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473 lines
33 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. KVR 18/99
  4. Verkündet am:
  5. 6. März 2001
  6. Walz
  7. Justizamtsinspektor
  8. als Urkundsbeamter
  9. der Geschäftsstelle
  10. in der Kartellverwaltungssache
  11. Nachschlagewerk: ja
  12. BGHZ:
  13. nein
  14. Werra Rundschau
  15. GWB § 36 Abs. 1, § 37 Abs. 1 Nr. 3 lit. b
  16. a) Soll die Gesellschaftsbeteiligung eines Presseunternehmens an einem Zeitungsverlag erhöht werden und gewinnt das Beteiligungsunternehmen dadurch in der Gesellschafterversammlung eine Position, die es ihm ermöglicht, den bestehenden Zustand der Gesellschaft festzuschreiben, z.B. die
  17. Beteiligung an anderen Unternehmen, die Ausweitung des Geschäftsfeldes
  18. oder sonst eine Umstrukturierung oder Investitionsentscheidungen zu verhindern, kann darin eine rechtlich begründete Verstärkung seiner Einflußmöglichkeiten liegen.
  19. b) Entsprechend kann es zu einer tatsächlichen Verstärkung einer gesellschaftsrechtlich begründeten Stellung führen, wenn ein Ausscheiden dieses
  20. Gesellschafters aus dem Unternehmen eine Abfindungsforderung auslösen
  21. würde, die eine Auszehrung der Finanzkraft der Gesellschaft zur Folge hätte. Denn dann ist regelmäßig zu erwarten, daß die Mitgesellschafter zur
  22. Vermeidung dieser Folgen den Vorstellungen jenes Mitglieds möglichst
  23. weitgehend entsprechen werden.
  24. c) Bei Märkten mit hohem Konzentrationsgrad bedarf es nur einer geringen
  25. Beeinträchtigung des Restwettbewerbs oder des potentiellen Wettbewerbs,
  26. um eine Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von § 36
  27. -2-
  28. GWB mit der Folge annehmen zu können, daß ein beabsichtigter Zusammenschluß untersagt werden kann.
  29. BGH, Beschluß vom 6. März 2001 - KVR 18/99 - Kammergericht
  30. -3-
  31. Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. März 2001 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofes
  32. Prof. Dr. Hirsch und die Richter Dr. Melullis, Prof. Dr. Goette, Ball und Prof.
  33. Dr. Bornkamm
  34. beschlossen:
  35. Die Rechtsbeschwerden gegen den Beschluß des Kartellsenats
  36. des Kammergerichts vom 23. Dezember 1998 werden auf Kosten
  37. der Betroffenen zurückgewiesen.
  38. Der Wert des Gegenstandes des Rechtsbeschwerdeverfahrens
  39. wird auf 4 Millionen DM festgesetzt.
  40. Gründe:
  41. A.
  42. Die Betroffene zu 2), die Werra Verlag Kluthe KG (im folgenden:
  43. WV KG), verfügt nach § 5 ihres Gesellschaftsvertrages über ein Gesellschaftsvermögen von 80.000 DM, von dem der Betroffene zu 4), Herr Dr. Peter Kluthe,
  44. als Komplementär eine Einlage von 20.000 DM hält; die restlichen Einlagen
  45. von 44.000 DM bzw. 16.000 DM halten als Kommanditistinnen die Betroffene
  46. zu 3), die Peter Kluthe Verlag GmbH (im folgenden: Kluthe GmbH), deren alleiniger Gesellschafter der Betroffene zu 4) ist, und die Betroffene zu 1), der
  47. Verlag
  48. -4-
  49. Dierichs GmbH & Co. KG (im folgenden: Dierichs Verlag). Dieser sollte von
  50. dem Anteil der Kluthe GmbH eine weitere Einlage von 16.000 DM übernehmen
  51. und danach in Höhe von 40% an der WV KG beteiligt sein. Dieses von den
  52. Betroffenen angemeldete Vorhaben hat das Bundeskartellamt untersagt. Gegen den die Untersagungsverfügung bestätigenden Beschluß des Kammergerichts wenden sich die Betroffenen mit ihren Rechtsbeschwerden.
  53. Die WV KG gibt die "Werra Rundschau" heraus. Bei ihr handelt es sich
  54. um eine von dem Vater des Betroffenen zu 4) im Jahre 1948 gegründete lokale
  55. Abonnementzeitung, die werktags erscheint und von der rund 14.000 Exemplare verkauft werden. Verbreitungsgebiet ist der sog. Altkreis Eschwege, ein Teil
  56. des jetzigen Werra-Meißner-Kreises. Über eine Tochtergesellschaft gibt die
  57. WV KG außerdem in demselben Gebiet den "WM-Tip" heraus; er ist in dieser
  58. Region das einzige Anzeigenblatt. Der Gesamtumsatz der WV KG lag 1996 bei
  59. 11 Mio. DM.
  60. Der Dierichs Verlag betreibt ebenfalls das Zeitungsverlagsgeschäft und
  61. gibt mit einer Auflage von mehr als 250.000 Exemplaren die regionale Abonnement-Tageszeitung "Hessische Niedersächsische Allgemeine" (im folgenden: HNA) heraus. Sie erscheint werktags in elf Lokal-Kopfblattausgaben,
  62. sonntags in vier verschiedenen Ausgaben und ist in einem Teil Niedersachsens sowie in Nordhessen verbreitet. Im Südosten grenzt das Verbreitungsgebiet der HNA an den Altkreis Eschwege. Der Dierichs Verlag ist eine der Gesellschaften
  63. der
  64. Dierichs Gruppe, zu der u.a. auch ein Druckereibetrieb in Kassel gehört. Der
  65. Gesamtumsatz dieser Gruppe lag im Jahr 1996 bei rund 283 Mio. DM; davon
  66. entfielen auf den Presseumsatz gut 161 Mio. DM.
