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809 lines
47 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. KZR 31/14
  5. Verkündet am:
  6. 12. April 2016
  7. Bürk
  8. Amtsinspektorin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. Gemeinschaftsprogramme
  19. GWB § 1
  20. Die Abstimmung des Verhaltens unter Wettbewerbern durch den Austausch
  21. von Informationen über ihr künftiges Marktverhalten hat nach der Lebenserfahrung auch ohne weiteres Zutun nachteiligen Einfluss auf den Wettbewerb. Dies
  22. begründet die Vermutung, dass die an der Abstimmung beteiligten Unternehmen die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Bestimmung ihres Marktverhaltens berücksichtigen. Ein in der Folge von der Abstimmung unabhängiges Marktverhalten aufgrund einer selbständig getroffenen
  23. unternehmerischen Entscheidung kann daher nur dann angenommen werden,
  24. wenn greifbare Anhaltspunkte dafür feststellbar sind.
  25. BGH, Urteil vom 12. April 2016 - KZR 31/14 - OLG Düsseldorf
  26. LG Köln
  27. ECLI:DE:BGH:2016:120416UKZR31.14.0
  28. -2-
  29. Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  30. vom 12. April 2016 durch die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg, den
  31. Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck sowie die Richter Prof. Dr. Strohn,
  32. Dr. Bacher und Dr. Deichfuß
  33. für Recht erkannt:
  34. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Kartellsenats
  35. des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. Mai 2014 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt
  36. und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin hinsichtlich des gegen die Beklagten zu 1 und 3 bis 10 gerichteten Klagebegehrens erfolglos geblieben ist.
  37. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
  38. und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
  39. an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  40. Von Rechts wegen
  41. Tatbestand:
  42. 1
  43. Die Klägerin betreibt im Bundesgebiet - mit Ausnahme der Bundesländer
  44. Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen - Breitbandkabelnetze,
  45. über die Rundfunksignale an regionale Netze herangeführt und regional bis zu
  46. den Übergabepunkten der Netzebene 4 verteilt werden. Teilweise betreibt sie
  47. -3-
  48. auch die Netzebene 4 und damit die Hausverkabelung, an die die Zuschauerhaushalte angeschlossen sind. Über ihre Breitbandkabelnetze bietet sie den
  49. Zuschauerhaushalten gegen Entgelt verschiedene Kabelanschlussprodukte an,
  50. ferner stellt sie nachgelagerten Netzbetreibern entgeltlich die Programmsignale
  51. für die Endkundenversorgung zur Verfügung.
  52. 2
  53. Die Beklagte zu 1 und die Beklagten zu 3 bis 10 (nachfolgend: die Rundfunkanstalten) sind öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, die sich gemeinsam
  54. mit der Deutschen Welle zu der Beklagten zu 2, der Arbeitsgemeinschaft der
  55. Rundfunkanstalten Deutschlands (ARD), zusammengeschlossen haben. Die
  56. Rundfunkanstalten unterhalten eigene Programme (Dritte Fernsehprogramme).
  57. Darüber hinaus veranstalten sie gemeinsam die Fernsehprogramme "Das Erste", "tagesschau24", "Einsfestival" und "Einsplus" (im Folgenden: Gemeinschaftsprogramme).
  58. 3
  59. Die Klägerin speist gegenwärtig die Signale von insgesamt 199 TV-Programmen aus Deutschland und dem Ausland in ihre Kabelnetze ein, darunter
  60. die Gemeinschaftsprogramme sowie die Dritten Fernsehprogramme.
  61. 4
  62. Etwa die Hälfte der Zuschauerhaushalte in Deutschland wird über Kabelanschlüsse mit Rundfunkprogrammen versorgt. Daneben werden die Programme den Zuschauern über Satellit und terrestrische Sendenetze (DVB-T), ferner
  63. über kleinere Kabelnetzbetreiber und das Internet zur Verfügung gestellt.
  64. 5
  65. Die beklagten Rundfunkanstalten, das Zweite Deutsche Fernsehen,
  66. Deutschlandradio und ARTE G.E.I.E./ARTE Deutschland TV GmbH zahlten der
  67. Klägerin bis Ende 2012 auf der Grundlage eines mit der Klägerin am
  68. 27. Februar 2008 geschlossenen Vertrags "über die Einspeisung und Verbreitung von öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogrammen und -angeboten in Breitbandkabelnetze" (im Folgenden: Einspeisevertrag) ein jährliches Entgelt in Hö-
  69. -4-
  70. he von 27 Mio. Euro für die - im Vertrag vereinbarte - digitale und analoge Einspeisung in die Kabelnetze der Klägerin. Davon entfiel ein Teilbetrag von
  71. 20,435 Mio. Euro auf die beklagten Rundfunkanstalten. Nach Schätzung der
  72. Klägerin machen die Gemeinschaftsprogramme 15% hiervon aus. Gemäß § 8
  73. des Vertrags blieb der Klägerin vorbehalten, von ihren Kunden und nachgelagerten Netzbetreibern Entgelte für ihre Leistungen, insbesondere die Signallieferung, zu verlangen. In Nummer 6 der Präambel hielten die Vertragsparteien
  74. ihre unterschiedlichen Auffassungen darüber fest, ob die Klägerin ihre digitalen
  75. Verbreitungsleistungen auch künftig nicht nur durch Zahlungen der Endnutzer,
  76. sondern auch durch Einspeiseentgelte der Rundfunkveranstalter finanzieren
  77. könne.
  78. 6
  79. Seit dem 30. April 2012 strahlen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihre Fernsehprogramme nur noch digital aus. Mit Schreiben vom 18. und
  80. 19. Juni erklärten die beklagten Rundfunkanstalten ebenso wie die anderen am
  81. Einspeisevertrag beteiligten Rundfunkveranstalter dessen Kündigung zum Ende
  82. des Jahres 2012. Die Klägerin speist die Rundfunksignale, die die Rundfunkanstalten nach wie vor zur Verfügung stellen, im Wesentlichen weiterhin in ihre
  83. Netze ein. Die Beklagten leisten dafür kein Entgelt mehr.
  84. 7
  85. Die Klägerin hält die Kündigungen für unwirksam. Sie begehrt in erster
  86. Linie die Feststellung, dass der Einspeisevertrag im Hinblick auf die Gemeinschaftsprogramme für die Verbreitung in ihren Kabelnetzgebieten fortbestehe
  87. (Klageantrag zu 1a). Mit gestaffelten Hilfsanträgen begehrt sie die Verurteilung
  88. der Beklagten zur Annahme von ihnen vorgelegter Angebote zum Abschluss
  89. neuer Einspeiseverträge (Klageantrag zu 1b), die Verurteilung der Beklagten
  90. zum Abschluss eines Einspeisevertrags zu angemessenen und marktüblichen
  91. Bedingungen (Klageantrag zu 1c) sowie die Feststellung, dass die Beklagten
  92. zum Ersatz sämtlicher Schäden verpflichtet sind, die der Klägerin aus der mit
  93. -5-
  94. den anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten abgestimmten Kündigung
  95. des Einspeisevertrags und der Verweigerung des Abschlusses des von ihr angebotenen neuen Vertrags für den Zeitraum ab 1. Januar 2013 entstanden sind
  96. und noch entstehen werden (Klageantrag zu 1d). Weiter hilfsweise erstrebt sie
  97. die Feststellung, dass die Beklagten zum Ersatz der seit dem 1. Januar 2013 im
  98. Hinblick auf die Einspeisung der Gemeinschaftsprogramme entstandenen und
  99. noch entstehenden Aufwendungen bzw. zum Ausgleich der entstandenen und
  100. noch entstehenden Bereicherung verpflichtet sind.
