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571 lines
35 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IX ZR 28/12
  5. Verkündet am:
  6. 10. Januar 2013
  7. Preuß
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  14. vom 10. Januar 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, den
  15. Richter Vill, die Richterin Lohmann, den Richter Grupp und die Richterin
  16. Möhring
  17. für Recht erkannt:
  18. Die Revision gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 26. Januar 2012 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
  19. Von Rechts wegen
  20. Tatbestand:
  21. 1
  22. Die
  23. S.
  24. AG (künftig: Schuldnerin zu 1) und die G.
  25. GmbH & Co. KG aA (künftig: Schuldnerin zu 2) sammelten Kapital zum Erwerb, zur Verwaltung und zur Verwertung von Immobilien, Wertpapieren und Unternehmensbeteiligungen, indem sie insbesondere Kleinanleger veranlassten, mit ihnen stille Gesellschaften zu gründen. So beteiligte sich auch
  26. der Beklagte in den neunziger Jahren an den beiden Schuldnerinnen beziehungsweise ihren Rechtsvorgängerinnen.
  27. 2
  28. Im Jahr 2001 kündigte er die Beteiligungen und verlangte von den
  29. Schuldnerinnen - unter Zuhilfenahme der Gerichte in einer Sammelklage mehrerer Anleger - seine Einlage zurück. Seine ihn damals vertretenden Prozess-
  30. -3-
  31. bevollmächtigten (künftig: Anwälte), die sich auf ihrer Internetseite seit 2001
  32. immer wieder mit den Schuldnerinnen beschäftigten, vertraten neben dem Beklagten eine Vielzahl von Anlegern. Seine Klage und Berufung hatten zunächst
  33. keinen Erfolg. Durch Urteil vom 26. September 2005 (II ZR 314/03) hob der
  34. Bundesgerichtshof auf die Revision der Anleger das Berufungsurteil auf und
  35. verwies die Sache an das Berufungsgericht zurück.
  36. 3
  37. Nach Bekanntwerden der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu
  38. den geltend gemachten Ansprüchen von Anlegern der Schuldnerinnen (Urteil
  39. vom 29. November 2004 - II ZR 6/03, ZIP 2005, 254; jeweils vom 21. März
  40. 2005 - II ZR 140/03, ZIP 2005, 753; - II ZR 149/03, ZIP 2005, 763; - II ZR
  41. 310/03, ZIP 2005, 759; vom 26. September 2005 - II ZR 314/03, ZIP 2005,
  42. 2060) schlossen sie am 18. November 2005 mit den Anwälten zugunsten von
  43. deren Mandanten, die sie bis zum 11. September 2005 mit ihrer Vertretung beauftragt hatten, einen Gesamtvergleich, wonach sie mit den Mandanten nach
  44. einem vereinbarten Schlüssel Einzelvergleiche schließen und an die Anwälte
  45. bis zum 15. April 2006 treuhänderisch 1.733.618,14 € zur Verteilung an die
  46. Mandanten zahlen sollten. Wenn der Termin nicht gehalten würde, sollten sie
  47. 2.088.606,19 € nebst Zinsen zahlen. Das Geld sollten sie in Höhe von
  48. 1.411.952,20 € (Zahlung bis zum 15. April 2006) beziehungsweise in Höhe von
  49. 1.766.940,95 € (Zahlung nach dem 15. April 2006) durch die Veräußerung vinkulierter Namensaktien an der G.
  50. und durch die
  51. Veräußerung von näher bezeichneten Immobilien aufbringen. Die Namensaktien wurden als Sicherung an die Anwälte verpfändet. Weiter verpflichteten sich
  52. die Schuldnerinnen, ihre Grundstückskäufer in dem notariellen Kaufvertrag anzuweisen, vom Kaufpreis 321.665,94 € direkt an die Anwälte zu zahlen.