  67. -5-
  68. Die Werra Rundschau verfügt aus Kostengründen seit 1961 nicht mehr
  69. über eine Vollredaktion, sondern läßt sich für die überregionale Berichterstattung auf den Gebieten Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport einen Zeitungsmantel liefern; allein für die lokale Berichterstattung unterhält sie eine eigene
  70. Redaktion, die erforderlichenfalls auch die Anpassung des Mantels an die örtlichen Gegebenheiten übernimmt. Mantellieferantin war zunächst die Redaktionsgemeinschaft deutscher Heimatzeitungen. Seit 1992 bezieht die WV KG
  71. von dem Dierichs Verlag den Mantel der HNA. Zur gleichen Zeit stellte der Dierichs Verlag seine Lokalausgabe der HNA für den Altkreis Eschwege ein. Der
  72. Mantellieferungsvertrag läuft zunächst bis zum Jahresende 2005, er verlängert
  73. sich um jeweils fünf Jahre, wenn er nicht zwei Jahre vor dem jeweiligen Ablauf
  74. gekündigt wird. Für die Mantellieferung hat die WV KG an den Dierichs Verlag
  75. in den Jahren 1995 und 1996 238.000 DM bzw. 235.000 DM bezahlt.
  76. Bereits seit 1972 kooperieren die WV KG und der Dierichs Verlag im
  77. Anzeigengeschäft; der entsprechende Vertrag ist jeweils zum Ende eines Jahres mit einer Frist von zwölf Monaten kündbar. Mit ihrem gemeinsamen Tarif für
  78. Anzeigen und Beilagen sollen solche Anzeigenkunden angesprochen werden,
  79. die nicht ausschließlich lokal werben wollen. Auf Grund dieses Tarifs können
  80. sowohl bei der HNA wie bei der Werra Rundschau Annoncen für beide Blätter
  81. gebucht werden, wobei der Kunde entscheiden kann, ob die Anzeige in der
  82. Gesamtausgabe der HNA, in der Regionalausgabe für Hessen oder in der
  83. Stadtausgabe der HNA jeweils in Verbindung mit der Werra Rundschau erscheinen soll. Der dafür zu entrichtende Preis ermittelt sich aus der Addition
  84. des Tarifpreises der HNA und eines ermäßigten Grundpreises der Werra
  85. Rundschau. Der Erlös wird entsprechend dem Anteil der beiden Partner am
  86. Gesamttarif geteilt. Außerdem erhält der Dierichs Verlag Provision für die Anzeigenabwicklung und sonstige Leistungen. Insgesamt hat der Dierichs Verlag
  87. -6-
  88. aus dieser Kooperation im Anzeigengeschäft 1995 und 1996 Umsatzerlöse von
  89. 282.000 DM bzw. 188.000 DM erzielt; der WV KG sind umgekehrt dadurch,
  90. daß HNA-Anzeigenkunden zugleich Anzeigen auch in der Werra Rundschau
  91. haben veröffentlichen lassen, in denselben Jahren 3 Mio. DM (1995) bzw. 2,7
  92. Mio. DM (1996) zugeflossen.
  93. Schließlich arbeiten die Dierichs Gruppe und die WV KG auch noch auf
  94. einem dritten Feld zusammen: Seit 1992 wird die Werra Rundschau auf einer
  95. modernen Rotationsmaschine von einer Schwestergesellschaft des Dierichs
  96. Verlags in Kassel gedruckt. Hierdurch konnte die Werra Rundschau erstmals
  97. als Morgenzeitung und in einer zeitgemäßen Druckqualität, die auch den frei
  98. disponierbaren Vierfarbdruck aktueller Anzeigen ermöglichte, erscheinen. Bis
  99. dahin war sie auf einer gepachteten Druckmaschine aus dem Jahr 1936 hergestellt worden und erst mittags erschienen. Die WV KG hat für den Druck der
  100. Werra Rundschau, für das Verpacken und für das Zufügen von Fremdbeilagen
  101. an die Druckerei in den Jahren 1995 und 1996 jeweils mehr als 1 Mio. DM bezahlt.
  102. 1993 ist der Dierichs Verlag mit einer Kommanditeinlage von 16.000 DM
  103. - das entspricht einer Beteiligung von 20% - der WV KG beigetreten. Nach § 7
  104. Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages der KG in der im Zeitpunkt der Untersagungsverfügung geltenden Fassung bedarf die Aufgabe, die Veräußerung, die
  105. Veränderung des Titels der Werra Rundschau, die Einstellung der Zeitung
  106. oder die Sitzverlegung der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter. § 7 Abs. 2
  107. aaO bindet den Komplementär intern für über den üblichen Rahmen hinausgehende Geschäfte und Rechtshandlungen an die Einholung der Zustimmung der
  108. Gesellschafter; diese entscheiden dabei mit einer Mehrheit von 76% aller
  109. Stimmen. In dem Katalog der besonders genannten Geschäfte, welche unter
  110. -7-
  111. diese Klausel fallen, werden u.a. Abschluß, Änderung und/oder Beendigung
  112. von Druckverträgen, Verträge über die Mantellieferung, über Anzeigen und
  113. Vertrieb der Werra Rundschau (lit. a), ferner die Herausgabe weiterer Zeitungen (lit. b), der Erwerb und/oder die Veräußerung von Beteiligungen an anderen Unternehmen und der Abschluß von Unternehmensverträgen und Kooperationsvereinbarungen (lit. c) sowie der Erwerb, die Veräußerung und die Belastung von Betriebsteilen (lit. d) aufgeführt. Sofern Herr Dr. Kluthe nicht mehr
  114. Komplementär ist, sollen die Gesellschafter nach § 7 Abs. 3 aaO weitere Beschränkungen mit einfacher Stimmenmehrheit aller Gesellschafter einführen
  115. dürfen; dann allerdings ist das Quorum für die Zustimmung herabgesetzt, weil
  116. ein entsprechender Gesellschafterbeschluß nur noch der einfachen Mehrheit
  117. der abgegebenen Stimmen bedarf. Herr Dr. Kluthe, der nach § 5 des Gesellschaftsvertrages bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres, d.h. bis zum 25.
