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5.6 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. IX ZR 53/13
  4. vom
  5. 6. Februar 2014
  6. in dem Rechtsstreit
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. BGB § 675 Abs. 1; InsO § 15a Abs. 1
  14. Tritt der Steuerberater bei einem rein steuerrechtlichen Mandat in konkrete Erörterungen über eine etwaige Insolvenzreife der von ihm beratenen Gesellschaft ein, ohne die
  15. Frage nach dem Insolvenzgrund zu beantworten, hat er das Vertretungsorgan darauf
  16. hinzuweisen, dass eine verbindliche Klärung nur erreicht werden kann, indem ihm oder
  17. einem fachlich geeigneten Dritten ein entsprechender Prüfauftrag erteilt wird.
  18. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2014 - IX ZR 53/13 - OLG Schleswig
  19. LG Kiel
  20. - 2 -
  21. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
  22. Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein und Vill, die Richterin Lohmann
  23. und den Richter Dr. Fischer
  24. am 6. Februar 2014
  25. beschlossen:
  26. Die Beschwerden der Klägerin und des Beklagten gegen die
  27. Nichtzulassung der Revision im Urteil des 17. Zivilsenats des
  28. Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom
  29. 18. Januar 2013 werden zurückgewiesen.
  30. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Klägerin
  31. 65 v.H. und der Beklagte 35 v.H..
  32. Der Streitwert wird auf 448.500,24 € festgesetzt.
  33. Gründe:
  34. 1
  35. Beide Beschwerden decken keinen Zulassungsgrund auf.
  36. 2
  37. 1. Soweit das Berufungsgericht eine Haftung des Beklagten wegen der
  38. Verletzung einer Nebenpflicht dem Grunde nach bejaht hat, ist die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden.
  39. - 3 -
  40. 3
  41. a) Der Steuerberater unterliegt bei einem ausdrücklichen Auftrag zur Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens einer vertraglichen Haftung für etwaige Fehlleistungen (BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, WM 2013,
  42. 802 Rn. 15; vom 6. Juni 2013 - IX ZR 204/12, WM 2013, 1323 Rn. 12). Dies gilt
  43. auch dann, wenn der vertraglich lediglich mit der Erstellung der Steuerbilanz
  44. betraute Steuerberater weitergehend erklärt, dass eine insolvenzrechtliche
  45. Überschuldung nicht vorliege (BGH, Urteil vom 6. Juni 2013, aaO Rn. 13). Der
  46. lediglich mit der allgemeinen steuerlichen Beratung einer GmbH beauftragte
  47. Berater ist hingegen nicht verpflichtet, die Gesellschaft bei einer Unterdeckung
  48. in der Handelsbilanz auf die Pflicht ihres Geschäftsführers ungefragt hinzuweisen, eine Überprüfung, ob Insolvenzreife bestehe, in Auftrag zu geben oder
  49. selbst vorzunehmen (BGH, Urteil vom 7. März 2013, aaO). Dieser Grundsatz
  50. gilt uneingeschränkt, wenn der Berater ausschließlich mit den steuerlichen Angelegenheiten der Gesellschaft befasst ist.
  51. 4
  52. b) Den Steuerberater treffen jedoch weitergehende vertragliche Hinweispflichten, wenn er - wie hier - bei einem rein steuerrechtlichen Mandat mit dem
  53. Vertretungsorgan in konkrete Erörterungen über eine etwaige Insolvenzreife der
  54. von ihm beratenen Gesellschaft eintritt. Insoweit gilt nichts anderes als in sonstigen Fällen, in denen der Berater außerhalb des bestehenden Mandatsverhältnisses für die Entschließung des Mandanten erkennbar erhebliche Erklärungen
  55. abgibt, die sich als unzutreffend erweisen.
  56. 5
  57. aa) In einer solchen Gestaltung wird dem Berater nicht angesonnen,
  58. schon bei einem "äußeren Anlass" oder "äußeren Verdacht" einer Insolvenz
  59. den Mandanten auf die Notwendigkeit einer Prüfung hinzuweisen (vgl. BGH,
  60. Urteil vom 7. März 2013, aaO Rn. 17, 19). Vielmehr wird der steuerliche Berater
  61. - 4 -
  62. in einem Beratungsgespräch von dem Mandanten unmittelbar mit der konkreten
  63. Frage einer Insolvenzreife des Unternehmens konfrontiert. In einem solchen
  64. Fall muss der Berater schon mit Rücksicht auf die vielfältigen damit verbundenen rechtlichen Folgen dem Mandanten einen Weg aufzeigen, der ihm die
  65. Feststellung ermöglicht, ob eine Insolvenz vorliegt oder nicht. Dies kann geschehen, indem der steuerliche Berater auf der Grundlage eines ihm dann erteilten besonderen Auftrags selbst eine verbindliche gutachtliche Stellungnahme abgibt. Sieht sich der steuerliche Berater hierzu - sei es wegen fehlender
  66. Fachkunde oder mit Rücksicht auf eine komplexe Tatsachengrundlage - nicht in
  67. der Lage, muss er den Mandanten darauf hinweisen, zum Zwecke der erbetenen Klärung einem geeigneten Dritten einen Prüfauftrag zu erteilen (vgl. BGH,
  68. Urteil vom 19. Mai 2009 - IX ZR 43/08, WM 2009, 1376 Rn. 10 f).
  69. 6
  70. bb) Diesen Pflichten hat der Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht genügt. Danach war die Frage einer Insolvenz der Gesellschaft Gegenstand der zwischen der Klägerin und dem Beklagten geführten
  71. Unterredung. Im Rahmen des rein steuerlichen Mandats war der Beklagte nicht
  72. verpflichtet, ungefragt eine verbindliche Stellungnahme zur Frage der Insolvenzreife der Gesellschaft abzugeben. Jedoch war er gehalten, der Klägerin
  73. eine Klärung dieser Frage - sei es durch den Rat einer gesonderten eigenen
  74. Beauftragung oder der eines Dritten - zu ermöglichen. Dieser Verpflichtung hat
  75. der Beklagte nicht entsprochen, indem er es trotz festgestellter Nachfrage nach
  76. der Überschuldung der Gesellschaft bei unverbindlichen Diskussionen über ihre
  77. wirtschaftliche Lage beließ.
  78. 7
  79. 2. Die übrigen von dem Beklagten und der Klägerin erhobenen Zulassungsgründe greifen nicht durch. Die behauptete Verletzung von Verfahrensgrundrechten hat der Senat geprüft, aber für nicht durchgreifend erachtet. Von
  80. - 5 -
  81. einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2
  82. ZPO abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
  83. Kayser
  84. Gehrlein
  85. Lohmann
  86. Vill
  87. Fischer
  88. Vorinstanzen:
  89. LG Kiel, Entscheidung vom 02.03.2011 - 17 O 104/10 OLG Schleswig, Entscheidung vom 18.01.2013 - 17 U 14/11 -