Search on legal documents using Tensorflow and a web_actix web interface
You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

421 lines
22 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IX ZR 66/07
  5. Verkündet am:
  6. 22. Januar 2009
  7. Fritz
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. InsO § 55 Abs. 1 Nr. 2, § 103; BGB §§ 346, 883
  19. Tritt der durch eine Vormerkung gesicherte Käufer nach Zahlung des Kaufpreises wegen eines Rechtsmangels von dem Grundstückskaufvertrag zurück und
  20. wird danach ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Verkäufers eröffnet, kann der Insolvenzverwalter von dem Käufer Bewilligung der Löschung der
  21. Vormerkung verlangen, ohne an ihn den Kaufpreis aus der Masse erstatten zu
  22. müssen.
  23. BGH, Urteil vom 22. Januar 2009 - IX ZR 66/07 - OLG Hamburg
  24. LG Hamburg
  25. -2-
  26. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  27. vom 22. Januar 2009 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter und die Richter Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Fischer und Grupp
  28. für Recht erkannt:
  29. Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 6. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom
  30. 1. März 2007 und das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 18, vom 1. September 2006 teilweise aufgehoben und
  31. insgesamt wie folgt neu gefasst:
  32. Die Beklagten werden verurteilt, dem Kläger die Zustimmung zur
  33. Löschung der zu ihren Gunsten im Grundbuch von V.
  34. , Blatt
  35. …… unter lfd. Nr. 5 und Blatt …. unter lfd. Nr. 4, eingetragenen
  36. Auflassungsvormerkung zu erteilen.
  37. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt. Der
  38. Nebenintervenient trägt seine Kosten selbst.
  39. Von Rechts wegen
  40. Tatbestand:
  41. Der Kläger ist Verwalter in dem am 1. Juli 2005 über das Vermögen der
  42. 1
  43. W.
  44. GmbH (fortan: Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren.
  45. -3-
  46. 2
  47. Die Schuldnerin erwarb durch den von dem Nebenintervenienten notariell
  48. beurkundeten Vertrag vom 20. Februar 2004 die im Urteilstenor bezeichneten
  49. Grundstücke von dem Verkäufer R. F. Zugleich verpflichtete sich die Schuldnerin, an den Grundstücken zugunsten des Eigentümers des Nachbargrundstücks
  50. eine Dienstbarkeit und eine Reallast zu bestellen. Die beklagten Eheleute
  51. schlossen am 10. Juni 2004 mit der Schuldnerin einen ebenfalls von dem Nebenintervenienten beurkundeten Vertrag über den Kauf dieser Grundstücke.
  52. Darin sicherte die Schuldnerin den Beklagten zu, ihnen die Grundstücke frei
  53. von Belastungen in Abteilungen II und III des Grundbuchs zu übertragen. Den
  54. Kaufpreis von 165.000 € entrichteten die Beklagten auf ein Notaranderkonto
  55. des Nebenintervenienten. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses war die Schuldnerin mangels Kaufpreiszahlung noch nicht im Grundbuch als Eigentümerin
  56. eingetragen. Zugunsten der Beklagten wurde vereinbarungsgemäß am 13. Juni
  57. 2004 für das jeweilige Grundstück eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch
  58. eingetragen. Der Nebenintervenient ließ die Auflassungsvormerkungen am
  59. 28. Juli 2004 löschen, um rangwahrend die Eintragung der Dienstbarkeit und
  60. der Reallast vornehmen zu können. Unter Einsatz der von den Beklagten auf
  61. das Anderkonto überwiesenen Mittel bewirkte der Nebenintervenient am
  62. 3. August 2004 die Tilgung der noch offenen Kaufpreisforderung des Vorverkäufers gegen die Schuldnerin, die infolgedessen am 13. Oktober 2004 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen wurde. Auf Veranlassung des Nebenintervenienten wurden am 19. Oktober 2004 erneut Auflassungsvormerkungen
  63. zugunsten der Beklagten eingetragen.
  64. 3
  65. Die Beklagten traten am 23. Februar 2005 wegen der fortbestehenden
  66. abredewidrigen Grundstücksbelastungen von dem Kaufvertrag mit der Schuldnerin zurück. Danach verkaufte diese das Grundstück an die T.