  53. -4-
  54. 4
  55. Der vereinbarte Zahlungstermin verstrich ereignislos. Erst im August
  56. 2006 wurden die Grundstücke und im Oktober 2006 die Aktien veräußert. Vom
  57. Kaufpreis für die Lebensversicherung flossen weisungsgemäß 1.507.274,50 €
  58. auf das Konto des eingeschalteten Notars, der das Geld weisungsgemäß an die
  59. Anwälte weiterüberwies. Daraus wurde an den Beklagten Ende Oktober 2006,
  60. ohne dass die Vertragsparteien zuvor ausdrücklich einen Einzelvergleich geschlossen hätten, ein Betrag von 410,87 € auf die Schulden der Schuldnerin
  61. zu 1 und ein Betrag von 942,01 € auf die Schulden der Schuldnerin zu 2 gezahlt. Anfang April 2007 wurden auf Veranlassung der Schuldnerinnen weitere
  62. 300.000 € an die Anwälte überwiesen, woraus der Beklagte am 2. April 2007
  63. einen Betrag von 116,58 € auf die Verpflichtung der Schuldnerin zu 1 und einen
  64. Betrag von 221,64 € auf die Verpflichtung der Schuldnerin zu 2 erhielt.
  65. 5
  66. Am 7. Juni 2006 beantragte ein Insolvenzgläubiger, das Insolvenzverfahren über das Vermögen beider Schuldnerinnen zu eröffnen. Am 14. Juni 2007
  67. wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin zu 1 eröffnet, am 20. Juni 2007 das Verfahren über das Vermögen der Schuldnerin zu 2.
  68. Der Kläger wurde in beiden Verfahren zum Insolvenzverwalter bestellt und focht
  69. die im Oktober 2006 und im April 2007 an den Beklagten erfolgten Zahlungen
  70. an.
  71. 6
  72. Der Kläger hat als Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen
  73. der Schuldnerin zu 1 (Kläger zu 1) und als Verwalter im Insolvenzverfahren
  74. über das Vermögen der Schuldnerin zu 2 (Kläger zu 2) den Beklagten auf
  75. Rückgewähr der erhaltenen Zahlungen verklagt. Das Amtsgericht hat diesen
  76. verurteilt, an den Kläger zu 1 einen Betrag von 527,45 € nebst Zinsen und an
  77. den Kläger zu 2 einen Betrag von 1.163,65 € nebst Zinsen zu zahlen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und die Revisi-
  78. -5-
  79. on zugelassen. Mit seiner Revision will der Beklagte weiterhin die Abweisung
  80. der Klagen erreichen.
  81. Entscheidungsgründe:
  82. 7
  83. Die Revision ist unbegründet.
  84. A.
  85. 8
  86. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ergebe sich aus § 143 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO. Die angefochtenen
  87. Zahlungen vom 31. Oktober 2006 und vom 2. April 2007 stellten Rechtshandlungen der Schuldnerinnen dar, die zu einer Benachteiligung der Gesamtheit
  88. der Gläubiger geführt hätten. Die Schuldnerinnen hätten mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt, wovon der Beklagte gewusst habe. Die Schuldnerinnen seien im maßgeblichen Zeitpunkt am 31. Oktober 2006 und 2. April 2007 zahlungsunfähig gewesen, ohne dass sie mit einer baldigen Überwindung der Krise
  89. hätten rechnen können. Da es sich hierbei um für die Schuldnerinnen offen zutage liegende Umstände gehandelt habe, sei von einer entsprechenden Kenntnis der Schuldnerinnen auszugehen. Konkrete Umstände, die eine Beseitigung
  90. der Liquiditätslücke in naher Zukunft erwarten ließen, seien nicht ersichtlich und
  91. würden von dem Beklagten nicht vorgetragen. Der Beklagte oder aber seine
  92. Bevollmächtigten, deren allgemeines, sich aus ihren Internetpublikationen ergebendes Wissen dem Beklagten nach § 166 BGB zuzurechnen sei, hätten
  93. zumindest von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerinnen gewusst. Dass die wirtschaftliche Lage schlecht gewesen sei und die Zahlungsun-
  94. -6-
  95. fähigkeit gedroht habe, ergebe sich schon aus dem Zahlungsverhalten der
  96. Schuldnerinnen, der dem Beklagten bekannten Art und Weise der Liquiditätsbeschaffung und der Lage, in der sich die Schuldnerinnen angesichts der Prozesslawine befunden hätten.