  118. Mai 2013, Komplementär der WV KG ist, kann nach § 12 des Gesellschaftsvertrages diese Stellung aufgeben und mit gleicher Einlage in die eines Kommanditisten wechseln. Voraussetzung dafür ist, daß eine Komplementär-GmbH
  119. gegründet wird, deren Gesellschafter auf Dauer personenidentisch mit den
  120. Kommanditisten der WV KG sind und die die Geschäftsanteile an der GmbH
  121. beteiligungsproportional halten; für von der Gesellschafterversammlung zu fassende Beschlüsse müssen dieselben Mehrheitserfordernisse wie in der KG
  122. gelten. In dieser GmbH ist Herr Dr. Kluthe grundsätzlich zum Geschäftsführer
  123. zu bestellen, er kann nur aus wichtigem Grund abberufen werden oder das Amt
  124. niederlegen. Für diesen Fall des vorzeitigen Ausscheidens von Herrn Dr. Kluthe sieht der Gesellschaftsvertrag der WV KG die Einsetzung eines dreiköpfigen Beirates vor, in den die Familie Kluthe und der Dierichs Verlag jeweils ein
  125. Mitglied entsenden; die beiden Beiräte berufen das dritte, als Vorsitzender amtierende, Mitglied dieses Gremiums (§§ 14 Abs. 3, 15 - 17 aaO). An die Zustimmung dieses Beirates ist die Vornahme über den üblichen Rahmen hin-
  126. -8-
  127. ausgehender Geschäfte und Rechtshandlungen des Komplementärs bzw. des
  128. Geschäftsführers der Komplementär-GmbH gebunden. Der Beirat entscheidet
  129. mit einfacher Stimmenmehrheit; er ist beschlußfähig, wenn zwei Mitglieder an
  130. der Abstimmung teilnehmen, bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.
  131. Kommanditisten können die Gesellschaft - erstmals zum Jahresende
  132. 2001 - mit einer Frist von zwölf Monaten kündigen. In diesem Fall wird die Gesellschaft unter den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt (§ 4 aaO). Der
  133. ausscheidende Gesellschafter - Entsprechendes gilt auch für alle anderen
  134. Gründe der Beendigung seiner Mitgliedschaft - hat Anspruch auf eine Abfindung zu dem wahren Wert seiner Beteiligung. Zu diesem Zweck ist eine Auseinandersetzungsbilanz zu erstellen, in der die stillen Reserven aufzudecken,
  135. ein Firmenwert und das Ergebnis schwebender Geschäfte allerdings nicht zu
  136. berücksichtigen sind (§ 19 aaO).
  137. Herr Dr. Kluthe möchte die Existenz der von seinem Vater gegründeten
  138. Werra Rundschau auch über seinen Tod hinaus sicher gestellt wissen. Er hat
  139. deswegen im Februar 1995 die "Kluthe gemeinnützige Fördergesellschaft
  140. mbH" gegründet, die mit einem Stammkapital von 50.000 DM ausgestattet ist
  141. und an der zu gleichen Teilen er selbst, die Stadt Eschwege und drei weitere
  142. Personen beteiligt sind. Unternehmensgegenstand ist nach § 2 Abs. 5 der Satzung das Halten einer Beteiligung an der Kluthe GmbH. Mit dieser Fördergesellschaft haben Herr Dr. Kluthe und seine Ehefrau Anfang 1996 einen Erbvertrag geschlossen, nach dem die Geschäftsanteile an der Kluthe GmbH der
  143. Fördergesellschaft unter der Bedingung geschenkt werden, daß die Kluthe
  144. GmbH beim Tode von Herrn Dr. Kluthe noch besteht. Die Schenkung ist mit der
  145. Auflage verbunden, daß die Fördergesellschaft die geschenkten Geschäftsan-
  146. -9-
  147. teile auf Dauer als Bestandteil ihres Vermögens hält. Nach § 6 Abs. 4 der Satzung der Fördergesellschaft dürfen deren Geschäftsführer das Stimm- oder
  148. Weisungsrecht in Beteiligungsgesellschaften nur auf Grund eines Gesellschafterbeschlusses ausüben, der der Zustimmung aller Gesellschafter bedarf
  149. (§ 8 Abs. 2 lit. f aaO).