  67. GmbH. Zu
  68. -4-
  69. einem Vollzug dieses Kaufvertrages kam es wegen des zwischenzeitlich eröffneten Insolvenzverfahrens nicht mehr.
  70. Der Kläger verlangt von den Beklagten die Zustimmung zur Löschung
  71. 4
  72. der Auflassungsvormerkungen. Das Landgericht hat die Beklagten wegen des
  73. von ihnen geltend gemachten Zurückbehaltungsrechts Zug um Zug gegen Zahlung von 165.000 € zur Abgabe der Erklärung verurteilt. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom erkennenden Senat zugelassenen Revision begehrt der Kläger die uneingeschränkte Verurteilung der Beklagten.
  74. Entscheidungsgründe:
  75. 5
  76. Die Revision des Klägers hat Erfolg.
  77. I.
  78. 6
  79. Das Berufungsgericht hat - teils unter Bezugnahme auf die Darlegungen
  80. des Erstgerichts - ausgeführt: Zwar sei das den Beklagten wegen ihrer Kaufpreiszahlung aus § 273 BGB zustehende Zurückbehaltungsrecht nicht insolvenzfest und könne dem nach § 894 BGB begründeten Klaganspruch nicht entgegengehalten werden. Ein insolvenzbeständiges Zurückbehaltungsrecht folge
  81. jedoch aus der analogen Anwendung der §§ 103, 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Nach
  82. der herrschenden Auffassung in der Literatur sei § 103 InsO auf beiderseits
  83. noch nicht voll erfüllte Rückabwicklungsschuldverhältnisse entsprechend anzu-
  84. -5-
  85. wenden.
  86. Durch
  87. die
  88. Geltendmachung
  89. eines Folgeanspruchs aus dem
  90. ehemaligen Vertragsverhältnis zwischen der Schuldnerin und den Beklagten
  91. habe der Kläger erkennen lassen, dass er die Erfüllung des Rückabwicklungsschuldverhältnisses verlange. Der entscheidende Unterschied zu den von dem
  92. Bundesgerichtshof entschiedenen Fallgestaltungen, in denen dieser die Insolvenzbeständigkeit eines Zurückbehaltungsrechts verneint habe (BGHZ 149,
  93. 326 ff; 150, 138 ff; 161, 241 ff), liege hier darin, dass der Vertrag zunächst wirksam und nicht von Anfang an nichtig gewesen sei.
  94. II.
  95. 7
  96. Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
  97. 8
  98. 1. Im Ausgangspunkt zutreffend haben die Vordergerichte angenommen,
  99. dass ein im Blick auf die Kaufpreiszahlung aus § 273 BGB hergeleitetes Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem - zumindest in analoger Anwendung (vgl.
  100. BGH, Urt. v. 11. November 1994 - V ZR 116/93, WM 1995, 159) - auf § 894
  101. BGB beruhenden Begehren des Klägers nicht insolvenzbeständig ist, weil es
  102. ein Zwangsmittel zur Durchsetzung einer rein persönlichen Forderung darstellt,
  103. dessen Zulassung mit dem Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger unvereinbar wäre (BGHZ 150, 138, 145; BGH, Urt. v. 23. Mai
  104. 2003 - V ZR 279/02, ZIP 2003, 1406, 1407).
  105. 9
  106. 2. Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, ein
  107. Zurückbehaltungsrecht der Beklagten ergebe sich aus § 55 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 103 Abs. 1 InsO. Auch in vorliegender Sache kann der Senat die
  108. Frage offenlassen (vgl. BGHZ 150, 138, 148; Urt. v. 23. Oktober 2003 - IX ZR
  109. -6-
  110. 165/02, WM 2003, 2429, 2430 f mit jeweils bejahenden Nachweisen), ob § 103
  111. InsO auf die Geltendmachung von Ansprüchen bei Rückabwicklung eines gegenseitigen Vertrages überhaupt anwendbar ist (in diesem Sinne außerdem:
  112. OLG Stuttgart ZInsO 2004, 1087, 1088 f; Jaeger/Henckel, InsO § 55 Rn. 45;
  113. HK-InsO/Lohmann, 5. Aufl. § 55 Rn. 16; Wegener, Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters unter dem Einfluss des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes,
  114. 2007, Rn. 686 ff; Kepplinger, Das Synallagma in der Insolvenz, 2000, S. 336 f)
  115. und der Kläger solche - tatsächlich in keinem Schriftsatz auch nur andeutungsweise erwähnte - Rechte neben dem Anspruch aus § 894 BGB verfolgt hat (vgl.
