2 VBLS 2001
  305. - 14 -
  306. entstandene Lücke schließt, nur im Rahmen der von der Beklagten erhobenen
  307. Widerklage geklärt werden könne.
  308. 35
  309. Die Revision der Beklagten übersieht bei dieser Argumentation jedoch,
  310. dass auch mit der im Streitfall erhobenen Widerklage nicht geklärt werden kann,
  311. wie die Lücke in der Satzung der Klägerin zu schließen ist. Da es hierfür eine
  312. Vielzahl von Möglichkeiten gibt, haben die Vorinstanzen mit Recht die ergänzende Vertragsauslegung nicht selbst vorgenommen, sondern es der Klägerin
  313. überlassen, anstelle der unwirksamen eine wirksame Gegenwertregelung zu
  314. treffen.
  315. 36
  316. Zudem haben beide Vorinstanzen § 23 Abs. 2 VBLS 2001 als unwirksam
  317. angesehen. Da eine ergänzende Vertragsauslegung im Rahmen des anhängigen Verfahrens nicht in Betracht kam, war die Gegenwertforderung derzeit insgesamt unbegründet. Das Berufungsgericht hat die Prozessvereinbarung ohne
  318. Rechtsfehler dahin ausgelegt, dass, falls diese Entscheidung rechtskräftig würde, die Klägerin der Beklagten nach § 3 Abs. 3 der Prozessvereinbarung die
  319. bereits auf die Gegenwertforderung geleisteten Zahlungen zurückerstatten
  320. müsste. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang auch darauf verwiesen, dass sich die entsprechende Bereitschaft der Klägerin ihrem Vortrag im
  321. Schriftsatz vom 6. September 2010 mit wünschenswerter Klarheit entnehmen
  322. lasse. Die Klägerin macht zutreffend geltend, es könne nicht angenommen
  323. werden, dass die Prozessvereinbarung der Beklagten den Weg zu einer Widerklage eröffne, die nicht zur Klärung der in § 2 Nr. 2 der Prozessvereinbarung
  324. aufgezählten Rechtsfragen führen könne und für die auch sonst kein Rechtsschutzbedürfnis bestehe.
  325. 37
  326. b) Die Zulässigkeit des auf Rückzahlung gerichteten Widerklageantrags
  327. folgt auch nicht daraus, dass die Beklagte der auf die Urteile des IV. Zivilsenats
  328. - 15 -
  329. vom 10. Oktober 2012 (BGHZ 195, 93 und IV ZR 12/11, juris) gestützten Aufforderung einer anderen früheren Beteiligten, den unter Vorbehalt gezahlten
  330. Gegenwert bis zum 10. Mai 2013 zurückzuerstatten, nicht nachgekommen ist.
  331. Diese von der Revision der Beklagten vorgetragene neue Tatsache, die das
  332. von Amts wegen zu prüfende Rechtsschutzbedürfnis betrifft, ist zwar auch in
  333. der Revisionsinstanz zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 1983
  334. - VI ZR 79/80, NJW 1984, 1556). Allerdings ergibt sich - anders als die Beklagte
  335. meint - aus dem als Anlage RB 5 vorgelegten Schreiben der Klägerin keineswegs, dass sie eine Rückzahlung von der Beklagten geleisteter Gegenwertzahlungen nach rechtskräftigem Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits entgegen § 3 Abs. 3 der Prozessvereinbarung verweigern will. Die Klägerin hat in
  336. jenem Schreiben vielmehr die zutreffende Rechtsansicht vertreten, dass nach
  337. der Prozessvereinbarung eine Bindung an das Ergebnis des vorliegenden Verfahrens besteht und damit nicht an die Entscheidungen des IV. Zivilsenats vom
  338. 10. Oktober 2012.
  339. 38
  340. c) Eine Klage, die entgegen einer wirksamen Prozessvereinbarung erhoben worden ist, ist allerdings nicht endgültig, sondern nur als zur Zeit unzulässig
  341. abzuweisen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 - VIII ZR 108/04,
  342. NJW-RR 2006, 632 Rn. 21).
  343. 39
  344. 3. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Prozessvereinbarung der Parteien der Zulässigkeit des auf die Zahlung von Zinsen auf die Rückforderung der Beklagten gerichteten Widerklageantrags nicht entgegensteht,
  345. weil sie keine Regelung über die Verzinsung von Zahlungsansprüchen enthält,
  346. die sich je nach Ausgang des Musterrechtsstreits ergeben können. Dies lässt
  347. keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch von der Revision der Klägerin
  348. nicht angegriffen. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht der Beklagten
  349. - 16 -
  350. Zinsen nur nach bereicherungsrechtlichen und nicht nach kartellrechtlichen
  351. Grundsätzen zugesprochen hat, hält revisionsrechtlicher Nachprüfung indes
  352. nicht in vollem Umfang stand.
  353. 40
  354. a) Das Berufungsgericht hat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des
  355. IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 20. Juli 2011
  356. - IV ZR 76/09, BGHZ 190, 314 Rn. 88 ff.) angenommen, die Klägerin sei kein
  357. Unternehmen im Sinne des Kartellrechts, so dass eine Verzinsung in Höhe von
  358. acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 33 Abs. 3 GWB in Verbindung mit § 288 Abs. 2 BGB nicht in Betracht komme. Die Finanzierung der Beiträge erfolge jedenfalls im hier maßgeblichen Abrechnungsverband West über
  359. ein Umlageverfahren und damit nicht nach dem Kapitalisierungsprinzip. Die
  360. Leistungen der Klägerin seien auch nicht ausschließlich von der Höhe der gezahlten Beiträge abhängig. Damit beruhe die Finanzierung der Zusatzversorgung auf dem Grundsatz der Solidarität. Zudem unterliege die Klägerin der Aufsicht des Bundesministeriums der Finanzen und werde vom Bundesrechnungshof geprüft. Es bedürfe keiner näheren Erörterung, ob die Klägerin in Bezug auf
  361. bestimmte Tätigkeiten als Unternehmen angesehen werden könne. Dies sei
  362. jedenfalls insoweit nicht der Fall, als es um Regelungen gehe, die die Finanzierung der von ihr zu erbringenden Versorgungsleistungen durch die an ihr beteiligten Arbeitgeber beträfen. Hinsichtlich der Geltendmachung von Gegenwertforderungen könne die Klägerin daher nicht als Unternehmen im Sinne der
  363. §§ 19, 20 GWB angesehen werden.