  150. Das Bundeskartellamt hat das angemeldete Vorhaben, die Beteiligung
  151. des Dierichs Verlags an der WV KG auf 40% zu erhöhen, nach § 24 Abs. 1 und
  152. Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 2 Nr. 2 lit. a GWB (a.F.) untersagt (BKartA
  153. WuW/E DE-V 19). Es hat dies damit begründet, daß durch diese erhöhte Beteiligung die marktbeherrschenden Stellungen des Dierichs Verlags und der
  154. WV KG verstärkt würden: Für den Dierichs Verlag sei eine Verstärkung seiner
  155. Stellung auf dem durch das Gesamtverbreitungsgebiet der HNA gebildeten
  156. Anzeigenmarkt zu erwarten, während die Alleinstellung der WV KG auf dem
  157. Anzeigen- und Lesermarkt im Altkreis Eschwege, ihrem Erscheinungsgebiet,
  158. durch das Vorhaben gegenüber potentiellem Wettbewerb weiter abgesichert
  159. werde.
  160. Hiergegen haben die Betroffenen Beschwerde eingelegt. Während des
  161. Beschwerdeverfahrens ist § 7 des Gesellschaftsvertrages der WV KG in der
  162. Weise geändert worden, daß ein neuer Absatz 4 in § 7 eingefügt worden ist,
  163. nach welchem die bisher in § 7 Abs. 2 lit. a) a.F. beschriebenen, einer 76%igen
  164. Mehrheit bedürftigen Maßnahmen nunmehr an die Zustimmung der Kluthe
  165. GmbH gebunden werden; § 7 Abs. 2 lit. a) ist dementsprechend gestrichen
  166. worden.
  167. - 10 -
  168. Das Kammergericht hat die Beschwerden zurückgewiesen (WuW/E
  169. DE-R 317). Mit ihren Rechtsbeschwerden verfolgen die Betroffenen ihren Antrag auf Aufhebung der Untersagungsverfügung weiter.
  170. B.
  171. Die Rechtsbeschwerden haben keinen Erfolg. Die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamtes vom 27. Januar 1998 ist - wie das Kammergericht im Ergebnis zutreffend entschieden hat - rechtmäßig. Denn die geplante
  172. Erhöhung der Beteiligung des Dierichs Verlags an der WV KG begründet die
  173. Erwartung, daß die bestehende marktbeherrschende Stellung von Dierichs auf
  174. dem Anzeigenmarkt des Verbreitungsgebietes der HNA und diejenige der
  175. WV KG auf dem Anzeigen- und Lesermarkt im Altkreis Eschwege verstärkt
  176. werden (§ 23 Abs. 2 Nr. 2 lit. a, § 24 Abs. 1 und 2 GWB a.F., § 37 Abs. 1 Nr. 3
  177. lit. b, § 36 Abs. 1 GWB n.F.). Die gegen diese Beurteilung erhobenen verfahrens- und materiellrechtlichen Rügen der Betroffenen greifen nicht durch.
  178. I.
  179. Für die rechtliche Beurteilung des vorliegenden Falles ist die erst nach
  180. dem angefochtenen Beschluß in Kraft getretene Neufassung des Gesetzes
  181. gegen Wettbewerbsbeschränkungen zugrunde zu legen. Denn die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamtes wirkt in die Zukunft; sie kann nur Bestand haben, wenn sie nach der zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das
  182. Rechtsbeschwerdegericht geltenden Rechtslage zu Recht ergangen ist (st.
  183. Rspr., vgl. BGH, Beschl. v. 18.1.2000 - KVR 23/98, WuW/E Verg. 297, 305 -
  184. - 11 -
  185. Tariftreueerklärung II; Beschl. v. 21.11.2000 - KVR 16/99, z.V.b. - Minderheitsbeteiligung im Zeitschriftenhandel; Beschl. v. 21.11.2000 - KVR 21/99, z.V.b. Treuhanderwerb).
  186. II.
  187. Die Betroffenen, die nicht verkennen, daß die formellen Aufgreifkriterien
  188. für die Zusammenschlußkontrolle vorliegen, stellen zu Unrecht in Abrede, daß
  189. die materiellen Voraussetzungen für die Untersagung ihres Vorhabens gegeben sind.
  190. 1. Die vom Kammergericht vorgenommene Abgrenzung der jeweiligen
  191. sachlich und räumlich relevanten Märkte und die Ausführungen, mit denen das
  192. Beschwerdegericht die marktbeherrschende Stellung des Dierichs Verlags
  193. bzw. der WV KG auf diesen Märkten begründet hat, nehmen die Betroffenen
  194. hin. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.
  195. 2. Ob ein beabsichtigter Zusammenschluß die Erwartung begründet, die
  196. im vorliegenden Fall als Grundlage der Untersagung nach § 36 Abs. 1 GWB
  197. allein in Betracht kommt, daß eine schon bestehende marktbeherrschende
  198. Stellung verstärkt wird, ist auf Grund eines Vergleichs der Wettbewerbslage,
  199. wie sie vor der Verwirklichung des Vorhabens bestanden hat, und der nach
  200. dem Zusammenschluß wahrscheinlich eintretenden Entwicklung festzustellen
  201. (st. Rspr., vgl. BGHZ 136, 268, 279 - Stromversorgung Aggertal; BGHZ 71,
  202. 102, 115 - KFZ-Kupplungen). Entgegen der Meinung der Betroffenen ist nach
  203. ihrem eigenen Vorbringen und den verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Kammergerichts eine solche Erwartung sowohl bezüglich der
  204. - 12 -
  205. marktbeherrschenden Stellung des Dierichs Verlags auf dem Anzeigenmarkt im
  206. Verbreitungsgebiet der HNA (dazu a) als auch hinsichtlich der entsprechenden
  207. Position der WV KG auf dem Leser- und Anzeigenmarkt ihres Erscheinungsgebiets (dazu b) begründet.
  208. a) Die vorgesehene Aufstockung der Kommanditbeteiligung des Dierichs
  209. Verlags führt zu einer Stärkung seiner Stellung gegenüber der WV KG sowohl
  210. in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht.