  101. 8
  102. Das Landgericht (LG Köln, ZUM 2013, 502) hat die Klage abgewiesen.
  103. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen (OLG Düsseldorf,
  104. WuW/E DE-R 4342 = NZKart 2014, 285). Mit ihrer vom Senat zugelassenen
  105. Revision verfolgt die Klägerin ihre zuletzt gestellten Anträge weiter.
  106. Entscheidungsgründe:
  107. 9
  108. Die zulässige Revision bleibt hinsichtlich der Beklagten zu 2 erfolglos. Im
  109. Übrigen führt sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  110. 10
  111. A.
  112. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen
  113. wie folgt begründet:
  114. 11
  115. Mit dem Hauptantrag bleibe die Klage erfolglos. Ob die Beklagte zu 2
  116. parteifähig sei, sei mindestens zweifelhaft, könne jedoch offen bleiben. Die Klage auf Feststellung des Fortbestands des Einspeisevertrags könne gegen sie
  117. jedenfalls deshalb keinen Erfolg haben, weil die Beklagte zu 2 nicht Partei des
  118. Einspeisevertrags sei. Hinsichtlich der Rundfunkanstalten sei die Klage nach
  119. -6-
  120. dem Hauptantrag ebenfalls unbegründet. Diese treffe keine Pflicht, die Einspeisung der von ihnen bereitgestellten Programmsignale in das Netz der Klägerin
  121. als technische Dienstleistung nachzufragen oder mit einem Entgelt zu vergüten.
  122. 12
  123. Aus den Regelungen des Rundfunkrechts sei eine solche Verpflichtung
  124. nicht abzuleiten. Die Rundfunkanstalten seien zwar im Hinblick auf die Funktion
  125. und die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehalten, auch diejenigen Fernsehzuschauer zu versorgen, die Rundfunkprogramme über das Kabelnetz empfangen. Dies müsse jedoch nicht durch einen Vertrag mit den Betreibern der Kabelnetze geregelt werden, vielmehr hätten die Rundfunkanstalten
  126. auch die Möglichkeit, den Kabelnetzbetreibern ohne vertraglich ausgehandelte
  127. Einspeiseverpflichtung das Programmsignal so zur Verfügung zu stellen, dass
  128. ihre Programmangebote auch den Kabelnetzkunden zugänglich seien, da die
  129. Kabelnetzbetreiber ohne die Durchleitung von Programmsignalen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kein wettbewerbsfähiges Produkt anbieten könnten
  130. und ihnen zugleich nach § 52b RStV die gesetzliche Pflicht auferlegt sei, ihre
  131. Kapazitäten vorrangig dem Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zur Verfügung zu stellen. Vor diesem Hintergrund und unter Beachtung
  132. des sich aus § 19 RStV ergebenden Gebots zur Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sei es nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Rundfunkanstalten ihren
  133. Verbreitungsauftrag ohne den Einkauf von Einspeiseleistungen erfüllten.
  134. 13
  135. Auch kartellrechtlich seien die Rundfunkanstalten nicht gehalten, Einspeisedienstleistungen nachzufragen. Sie seien nicht Normadressaten im Sinne
  136. von § 20 Abs. 1 oder 2 GWB. Eine marktbeherrschende oder marktstarke Stellung der Beklagten auf dem Markt für Signaleinspeisedienstleistungen sei nicht
  137. festzustellen. Als Nachfrager auf dem relevanten Markt kämen die Sender in
  138. Betracht, die derzeit über das Netz der Klägerin verbreitet würden, aber auch
  139. alle Sender, deren Signal bei freien Kapazitäten in das Netz der Klägerin einge-
  140. -7-
  141. speist werden könnten. Eine Marktbeherrschung oder Marktstärke bestehe weder im Hinblick auf den Anteil der beklagten Rundfunkanstalten an der Zahl der
  142. insgesamt eingespeisten Sender noch nach dem Verhältnis der von ihnen erstellten zur Gesamtheit der eingespeisten Programmsignale. Demgegenüber
  143. sei es unerheblich, dass die Klägerin nach den Bestimmungen des Rundfunkrechts bestimmte Kapazitäten vorrangig den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten anzubieten habe. Gerade weil diese Kapazitäten von den öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten auch ohne ihre Teilnahme am Nachfragemarkt
  144. erlangt werden könnten, könne die rundfunkrechtliche Einspeiseverpflichtung
  145. der Kabelnetzbetreiber nicht zur Begründung einer marktbeherrschenden oder
  146. marktstarken Stellung der öffentlich-rechtlichen Anstalten auf dem Nachfragemarkt herangezogen werden. Seien die Rundfunkanstalten danach in der Entscheidung frei gewesen, ob sie die Signaleinspeisung bei den Kabelnetzbetreibern nachfragen und vergüten, könne ihr Vorgehen, entsprechend ihrer bereits
  147. in der Präambel des Einspeisevertrags bekanntgegebenen Rechtsauffassung
  148. die Vergütung der Einspeisung zu beenden, nicht als missbräuchlich angesehen werden.