  364. 41
  365. b) Dieser Beurteilung kann nicht zugestimmt werden. Die Klägerin ist
  366. - jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang - Unternehmen im Sinne des Kartellrechts.
  367. - 17 -
  368. 42
  369. aa) Das Berufungsgericht hat geprüft, ob sich der Zinsanspruch der Beklagten aus § 33 Abs. 1 und 3, § 19 Abs. 1 GWB ergeben kann. Dieser Ausgangspunkt der kartellrechtlichen Beurteilung ist nicht zu beanstanden.
  370. 43
  371. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die
  372. von der Beklagten beanstandete Gegenwertberechnung den Handel zwischen
  373. Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 102 AEUV beeinträchtigen kann. Die Beklagte
  374. hat keinen entsprechenden Vortrag gehalten. Die Anwendung von Art. 102
  375. AEUV drängt sich im Streitfall auch nicht auf. Die Klägerin ist eine ausschließlich in Deutschland tätige Versorgungseinrichtung, deren Beteiligte allein deutsche Arbeitgeber sind. Grundsätzlich vorstellbar ist zwar, dass die Klägerin,
  376. indem sie ihren Beteiligten einen Austritt unangemessen erschwert, Versicherungsunternehmen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union am
  377. Marktzugang für Versorgungsangebote an Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes in Deutschland hindert. Es ist aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass Unternehmen aus anderen Staaten der Europäischen Union aktuell
  378. oder potentiell als Anbieter in diesem Bereich in Betracht kommen.
  379. 44
  380. Zudem hat Art. 102 AEUV gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 2 VO 1/2003 und
  381. § 22 Abs. 3 GWB keinen Vorrang gegenüber Verboten unternehmerischer Verhaltensweisen, die auf innerstaatlichen Vorschriften zur Unterbindung oder
  382. Ahndung einseitiger Handlungen von Unternehmen beruhen. § 19 Abs. 1 GWB
  383. ist eine solche Vorschrift.
  384. 45
  385. bb) Nach § 19 Abs. 1 GWB ist die missbräuchliche Ausnutzung einer
  386. marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen verboten.
  387. Für die Auslegung des Unternehmensbegriffs in dieser Bestimmung ist die
  388. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgeblich.
  389. - 18 -
  390. 46
  391. Danach gilt für das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen der
  392. funktionale Unternehmensbegriff. Die Unternehmenseigenschaft wird durch jede selbständige Tätigkeit im geschäftlichen Verkehr begründet, die auf den
  393. Austausch von Waren oder gewerblichen Leistungen gerichtet ist, und sich
  394. nicht auf die Deckung des privaten Lebensbedarfs beschränkt (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Januar 2008 - KVR 26/07, BGHZ 175, 333 Rn. 21 - Kreiskrankenhaus Bad Neustadt, mwN). Der Sinn und Zweck des Gesetzes gegen
  395. Wettbewerbsbeschränkungen, die Freiheit des Wettbewerbs sicherzustellen,
  396. verbietet dabei eine enge Betrachtungsweise (BGH, Urteil vom 23. Oktober
  397. 1979 - KZR 22/78, WuW/E BGH 1661, 1662 - Berliner Musikschule). Eine öffentlich-rechtliche Organisationsform des am geschäftlichen Verkehr Teilnehmenden reicht nicht aus, um ihn aus dem Geltungsbereich des Gesetzes zu
  398. entlassen (BGH, Beschluss vom 9. März 1999 - KVR 20/97, WuW/E DE-R 289,
  399. 291 - Lottospielgemeinschaft). Auch auf eine Gewinnerzielungsabsicht kommt
  400. es nicht an (BGH, Urteil vom 26. Oktober 1961 - KZR 1/61, BGHZ 36, 91, 103
  401. - Gummistrümpfe; Zimmer in Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Aufl., § 1 Rn. 56).
  402. Auf hoheitliches Handeln ist deutsches Kartellrecht dagegen nicht anwendbar
  403. (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2007 - KZR 48/05, WuW/E DE-R 2144
  404. - Rettungsleitstelle), wobei es im Streitfall keiner Entscheidung bedarf, ob dies
  405. auch im Fall einer missbräuchlichen Wahl der hoheitlichen Handlungsform gelten kann.
  406. 47
  407. Auf der Grundlage des funktionalen Unternehmensbegriffs ist nicht notwendig stets einheitlich zu beantworten, ob ein Unternehmens im Sinne des
  408. deutschen Kartellrechts vorliegt; vielmehr ist die Unternehmenseigenschaft im
  409. Einzelfall für die in Frage stehende wirtschaftliche Tätigkeit zu prüfen (vgl. BGH,
  410. WuW/E BGH 1661, 1662 - Berliner Musikschule; Beschluss vom 16. Dezember
  411. 1976 - KVR 5/75, WuW/E BGH 1474, 1476 f. - Architektenkammer).