  116. Marotzke LM § 273 BGB Nr. 62 Bl. 6). Jedenfalls wäre selbst bei Geltendmachung auch des vertraglichen Rückgewähranspruchs durch den Kläger ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten nicht geeignet, den dinglichen Grundbuchberichtigungsanspruch (§ 894 BGB) zu beschränken, wie der Senat für den
  117. vergleichbaren Fall der Bestellung einer Vormerkung auf der Grundlage eines
  118. formnichtigen Kaufvertrages entschieden hat (BGHZ 150, 138, 148). Überdies
  119. fehlt es als Voraussetzung für die Anwendung des § 103 InsO an einer Leistungsbewirkung seitens der Schuldnerin an die Beklagten; denn in Ermangelung einer Leistung ist auch nichts rückabzuwickeln. Selbst wenn von einer
  120. Leistung der Schuldnerin auszugehen wäre, stünde sie mit der Kaufpreiszahlung durch die Beklagten nicht in dem zu fordernden synallagmatischen Austauschverhältnis.
  121. 10
  122. a) Der Insolvenzverwalter wählt mit der Ausübung eines Rücktrittsrechts
  123. nicht schon die Erfüllung des Rückabwicklungsverhältnisses. Vielmehr muss
  124. hinzutreten, dass er als Folge der Umgestaltung des Vertragsverhältnisses eine
  125. an den Vertragspartner bewirkte Leistung zurückverlangt (Jaeger/Henckel, aaO
  126. § 55 Rn. 45). Erklärt - wie im Streitfall - der Vertragsgegner den Rücktritt, kann
  127. eine Erfüllungswahl durch den Insolvenzverwalter ebenfalls nur angenommen
  128. -7-
  129. werden, wenn er die Rückgewähr der an den Vertragsgegner erbrachten Leistung beansprucht. Bei der gebotenen insolvenzrechtlichen Betrachtungsweise
  130. begehrt der Kläger mit dem Grundbuchberichtigungsanspruch nicht eine von
  131. der Schuldnerin im Rahmen des Grundstückskaufvertrages erbrachte, im Vermögen der Beklagten dauerhaft einen eigenständigen wirtschaftlichen Wert
  132. verkörpernde Leistung. Vielmehr zieht der Kläger mit seinem Klageantrag lediglich die Konsequenzen aus der gesetzlich festgelegten Rechtslage, dass infolge
  133. des von den Beklagten erklärten Rücktritts ihr Eigentumsübertragungsanspruch
  134. und damit die Vormerkung als akzessorisches Sicherungsmittel entfallen sind.
  135. 11
  136. aa) Einer Vormerkung kommt selbst bei Bestehen des Erwerbsanspruchs für sich genommen kein wirtschaftlicher Wert zu. Ihr wohnt keine Leistung des Verkäufers inne, die sich nach grundbuchmäßigem Vollzug im Vermögen des Käufers wiederfindet. Die Bewilligung der Vormerkung belastet das
  137. Vermögen des Verkäufers nicht. Die Belastung liegt vielmehr allein in der
  138. Übernahme der Auflassungsverpflichtung. Spiegelbildlich vermehrt allein der
  139. Auflassungsanspruch und nicht die auf dessen Sicherung beschränkte Vormerkung das Vermögen des Käufers. Die Vormerkung ist lediglich eine "Durchgangserscheinung" auf dem Weg vom schuldrechtlichen Anspruch zur Begründung des dinglichen Rechts und erlischt, sobald es zur Begründung des dinglichen Rechts kommt und der geschützte Anspruch durch Erfüllung untergeht.