  97. 9
  98. Dahinstehen könne, ob an den Aktien der G.
  99. ein Sicherungspfandrecht entstanden sei. Die Verpfändung wäre gleichfalls anfechtbar gewesen. Mangels anfechtungsfesten Absonderungsrechts habe die
  100. Zahlung gegen Freigabe des Pfandes objektiv gläubigerbenachteiligende Wirkung. Auf die Frage der Inkongruenz komme es für die Entscheidung nicht an,
  101. weil die Zahlung nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar sei. Ebenso könne offen
  102. bleiben, ob bereits die Zahlung durch Einschaltung eines Dritten, hier über das
  103. Notaranderkonto, eine inkongruente Deckung darstelle, wovon das Berufungsgericht allerdings ausgehe.
  104. B.
  105. 10
  106. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
  107. I.
  108. 11
  109. Mit Recht hat das Berufungsgericht entschieden, dass dem Kläger zu 1
  110. gegen den Beklagten ein Rückgewähranspruch aus § 143 Abs. 1 Satz 1, § 133
  111. Abs. 1 Satz 1 InsO zusteht. Rechtsfehler, die das Ergebnis in Frage stellen
  112. könnten, sind nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht hat die von ihm verfah-
  113. -7-
  114. rensfehlerfrei festgestellten Tatsachen in tatrichterlicher Verantwortung entsprechend gewürdigt.
  115. 12
  116. Nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO sind Rechtshandlungen, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, anfechtbar, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.
  117. 13
  118. 1. Die Rückzahlung der Einlage an den Beklagten acht Monate und im
  119. dritten Monat vor Stellung des Insolvenzantrags stellt sich aufgrund der Anweisungen der Schuldnerin zu 1 an die Käufer der Namensaktien und der Grundstücke, den Kaufpreis an den Notar zu zahlen, und an den Notar, das Geld an
  120. die Anwälte weiterzuleiten, als Rechtshandlungen der Schuldnerin zu 1 dar.
  121. Diese hat willensgeleitet darüber entschieden, die Zahlungen letztlich über die
  122. Anwälte an den Beklagten zu erbringen (BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - IX ZR
  123. 179/08, ZInsO 2011, 1350 Rn. 10).
  124. 14
  125. 2. Durch die Zahlung an den Beklagten sind die Insolvenzgläubiger objektiv benachteiligt worden (§ 129 InsO). Denn deren Befriedigungsmöglichkeiten hätten sich ohne sie bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 2010 - IX ZR 57/09, ZInsO 2010, 807
  126. Rn. 14). Durch die Zahlung an den Beklagten ist das Aktivvermögen der
  127. Schuldnerin zu 1 verkürzt und insoweit der Zugriff der Gläubiger auf ihr Vermögen vereitelt worden (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2010 - IX ZR 212/09,
  128. ZIP 2010, 2009 Rn. 19 mwN). Selbst wenn der Beklagte trotz der möglichen
  129. Unwirksamkeitsgründe, nämlich der mangelnden Bestimmtheit des Verpfändungsvertrages und der fehlenden Besitzverschaffung an den Aktien, durch die
  130. -8-
  131. gewählte Treuhandkonstruktion ein Absonderungsrecht an den Aktien erworben
  132. haben sollte, wäre der Verpfändungsvertrag seinerseits - ebenfalls eine objektiv
  133. gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung der Schuldnerin - wirksam nach
  134. § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO angefochten.