  211. aa) Zutreffend ist zwar der Hinweis der Betroffenen, daß durch die im
  212. Beschwerdeverfahren vollzogene Änderung des Gesellschaftsvertrages der
  213. WV KG der Dierichs Verlag nicht mehr, wie dies das Bundeskartellamt in seiner Untersagungsverfügung auf der Grundlage des damals geltenden Gesellschaftsvertrages hat annehmen müssen, eine Sperrminorität gegen jegliche
  214. Änderung der Verträge über Mantellieferung und Druck der Werra Rundschau
  215. erlangt und daß er nunmehr nicht schon allein dadurch seine marktbeherrschende Stellung auf dem Anzeigenmarkt im Verbreitungsgebiet der HNA stärken kann. Nach der Änderung des § 7 aaO spielt die Stimme des Dierichs
  216. Verlags bei der Entscheidung über einen solchen, nach wie vor zu den ungewöhnlichen Geschäften i.S.v. § 7 Abs. 1 zählenden Gegenstand keine Rolle
  217. mehr, weil es auf Grund des neu eingefügten § 7 Abs. 4 aaO entscheidend auf
  218. die von der Kluthe GmbH abgegebene Stimme ankommt und weil es gegen
  219. deren von dem Betroffenen zu 4) bzw. von der Fördergesellschaft gebildeten
  220. Willen nicht zu einer Änderung der Vertragsverhältnisse kommen kann.
  221. Ungeachtet dessen wachsen dem Dierichs Verlag entgegen der Ansicht
  222. der Betroffenen durch die in Aussicht genommene Beteiligung in mehrfacher
  223. Hinsicht rechtlich begründete Einflußmöglichkeiten zu, die - wenn schon nicht
  224. - 13 -
  225. jede für sich genommen, so aber jedenfalls insgesamt - zu einer Stärkung der
  226. Stellung dieses Gesellschafters gegenüber der WV KG führen.
  227. Die Aufstockung des einer Beteiligung in Höhe von 20% an der WV KG
  228. entsprechenden Kommanditanteils um 16.000 DM Kapitaleinlage auf eine Beteiligung von 40% verschüfe dem Dierichs Verlag in der Gesellschafterversammlung der KG eine Sperrminorität für eine Reihe von Gegenständen, hinsichtlich deren der Komplementär der WV KG bzw. deren KomplementärGmbH intern an die Zustimmung der Gesellschafter gebunden ist. Gegen ihren
  229. Willen könnten nämlich nach der Aufstockung keinerlei Änderungen des status
  230. quo herbeigeführt werden. Das betrifft z.B. die Entscheidung über die Herausgabe weiterer Zeitungen (§ 7 Abs. 2 lit. a n.F.), auch solcher, die lediglich als
  231. Anzeigenblatt erscheinen; es gilt ebenso für etwa anstehende Entscheidungen
  232. über die Beteiligung an anderen Unternehmen (lit. b aaO), etwa solchen, die im
  233. Verbreitungsgebiet der HNA Presseerzeugnisse herstellen oder/und vertreiben
  234. wollen; die Klausel, daß auch der Erwerb eines Betriebsteils durch die WV KG
  235. in diesem Sinne zustimmungspflichtig ist (lit. c aaO), gäbe dem Dierichs Verlag
  236. auch die Handhabe zu unterbinden, daß die KG einen eigenen Druckereibetrieb kauft. Einzelgeschäfte - im hier interessierenden Zusammenhang gilt dies
  237. vor allem für Investitionsentscheidungen in der Größenordnung von mehr als
  238. 10% des Vorjahresnettoumsatzes (lit. e aaO), was im Jahr der Anmeldung des
  239. Vorhabens einem Betrag von rund 1,1 Mio. DM entspräche - könnte der Dierichs Verlag mit seiner Stimme ebenfalls verhindern, und nach lit. f aaO dürfte
  240. dies sogar für die jährlich fällige Anpassung der Vergütung des Komplementärs
  241. (§ 8 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages) gelten. Bei der Entscheidung über die
  242. Gewinnverteilung kann der Dierichs Verlag verhindern, daß Gewinne nicht, wie
  243. in § 10 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages vorgesehen, ausgeschüttet, sondern
  244. - 14 -
  245. den Kapitalrücklagen zugeführt und damit zur Stärkung der Finanzkraft der
  246. WV KG verwendet werden (§ 10 Abs. 4 lit. c Satz 2 aaO).
  247. bb) Sobald die Fördergesellschaft Anteilsinhaberin der Kluthe GmbH
  248. geworden ist, ergibt sich eine weitere Stärkung der Einflußmöglichkeiten des
  249. Dierichs Verlags. Nach § 6 Abs. 4 der Satzung der Fördergesellschaft dürfen
  250. deren Geschäftsführer das Stimmrecht der Anteilsinhaberin in der Gesellschafterversammlung der WV KG, gleichgültig um welchen Beschlußgegenstand es sich handelt, nur ausüben, wenn hierfür ein einstimmiger Gesellschafterbeschluß vorliegt. Sollte es an demselben fehlen, wird sich die Kluthe
  251. GmbH an der Abstimmung in der WV KG nicht beteiligen können und sich der
  252. Stimme zu enthalten haben. Nach § 9 Abs. 5 aaO gelten Stimmenthaltungen
  253. als nicht abgegebene Stimmen, so daß in allen Angelegenheiten der WV KG,
  254. in denen nicht eine qualifizierte Mehrheit oder die Zustimmung bestimmter Gesellschafter erforderlich ist, der Dierichs Verlag mit seiner Stimmacht von 40%
  255. den nur in Höhe von 25% beteiligten Betroffenen zu 4) überstimmen kann, eine
  256. Möglichkeit, die bei der bisherigen Beteiligungshöhe dieses Gesellschafters
  257. von 20% nicht besteht.