  149. 14
  150. Die Kündigungen des Einspeisevertrags seien auch nicht wegen Verstoßes gegen § 1 GWB nichtig. Den Rundfunkanstalten falle im Zusammenhang
  151. mit der Willensbildung zur Kündigung des Einspeisevertrags kein Kartellrechtsverstoß zur Last. Ein Verstoß der Rundfunkanstalten gegen § 1 GWB scheide
  152. von vornherein aus, soweit es um die Koordination über die Beendigung der
  153. Gemeinschaftsprogramme gehe, denn insoweit treffe die beklagten Anstalten
  154. auch die gemeinsame Verbreitungslast. Aber auch die Absprache der beklagten
  155. Rundfunkanstalten mit dem ZDF sei nicht verbotswidrig. Allerdings könne ein
  156. Nachfragewettbewerb nicht verneint werden, weil den öffentlich-rechtlichen
  157. Rundfunkanstalten unbeschadet des gesetzlichen Kabelbelegungsregimes der
  158. Einkauf von Einspeisedienstleistungen nicht verboten gewesen sei. Jedoch
  159. -8-
  160. könne eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung zwischen den beklagten
  161. Rundfunkanstalten und dem ZDF über die Kündigung des Einspeisevertrags
  162. nicht festgestellt werden. In der Besprechung vom 22. März 2011 hätten diese
  163. zwar ihr Einvernehmen über die Beendigung des Einspeisevertrags und eine
  164. künftige Nachfrage von Einspeisedienstleistungen festgestellt, doch lasse sich
  165. daraus nicht auf den Willen schließen, wechselseitig Verpflichtungen einzugehen. Auch ein abgestimmtes Verhalten liege nicht vor. Bei der genannten Besprechung hätten die Beteiligten sich gegenseitig darüber unterrichtet, wie sie
  166. künftig vorzugehen beabsichtigten. Es könne jedoch nicht festgestellt werden,
  167. dass mit diesem Informationsaustausch bestehende wettbewerbliche Risiken
  168. beseitigt worden seien. Soweit es um Programme gehe, zu deren Einspeisung
  169. die Klägerin gesetzlich verpflichtet sei, sei die Kündigung von vornherein nicht
  170. mit einem wettbewerblichen Risiko verbunden gewesen. Soweit die Klägerin
  171. nach dem 31. Dezember 2012 die weitere Verbreitung einiger regionaler Varianten der Programme eingeschränkt und bestimmte Zusatzleistungen nicht
  172. mehr erbracht habe, sei dies für die Rundfunkanstalten ohne maßgebliches
  173. Gewicht, was sich daraus ergebe, dass sie diese Leistungen weder nachgefragt
  174. noch mit der Klägerin hierüber in Verhandlungen eingetreten seien. Zudem fehle es an einem durch den gegenseitigen Informationsaustausch verursachten
  175. Marktverhalten. Bei verständiger Würdigung der Umstände seien die im Juni
  176. 2012 ausgesprochenen Kündigungen das Ergebnis einer jeweils autonomen
  177. Entscheidung der Rundfunkanstalten. Nachdem das Bundeskartellamt die
  178. Rundfunkanstalten Anfang 2012 auf kartellrechtliche Bedenken hingewiesen
  179. habe, sei anzunehmen, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten diesen die gebührende Beachtung geschenkt und fortan die Frage, ob eine Kündigung erfolgen und die Nachfrage nach weiteren Einspeiseleistungen erfolgen
  180. solle, autonom geprüft und entschieden hätten. Ohne Aussagekraft sei in diesem Zusammenhang der Umstand, dass die Rundfunkanstalten ihren im März
  181. -9-
  182. 2011 geäußerten Standpunkt beibehalten und den Einspeisevertrag im Juni
  183. 2012 so wie seinerzeit in Aussicht gestellt gekündigt hätten, denn diese Kündigung sei die einzig in Betracht kommende Handlungsalternative gewesen. Bei
  184. Beachtung des Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitsgebots nach § 19 Satz 2
  185. RStV wäre es ein eklatanter Rechtsverstoß gewesen, wenn die Rundfunkanstalten von einer Kündigung des Einspeisevertrags abgesehen und bei der Klägerin weiterhin die Einspeisung ihrer Programmsignale eingekauft hätten. Dem
  186. weiteren Vorbringen der Klägerin hierzu sei nicht nachzugehen, auch bleibe ihr
  187. Begehren nach einer gerichtlichen Anordnung, durch die die Beklagten zur Vorlage näher bezeichneter Urkunden verpflichtet würden, erfolglos.
  188. 15
  189. Mit den Hilfsanträgen könne die Klägerin gleichfalls nicht durchdringen.
  190. Die Rundfunkanstalten seien weder zum Abschluss des von der Klägerin angebotenen Vertrags noch überhaupt zum Abschluss eines entgeltlichen Einspeisevertrags verpflichtet. Nachdem die Kündigungen wirksam seien, bestehe
  191. auch keine Schadensersatzpflicht der Beklagten. Ein Anspruch auf Aufwendungsersatz oder Bereicherungsausgleich bestehe nicht, weil die Klägerin bei
  192. der Einspeisung der Gemeinschaftsprogramme ausschließlich in Erfüllung ihrer
  193. rundfunkrechtlichen Pflichten und im eigenen wirtschaftlichen Interesse handle.
  194. 16
  195. B.
  196. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nur zum Teil
  197. stand. Die Revision der Klägerin bleibt hinsichtlich der Beklagten zu 2 erfolglos.
  198. Hinsichtlich der Beklagten zu 1 und 3 bis 10 führt die Revision dagegen zur
  199. Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
  200. 17
  201. I.
  202. Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg, soweit sie sich dage-
  203. gen wendet, dass das Berufungsgericht die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete
  204. Klage abgewiesen hat. Die Klage ist insoweit allerdings bereits unzulässig, weil
  205. die Beklagte zu 2 nicht parteifähig ist.
  206. - 10 -
  207. 18
  208. 1.
  209. Die Parteifähigkeit, also die Fähigkeit, in einem Rechtsstreit kla-
  210. gen oder verklagt werden zu können, zählt zu den Prozessvoraussetzungen,
  211. deren Mangel das Gericht gemäß § 56 Abs. 1 ZPO grundsätzlich in jeder Verfahrenslage, auch noch im Revisionsrechtszug, von Amts wegen zu berücksichtigen hat. Fehlt die Parteifähigkeit zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, ist die Klage wegen Fehlens einer Sachurteilsvoraussetzung als unzulässig abzuweisen.
  212. 19
  213. 2.
  214. So verhält es sich hier. Bei der Beklagten zu 2 handelt es sich, je-
  215. denfalls soweit sie den Rundfunkanstalten zugewiesene öffentlich-rechtliche
  216. Aufgaben erfüllt, nicht um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, sondern um
  217. eine öffentlich-rechtliche Gemeinschaftsform ohne eigene Rechtspersönlichkeit.
  218. Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage, ob die Beklagten für die Einspeisung und Verbreitung der Gemeinschaftsprogramme an die Klägerin eine Vergütung zu leisten haben. Die Herstellung und Verbreitung der Gemeinschaftsprogramme ist den in der Beklagten zu 2 zusammengeschlossenen öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten gemäß §§ 11, 11b Abs. 1 RStV als öffentlichrechtliche Aufgabe zugewiesen (BGH, Urteil vom 30. April 2015 - I ZR 13/14,
  219. BGHZ 205, 195 Rn. 18 ff. mwN - Tagesschau-App; BVerwG, NVwZ 2015, 991
  220. Rn. 15; s. auch BVerfG, NVwZ 2014, 867 Rn. 44). Die Beklagte zu 2 handelt
  221. mithin insoweit als öffentlich-rechtliche Gemeinschaftsform ohne eigene
  222. Rechtspersönlichkeit. Sie ist nicht rechtsfähig und damit auch nicht parteifähig.
  223. 20
  224. II.
  225. Soweit die Berufung der Klägerin hinsichtlich des gegen die Be-
  226. klagten zu 1 und 3 bis 10 gerichteten Klagebegehrens erfolglos geblieben ist,
  227. hält das Berufungsurteil der rechtlichen Überprüfung in einem entscheidungserheblichen Punkt nicht stand. Die Versagung der von der Klägerin mit dem
  228. Hauptantrag begehrten Feststellung, dass der Einspeisevertrag zwischen den
  229. Parteien hinsichtlich der Gemeinschaftsprogramme auch nach Ablauf des
  230. - 11 -
  231. 31. Dezember 2012 fortbestehe, hat mit der vom Berufungsgericht gegebenen
  232. Begründung keinen Bestand. Die Klägerin hat zwar keinen Anspruch auf Fortsetzung des Einspeisevertrags oder den Neuabschluss eines solchen Vertrags
  233. zu unveränderten Bedingungen. Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen jedoch nicht seine Beurteilung, § 1 GWB stehe der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen.
  234. 21
  235. 1.