  135. 15
  136. 3. Die Schuldnerin zu 1 handelte sowohl bei Abschluss des Gesamtvergleichs mit Verpfändungsvertrag als auch bei den Zahlungen mit dem Vorsatz,
  137. ihre Gläubiger zu benachteiligen.
  138. 16
  139. a) Der Schuldner handelt mit Vorsatz, wenn er die Benachteiligung der
  140. Gläubiger als Erfolg seiner Rechtshandlung will oder als mutmaßliche Folge
  141. erkennt und billigt. Kennt der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit, kann daraus auf einen Benachteiligungsvorsatz geschlossen werden. In diesem Fall
  142. weiß der Schuldner, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen. Auch die nur drohende Zahlungsunfähigkeit stellt ein starkes
  143. Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners dar, wenn
  144. sie ihm bei der Vornahme der Rechtshandlung bekannt war (BGH, Urteil vom
  145. 13. April 2006 - IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 Rn. 14; vom 29. November 2007
  146. - IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 Rn. 32; vom 5. März 2009 - IX ZR 85/07,
  147. BGHZ 180, 98 Rn. 10; vom 13. August 2009 - IX ZR 159/06, WM 2009, 1943
  148. Rn. 8). In diesen Fällen handelt der Schuldner dann nicht mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er aufgrund konkreter Umstände - etwa der sicheren Aussicht,
  149. demnächst Kredit zu erhalten oder Forderungen realisieren zu können - mit einer baldigen Überwindung der Krise rechnen kann. Droht die Zahlungsunfähigkeit, bedarf es konkreter Umstände, die nahe legen, dass die Krise noch abgewendet werden kann (BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 - IX ZR 97/06, WM 2007,
  150. 1579 Rn. 8; vom 5. März 2009, aaO; vom 22. November 2012 - IX ZR 62/10,
  151. Rn. 7, zVb).
  152. -9-
  153. 17
  154. aa) Entgegen der Revisionsbegründung gelten diese Grundsätze auch
  155. dann, wenn eine kongruente Leistung angefochten wird. Einem Schuldner, der
  156. weiß, dass er nicht alle seine Gläubiger befriedigen kann, und der Forderungen
  157. eines einzelnen Gläubigers vorwiegend deshalb erfüllt, um diesen von der Stellung des Insolvenzantrags abzuhalten, kommt es nicht in erster Linie auf die
  158. Erfüllung seiner gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten, sondern auf die Bevorzugung dieses einzelnen Gläubigers an; damit nimmt er die Benachteiligung
  159. der Gläubiger im Allgemeinen in Kauf (BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR
  160. 169/02, BGHZ 155, 75, 83 f; vom 17. Juli 2003 - IX ZR 272/02, NJW 2003,
  161. 3560, 3561). Aber auch dann, wenn nicht festgestellt werden kann, dass der
  162. Schuldner einen einzelnen Gläubiger befriedigt, um ihn von der Vollstreckung
  163. oder von der Stellung eines Insolvenzantrags abzuhalten, handelt er mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er nur weiß, dass er zur Zeit der Wirksamkeit der
  164. Rechtshandlung (§ 140 InsO) zahlungsunfähig war (BGH, Urteil vom 24. Mai
  165. 2007, aaO Rn. 19; vom 20. Dezember 2007 - IX ZR 93/06, ZInsO 2008, 273
  166. Rn. 18 f; vgl. Fischer, NZI 2008, 588, 589 f). Mithin hat das Berufungsgericht mit
  167. Recht darauf abgestellt, dass die Schuldnerin zu 1 im November 2005, im Oktober 2006 und im April 2007 zahlungsunfähig war und sie darum wusste.
  168. 18
  169. bb) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht bei der Schuldnerin
  170. zu 1 das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit seit Mitte November 2005 bejaht.