  258. cc) Die Aufstockung der Beteiligung des Dierichs Verlags vergrößert
  259. auch in weiteren Fallgestaltungen die rechtlich begründeten Einflußmöglichkeiten dieses Gesellschafters auf die WV KG.
  260. Nach § 12 des Gesellschaftsvertrages hat der Betroffene zu 4) das
  261. Recht, aus der Komplementärstellung in die eines Kommanditisten zu wechseln. Dann tritt an seine Stelle eine neu zu gründende Komplementär-GmbH, in
  262. der dieselben Gesellschafter beteiligungsproportional Mitglieder werden müssen. Zu deren Geschäftsführer soll der Betroffene zu 4) mit der Maßgabe be-
  263. - 15 -
  264. stellt werden, daß er nur aus wichtigem Grund abberufen werden kann (§ 12
  265. Abs. 3 aaO). Den nach § 12 Abs. 2 lit. d) erforderlichen Abberufungsbeschluß
  266. der Gesellschafterversammlung der WV KG könnte in diesem Fall der Dierichs
  267. Verlag mit seinen Stimmen herbeiführen, weil der Betroffene zu 4) nach dem
  268. jedenfalls entsprechend anzuwendenden § 47 Abs. 4 GmbHG (vgl. BGHZ 86,
  269. 177, 181; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Aufl. § 47 Rdn. 19) sowohl für seine
  270. unmittelbar, als auch für die mittelbar über die Kluthe GmbH gehaltenen Anteile
  271. von der Teilnahme an der Abstimmung ausgeschlossen wäre.
  272. Durch die höhere Beteiligung an der WV KG kann der Dierichs Verlag
  273. ferner seinen Spielraum bei der Gestaltung seiner Anzeigenpreise besser ausschöpfen und dadurch Vorteile bei der Abwehr nachstoßenden Wettbewerbs
  274. erzielen. Günstige Anzeigenpreise, die er Kunden aus dem Verbreitungsgebiet
  275. der Werra Rundschau berechnen läßt, führen nämlich tendenziell zu höheren
  276. Gewinnen bei der WV KG, an denen der Dierichs Verlag entsprechend seiner
  277. aufgestockten Beteiligungsquote teilhat (vgl. BGHZ 136, 268, 282 - Stromversorgung Aggertal).
  278. Schließlich verschafft die Kündigungs- und Abfindungsregelung des Gesellschaftsvertrages der WV KG dem Dierichs Verlag bei einer Erhöhung seiner Beteiligung eine gesellschaftsrechtlich begründete stärkere Stellung. Wenn
  279. der Dierichs Verlag sich zu einer Austrittskündigung nach § 4 Abs. 2 und 3 des
  280. Gesellschaftsvertrages entschließt, hat er Anspruch auf eine Abfindung, die
  281. dem wahren Wert seiner Beteiligung an dem Gesellschaftsvermögen entspricht
  282. (§ 19 aaO). Das führte jedenfalls gegenüber den bisherigen Verhältnissen zu
  283. einer gestärkten wirtschaftlichen Stellung des Dierichs Verlags. Auch wenn
  284. dabei der Geschäftswert nicht in die Bewertung eingeht, hätte das Ausscheiden
  285. dieses Gesellschafters für die WV KG zur Folge, daß sie 40% ihres Vermögens
  286. - 16 -
  287. einbüßt. Dies kann, selbst wenn die Abfindung nur in fünf gleichen Jahresraten
  288. zu entrichten ist, anders als bei der bisher bestehenden nur 20%igen Beteiligung des Dierichs Verlags zu einer Auszehrung der Finanzkraft der Gesellschaft führen, die die naheliegende Gefahr heraufbeschwört, daß die Werra
  289. Rundschau, den Intentionen des Betroffenen zu 4) zuwider, in ihrer Existenz
  290. als Heimatzeitung bedroht ist und neuerlichen Interventionen von Wettbewerbern, sei es durch den Dierichs Verlag selbst, sei es durch Verlage im angrenzenden Thüringen, nicht standhalten kann. Es ist zu erwarten, daß allein die
  291. Möglichkeit eines solchen Vorgehens des Dierichs Verlags seine Mitgesellschafter dazu bewegen wird, dessen Vorstellungen möglichst weitgehend zu