  236. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die be-
  237. klagten Rundfunkanstalten grundsätzlich berechtigt waren, das Vertragsverhältnis mit der Klägerin zu kündigen. Eine gesetzliche Verpflichtung der Beklagten zur Fortsetzung des Vertrages zu unveränderten Bedingungen bestand
  238. nicht.
  239. 22
  240. a)
  241. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beendet eine
  242. an sich zulässige Kündigung den Vertrag nicht, wenn der Kündigende dem Vertragspartner gegenüber verpflichtet ist, einen Vertrag gleichen Inhalts neu abzuschließen, der sich an den gekündigten Vertrag unmittelbar anschließen würde (BGH, Urteil vom 30. September 1981 - IVa ZR 187/80, VersR 1982, 259
  243. unter I 2 der Gründe; Urteil vom 7. März 1989 - KZR 15/87, BGHZ 107, 273,
  244. 279 - Lotterie-Bezirksstelle). Die Kündigung wäre in einem solchen Fall mit Treu
  245. und Glauben (§ 242 BGB) nicht zu vereinbaren.
  246. 23
  247. Die Klägerin stützt die von ihr geltend gemachte Unwirksamkeit der Kündigung in erster Linie darauf, dass die Beklagten die Pflicht zur Zahlung eines
  248. Entgelts für die Übertragung der Gemeinschaftsprogramme generell in Abrede
  249. stellen. Ihrem Vorbringen ist jedoch hinreichend deutlich zu entnehmen, dass
  250. sie der Auffassung ist, die Beklagten müssten den Einspeisevertrag zu den bisherigen Bedingungen fortführen. Nicht entscheidend für die rechtliche Beurteilung des Hauptantrags ist danach die Frage, ob die Klägerin zur unentgeltlichen
  251. Übertragung der Gemeinschaftsprogramme verpflichtet ist. Maßgeblich ist viel-
  252. - 12 -
  253. mehr, ob die Beklagten die Pflicht trifft, mit der Klägerin einen Vertrag zu
  254. schließen, nach welchem sie ihr weiterhin ein Entgelt für die Übertragung der
  255. Programmsignale in der bisherigen Höhe und zu den bisherigen Konditionen zu
  256. zahlen haben. Dies hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend verneint.
  257. 24
  258. b)
  259. Wie der Senat bereits entschieden und näher begründet hat, lässt
  260. sich eine solche Kontrahierungspflicht den Regelungen des Rundfunkrechts
  261. nicht entnehmen (BGH, Urteil vom 16. Juni 2015 - KZR 83/13, BGHZ 205, 355
  262. Rn. 18 ff. - Einspeiseentgelt).
  263. 25
  264. aa)
  265. Die Klägerin ist als privatrechtlich tätige Betreiberin eines digitalen
  266. Kabelnetzes, über das auch Fernseh- und Hörfunkprogramme verbreitet werden, Betreiberin einer Plattform im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 13 RStV. Nach
  267. § 52b Abs. 1 Nr. 1 RStV hat sie daher im Umfang von höchstens einem Drittel
  268. der für die digitale Verbreitung von Rundfunk zur Verfügung stehenden Gesamtkapazität sicherzustellen, dass die erforderlichen Kapazitäten für die bundesweite Verbreitung der gesetzlich bestimmten beitragsfinanzierten Programme zur Verfügung stehen. Hierzu rechnen auch die Gemeinschaftsprogramme
  269. der beklagten Rundfunkanstalten. § 52b RStV verpflichtet die Klägerin, diese
  270. Programme einzuspeisen und zu übertragen (s. auch BVerwG, NVwZ 2015,
  271. 991 Rn. 13). Den Regelungen in §§ 52b, 52d Satz 1 RStV lässt sich keine Aussage darüber entnehmen, ob der Betreiber einer Plattform, der seiner gesetzlichen Pflicht zur Verbreitung dieser Programme nachkommt, hierfür ein Entgelt
  272. verlangen kann, erst recht nicht über dessen Höhe. Zu einer Regelung dieser
  273. Frage hat sich der Gesetzgeber in Kenntnis der unterschiedlichen Auffassungen, die hierzu spätestens seit 2008 vertreten wurden, auch bei den zeitlich
  274. nachfolgenden Änderungen des Rundfunkstaatsvertrags, insbesondere bei der
  275. letzten Veränderung von § 52b RStV durch Art. 3 Nr. 8 des 15. Rundfunkände-
  276. - 13 -
  277. rungsstaatsvertrags vom 15. Dezember 2010, die zum 1. Januar 2013 in Kraft
  278. getreten ist, nicht veranlasst gesehen.
  279. 26
  280. bb)
  281. Ein anderes Verständnis dieser rundfunkrechtlichen Normen ist,
  282. wie der Senat bereits ausgeführt hat (BGHZ 205, 355 Rn. 24 ff. - Einspeiseentgelt), weder durch das Unionsrecht noch verfassungsrechtlich geboten. Es ist
  283. nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin unzumutbar belastet würde, wenn sie
  284. die gesetzliche Pflicht zur Übertragung der Gemeinschaftsprogramme der Beklagten erfüllen müsste, ohne dafür von diesen das bisher gezahlte Entgelt verlangen zu können.
  285. 27
  286. Die Programme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten werden der
  287. Klägerin leitungsgebunden oder per Satellit zur Verfügung gestellt. Sie führt
  288. diese an die regionalen Netze heran (Netzebene 2) und verteilt sie dann über
  289. Breitbandkabelnetze regional (Netzebene 3). Dort werden die Signale in nachgelagerte Netze (Netzebene 4) eingespeist, an die die Haushalte als Endkunden angeschlossen sind. Die Klägerin beschränkt sich jedoch - anders als die
  290. Betreiber von Satelliten und terrestrischen Sendeanlagen - nicht auf die bloße
  291. Übertragung des Programmsignals, sondern bietet den Endkunden und der
  292. Wohnungswirtschaft verschiedene Kabelanschlussprodukte gegen Entgelt an.
  293. Für die Attraktivität ihres Angebots ist maßgeblich, welche Fernseh- und Hörfunkprogramme sie dem Endkunden über den Kabelanschluss zur Verfügung
  294. stellt. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass ein Kabelnetzbetreiber auf
  295. den Netzebenen 3 und 4 ohne die Durchleitung von Programmsignalen des
  296. öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht wettbewerbsfähig ist. Die Überlassung
  297. der Programmsignale ist für die Klägerin mithin von erheblichem wirtschaftlichem Wert, weil die Attraktivität ihres Angebots gegenüber den Endkunden und
  298. deren Bereitschaft, hierfür ein Entgelt zu zahlen, davon beeinflusst wird, ob sie
  299. die Programme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten empfangen kön-
  300. - 14 -
  301. nen. Diese stellen der Klägerin die Programmsignale unentgeltlich zur Verfügung. Bei wirtschaftlicher Betrachtung stehen also der Leistung der Klägerin,
  302. die in der Verbreitung der Programmsignale an die an das Kabelnetz angeschlossenen Zuschauerhaushalte besteht, Leistungen der Beklagten gegenüber, die der Klägerin diese Programmsignale kostenlos überlassen und ihr
  303. damit die Möglichkeit zu deren kommerzieller Verwertung eröffnen. Angesichts
  304. dessen ist nichts dafür ersichtlich, dass der Klägerin die Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflicht zur Übertragung der Gemeinschaftsprogramme nur dann zuzumuten sein sollte, wenn ein Einspeisevertrag geschlossen wird, der vorsieht, dass
  305. ihr weiterhin das bislang vereinbarte Entgelt gezahlt wird. Die Revision zeigt
  306. insoweit keine Gesichtspunkte auf, die eine andere Beurteilung rechtfertigen
  307. könnten.