  171. Die Revision greift diese Wertung auch nicht an. Eine Gesamtwürdigung der
  172. hier zu beachtenden Indizien gestattet den Schluss auf eine Zahlungseinstellung ab Mitte November 2005. Das Berufungsgericht hat durch allgemeine und
  173. besondere Bezugnahme auf den Bericht des ehemaligen Insolvenzverwalters
  174. K.
  175. und durch allgemeine Bezugnahme auf die tabellarische Aufstellung
  176. der Forderungsanmeldungen der Anwälte festgestellt, dass die Schuldnerin
  177. - 10 -
  178. zu 1 zu diesem Zeitpunkt weiteren von den Anwälten vertretenen Anlegern runde 146.000 € Schadensersatz und einer Gläubigerin - tituliert seit dem 1. November 2005 - 1,3 Millionen € und einer weiteren 87.000 € aus Lieferung und
  179. Leistung schuldete und diese Forderungen bis zur Insolvenzeröffnung nicht beglich. Zum 31. Oktober 2006 schuldete die Schuldnerin weiteren von den Anwälten vertretenen Anlegern Schadensersatz in Höhe von 1.375.420,73 € und
  180. anderen Gläubigern 3.230.242,36 € aus Lieferung und Leistung und beglich
  181. diese Forderungen bis zur Insolvenzeröffnung nicht. Haben im für die Anfechtung maßgeblichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur
  182. Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, ist regelmäßig von einer Zahlungseinstellung auszugehen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 2006
  183. - IX ZR 228/03, WM 2006, 2312 Rn. 28; vom 30. Juni 2011 - IX ZR 134/10,
  184. WM 2011, 1429 Rn. 12). Eine bloß vorübergehende Zahlungsstockung liegt
  185. nicht vor, wenn es dem Schuldner über mehrere Monate nicht gelingt, seine
  186. fälligen Verbindlichkeiten spätestens innerhalb von drei Wochen auszugleichen,
  187. und die rückständigen Beträge insgesamt so erheblich sind, dass von lediglich
  188. geringfügigen Liquiditätslücken keine Rede sein kann (BGH, Urteil vom
  189. 11. Februar 2010 - IX ZR 104/07, WM 2010, 711 Rn. 43; vom 30. Juni 2001,
  190. aaO). Dass es sich bei den genannten Beträgen nicht um lediglich geringfügige
  191. Liquiditätslücken gehandelt hat, hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler
  192. daraus geschlossen, dass in die Grundbücher der der Schuldnerin zu 1 gehörenden Immobilien ab Ende Mai 2005 Zwangshypotheken in einem Umfang von
  193. 756.000 € und bis Ende 2005 in einem Umfang von runden 4,4 Millionen € eingetragen worden sind, eine Bank Ende Dezember 2005 das Kreditengagement
  194. über runde 5,3 Millionen € gekündigt und fällig gestellt hat und ab Juli 2006 der
  195. Gerichtsvollzieher wegen Forderungen in einem Umfang von 5,9 Millionen € mit
  196. nur teilweisem Erfolg bei der Schuldnerin zu 1 regelmäßig vollstreckte.
  197. - 11 -
  198. 19
  199. cc) Dass die Schuldnerin zu 1 beziehungsweise die für sie verantwortlich
  200. Handelnden von ihrer Zahlungsunfähigkeit wussten, hat das Berufungsgericht
  201. ebenfalls rechtsfehlerfrei - ohne dass die Revision insoweit eine Rüge erhoben
  202. hätte - daraus geschlossen, dass diese Umstände für die Schuldnerin zu 1 offen zutage lagen. Danach handelte die Schuldnerin zu 1 nur dann ohne Benachteiligungsvorsatz, wenn sie aufgrund besonderer Umstände davon ausgehen durfte, durch Verringerung der fälligen Forderungen und durch Erhöhung
  203. der Liquidität die fälligen Verbindlichkeiten insgesamt erfüllen zu können. Auch
  204. ernsthafte Sanierungsbemühungen können gegen den Benachteiligungsvorsatz
  205. sprechen. Es muss dann allerdings zu der Zeit der angefochtenen Handlung ein
  206. schlüssiges, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept vorliegen, das mindestens in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt
  207. worden ist und beim Schuldner die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - IX ZR 156/09, ZInsO
  208. 2012, 171 Rn. 11).