  292. entsprechen (vgl. dazu BGHZ 119, 346, 362 f. - Pinneberger Tageblatt; BGH,
  293. Beschl. v. 21.11.2000 - KVR 16/99, z.V.b. - Minderheitsbeteiligung im Zeitschriftenhandel).
  294. dd) Die geplante Aufstockung der Beteiligung des Dierichs Verlags an
  295. der WV KG läßt - wie das Kammergericht zutreffend angenommen hat - auch
  296. faktisch eine Verstärkung der Einflußmöglichkeiten dieses Gesellschafters erwarten. Der Senat hat wiederholt ausgesprochen, die Verbindung mit einem
  297. finanzstarken Partner begründe die tatsächliche Vermutung, er werde von dieser Finanzkraft nötigenfalls Gebrauch machen (vgl. BGHZ 77, 279, 293 - Mannesmann-Brueninghaus; BGH, Beschl. v. 27.5.1986 - KVR 7/84, WuW/E 2276,
  298. 2283 - Süddeutscher Verlag-Donaukurier; Beschl. v. 25.6.1985 - KVR 3/84,
  299. WuW/E 2150, 2157 - Edelstahlbestecke). Eine unmittelbar bevorstehende Zuführung von Kapital ist dafür ebensowenig erforderlich wie eine Stellung des
  300. neuen finanzkräftigen Partners als mehrheitlich beteiligter Gesellschafter. Daß
  301. diese Vermutung im vorliegenden Fall richtig ist, ergibt sich schon aus dem
  302. eigenen Vortrag der Betroffenen: Gerade durch die Anlehnung an den finanzkräftigen, im Zeitungsverlagsgeschäft sehr erfahrenen und erfolgreichen, in
  303. - 17 -
  304. eine größere Unternehmensgruppe mit eigener Druckerei eingebundenen Dierichs Verlag erhofft sich der Betroffene zu 4), die Existenz der Werra Rundschau als Heimatzeitung in gesteigertem Maße dauerhaft sichern zu können.
  305. Dafür reichte nach den Vorstellungen von Herrn Dr. Kluthe die bisherige Verbindung durch den Druckvertrag, den Vertrag über die Mantellieferung und
  306. durch die enge Zusammenarbeit auf dem Anzeigensektor nicht aus. Daß sich
  307. verstärkte faktische Einflußmöglichkeiten des Dierichs Verlags auf die WV KG
  308. ergeben, liegt auf der Hand, zumal die finanzielle Ausstattung der Fördergesellschaft und deren satzungsrechtlich festgelegte Förderungsaufgabe (§ 2
  309. aaO) nicht erwarten lassen, daß diese in der Lage wäre, der WV KG finanzielle
  310. Mittel in größerem Umfang zur Verfügung zu stellen. Die Rechtsbeschwerden
  311. gehen deswegen fehl, wenn sie die entsprechende Beurteilung des Kammergerichts als auf bloßer Spekulation beruhend bezeichnen.
  312. ee) Es ist zu erwarten, daß der Dierichs Verlag durch die genannten
  313. rechtlich und faktisch begründeten Einflußmöglichkeiten seine marktbeherrschende Stellung auf dem Anzeigenmarkt im Verbreitungsgebiet der HNA verstärken wird. Auch die Betroffenen verkennen nicht, daß es zur Annahme einer
  314. solchen Verstärkungswirkung nicht der Ausweitung des bestehenden Marktanteils bedarf (vgl. BGHZ 73, 65, 77 - Erdgas Schwaben). Es genügt vielmehr,
  315. daß der Zusammenschluß überhaupt eine Verbesserung der Wettbewerbssituation für die Beteiligten nach sich ziehen kann, wobei nach der ständigen
  316. Rechtsprechung des Senats die zu erwartenden Vorteile um so geringeres
  317. Gewicht haben müssen, je stärker die Marktstellung des betroffenen Unternehmens bereits vor der beabsichtigten Beteiligung gewesen ist; denn gerade
  318. dann gilt es, bestehenden Restwettbewerb zu schützen oder potentiellen Wettbewerb nicht zu entmutigen (BGHZ 136, 268, 278 - Stromversorgung Aggertal,
  319. m.w.N.).
  320. - 18 -
  321. Zu Unrecht vertreten die Rechtsbeschwerden die Ansicht, die Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung durch das beabsichtigte Vorhaben
  322. rechtfertige mangels Spürbarkeit die Untersagung des Zusammenschlusses
  323. nicht. Zwar reicht die bloße Überschreitung der Schwellenwerte nach § 37
  324. GWB für eine Untersagung nicht aus; bei Märkten mit hohem Konzentrationsgrad bedarf es jedoch nur einer geringen Beeinträchtigung des Restwettbewerbs oder des potentiellen Wettbewerbs, um gegen einen beabsichtigten Zusammenschluß vorgehen zu können (BGHZ 136, 268, 278 - Stromversorgung
  325. Aggertal, m.w.N.). Hiervon hat sich das Kammergericht leiten lassen und auf
  326. verfahrensfehlerfreier Grundlage angenommen, daß der Dierichs Verlag durch
  327. die vorgesehene Beteiligungsaufstockung seine Marktstellung gegenüber vorhandenen Wettbewerbern absichern und potentiellen Wettbewerbern den
  328. Marktzutritt weiter erschweren würde. Dabei ist der aus dem Verbreitungsgebiet der Werra Rundschau dem Dierichs Verlag zufließende Anzeigenerlös nur
  329. eines von mehreren Kriterien, die insgesamt zu der beschriebenen Verstärkung
  330. der Stellung des Dierichs Verlags führen. Zutreffend hat das Beschwerdegericht auch alle anderen Elemente der Zusammenarbeit des konzerneingebundenen Dierichs Verlags mit der WV KG, wie die Mantellieferung, den Druckauftrag (vgl. BGH, Beschl. v. 28.9.1982 - KVR 8/81, WuW/E 1954, 1957 f. Springer-az Anzeigenblatt) und die Kooperation beim Vertrieb der Zeitungen in
  331. seine Beurteilung einbezogen. Dazu gehört auch, daß die Einflußnahmemöglichkeiten des Dierichs Verlags auf die WV KG verhindern, daß diese selbst mit
  332. ihren Produkten in das Verbreitungsgebiet der HNA ausgreifen kann.