  140. Sie ist als bloßes Sicherungsrecht keine Vorstufe der Auflassung und darum
  141. von dem zu erfüllenden Anspruch zu unterscheiden (BGHZ 34, 254, 258). Eine
  142. Vormerkung bewirkt lediglich die Sicherung der Erfüllbarkeit eines Anspruchs
  143. auf eine Verfügung über ein dingliches Recht, ohne die Erfüllung in irgendeiner
  144. Weise einzuleiten (Assmann, Die Vormerkung, 1998, S. 298). Sie zwingt den
  145. Verkäufer weder zur Auflassung, noch nimmt sie diesem irgendwelche Einwendungen oder Einreden gegen den Anspruch des Käufers auf Auflassung (Ass-
  146. -8-
  147. mann, aaO S. 315). Über die Sicherung der Erfüllbarkeit des Anspruchs auf das
  148. dingliche Recht hinausgehende Rechte verleiht die Vormerkung nicht (Assmann, aaO S. 316). Folgerichtig ist die Vormerkung nicht als selbständiger wirtschaftlicher Wert von dem Auflassungsanspruch getrennt übertragbar, sondern
  149. geht mit der Abtretung des durch sie gesicherten Auflassungsanspruchs gemäß
  150. § 401 BGB auf den Zessionar über (BGHZ 25, 16, 23; Staudinger/Gursky, BGB
  151. (2008) § 883 Rn. 344 m.w.N.).
  152. 12
  153. bb) Nach dem Rücktritt der Beklagten vom Kaufvertrag mit der Schuldnerin ist die zu ihren Gunsten bewilligte Vormerkung erloschen, weil die durch sie
  154. gesicherte Forderung nicht mehr existiert (BGHZ 143, 175, 179 m.w.N.; 150,
  155. 138, 142). Mit dem Untergang des Auflassungsanspruchs wird das Grundbuch
  156. wegen der Akzessorietät der eingetragenen Vormerkung "unrichtig" im Sinne
  157. des § 894 BGB (BGHZ 60, 46, 50). Eine nichtige Vormerkung hat keinerlei dingliche Wirkung (BGHZ 150, 138, 145). Die Beklagten sind damit nur noch Buchberechtigte einer keinen Rechtsanspruch verkörpernden Vormerkung, die nicht
  158. mehr der Sicherung eines Erwerbsanspruchs dient und allenfalls eine formale
  159. Rechtsposition ausdrückt. Der inhaltsleeren Vormerkung kommt im Blick auf die
  160. formellen Bestimmungen des Grundbuchrechts ein reiner "Lästigkeitswert" zu:
  161. Eine zu Unrecht noch eingetragene, durch einen Rücktritt des Berechtigten vom
  162. Kaufvertrag erloschene Vormerkung kann grundsätzlich gemäß § 22 Abs. 1
  163. GBO auch ohne Bewilligung des als vormerkungsberechtigt Eingetragenen gelöscht werden (vgl. Assmann, aaO S. 385). Dazu müsste der Nachweis des Erlöschens der Vormerkung durch den Untergang des vorgemerkten Anspruchs
  164. von dem Eigentümer gegenüber dem Grundbuchamt durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt werden (vgl. § 29 Abs. 1 GBO). Da der
  165. Kläger dazu nicht in der Lage ist, muss er den Klagweg beschreiten.
  166. -9-
  167. cc) Aus dem Fortbestand der Eintragung der materiell nicht mehr beste-
  168. 13
  169. henden Vormerkung können die Beklagten auch sonst keine Rechte herleiten.
  170. Die Vormerkung löst zugunsten der Beklagten gegenüber einem Dritterwerber
  171. weder außerhalb noch innerhalb des Insolvenzverfahrens Rechtswirkungen
  172. aus. Wäre der Kaufvertrag zwischen der T.
  173. GmbH und der Schuldnerin
  174. noch vor Insolvenzeröffnung vollzogen worden, könnten die Beklagten gegenüber dem Anspruch der Erwerberin aus § 894 BGB kein Zurückbehaltungsrecht
  175. erheben. Wegen des an die Schuldnerin gezahlten Kaufpreises könnten sie sich
  176. nicht
  177. auf
  178. § 404
  179. BGB
  180. berufen
  181. (BGHZ
  182. 150,
  183. 138,
  184. 145,
  185. 147).
  186. Ebenso wäre die Rechtslage zu beurteilen, wenn der Kläger als Insolvenzverwalter nach § 103 InsO die Erfüllung des Vertrages mit der T.
  187. GmbH
  188. gewählt hätte.