  209. 20
  210. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Schuldnerin zu 1 aufgrund etwaiger Sanierungsbemühungen, erwarteter Mittelzuflüsse oder der wirtschaftlichen
  211. Neuaufstellung mit einer baldigen Überwindung der Krise rechnen konnte, hat
  212. das Berufungsgericht nicht festgestellt. Der Beklagte hat auch nie behauptet,
  213. dass die Schuldnerin zu 1 aufgrund eines schlüssigen Sanierungskonzeptes im
  214. November 2005 den Gesamtvergleich geschlossen und im Oktober 2006 und
  215. im April 2007 die Auszahlung an den Beklagten vorgenommen hat. Die bloße
  216. Hoffnung der Schuldnerin zu 1, die Krise überwinden zu können, genügt nicht,
  217. den Benachteiligungsvorsatz zu widerlegen. Allerdings hat der Beklagte vorgetragen, dass der Vorstand der Schuldnerin zu 1 vor Abschluss des Gesamtvergleichs die Anlegervertreter um einen Sanierungsbeitrag gebeten und darauf
  218. verwiesen hat, dass man eine Steuererstattung und Geldeingänge von anderen
  219. - 12 -
  220. Anlegern erwarte. Hierin ist ein schlüssiges Sanierungskonzept jedoch nicht zu
  221. erkennen.
  222. 21
  223. b) Ein erhebliches Beweisanzeichen für einen Benachteiligungsvorsatz
  224. des Schuldners ist ferner gegeben, wenn der Gläubiger eine Befriedigung oder
  225. Sicherung erhält, die er nicht, nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hat, mithin eine inkongruente Deckung (BGH, Urteil vom 8. Dezember
  226. 2011, aaO Rn. 10). Allerdings hat das Berufungsgericht offen gelassen, ob Verpfändung und Zahlung kongruente oder inkongruente Leistungen darstellen.
  227. Das ist entgegen der Revision als solches nicht zu beanstanden, sofern das
  228. Gericht - wie geschehen - trotz Annahme einer kongruenten Leistung einen
  229. Gläubigerbenachteiligungsvorsatz feststellt. Das Berufungsgericht hat zudem
  230. Tatsachen festgestellt, die den Schluss auf eine inkongruente Leistung zulassen.
  231. 22
  232. aa) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass dem Beklagten gegen die
  233. Schuldnerin zu 1 ein Schadensersatzanspruch auf Rückzahlung der Einlage
  234. jedenfalls in Höhe von 527,45 € zustand. Der Zahlungsanspruch ist spätestens
  235. mit der gerichtlichen Geltendmachung fällig geworden.
  236. 23
  237. bb) Ein Anspruch auf Besicherung folgt hieraus nicht. Er ist nicht als minus in dem Anspruch auf Befriedigung enthalten, sondern als aliud anzusehen.
  238. Die Gewährung einer Sicherheit ist demgemäß nur dann kongruent, wenn der
  239. Sicherungsnehmer einen Anspruch auf gerade diese Sicherheit hatte. Wird ein
  240. Anspruch auf Sicherung in demselben Vertrag eingeräumt, durch den der gesicherte Anspruch selbst entsteht, liegt in der späteren Gewährung der Sicherheit
  241. keine inkongruente Deckung, weil von Anfang an ein Anspruch auf die Sicherung bestand. Wird hingegen eine bereits bestehende Verbindlichkeit nachträg-
  242. - 13 -
  243. lich besichert, liegt darin eine inkongruente Deckung (BGH, Urteil vom 18. März
  244. 2010 - IX ZR 57/09, ZInsO 2010, 807 Rn. 16).