  412. - 19 -
  413. 48
  414. cc) Nach diesen Grundsätzen kann die Unternehmenseigenschaft der
  415. Klägerin im Zusammenhang mit der Berechnung von Gegenwertansprüchen
  416. gegen frühere Beteiligte nach deutschem Kartellrecht nicht verneint werden.
  417. 49
  418. Die von der Klägerin in Form von Gruppenversicherungsverträgen abgeschlossenen Beteiligungsvereinbarungen sind privatrechtlicher, nicht hoheitlicher Natur. Es besteht auch keine Pflichtmitgliedschaft bei der Klägerin. Vielmehr ist nach § 22 Abs. 1 VBLS die Kündigung der Beteiligung zulässig und
  419. Hintergrund des vorliegenden Streitfalls. Aus der grundsätzlich für alle Beteiligte
  420. bestehenden Kündigungsmöglichkeit folgt, dass die Arbeitgeber, die nach den
  421. Tarifverträgen für den öffentlichen Dienst ihren Beschäftigten eine Zusatzversorgung gewähren müssen, diesen Anspruch auch bei einer anderen Versorgungseinrichtung erfüllen können. Das Berufungsgericht hat hierzu festgestellt,
  422. dass es außer der Klägerin weitere kommunale und kirchliche Zusatzversorgungskassen gibt.
  423. 50
  424. Darüber hinaus kommen auch private Versicherungsunternehmen als
  425. Anbieter entsprechender Versorgungsleistungen in Betracht. Die den Beschäftigten der Beteiligten von der Klägerin gewährte Zusatzversorgung erfolgt in
  426. Form einer auch in der gewerblichen Wirtschaft üblichen Betriebsrente. Die Höhe der Rente entspricht der Leistung, die sich ergäbe, wenn 4% des Bruttoentgelts des Arbeitnehmers vollständig in ein kapitalgedecktes System eingezahlt
  427. und am Kapitalmarkt angelegt worden wären (vgl. 4. Versorgungsbericht der
  428. Bundesregierung vom 8. April 2009, BT-Drucks. 16/12660, S. 149 f.). Für die
  429. Leistungshöhe sind Versorgungspunkte maßgeblich, die auf der Grundlage der
  430. für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst bezogenen Entgelte ermittelt werden
  431. (vgl. auch BGHZ 190, 314 Rn. 92). Damit stellt die Klägerin eine Leistung bereit, die in Form einer entsprechenden Rente auch von privaten Versicherungs-
  432. - 20 -
  433. unternehmen angeboten werden kann. Als Anbieter von Zusatzversorgungsleistungen für Mitarbeiter von Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes ist die Klägerin also Unternehmen im Sinne des deutschen Kartellrechts.
  434. 51
  435. dd) In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, dass die Finanzierung der Beiträge zur Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts jedenfalls im Abrechnungsverband West über ein Umlageverfahren
  436. und damit nicht nach dem Kapitalisierungsprinzip erfolgt. Dieser Umstand
  437. nimmt dem Versorgungsangebot der Klägerin entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht die Eigenschaft als im geschäftlichen Verkehr angebotene
  438. gewerbliche Leistung. Die Leistungen der Klägerin werden auf einem für Wettbewerb geöffneten Markt gegen Entgelt angeboten. Ob dieses Entgelt nach
  439. dem Kapitalisierungsprinzip oder im Umlageverfahren berechnet wird, betrifft
  440. bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise allein eine Frage der Preiskalkulation.
  441. Ob der von einem Vertragspartner zu entrichtende Gegenwert in der einen oder
  442. anderen Weise kalkuliert wird, ist ohne Bedeutung für die Frage, ob ein bestimmter Leistungsaustausch den Vorschriften des Kartellrechts unterliegt.
  443. 52
  444. ee) Die Höhe der von der Klägerin gewährten Betriebsrente richtet sich
  445. grundsätzlich nach den individuellen Jahresarbeitsentgelten der Beschäftigten
  446. der Beteiligten. Allerdings gibt es dazu Ausnahmen, die sich aus sozialen Komponenten in den Tarifverträgen für den öffentlichen Dienst ergeben. Das Berufungsgericht weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nach § 37 Abs. 1
  447. VBLS Versorgungspunkte auch von Arbeitnehmern erworben werden, die sich
  448. in Elternzeit befinden. Es ist aber nicht ersichtlich, dass eine entsprechende
  449. Regelung nicht auch in Gruppenversicherungsverträgen privater Versicherungsunternehmen vorgesehen und versicherungsmathematisch einkalkuliert
  450. werden könnte, wenn ein Arbeitgeber eine entsprechende Regelung wünscht.
  451. - 21 -
  452. 53
  453. ff) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat es für die Prüfung
  454. der Unternehmenseigenschaft im deutschen Kartellrecht keine Bedeutung, dass
  455. die Klägerin vom Bundesrechnungshof geprüft wird und der Aufsicht des Bundesministeriums der Finanzen unterliegt, dessen Genehmigung auch für Satzungsänderungen erforderlich ist. Diese Umstände ändern nichts daran, dass
  456. die Klägerin auf privatrechtlicher Grundlage Versicherungsleistungen am Markt
  457. anbietet und dabei die Vorschriften des Kartellrechts zu beachten hat.
  458. 54
  459. gg) Allerdings verfolgte der Gesetzgeber mit der 7. GWB-Novelle das
  460. Ziel einer Angleichung des nationalen Kartellrechts an das europäische Recht
  461. (vgl. Regierungsbegründung, BT-Drucks. 15/3640, S. 21). Bei der Auslegung
  462. des deutschen Kartellrechts sind deshalb die Art. 101 und Art. 102 AEUV und
  463. die dazu ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union
  464. heranzuziehen (BGH, Urteil vom 10. Dezember 2008 - KZR 54/08, WuW/E
  465. DE-R 2554 Rn. 17 - Subunternehmervertrag II). Die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gibt indes keinen Anlass, die Unternehmenseigenschaft der Klägerin zu verneinen.