  189. 14
  190. dd) Wie der Senat entschieden hat, ist eine Vereinbarung wegen Insolvenzzweckwidrigkeit nichtig, durch die der Insolvenzverwalter dem Inhaber einer nachrangigen, offensichtlich wertlosen Grundschuld für die Erteilung der
  191. Löschungsbewilligung eine über die verauslagten Löschungskosten hinausgehende, der teilweisen Durchsetzung der faktisch ungesicherten schuldrechtlichen Forderung gleichkommende Zahlung verspricht (BGH, Beschl. v. 20. März
  192. 2008 - IX ZR 68/06, ZIP 2008, 884 f. Rn. 6). Im Streitfall ist das bereits seiner
  193. Rechtsnatur nach wertlose grundbuchmäßige Recht der Beklagten sogar erloschen. Folglich wäre es erst recht insolvenzzweckwidrig, wenn der Kläger den
  194. Beklagten für die grundbuchmäßige Umsetzung des auf ihrer eigenen Rücktrittserklärung beruhenden unumkehrbaren Rechtsverlusts eine Vergütung in
  195. Höhe ihres ungesicherten Rückzahlungsanspruchs zusagen würde. Eine solchermaßen verbotene Vereinbarung kann auch nicht im Wege eines Rückabwicklungsverhältnisses erzwungen werden. Eine Erfüllungswahl, die offenkundig und für den Vertragsgegner erkennbar der Insolvenzmasse keinen Nutzen
  196. - 10 -
  197. bringen kann, wäre wegen Insolvenzzweckwidrigkeit unwirksam (BGHZ 150,
  198. 353, 360 ff; MünchKomm-InsO/Hefermehl, 2. Aufl. § 55 Rn. 107; Häsemeyer,
  199. Insolvenzrecht 4. Aufl. Rn. 14.09).
  200. 15
  201. b) Der von dem Kläger verfolgte Grundbuchberichtigungsanspruch
  202. (§ 894 BGB) steht überdies zu dem von den Beklagten erhobenen Kaufpreisrückzahlungsverlangen nicht in einem Synallagma. § 103 InsO betrifft nur gegenseitige Verträge im Sinne der §§ 320 ff BGB, bei denen Leistung und Gegenleistung synallagmatisch verknüpft sind. Damit sind Verträge gemeint, aus
  203. denen jeder Teil dem anderen Teil eine Leistung schuldet und bei denen jede
  204. Leistung deshalb geschuldet wird, weil die andere geschuldet wird (RGZ 147,
  205. 340, 342; MünchKomm-InsO/Huber, aaO § 103 Rn. 55; Nerlich/Römermann/
  206. Balthasar, InsO § 103 Rn. 8; Kepplinger, aaO S. 18 ff). Macht der Insolvenzverwalter einen nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis wurzelnden Anspruch geltend, ist § 103 InsO unanwendbar.
  207. 16
  208. aa) Im Verhältnis zwischen dem Kaufpreisanspruch und dem Anspruch
  209. auf Eintragung einer Vormerkung fehlt es an der erforderlichen synallagmatischen Verknüpfung. Die Vormerkung kann ihre auf die Vorleistung des Käufers
  210. gerichtete sichernde Wirkung gerade nur dann entfalten, wenn sie vor der Zahlung des Käufers eingetragen wird; ihr Bestand ist mithin von der Erfüllung des
  211. Kaufpreisanspruchs gänzlich unabhängig. Die Zahlung des Kaufpreises ist nicht
  212. Voraussetzung für die Eintragung einer Vormerkung, sondern umgekehrt die
  213. Eintragung einer Vormerkung Voraussetzung für die Fälligkeit des Kaufpreisanspruchs und damit seiner Erfüllung (vgl. Wolf in Lambert-Lang/Tropf/Frenz,
  214. Handbuch der Grundstückspraxis 2. Aufl. Teil 2 Rn. 96 [S. 95]). Mit der Zahlung
  215. des Kaufpreises wird allein der die Vormerkung nicht berührende Zweck verfolgt, die Auflassung des Grundstücks herbeizuführen. Eine synallagmatische