  308. 28
  309. c)
  310. Eine Pflicht der Beklagten zum Wiederabschluss des bisherigen
  311. Einspeisevertrags mit der Klägerin ergibt sich auch nicht aus kartellrechtlichen
  312. Bestimmungen.
  313. 29
  314. aa)
  315. Die Beklagten zu 1 und 3 bis 10 sind als Unternehmen im Sinne
  316. des Kartellrechts anzusehen (BGHZ 205, 355 Rn. 35 ff. - Einspeiseentgelt).
  317. 30
  318. bb)
  319. Der Anwendung der Bestimmungen des Kartellrechts steht nicht
  320. entgegen, dass sich die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dazu entschlossen haben, den Einspeisevertrag nicht fortzuführen. Dies führt nicht dazu,
  321. dass es an einem Marktgeschehen fehlt.
  322. 31
  323. Eine Überprüfung dieses Verhaltens nach den Regeln des Kartellrechts
  324. schiede aus, wenn den Beklagten die Fortführung des Einspeisevertrags oder
  325. der Abschluss eines neuen, gleichartigen Vertrags rechtlich untersagt wäre.
  326. Dies kann jedoch - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht angenommen werden.
  327. - 15 -
  328. 32
  329. Im Rahmen seiner Ausführungen dazu, ob das Verhalten der Beklagten
  330. gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen verstößt, hat
  331. das Berufungsgericht zwar zunächst ausgeführt, den beklagten Rundfunkanstalten sei unbeschadet des gesetzlichen Kabelbelegungsregimes der Einkauf
  332. von Einspeisedienstleistungen nicht verboten gewesen. Dagegen heißt es in
  333. den Entscheidungsgründen etwas später, im Hinblick auf das in § 19 Satz 2
  334. RStV normierte Gebot zur Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und
  335. Sparsamkeit wäre es ein "eklatanter Rechtsverstoß" gewesen, wenn die beklagten Rundfunkanstalten und das ZDF von einer Kündigung des Einspeisevertrags abgesehen hätten und bei der Klägerin weiterhin die Einspeisung ihrer
  336. Programmsignale einkauften.
  337. 33
  338. Letzteres trifft nicht zu. Nach § 19 RStV können die öffentlich-rechtlichen
  339. Rundfunkanstalten ihrem gesetzlichen Auftrag durch die Nutzung geeigneter
  340. Übertragungswege nachkommen. Ihre verfassungsrechtlich gewährleistete Autonomie erstreckt sich auch auf die Wahl der Verbreitungswege und -modalitäten für die von ihnen erstellten Programme (BVerfGE 87, 181, 203; BVerwGE 107, 275, 287 f.). Bei dieser Wahl haben die Rundfunkanstalten zwar nach
  341. § 19 Satz 2 RStV die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass die Rundfunkanstalten bei der Auswahl der Verbreitungswege allein die hierfür anfallenden Kosten
  342. in den Blick zu nehmen haben. Sie dürfen und müssen vielmehr auch weitere
  343. Kriterien, insbesondere die technischen Möglichkeiten und das tatsächliche Rezeptionsverhalten der Zuschauer sowie deren Bereitschaft und Möglichkeit zum
  344. Wechsel des Übertragungswegs, aber auch die insbesondere für die Einkünfte
  345. aus Werbung bedeutsame Reichweite, die sie jeweils erzielen können, in ihre
  346. Überlegungen einbeziehen. Unter diesen Umständen lässt sich aus dem Bestehen einer gesetzlichen Übertragungspflicht der Kabelnetzbetreiber nicht der
  347. Schluss ziehen, dass es den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verwehrt
  348. - 16 -
  349. wäre, einen entgeltlichen Einspeisevertrag abzuschließen (BGHZ 205, 355 Rn.
  350. 40 - Einspeiseentgelt).
  351. 34
  352. cc)
  353. Die Revision rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht eine
  354. marktbeherrschende Stellung der Beklagten verneint hat.
  355. 35
  356. (1)
  357. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht als sach-
  358. lich relevanten Markt denjenigen für die Nachfrage nach der Übertragung von
  359. Programmsignalen über Breitbandkabel angesehen. Die Übertragung von Programmsignalen via Satellit oder über terrestrische Sendeanlagen hat außer Betracht zu bleiben, weil die Klägerin sie nicht anbietet. Räumlich ist der Markt
  360. zumindest bundesweit abzugrenzen.
  361. 36
  362. (2)
  363. Anders als das Berufungsgericht meint haben die Beklagten auf
  364. diesem Markt jedoch eine beherrschende Stellung. Diese ergibt sich aus den
  365. rundfunkrechtlichen Regelungen, die die Klägerin gesetzlich verpflichten, einen
  366. Teil der Kapazität ihres Kabelnetzes ausschließlich für die Übertragung der gebührenfinanzierten Programme - auch die Gemeinschaftsprogramme der Beklagten - freizuhalten. Durch diese gesetzliche Regelung ist die Klägerin daran
  367. gehindert, die für die Beklagten und die weiteren öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten reservierten Kapazitäten an andere Programmanbieter zu vergeben. Die Beklagten müssen sich deshalb bei der Nachfrage nach Übertragungsleistungen hinsichtlich dieses Teils der Kapazitäten nicht dem Wettbewerb solcher Unternehmen stellen, deren Programme nicht unter die gesetzliche Übertragungspflicht fallen. Hinzu kommt, dass die Beklagten insoweit auch keinem
  368. Wettbewerb der anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ausgesetzt
  369. sind, weil die nach § 52b RStV vorzuhaltenden Kapazitäten ausreichen, um
  370. sämtliche gebührenfinanzierten Programme zu übertragen (BGHZ 205, 355
  371. Rn. 46 - Einspeiseentgelt).
  372. - 17 -
  373. 37
  374. dd)
  375. Die Weigerung der Beklagten, mit der Klägerin einen Vertrag zu
  376. gegenüber dem bisherigen Einspeisevertrag unveränderten Konditionen abzuschließen, stellt jedoch keinen Missbrauch dieser marktbeherrschenden Stellung im Sinne von § 19 GWB dar.
  377. 38
  378. (1)
  379. Nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 GWB liegt ein Missbrauch insbeson-
  380. dere dann vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder
  381. Nachfrager ein anderes Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund
  382. unmittelbar oder mittelbar anders behandelt als gleichartige Unternehmen. Die
  383. Beklagten behandeln die Klägerin nicht anders als andere Kabelnetzbetreiber.
  384. Sie zahlen auch anderen Betreibern solcher Netze kein Entgelt für die Übertragung von Programmsignalen.
  385. 39
  386. (2)
  387. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, ein missbräuchliches
  388. Verhalten der Beklagten im Sinne von § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB ergebe sich daraus, dass sie der Klägerin die Zahlung eines Entgelts für die Übertragungsleistung verweigere, während private Fernsehsender weiterhin ein Entgelt zahlten.