  466. 55
  467. (1) Soweit die neuere Rechtsprechung der Unionsgerichte Beschaffungen der öffentlichen Hand vom Anwendungsbereich der Wettbewerbsvorschriften der Union ausnimmt, wenn sie für nicht wirtschaftliche Tätigkeiten verwendet werden sollen (EuG, Urteil vom 4. März 2003 - T-319/99, Slg. 2003, II-357
  468. Rn. 36 ff. = WuW/E EU-R 688 - FENIN, bestätigt durch EuGH, Urteil vom
  469. 11. Juli 2006 - C-205/03, Slg. 2006, I-6295 Rn. 26 = WuW/E EU-R 1213),
  470. weicht dies von der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab, der
  471. bei der Nachfragetätigkeit der öffentlichen Hand bislang allein darauf abstellt,
  472. ob die Beschaffung mit den Mitteln des Privatrechts erfolgt (BGH, Urteil vom
  473. 26. Oktober 1961 - KZR 1/61, BGHZ 36, 91, 103 - Gummistrümpfe; Urteil vom
  474. - 22 -
  475. 12. März 1991 - KZR 26/89, WuW/E BGH 2707, 2714 - Krankentransportunternehmen II; Urteil vom 12. November 2002, KZR 11/01, BGHZ 152, 347, 351 f.
  476. - Ausrüstungsgegenstände für Feuerlöschzüge; Urteil vom 24. Juni 2003
  477. - KZR 32/01, WuW/E DE-R 1144, 1145 - Schülertransporte). Dem deutschen
  478. Recht liegt dabei die Erwägung zugrunde, dass ein Hoheitsträger, der im Zusammenhang mit der Erfüllung seiner Aufgaben zu den von der Privatrechtsordnung bereitgestellten Mitteln greift, den gleichen Beschränkungen wie jeder
  479. andere Marktteilnehmer unterliegt und dabei insbesondere die durch das Wettbewerbsrecht gezogenen Grenzen einer solchen Tätigkeit zu beachten hat
  480. (BGHZ 152, 347, 352 - Ausrüstungsgegenstände für Feuerlöschzüge). Der
  481. Bundesgerichtshof hat bisher offengelassen, ob aufgrund der neueren Rechtsprechung der Unionsgerichte Anlass besteht, die gefestigte Rechtsprechung
  482. zum Unternehmensbegriff im deutschen Recht einer Überprüfung zu unterziehen (BGH, Beschluss vom 19. Juni 2007 - KVR 23/98, WuW/E DE-R 2161
  483. Rn. 12; BGH, Urteil vom 5. Juni 2012 - X ZR 161/11, juris Rn. 5 und 17). Das
  484. bedarf auch im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Gegenstand der Beurteilung ist nicht eine Beschaffung durch die Klägerin, sondern ihre Tätigkeit als
  485. Anbieterin von Versicherungsleistungen.
  486. 56
  487. (2) Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist Unternehmen im Sinne des Kartellrechts jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art
  488. ihrer Finanzierung. Wirtschaftliche Tätigkeit ist dabei jede Tätigkeit, die darin
  489. besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten
  490. (EuGH, Urteil vom 3. März 2011 - C-437/09, Slg. 2011, I-973 Rn. 41 f. = EWS
  491. 2011, 187 - AG2R Prévoyance). Keinen wirtschaftlichen Charakter haben Tätigkeiten, die in Ausübung hoheitlicher Befugnisse erfolgen (EuGH, Urteil vom
  492. 26. März 2009 - C-113/07, Slg. 2009 I-2207 Rn. 70- SELEX Sistemi Integrati;
  493. - 23 -
  494. Urteil vom 12. Juli 2012 - C-138/11, WuW/E EU-R 2472 Rn. 36 - CompassDatenbank). Ein Rechtsträger kann auch nur für einen Teil seiner Tätigkeiten
  495. als Unternehmen anzusehen sein, wenn es sich dabei um wirtschaftliche Tätigkeiten handelt (EuGH, WuW/E EU-R 2472 Rn. 37 - Compass-Datenbank). Der
  496. soziale Zweck eines Versicherungssystems genügt als solcher nicht, um eine
  497. Qualifikation als wirtschaftliche Tätigkeit auszuschließen (EuGH, Urteil vom
  498. 22. Januar 2002 - C-218/00, Slg. 2002, I-691 Rn. 37 = WuW/E EU-R 551
  499. - INAIL).
  500. 57
  501. (3) Ausgehend von diesen Grundsätzen prüft der Gerichtshof der Europäischen Union anhand eines Bündels von Kriterien, ob Einrichtungen der gesetzlichen Sozialversicherung im Einzelfall als Unternehmen anzusehen sind.
  502. 58
  503. So spricht es gegen eine Unternehmenseigenschaft, wenn eine Pflichtmitgliedschaft der Leistungsberechtigten besteht und die Leistungen der obligatorischen Versicherung deswegen nicht im Wettbewerb erbracht werden (vgl.