  216. - 11 -
  217. Verbindung liegt folglich nur zwischen Kaufpreis und Eigentumsübertragungsanspruch vor.
  218. 17
  219. bb) Ist der Übereignungsanspruch als Folge des Rücktritts entfallen, besteht zwischen einem Anspruch auf Kaufpreisrückerstattung und einem solchen
  220. auf Löschung der Vormerkung gleichfalls kein Gegenseitigkeitsverhältnis. Die
  221. Vormerkung sichert lediglich den Anspruch auf Erfüllung des Übereignungsanspruchs, auch in der Insolvenz, weil das vormerkungsgesicherte Recht gemäß
  222. § 106 Abs. 1 Satz 1 InsO aus der Insolvenzmasse zu erfüllen ist. Fehlt es an
  223. einem sicherungsfähigen Eigentumsübertragungsanspruch, so sichert die Vormerkung nicht etwa den Anspruch des Käufers auf Rückzahlung des Kaufpreises nach Rücktritt von dem Kaufvertrag (BGHZ 150, 138, 143). Die gegenteilige
  224. Auffassung der Vordergerichte könnte nicht selten zu dem höchst unbefriedigenden Ergebnis führen, dass das Grundbuch auf Dauer unrichtig wird, weil der
  225. Verwalter angesichts des Kaufpreiserstattungsanspruchs von einer Durchsetzung seines Grundbuchberichtigungsanspruchs absieht (BGHZ 150, 138, 147).
  226. Diese Betrachtungsweise liefe nicht nur auf eine mit der eindeutigen Gesetzeslage unvereinbare Umwidmung der Sicherungsfunktion einer Vormerkung hinaus, sondern würde als weitere Folge eine der materiellen Rechtslage widersprechende formelle Rechtslage perpetuieren.
  227. 18
  228. cc) Überdies stellt sich im hier gegebenen Fall, in dem der Kläger nach
  229. dem Rücktritt der Beklagten ein dinglich begründetes Recht der Insolvenzmasse geltend macht, die Rechtslage - wie schon eingangs unter 2. ausgeführt - bei
  230. wertender Betrachtung nicht entscheidend anders dar als bei einem von Anfang
  231. an nichtigen Vertrag (Schmitz, Die Bauinsolvenz 4. Aufl. Rn. 863; Volmer ZflR
  232. 2002, 543; Blank MittBayNot 2005, 165, 166; a.A. OLG Stuttgart aaO S. 1089).
  233. In dieser Konstellation ist das aus § 273 BGB herzuleitende Zurückbehaltungs-
  234. - 12 -
  235. recht nach gefestigter Rechtsprechung, von der auch die Vorinstanzen ausgegangen sind, nicht insolvenzbeständig (BGHZ 150, 138, 145; BGH, Urt. v.
  236. 23. Mai 2003, aaO).
  237. 19
  238. 3. Auch aus § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO folgt kein Zurückbehaltungsrecht der
  239. Beklagten.
  240. 20
  241. a) Diese Vorschrift setzt einen Anspruch aus § 812 ff BGB gegen die
  242. Masse voraus, während eine schon vor Insolvenzeröffnung eingetretene Bereicherung des Schuldners lediglich eine Insolvenzforderung erzeugt (RGZ 94, 20,
  243. 25; Uhlenbruck/Berscheid, InsO 12. Aufl. § 55 Rn. 74; HK-InsO/Lohmann, aaO
  244. § 55 Rn. 26; Pape in Kübler/Prütting/Bork, § 55 Rn. 60). Soweit als Folge der
  245. pflichtwidrigen Weiterleitung des Kaufpreises in dem Eigentumserwerb der
  246. Schuldnerin an den Grundstücken eine ungerechtfertigte Bereicherung liegen
  247. sollte, wäre diese bereits bei der Schuldnerin und nicht erst bei der Masse eingetreten.
  248. 21
  249. b) Aus dem Urteil vom 15. Dezember 1994 (IX ZR 252/93, NJW 1995,
  250. 1484, 1485) vermögen die Beklagten entgegen der nicht näher begründeten
  251. Auffassung des Berufungsgerichts nichts für sich herzuleiten. Zwar hat der Senat dort einer Bereicherungseinrede (§ 812 Abs. 2, § 813 Abs. 1 Satz 1, § 821
  252. BGB) Wirkungen gegenüber der Masse zuerkannt. Der Senat hat aber wiederholt klargestellt, dass dieses Urteil eine besonders gelagerte Fallgestaltung betraf, in der sich die Abwehr einer ohne Rechtsgrund entstandenen Forderung
  253. auf den Wert der Masse nicht auswirkte, weil eine Forderung, der eine dauernde Einrede entgegensteht, von vornherein wertlos ist (vgl. BGHZ 150, 138, 147;
  254. 161, 241, 254 f).