  333. Keinen Erfolg haben die Rechtsbeschwerden schließlich mit ihren Angriffen gegen die Beurteilung des Kammergerichts, daß die Verstärkung der
  334. marktbeherrschenden Stellung durch die beabsichtigte Erhöhung der Beteili-
  335. - 19 -
  336. gung des Dierichs Verlags an der WV KG verursacht würde. In welcher Weise
  337. sich die Einflußmöglichkeiten des Dierichs Verlags auf die WV KG bei einer
  338. 40%igen Beteiligung verstärken würden, ist bereits oben näher ausgeführt
  339. worden. Vor allem ist den Betroffenen nicht zu folgen, wenn sie demgegenüber
  340. einen Teilkomplex aufgreifen und ins Feld führen, für die Mantellieferung an
  341. die WV KG komme entgegen der Annahme des Beschwerdegerichts ausschließlich der Dierichs Verlag in Betracht. Es mag sein, daß unter den drei in
  342. räumlicher Nähe zu der WV KG ansässigen Verlagen der von dem Dierichs
  343. Verlag gelieferte Mantel für die Herstellung der Werra Rundschau besonders
  344. geeignet ist. Daß deswegen Zeitungsmäntel anderer, auch weiter entfernter
  345. Verlage jetzt oder in Zukunft schlechthin ausscheiden müssen, kann nicht anerkannt werden. Denn auch die Betroffenen stellen nicht in Abrede, daß die
  346. Möglichkeiten der modernen Kommunikationstechnik es bereits heute zuließen,
  347. auch über weitere Distanzen einen Zeitungsmantel zu liefern.
  348. Die Einflußmöglichkeiten, welche der Dierichs Verlag nach der beabsichtigten Aufstockung seiner Beteiligung besitzt, sind geeignet, die WV KG
  349. daran zu hindern, nach solchen anderen Mantellieferanten Ausschau zu halten;
  350. auf potentielle Wettbewerber des Dierichs Verlags müssen sie zugleich entmutigend wirken, ein für die Anforderungen der WV KG passendes Produkt zu
  351. entwickeln.
  352. b) Der beabsichtigte Beteiligungserwerb des Dierichs Verlags läßt - wie
  353. das Kammergericht richtig entschieden hat - ferner erwarten, daß auch die besonders hervorgehobene Marktstellung der WV KG auf dem sich wechselseitig
  354. beeinflussenden (vgl. BGHZ 82, 1, 8 - Zeitungsmarkt München) Leser- und Anzeigenmarkt im Altkreis Eschwege weiter verstärkt wird.
  355. - 20 -
  356. Auch wenn bisherige Versuche anderer Zeitungsverlage, im Verbreitungsgebiet der Werra Rundschau Fuß zu fassen, fehlgeschlagen sind, ist den
  357. Rechtsbeschwerden nicht darin zu folgen, daß die WV KG damit eine
  358. schlechthin unangreifbare Marktstellung besitze, welche auch potentiellen
  359. Wettbewerb ausschließe. Daß jedenfalls Herr Dr. Kluthe als der bisher hinter
  360. der WV KG stehende maßgebliche Gesellschafter die potentielle Gefährdung
  361. der Werra Rundschau durch aufkommenden Wettbewerb - sei es seitens der
  362. vom benachbarten Thüringen aus operierenden Zeitungskonzerne, sei es seitens des Dierichs Verlags - sieht, ergibt sich aus seinen verschiedenen Aktivitäten, mit denen er auf Dauer die Existenz der Werra Rundschau sichern will.
  363. Neben der Gründung der Fördergesellschaft gehört dazu auch die in der vorgesehenen Übertragung einer weiteren Kommanditbeteiligung an den Dierichs
  364. Verlag zum Ausdruck kommende Anlehnung an die Dierichs Gruppe. Mit ihr
  365. erreicht die WV KG nicht nur, daß der Dierichs Verlag auf Dauer von der Fortsetzung seines früheren Versuchs Abstand nimmt, mit einer Lokalausgabe der
  366. HNA im Altkreis Eschwege Fuß zu fassen. Der Zuwachs an Finanzkraft und
  367. Know
  368. How
  369. des
  370. Dierichs Verlags, den die WV KG durch die Aufstockung der Beteiligung gewinnt, läßt gleichzeitig erwarten, daß andere potentielle Wettbewerber entmutigt und auf Dauer davon abgehalten werden, abermals zu versuchen, auf dem
  371. Anzeigen- und Lesermarkt im Altkreis Eschwege in Konkurrenz zu der Werra
  372. Rundschau zu treten. Dieser durch die vorgesehene Beteiligung eintretende
  373. Abschreckungs- und Entmutigungseffekt reicht neben der Ausschaltung potentiellen Wettbewerbs durch den Dierichs Verlag aus, um eine Verstärkung der
  374. Marktstellung der WV KG erwarten zu lassen (vgl. BGHZ 82, 1, 8 - Zeitungsmarkt München; BGH WuW/E 1954, 1957 f. - Springer-az Anzeigenblatt; BGH
  375. WuW/E 2150, 2157 - Edelstahlbestecke; Beschl. v. 10.12.1991 - KVR 2/90,
  376. WuW/E 2731, 2737 - Inlandstochter).
  377. - 21 -
  378. 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Satz 2 GWB.
  379. Hirsch
  380. Melullis
  381. Ball
  382. Goette
  383. Bornkamm