  504. EuGH, Urteil vom 17. Februar 1993 - C-159/91 und C-160/91, Slg. 1993, I-664
  505. Rn. 3, 7, 13 = NJW 1993, 2597 - Poucet und Pistre; Slg. 2002, I-691 Rn. 44
  506. - INAIL; Urteil vom 16. März 2004 - C-264/01 u.a., Slg. 2004, I-2493 Rn. 54 =
  507. WuW/E EU-R 801 - AOK Bundesverband und andere; Urteil vom 5. März 2009
  508. - C-350/07, Slg. 2009, I-1513 Rn. 68 = WuW/E EU-R 1543 - Kattner Stahlbau
  509. GmbH). Der wirtschaftliche Charakter einer Tätigkeit kann ausgeschlossen
  510. sein, wenn ein obligatorisches System der sozialen Sicherheit als Umsetzung
  511. des Grundsatzes der Solidarität verstanden werden kann und staatlicher Aufsicht unterliegt, wobei ein gewisser Handlungsspielraum, der einem Selbstverwaltungssystem der sozialen Sicherheit gewährt ist, die Natur der ausgeübten
  512. Tätigkeit nicht ändert (EuGH, WuW/E EU-R 1543 Rn. 43, 61 - Kattner Stahlbau
  513. GmbH).
  514. - 24 -
  515. 59
  516. Demgegenüber können freiwillige Zusatzrenten- oder -krankenversicherungen, die durch einen Sozialversicherungsträger, Tarifvertrag oder eine Standesvertretung freier Berufe eingerichtet wurden, als Unternehmen angesehen
  517. werden, soweit sie mit ihrer Tätigkeit in Wettbewerb mit privaten Versicherungsunternehmen stehen (vgl. EuGH, Urteil vom 16. November 1995
  518. - C-244/94, Slg. 1995, I-4022 Rn. 17 ff. = EuZW 1996, 277 - FFSA; Urteil vom
  519. 21. September 1999 - C-67/96, Slg. 1999, I-5751 Rn. 83 f. - Albany; Urteil vom
  520. 21. September 1999 - C-115/97 bis C-117/97, Slg. 1999, I-6029 Rn. 84 f.
  521. - Brentjens; Urteil vom 12. September 2000 - C-180/98 bis C-184/98, Slg. 2000,
  522. I-6451 Rn. 115 ff. - Pavel Pavlov; Slg. 2011, I-973 Rn. 65 - AG2R Prévoyance).
  523. Liegt eine Tätigkeit im Wettbewerb mit Versicherungsgesellschaften vor, sind
  524. weder das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht noch am Solidaritätsgrundsatz orientierte Leistungselemente geeignet, der Versorgungseinrichtung die
  525. Eigenschaft eines Unternehmens im Sinne der Wettbewerbsregeln der Union
  526. zu nehmen (EuGH, Slg. 1999, I-6029 Rn. 85 - Brentjens; Slg. 1999, I-5751
  527. Rn. 85 - Albany; Slg. 2011, I-973 Rn. 65 - AG2R Prévoyance). Übt die Versorgungseinrichtung eine Tätigkeit im Wettbewerb mit privaten Versicherungsunternehmen aus, ist auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union unerheblich, ob sie der Rechtsaufsicht durch den Staat und
  528. Beschränkungen bei ihrer Geschäftstätigkeit unterliegt (EuGH, Slg. 1995,
  529. I-5022 Rn. 11, 17 - FFSA).
  530. 60
  531. (4) Im vorliegenden Fall sind vor allem die Fälle „Brentjens“ und „Albany“
  532. von Interesse. Sie betreffen einen in den Niederlanden von den Tarifparteien
  533. eingerichteten Rentenfonds, der mit der Verwaltung eines Zusatzrentensystems
  534. betraut ist, wobei die Mitgliedschaft in dem Zusatzrentensystem durch den
  535. Staat verbindlich vorgeschrieben ist. Allerdings können Unternehmen von der
  536. Verpflichtung zur Beteiligung an dem Betriebsrentenfonds freigestellt werden,
  537. - 25 -
  538. wenn sie ihre Arbeitnehmer in mindestens gleichwertigem Umfang in einem
  539. anderen Rentensystem versichern. Für die Freistellung kann der Fonds eine
  540. angemessene Entschädigung für Nachteile verlangen, die er infolge des Ausscheidens versicherungstechnisch möglicherweise erleidet. Aufgrund dieser
  541. Umstände ist der Gerichtshof der Europäischen Union zu dem Ergebnis gelangt, der Betriebsrentenfonds übe eine wirtschaftliche Tätigkeit im Wettbewerb
  542. mit Versicherungsunternehmen aus (vgl. EuGH, Slg. 1999, I-5751 - Albany
  543. Rn. 83 f.; Slg. 1999, I-6029 Rn. 83 f. - Brentjens). Diese Auffassung stimmt mit
  544. der Beurteilung nach deutschem Recht überein.
  545. 61
  546. (5) Danach spricht die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang nicht gegen die Eigenschaft der Klägerin als Unternehmen im Sinne des Kartellrechts. Es kommt für
  547. die Bejahung der Unternehmenseigenschaft danach nicht entscheidend darauf
  548. an, ob eine Versicherungseinrichtung ihre Leistungen durch ein Umlageverfahren oder im Wege der Kapitaldeckung finanziert. Vielmehr ist insoweit maßgeblich, ob die von ihr angebotenen Leistungen als Umsetzung des Grundsatzes
  549. der Solidarität zu verstehen sind oder denen entsprechen, die private Versicherungsunternehmen im Wege der Kapitaldeckung anbieten können. Letzteres ist
  550. hier der Fall, weil die Klägerin den Beschäftigten ihrer Beteiligten eine Leistung
  551. zusagt, die sich ergäbe, wenn 4% des Bruttoentgelts vollständig in ein kapitalgedecktes System eingezahlt und am Kapitalmarkt angelegt würden. Die Zusatzversicherung der Klägerin ist also nicht durch typische Leistungsmerkmale
  552. einer Solidargemeinschaft geprägt. Damit ist die für die Bejahung eines Wettbewerbsverhältnisses erforderliche grundsätzliche Austauschbarkeit der Leistungen der Klägerin mit Leistungen privater Versicherungsunternehmen gegeben.