  389. 40
  390. Das Regelbeispiel nach § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB knüpft daran an, dass die
  391. Konditionen auf dem betroffenen Markt von denjenigen abweichen, die sich bei
  392. wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden. Ein solcher Schluss wird insbesondere dann naheliegen, wenn sich auf vergleichbaren
  393. Märkten mit wirksamem Wettbewerb andere Konditionen herausbilden. Die Behauptung der Klägerin, private Sender zahlten ihr ein angemessenes Entgelt, ist
  394. unzureichend, insbesondere lassen sich ihrem Vortrag keine näheren Angaben
  395. dazu entnehmen, wofür und in welcher Höhe ein Entgelt gezahlt wird. Damit
  396. fehlt es an einer hinreichenden Grundlage für einen Vergleich mit den Verhältnissen zwischen der Klägerin und den Beklagten, der die Schlussfolgerung tragen könnte, die Beklagten müssten weiterhin das bisherige Entgelt entrichten.
  397. - 18 -
  398. 41
  399. (3)
  400. Die Weigerung der Beklagten, den Einspeisevertrag zu den bishe-
  401. rigen Konditionen fortzusetzen, ist auch nicht mit Blick darauf als missbräuchlich anzusehen, dass sie sich in der Vergangenheit mit diesen Konditionen einverstanden erklärt haben. Zwar ist es nach dem zeitlichen Vergleichsmarktkonzept nicht ausgeschlossen, zur Feststellung eines Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung auch Preise heranzuziehen, die sich früher auf demselben Markt bei wirksamem Wettbewerb gebildet haben. Dabei ist jedoch darauf
  402. Bedacht zu nehmen, dass das Marktgeschehen naturgemäß dynamisch verläuft, und grundsätzlich auch ein marktbeherrschendes Unternehmen nicht daran gehindert werden darf, sich um die Durchsetzung anderer, günstigerer Konditionen zu bemühen. Eine Änderung der Konditionen kann daher grundsätzlich
  403. nur bei Vorliegen weiterer Umstände auf ein missbräuchliches Verhalten hinweisen. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich nicht, dass jede ihr nachteilige Abweichung von den bisherigen Konditionen als Verhalten anzusehen
  404. wäre, das gegen § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB verstieße.
  405. 42
  406. 2.
  407. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Kündigung sei nicht
  408. wegen Verstoßes gegen § 1 GWB unwirksam, hält dagegen der rechtlichen
  409. Überprüfung nicht stand.
  410. 43
  411. a)
  412. Nach § 1 GWB sind aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen
  413. von Unternehmen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung
  414. des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, verboten.
  415. 44
  416. aa)
  417. Bei der abgestimmten Verhaltensweise handelt es sich um eine
  418. Form der Koordinierung zwischen Unternehmen, die zwar nicht bis zum Abschluss eines Vertrags gediehen ist, jedoch bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt
  419. und damit dem Grundgedanken des Wettbewerbsrechts zuwiderläuft, wonach
  420. jeder Unternehmer selbständig über sein Marktverhalten zu bestimmen hat.
  421. - 19 -
  422. Unzulässig ist danach jede unmittelbare oder mittelbare Fühlungnahme zwischen Unternehmen, die bezweckt oder bewirkt, das Marktverhalten eines
  423. Wettbewerbers zu beeinflussen oder einen Wettbewerber über das Marktverhalten zu informieren, zu dem man sich entschlossen hat oder das man in Erwägung zieht. Typisches Mittel einer verbotenen Verhaltensabstimmung ist der
  424. Austausch von Informationen über wettbewerbsrelevante Parameter mit dem
  425. Ziel, die Ungewissheit über das zukünftige Marktverhalten des Konkurrenten
  426. auszuräumen (OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 3889, 3892 - Silostellgebühren I). Erforderlich ist zudem, dass die Abstimmung ursächlich für ein entsprechendes Marktverhalten ist, doch gilt insoweit die Vermutung, dass die an der
  427. Abstimmung beteiligten Unternehmen die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Bestimmung ihres Marktverhaltens berücksichtigen (s. zu Art. 101 Abs. 1 AEUV EuGH, Slg. 1999 I-4125 Rn. 115 ff. - Kommission/Anic Partecipazione; Slg. 1999 I-4287 Rn. 158 ff. - Hüls/Kommission;
  428. Slg. 1999 I-4539 Rn. 125 ff. - Montecatini/Kommission; Slg. 2009 I-4529 Rn. 51
  429. - T-Mobile Netherlands/NMa).
  430. 45
  431. bb)
  432. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben die beklag-
  433. ten Rundfunkanstalten in einer Besprechung mit dem ZDF am 22. März 2011
  434. Einverständnis darüber festgestellt, fortan keinem Kabelnetzbetreiber mehr
  435. Entgelt für die Einspeisung von Programmsignalen zu zahlen und zur Umsetzung dieses Vorhabens die mit der Klägerin und den später in der Unitymedia
  436. GmbH zusammengeführten Betreibern der Kabelnetze in Nordrhein-Westfalen,
  437. Hessen und Baden-Württemberg geschlossenen Einspeiseverträge zum Ablauf
  438. des Jahres 2012 zu kündigen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist
  439. darin eine abgestimmte Verhaltensweise zu sehen, die dem Verbot des § 1
  440. GWB unterfällt.
  441. - 20 -
  442. 46
  443. Bei dieser Besprechung haben die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sich wechselseitig über ihren Entschluss in Kenntnis gesetzt, künftig keinem
  444. Kabelnetzbetreiber mehr Entgelt für die Einspeisung von Programmsignalen zu
  445. zahlen. Hierdurch haben sie die Unsicherheit darüber ausgeräumt, ob es künftig
  446. eine der beteiligten Rundfunkanstalten unternehmen werde, sich dadurch, dass
  447. sie mit einem Kabelnetzbetreiber die Zahlung eines Entgelts über das Jahr
  448. 2012 hinaus vereinbart, einen Vorteil im Wettbewerb zu verschaffen. Trotz der
  449. gesetzlichen Regelung bestimmter Pflichten der Kabelnetzbetreiber in § 52b
  450. RStV bestehen insoweit, wie sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt, gewisse Spielräume, beispielsweise hinsichtlich des Umfangs der
  451. Verbreitung der regionalen Varianten Dritter Programme und hinsichtlich der
  452. technischen Qualität, etwa der Bandbreite für die digitale Übertragung. Der Umstand, dass nach Ablauf des Jahres 2012 keine der beteiligten Rundfunkanstalten den Versuch unternommen hat, die Klägerin durch das Versprechen eines
  453. Einspeiseentgelts davon abzuhalten, entsprechende Einschränkungen ihrer
  454. Leistungen vorzunehmen, rechtfertigt nicht den Schluss, diese seien wettbewerblich nicht relevant. Ursache hierfür kann vielmehr auch die Fortwirkung der