  255. - 13 -
  256. 22
  257. 4. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als
  258. richtig dar (§ 561 ZPO).
  259. 23
  260. a) Das Berufungsgericht weist darauf hin, der Kläger könne das Grundstück nur deshalb verwerten, weil die Schuldnerin dieses mit Mitteln der Beklagten zu Eigentum erworben habe. Zu erwägen könnte daher die Anwendung des
  261. Surrogationsgedankens sein. Dieser vermag ein Zurückbehaltungsrecht der
  262. Beklagten jedoch nicht zu begründen. Ein gesetzlich geregelter Fall der Surrogation liegt nicht vor (vgl. Ganter NZI 2008, 583 ff). Der Surrogationsgedanke
  263. stellt für sich allein keine tragfähige dogmatische Grundlage dar, um wirkliche
  264. oder vermeintliche Gesetzeslücken zu schließen (Ganter aaO S. 588).
  265. 24
  266. b) Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) hindert gleichfalls
  267. nicht die uneingeschränkte Geltendmachung des Rückgewähranspruchs. Die
  268. Vordergerichte haben es als unbillig erachtet, die Beklagten für ihren Anspruch
  269. auf Rückzahlung des Kaufpreises auf eine Insolvenzforderung (§ 38 InsO) zu
  270. verweisen, obwohl die Grundstücke mit ihren Mitteln erworben wurden. Dieses
  271. Ergebnis beruht aber zum einen darauf, dass die Beklagten durch das
  272. - möglicherweise einen Schadensersatzanspruch nach § 19 BNotO auslösende - Handeln des Nebenintervenienten eine Vorleistung auf eine infolge der
  273. dinglichen Belastungen nicht vertragsgemäße Gegenleistung erbracht haben.
  274. Zum anderen ist dieses Ergebnis die Folge des von den Beklagten bereits vor
  275. Insolvenzeröffnung erklärten Rücktritts. Ohne dessen Ausübung hätten sie den
  276. Anspruch aus dem Kaufvertrag aufgrund der nachrangig zu den Belastungen
  277. eingetragenen Vormerkung auch in der Insolvenz der Schuldnerin noch durchsetzen können (§§ 883 BGB, 106 Abs. 1 Satz 1 InsO). Die Beklagten wären
  278. dann zumindest Eigentümer der durch die Rechtsmängel objektiv wohl nur geringfügig wertgeminderten Grundstücke geworden. Eine Einschränkung dinglich
  279. - 14 -
  280. begründeter Ansprüche der Insolvenzmasse ist nicht dadurch zu rechtfertigen,
  281. dass sich die Beklagten selbst um ihre Sicherung gebracht haben. Bei dieser
  282. durch das eigenverantwortliche Vorgehen der Beklagten geprägten Sachlage
  283. kann von einem für sie schlechthin untragbaren Ergebnis keine Rede sein
  284. (BGHZ 149, 326, 331; 150, 138, 144).
  285. III.
  286. Das angefochtene Urteil kann damit nicht bestehen bleiben. Es ist aufzu-
  287. 25
  288. heben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt
  289. und die Sache nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts
  290. zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine ersetzende Sachentscheidung
  291. zu
  292. treffen
  293. (§ 563
  294. Abs. 3
  295. ZPO).
  296. Die
  297. Voraussetzungen
  298. eines
  299. Zurück-
  300. - 15 -
  301. behaltungsrechts der Beklagten sind nicht gegeben. Die Klage ist insgesamt
  302. begründet.
  303. Ganter
  304. Kayser
  305. Fischer
  306. Gehrlein
  307. Grupp
  308. Vorinstanzen:
  309. LG Hamburg, Entscheidung vom 01.09.2006 - 318 O 43/06 OLG Hamburg, Entscheidung vom 01.03.2007 - 6 U 230/06 -