  553. - 26 -
  554. 62
  555. hh) Übt die Klägerin mithin als Anbieterin von Gruppenversicherungsverträgen auch nach der Rechtsprechung der Unionsgerichte eine wirtschaftliche
  556. Tätigkeit aus, bedarf es keiner Entscheidung, ob der autonome Unternehmensbegriff des europäischen Rechts stets auch im deutschen Kartellrecht zugrunde
  557. zu legen ist oder ob für das deutsche Recht entweder generell oder zumindest
  558. im Anwendungsbereich der §§ 19, 20 GWB (vgl. oben Rn. 44) der im deutschen
  559. Recht entwickelte Unternehmensbegriff anzuwenden ist. Diese Frage ist auch
  560. bei uneingeschränkter Anerkennung des Grundsatzes, dass zur Auslegung des
  561. nationalen Kartellrechts die Rechtsprechung der Unionsgerichte und die Entscheidungspraxis der Europäischen Kommission heranzuziehen sind, nicht
  562. zwingend im ersteren Sinne zu beantworten (vgl. dazu Bornkamm in Festschrift
  563. Blaurock, 2013, S. 41, 50 ff.). Die im europäischen Recht maßgebliche materielle, nicht an die Einordnung der Tätigkeit als hoheitlich oder privatrechtlich anknüpfende Beurteilung hat nicht zuletzt darin ihren Grund, dass es andernfalls
  564. die Mitgliedstaaten in der Hand hätten, durch Ausgestaltung des nationalen
  565. Rechts den Anwendungsbereich der Art. 101, 102 AEUV zu bestimmen.
  566. 63
  567. ii) Der IV. Zivilsenat hat auf Anfrage mitgeteilt, dass er an seiner abweichenden Beurteilung der Unternehmenseigenschaft der Klägerin (BGHZ 190,
  568. 314 Rn. 90 ff.) nicht festhält.
  569. 64
  570. c) Die Begründung, mit der das Berufungsgericht einen auf § 33 Abs. 3
  571. Satz 5 GWB in Verbindung mit § 288 BGB gestützten Zinsanspruch der Beklagten abgelehnt hat, hält revisionsrechtlicher Nachprüfung somit nicht stand.
  572. 65
  573. 4. Das Berufungsurteil stellt sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar.
  574. - 27 -
  575. 66
  576. a) Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin als marktbeherrschendes Unternehmen Normadressatin des § 19 Abs. 1 GWB ist. Nach
  577. den Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Klägerin - gemessen an der
  578. Zahl der versicherten Personen und am Umsatz - die größte Zusatzversorgungskasse im Anwendungsbereich der Tarifverträge für den öffentlichen
  579. Dienst. Feststellungen zum relevanten Markt und zum Anteil der Klägerin auf
  580. diesem Markt hat das Berufungsgericht, nach dessen Ansicht es hierauf nicht
  581. ankam, bislang nicht getroffen.
  582. 67
  583. b) Kommt die Klägerin als Normadressatin des § 19 Abs. 1 GWB in Betracht, kann ein Missbrauch ihrer Marktstellung nicht von vornherein ausgeschlossen werden.
  584. 68
  585. Die Verwendung unzulässiger Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch
  586. marktbeherrschende Unternehmen kann grundsätzlich einen Missbrauch im
  587. Sinne von § 19 GWB darstellen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Vereinbarung der unwirksamen Klausel Ausfluss der Marktmacht oder einer großen
  588. Machtüberlegenheit des Verwenders ist. Eine unangemessene Gegenwertforderung nach § 23 Abs. 2 VBLS 2001 könnte als Ausbeutungsmissbrauch in
  589. Form eines Konditionenmissbrauchs anzusehen sein, der unter die Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB fällt. Bei der Prüfung dieses Tatbestands ist die
  590. gesetzliche Wertentscheidung, die der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB zugrunde liegt, zu berücksichtigen (vgl. Möschel in Immenga/Mestmäcker, GWB,
  591. 4. Aufl., § 19 Rn. 174; offengelassen in BGH, Beschluss vom 6. November
  592. 1984 - KVR 13/83, WuW/E BGH 2103, 2107 - Favorit).
  593. 69
  594. Ein Erheblichkeitszuschlag, wie ihn der Senat in Fällen des Preismissbrauchs für erforderlich gehalten hat (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2005
  595. - KVR 17/04, BGHZ 163, 282, 295 - Stadtwerke Mainz), käme dabei nicht in
  596. - 28 -
  597. Betracht, auch wenn eine quantitative Bestimmung des Nachteils im Streitfall
  598. naheliegen mag. Denn die Rechtsfolge der Unwirksamkeit einer Vertragsklausel
  599. setzt nach § 307 BGB bereits eine Benachteiligung von einigem Gewicht voraus
  600. (vgl. MünchKomm.BGB/Wurmnest, 6. Aufl., § 307 Rn. 31; Erman/Roloff, BGB,
  601. 13. Aufl., § 307 Rn. 8; Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 307 Rn. 12; vgl.
  602. ferner oben Rn. 28), so dass schon im Rahmen der Prüfung der Unwirksamkeit
  603. nach § 307 Abs. 1 BGB eine Erheblichkeitsprüfung erfolgt.
  604. 70
  605. c) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass es sich bei
  606. dem Rückzahlungsanspruch der Beklagten nicht um eine Entgeltforderung im
  607. Sinne von § 288 Abs. 2 BGB handelt. Nach § 33 Abs. 3 Satz 5 GWB, § 288
  608. Abs. 1 BGB ist ihr auf Kartellrecht gestützter Zinsanspruch auf fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz ab Entstehung des Schadens begrenzt. Den
  609. darüber hinausgehenden Zinsanspruch hat das Berufungsgericht zu Recht abgewiesen.