  455. Verhaltensabstimmung sein.
  456. 47
  457. Der Informationsaustausch erfolgte unter Wettbewerbern. Zwar ist die
  458. Veranstaltung der Gemeinschaftsprogramme den in der Beklagten zu 2 zusammengeschlossenen Beklagten zu 1 und 3 bis 10 durch § 11b Abs. 1 RStV
  459. als gemeinsame Aufgabe zugewiesen. Anders als die Revision meint obliegt
  460. den beteiligten Rundfunkanstalten danach nicht nur die Entscheidung über die
  461. Programmgestaltung als Gemeinschaftsaufgabe, sie haben vielmehr in dem
  462. durch das Programmkonzept Digitale Fernsehprogramme der ARD (Anlage zu
  463. § 11b Abs. 1 Nr. 2 RStV, dort Abschnitt V) gezogenen Rahmen auch über die
  464. Modalitäten der Verbreitung der Gemeinschaftsprogramme und damit zugleich
  465. über die hierdurch entstehenden Kosten gemeinsam zu entscheiden. Eine ge-
  466. - 21 -
  467. meinsame Entscheidung über die Verbreitung der Gemeinschaftsprogramme ist
  468. zudem mit Rücksicht darauf geboten, dass sich mit der Ausstrahlung rundfunkrechtlich jede Landesrundfunkanstalt das Programm zu Eigen macht und im
  469. Außenverhältnis als verantwortlicher Veranstalter gilt (Binder in Hahn/Vesting,
  470. Rundfunkrecht, 3. Auflage, § 11b RStV Rn. 63). Hinsichtlich der von ihnen veranstalteten Gemeinschaftsprogramme und deren Verbreitung stehen die beklagten Rundfunkanstalten mithin untereinander nicht in Wettbewerb. An der
  471. Besprechung vom 22. März 2011 hat jedoch auch das ZDF teilgenommen. Soweit es nicht um die von den Beklagten gemäß § 11b Abs. 4 RStV mit dem ZDF
  472. veranstalteten Gemeinschaftsprogramme geht, stehen die Beklagten mit dem
  473. ZDF, nicht anders als mit den privaten Programmveranstaltern, in Wettbewerb
  474. nicht nur um Zuschauer, sondern auch um Werbekunden.
  475. 48
  476. cc)
  477. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Informationsaustausch
  478. unter den Beklagten und dem ZDF sei für das spätere Marktverhalten nicht
  479. kausal geworden, ist nicht frei von Rechtsfehlern.
  480. 49
  481. (1)
  482. Das Berufungsgericht hat hierzu darauf verwiesen, dass das Bun-
  483. deskartellamt gegen die beklagten Rundfunkanstalten und das ZDF Ermittlungen wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen § 1 GWB aufgenommen und
  484. den Vertretern dieser Sender seine Bedenken in einer Besprechung vom 16.
  485. April 2012 verdeutlich habe. Es entspreche vernünftigem Verhalten und sei
  486. mangels entgegenstehender Anhaltspunkte anzunehmen, dass die Vertreter
  487. der Beklagten und des ZDF sich im Hinblick auf ein sonst drohendes Einschreiten der Kartellbehörde entschlossen hätten, zukünftig jeweils autonom über die
  488. Nachfrage nach Einspeisedienstleistungen zu entscheiden. Der Tatsache, dass
  489. die Rundfunkanstalten bald darauf, im Juni 2012 mit inhaltlich gleichlautenden
  490. und einheitlich gestalteten Schreiben den Einspeisevertrag gekündigt hätten,
  491. sei insoweit ohne Aussagekraft.
  492. - 22 -
  493. 50
  494. (2)
  495. Der Tatrichter ist grundsätzlich darin frei, welche Beweiskraft er
  496. den Indizien im Einzelnen und in einer Gesamtschau für seine Überzeugungsbildung beimisst. Revisionsrechtlich ist seine Würdigung jedoch darauf zu überprüfen, ob er die rechtlich relevanten Umstände vollständig berücksichtigt und
  497. nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat. Diesen Anforderungen hält die Beurteilung des Berufungsgerichts nicht stand.
  498. 51
  499. Die Abstimmung des Verhaltens unter Wettbewerbern durch den Austausch von Informationen über ihr künftiges Marktverhalten hat nach der Lebenserfahrung auch ohne weiteres Zutun nachteiligen Einfluss auf den Wettbewerb. Dies begründet die Vermutung, dass die an der Abstimmung beteiligten
  500. Unternehmen die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei
  501. der Bestimmung ihres Marktverhaltens berücksichtigen (EuGH, Slg. 1999 I4125 Rn. 121 - Kommission/Anic Partecipazioni; Slg. 2009 - I-4529 Rn. 51 ff.
  502. - T-Mobile Netherlands/NMa). Ein in der Folge von der Abstimmung unabhängiges Marktverhalten aufgrund einer selbständig getroffenen unternehmerischen
  503. Entscheidung kann daher nur dann angenommen werden, wenn greifbare Anhaltspunkte dafür feststellbar sind. An deren Nachweis dürfen keine zu geringen
  504. Anforderungen gestellt werden.
  505. 52
  506. Solche Anhaltspunkte hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Vielmehr haben die beklagten Rundfunkanstalten und das ZDF im Juni 2012 und
  507. damit kurz nach der Besprechung vom 16. April 2012 zeitgleich und mit im Wesentlichen gleichlautenden Schreiben die Kündigung des Einspeisevertrags mit
  508. der Klägerin erklärt. Sie haben sich damit so verhalten, wie es ihrer Abstimmung vom März 2011 entsprach. Das Berufungsgericht hat den von der Klägerin angebotenen Beweis über ihre Behauptung, die Intendanten der Beklagten
  509. zu 3 und zu 6 hätten in separat geführten Gesprächen über die Zahlung von
  510. Einspeiseentgelt auf eine abgestimmte Haltung der beklagten Rundfunkanstal-
  511. - 23 -
  512. ten unter Koordination der Beklagten zu 5 verwiesen, nicht erhoben. Für die
  513. Revisionsinstanz ist deshalb zu unterstellen, dass dieser Vortrag zutrifft. Unter
  514. diesen Umständen bedurfte es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
  515. keiner weiteren Darlegung der Klägerin, dass das Verhalten der Beklagten nicht
  516. auf jeweils selbständig getroffenen Entscheidungen beruhte. Vielmehr war es
  517. Sache der Beklagten, etwa durch Vorlage von Entscheidungsvorlagen, Protokollen oder Beschlüssen der zuständigen Gremien Anhaltspunkte dafür darzutun, dass sie sich jeweils selbständig entschlossen haben, den Vertrag mit der
  518. Klägerin zu kündigen und künftig kein Einspeiseentgelt mehr zu zahlen.
  519. 53
  520. 3.
  521. Die Sache ist danach an das Berufungsgericht zurückzuverwei-
  522. sen. Den Parteien wird insbesondere Gelegenheit zu geben sein, zu der Frage
  523. der Ursächlichkeit der abgestimmten Verhaltensweise für das spätere Marktverhalten der Beklagten weiter vorzutragen.
  524. 54
  525. C.
  526. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
  527. 55
  528. I.
  529. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Kün-
  530. digungen unwirksam wären, wenn die Beklagten sich hierzu nicht selbständig
  531. entschlossen, sondern in Vollziehung einer kartellrechtswidrigen Abstimmung
  532. ihres Verhaltens gehandelt hätten (BGHZ 205, 355 Rn. 59 ff. - Einspeiseentgelt).