  610. 71
  611. aa) Anders als § 81 Abs. 6 Satz 2 GWB, der für die Verzinsung von
  612. Geldbußen allein die entsprechende Anwendung von § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB
  613. anordnet, verweist § 33 Abs. 3 Satz 5 GWB auf die Vorschrift des § 288 BGB
  614. insgesamt. Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, dass
  615. Absatz 2 dieser Vorschrift bei auf Kartellrechtsverstößen gestützten Schadensersatzansprüchen keinen Anwendungsbereich haben soll, weil sie stets auf Delikt und nicht auf Rechtsgeschäft beruhen (vgl. Staebe in Schulte/Just, Kartellrecht, § 33 GWB Rn. 55 aE). Die nach § 33 Abs. 3 Satz 5 GWB gebotene entsprechende Anwendung des vollständigen § 288 BGB setzt daher voraus, dass
  616. in Absatz 2 dieser Vorschrift die Formulierung „bei Rechtsgeschäften, an denen
  617. ein Verbraucher nicht beteiligt ist“ zu lesen ist als „bei Schadensersatzansprü-
  618. - 29 -
  619. chen nach § 33 Abs. 3 Satz 1 GWB, die nicht von Verbrauchern geltend gemacht werden“.
  620. 72
  621. bb) § 288 Abs. 2 BGB gilt aber nur für Entgeltforderungen, während auf
  622. alle anderen Geldforderungen Absatz 1 dieser Vorschrift anzuwenden ist. Diese
  623. Differenzierung ist auch im Rahmen der entsprechenden Anwendung von § 288
  624. Abs. 1 BGB nach § 33 Abs. 3 Satz 5 GWB zu beachten.
  625. 73
  626. Entgeltforderungen sind Forderungen auf Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für eine vom Gläubiger erbrachte oder zu erbringende Leistung
  627. (BGH, Urteil vom 21. April 2010 - XII ZR 10/08, NJW 2010, 1872 Rn. 23;
  628. MünchKomm.BGB/Ernst, 6. Aufl., § 288 Rn. 19 i.V.m. § 286 Rn. 75). Wegen
  629. der einschneidenden Rechtsfolge ist § 288 Abs. 2 BGB eng auszulegen (vgl.
  630. Jauernig/Stadler, BGB, 14. Aufl., § 288 Rn. 7; Erman/J. Hager, BGB, 13. Aufl.,
  631. § 288 Rn.10). So hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die entsprechende Geltung der §§ 291, 288 BGB für öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche zu einer Verzinsung von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 288 Abs. 1 BGB führt, aber keine ausreichende Analogiebasis
  632. besteht, Absatz 2 dieser Vorschrift anzuwenden (BVerwG, Urteil vom 18. März
  633. 2004 - 3 C 23/03, NVwZ 2004, 991, 995).
  634. 74
  635. Für kartellrechtliche Schadenersatzansprüche, die - wie im Streitfall - auf
  636. eine ungerechtfertigte Bereicherung des Schuldners zurückgehen, gilt nichts
  637. anderes. Die auf einem Verstoß gegen § 19 Abs. 1 GWB beruhende entsprechende Anwendung von § 288 Abs. 2 BGB nach § 33 Abs. 3 Satz 5 GWB ist
  638. grundsätzlich auf Fälle beschränkt, in denen sich der Missbrauch auf eine Entgeltforderung des Missbrauchsopfers bezieht. Dafür mögen etwa die systematisch verzögerte Bezahlung fälliger Forderungen oder die missbräuchliche Erzwingung zu niedriger Entgelte, etwa durch hohe Bezugsrabatte oder anderwei-
  639. - 30 -
  640. tige Durchsetzung ungerechtfertigt günstiger Einkaufspreise, in Betracht kommen. Um einen solchen Fall handelt es sich bei der zu Unrecht erhobenen Gegenwertforderung der Klägerin aber nicht.
  641. 75
  642. cc) § 33 Abs. 3 Satz 5 GWB ist eine Rechtsfolgenverweisung. Zinsen
  643. sind nach Satz 4 dieser Norm bereits ab Schadenseintritt zu zahlen. Ein Verzug
  644. des Schuldners ist nicht erforderlich. Damit wird die mit der Neufassung des
  645. § 33 GWB durch die 7. GWB-Novelle bezweckte zusätzliche Abschreckungswirkung (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks. 15/3640, S. 35, 53 f.; Emmerich in Immenga/Mestmäcker aaO § 33
  646. Rn. 67) im Regelfall auch durch die Verzinsung der Schadensersatzforderung
  647. mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz entsprechend § 288 Abs. 1
  648. BGB erreicht.
  649. 76
  650. III. Das Berufungsurteil ist daher auf die Revision der Beklagten aufzuheben, soweit die Widerklage hinsichtlich der Zinsen auch mit dem Teil abgewiesen worden ist, der eine Zinshöhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nicht übersteigt. Dabei sind als Schaden auch die von der Beklagten
  651. für die Berechnung des Gegenwerts gezahlten Gutachterkosten zu berücksichtigen. Die weitergehende Revision der Beklagten ist ebenso wie die Revision
  652. der Klägerin zurückzuweisen.