  533. 56
  534. II.
  535. Die Beklagten sind nicht daran gehindert, hinsichtlich der Frage,
  536. ob sie bereit sind, für die Einspeisung der von ihnen veranstalteten Gemeinschaftsprogramme an die Klägerin weiterhin ein Entgelt zu zahlen, eine gemeinsame Entscheidung zu treffen. Kartellrechtlich unzulässig ist dagegen die
  537. Abstimmung mit Rundfunkanstalten, die nicht an der Erstellung und Verbreitung
  538. dieser Gemeinschaftsprogramme beteiligt sind.
  539. - 24 -
  540. 57
  541. III.
  542. Für den Fall, dass die Klage mit dem Hauptantrag erfolglos blei-
  543. ben sollte, weist der Senat auf Folgendes hin: Aus den Regelungen des Rundfunkstaatsvertrags kann - wie ausgeführt - nicht abgeleitet werden, dass eine
  544. Verpflichtung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die Einspeisung und
  545. Übertragung ihrer Programme durch die Klägerin zu vergüten, von vornherein
  546. ausscheidet. Der Gesetzgeber hat diese Regelungen zu einer Zeit geschaffen,
  547. zu der zwischen den großen Kabelnetzbetreibern und den öffentlich-rechtlichen
  548. Rundfunkanstalten Einspeiseverträge bestanden. Er hat sich in dieser Situation
  549. darauf beschränkt, einerseits im öffentlichen Interesse die Pflicht der Kabelnetzbetreiber zur Übertragung der gebührenfinanzierten Programme gesetzlich
  550. abzusichern (§ 52b RStV) und andererseits festzuschreiben, dass die Programmanbieter durch ein für die Verbreitung des Programmsignals zu zahlendes Entgelt nicht unbillig behindert oder diskriminiert werden dürfen (§ 52d
  551. RStV). Aus diesen Regelungen kann, wie oben ausgeführt, keine Verpflichtung
  552. der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hergeleitet werden, die Einspeiseverträge zu den bisherigen Konditionen fortzuführen. Ihnen kann aber auch
  553. nicht entnommen werden, dass eine Verpflichtung der öffentlich-rechtlichen
  554. Rundfunkanstalten - und damit auch der Beklagten - der Klägerin ein Entgelt für
  555. die Einspeisung und Übertragung des Programmsignals zu zahlen, von vornherein ausscheidet. Die gesetzliche Pflicht zur Einspeisung und Übertragung bestimmter gebührenfinanzierter Programme wurde im öffentlichen Interesse geschaffen. Sie soll sicherstellen, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihrem Grundversorgungsauftrag nachkommen können, dient jedoch nicht
  556. dazu, diese wirtschaftlich zu begünstigen. Die Einspeisung hat daher zu angemessenen Bedingungen zu erfolgen, deren Festlegung den Beteiligten obliegt.
  557. Verhandlungen hierüber könnten auf Seiten der Programmanbieter - nicht nur
  558. hinsichtlich der Gemeinschaftsprogramme, sondern insgesamt - von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gemeinsam geführt werden, ohne dass darin
  559. - 25 -
  560. bereits ein Verstoß gegen § 1 GWB läge. Die Entscheidung darüber, ob das
  561. Ergebnis solcher Verhandlungen in eine rechtlich bindende Regelung umgesetzt wird, hätte allerdings jede Rundfunkanstalt in eigener Verantwortung zu
  562. treffen.
  563. 58
  564. Die Einspeisung und Übertragung ihres Programmsignals verschafft den
  565. Beklagten erhebliche Vorteile. Die Beklagten können ihrem Grundversorgungsauftrag nur dann umfassend nachkommen, wenn das Signal auch in das Breitbandkabelnetz eingespeist wird. Dies gilt jedenfalls so lange, wie eine erhebliche Zahl von Zuschauerhaushalten an das Kabelnetz angeschlossen ist und die
  566. Programme der Beklagten aus rechtlichen, tatsächlichen oder wirtschaftlichen
  567. Gründen nicht ohne weiteres auf andere Weise empfangen kann. Für die digitalen Gemeinschaftsprogramme ergibt sich dies ferner aus Abschnitt V des Programmkonzepts Digitale Fernsehprogramme der ARD (Anlage zu § 11b Abs. 1
  568. Nr. 2 RStV). Die Zahl der Zuschauer, die das Programmsignal der Beklagten
  569. empfangen können, ist zudem für die wirtschaftlichen Aktivitäten der Beklagten,
  570. insbesondere den Wert der verkauften Werbezeit, unabhängig davon, ob diese
  571. von den Beklagten selbst oder von Tochtergesellschaften vergeben werden,
  572. von erheblicher Bedeutung. Die Beklagten können der Forderung der Klägerin
  573. nach einer Vergütung der Übertragung daher nicht erfolgreich mit dem Hinweis
  574. begegnen, sie hätten an der Einspeisung und Übertragung des Programmsignals durch die Klägerin kein eigenes Interesse.
  575. 59
  576. Erbringt die Klägerin danach für die Beklagten wirtschaftlich werthaltige
  577. Leistungen, haben die Beklagten diese grundsätzlich zu vergüten. Als marktbeherrschendes Unternehmen ist es ihnen verwehrt, Geschäftsbedingungen zu
  578. fordern, die von denen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB). Es darf andererseits nicht aus dem Blick geraten, dass auch die Beklagten eine wirtschaft-
  579. - 26 -
  580. lich wertvolle Leistung bereitstellen, indem sie der Klägerin das Programmsignal
  581. kostenlos überlassen und ihr damit die Möglichkeit zu dessen kommerzieller
  582. Verwertung eröffnen. Die Auffassung der Klägerin, mit der von ihr für die Einräumung des Kabelweitersenderechts zu zahlenden Vergütung seien sämtliche
  583. in Betracht kommenden Ansprüche der Beklagten abgegolten, trifft nicht zu.
  584. Wenn die Klägerin geltend macht, sie könne für die Einspeisung und den
  585. Transport der Programmsignale - und damit für Handlungen, durch die sie das
  586. ihr eingeräumte Recht zur Kabelweitersendung ausübt - von den Beklagten eine Vergütung verlangen, kann es diesen grundsätzlich nicht verwehrt sein, gegenüber einer solchen Forderung auf den wirtschaftlichen Wert zu verweisen,
  587. den die Überlassung dieser Programmsignale für die Klägerin darstellt. Für die
  588. Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Klägerin von den Beklagten
  589. für die Einspeisung und Übertragung des Programmsignals ein Entgelt verlangen kann, wird es mithin maßgeblich darauf ankommen, in welchem Verhältnis
  590. die Werte der beiderseitigen Leistungen nach der Beurteilung des Marktes oder
  591. - 27 -
  592. eines Vergleichsmarktes stehen. Der Klägerin wird gegebenenfalls Gelegenheit
  593. zu geben sein, ihren Vortrag hierzu zu ergänzen und, soweit erforderlich, ihre
  594. Klageanträge anzupassen.
  595. Limperg
  596. Meier-Beck
  597. Bacher
  598. Strohn
  599. Deichfuß
  600. Vorinstanzen:
  601. LG Köln, Entscheidung vom 14.03.2013 - 31 O (Kart) 466/12 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 21.05.2014 - VI-U (Kart) 16/13 -