  653. 77
  654. C. Soweit das Berufungsurteil aufzuheben ist, kann der Senat nicht
  655. selbst in der Sache entscheiden, weil für die Beurteilung eines Anspruchs der
  656. Beklagten aus § 33 Abs. 3, § 19 GWB wesentliche Feststellungen noch nicht
  657. getroffen worden sind. Zur Beurteilung der Normadressateneigenschaft der
  658. Klägerin im Sinne von § 19 Abs. 1 GWB fehlt es an einer Bestimmung des relevanten Markts und der darauf aufbauenden Feststellung des Marktanteils der
  659. Klägerin. Hinsichtlich des Zinsanspruchs ist die Sache daher in dem Umfang
  660. - 31 -
  661. der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen
  662. (§ 563 Abs. 1 ZPO).
  663. 78
  664. Für die weitere Behandlung der Sache gibt der Senat folgende Hinweise:
  665. 79
  666. 1. Sollte das Berufungsgericht nach der neuen Verhandlung einen Verstoß der Klägerin gegen § 19 Abs. 1 GWB annehmen, käme es nicht mehr auf
  667. einen eventuellen Vortrag der Beklagten zu Art. 102 AEUV an. Gemäß Art. 3
  668. Abs. 2 Satz 2 VO 1/2003 und § 22 Abs. 3 GWB hat Art. 102 AEUV keinen Vorrang gegenüber Verboten unternehmerischer Verhaltensweisen, die auf innerstaatlichen Vorschriften zur Unterbindung oder Ahndung einseitiger Handlungen
  669. von Unternehmen beruhen.
  670. 80
  671. 2. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die aus der Unwirksamkeit des § 23 Abs. 2 VBLS folgende Regelungslücke im Wege der ergänzenden
  672. Vertragsauslegung geschlossen werden muss. Es bleibe der Klägerin vorbehalten, die unwirksame Regelung auch rückwirkend durch eine neue Regelung zu
  673. ersetzen, die den beiderseitigen Interessen in angemessener Weise Rechnung
  674. trägt. Das steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs,
  675. wonach aus den Besonderheiten der betrieblichen Zusatzversorgung der hypothetische Parteiwille ermittelt werden kann, der Klägerin eine solche Satzungsänderung zu ermöglichen (BGHZ 195, 93 Rn. 81).
  676. 81
  677. Eine solche ergänzende Vertragsauslegung wäre auch dann nicht ausgeschlossen, wenn das Berufungsgericht ein missbräuchliches Verhalten der
  678. Klägerin im Sinne von § 19 Abs. 1 GWB feststellen sollte. Dabei kann offenbleiben, ob der Ansicht beizutreten ist, dass bei Vertragsklauseln, die unter dem
  679. Aspekt des Ausbeutungsmissbrauchs gegen § 19 Abs. 1 GWB verstoßen und
  680. - 32 -
  681. deshalb nach § 134 BGB nichtig sind, eine geltungserhaltende Reduktion nicht
  682. in Betracht kommt, damit die ihre Marktmacht missbrauchende Partei nicht
  683. dadurch belohnt wird, dass die unzulässige Klausel in gerade noch zulässigem
  684. Umfang aufrechterhalten wird (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 18. Juli 2007
  685. - VI-2 U (Kart) 13/05, juris Rn. 49 [in der nachfolgenden Revisionsentscheidung
  686. - BGH, Urteil vom 20. April 2010 - KZR 52/07, juris - kam es auf diese Frage
  687. nicht an]; Möschel in Immenga/Mestmäcker aaO § 19 Rn. 248). Der Senat hat
  688. aber bereits deutlich gemacht, dass ein möglicherweise bestehendes, grundsätzliches Verbot geltungserhaltender Reduktion bei Verstößen gegen § 19
  689. GWB jedenfalls nicht ausnahmslos gelten kann (vgl. zur Zurückführung einer
  690. zeitlichen Beschränkung auf das zulässige Maß BGH, Urteil vom 10. Februar
  691. 2004 - KZR 39/02, WuW/E DE-R 1305, 1306, mwN; zu markenrechtlichen Abgrenzungsvereinbarungen BGH, Urteil vom 7. Dezember 2010 - KZR 71/08,
  692. WuW/E DE-R 3275 Rn. 53 - Jette Joop).
  693. 82
  694. Im Streitfall geht es bei der ergänzenden Vertragsauslegung nicht um eine Zurückführung des Vertrages auf den rechtlich unbedenklichen Teil; denn
  695. eine ergänzende Auslegung könnte auch zu einer ganz neuen Satzungsregelung führen (BGHZ 195, 93 Rn. 79). Jedenfalls stehen unter den gegebenen
  696. Umständen kartellrechtliche Gründe einer solchen ergänzenden Auslegung
  697. nicht entgegen. Dafür spricht maßgeblich bereits, dass nicht das „Ob“ eines im
  698. Falle des Ausscheidens eines Beteiligten bei der Klägerin zu zahlenden Gegenwerts fraglich ist, sondern allein das „Wie“ seiner Berechnung. Der ersatzlose Wegfall der Gegenwertforderung wäre für die Klägerin zudem eine unzumutbare Härte, weil sie den Arbeitnehmern der früheren Beteiligten weiter zur Leistung verpflichtet bliebe, ohne dass diese Beteiligten dafür eine entsprechende
  699. Gegenleistung erbringen müssten. Dies führte zu einer sachlich nicht gerecht-
  700. - 33 -
  701. fertigten Verschiebung der Lasten ausgeschiedener Beteiligter auf die Arbeitgeber, die ihre Beteiligung an der Klägerin aufrechterhalten.
  702. Bornkamm
  703. Raum
  704. Kirchhoff
  705. Strohn
  706. Bacher
  707. Vorinstanzen:
  708. LG Mannheim, Entscheidung vom 19.06.2009 - 7 O 123/08 (Kart.) OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 14.12.2011 - 6 U 194/10 (Kart.) -