  245. 24
  246. Zwar hatte die Schuldnerin zu 1 die Aktien an der Lebensversicherung
  247. den Anwälten als Sicherung zugleich mit dem Gesamtvergleich vom 18. November 2005 verpfändet. Die gesicherten Forderungen der von den Anwälten
  248. vertretenen Anleger waren jedoch bereits lange zuvor infolge der Verletzung
  249. von Aufklärungspflichten (jetzt § 280 Abs. 1, 3, §§ 282, 241 Abs. 2, § 311
  250. Abs. 2 Nr. 1 BGB) entstanden. In dem Gesamtvergleich hat die Schuldnerin ihre
  251. Zahlungspflicht gegenüber den Anwälten dem Grunde nach anerkannt und
  252. dadurch auf der einen Seite das Prozess- und Vollstreckungsrisiko der von den
  253. Anwälten vertretenen Anleger vermindert und auf der anderen Seite sich selbst
  254. infolge des teilweisen Forderungsverzichts Liquidität verschafft; der Vergleich
  255. diente dabei neben der Verstärkung auch der Sicherung der zuvor entstandenen Ansprüche. Jedenfalls auf die Sicherung ihrer Schadensersatzforderungen
  256. hatten die Anleger keinen Anspruch (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 2010, aaO
  257. Rn. 17). Mithin war jedenfalls die Verpfändung der Aktien, ihre Wirksamkeit unterstellt, inkongruent.
  258. 25
  259. cc) Ebenso wenig hatte der Beklagte einen Anspruch darauf, den Geldbetrag aufgrund einer mittelbaren Zahlung durch Gläubiger der Schuldnerin
  260. zu 1, nämlich den Käufern der Aktien und der Grundstücke, zu erhalten, die von
  261. der Schuldnerin zu 1 angewiesen worden waren, den Kaufpreis auf ein Notarkonto zu überweisen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine vom
  262. Schuldner durch Anweisung einer Zwischenperson bewirkte mittelbare Zahlung
  263. an einen seiner Gläubiger inkongruent, wenn jener Gläubiger keinen Anspruch
  264. auf diese Art der Erfüllung hatte (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2005 - IX ZR
  265. 182/01, NJW 2006, 1348 Rn. 9). Auch hier bewirkt der Gesamtvergleich vom
  266. - 14 -
  267. 18. November 2005 keine kongruente Zahlung, weil er die abweichende Erfüllung der bereits zuvor entstandenen Ansprüche vorsah.
  268. 26
  269. 4. Eine Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung der Gläubiger
  270. nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO setzt weiter voraus, dass der Anfechtungsgegner zur Zeit der angefochtenen Handlung den Vorsatz des Schuldners, seine
  271. Gläubiger zu benachteiligen, kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der
  272. andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit drohte, und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte (§ 133 Abs. 1 Satz 2 InsO). Dies hat das Berufungsgericht nach der festgestellten Indizienlage rechtsfehlerfrei angenommen.
  273. 27
  274. a) Der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht auch im
  275. Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen. Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände
  276. kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt. Dabei darf aber nicht übersehen werden,
  277. dass solche Tatsachen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen
  278. darstellen, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht
  279. schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung
  280. angewandt werden dürfen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung hat der Tatrichter gemäß § 286 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der
  281. Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen (BGH, Urteil vom
  282. 13. August 2009 - IX ZR 159/06, WM 2009, 1943 Rn. 8). Die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung (BGH, Urteil vom 24. Mai
  283. 2007 - IX ZR 97/06, WM 2007, 1579 Rn. 25) ist dadurch teilweise überholt
  284. - 15 -
  285. (BGH, Urteil vom 13. August 2009, aaO). Die vom Senat in der neueren Rechtsprechung betonte Gesamtwürdigung der Beweisanzeichen hat das Berufungsgericht im Ergebnis vorgenommen, so dass seine Annahme einer tatsächlichen
  286. Vermutung im Ergebnis ohne Folgen geblieben ist. Es hat die Kenntnis des Beklagten von dem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin zu 1 aus den zwischen den Parteien unstreitigen Umständen und den Angaben der Anwälte in
  287. ihren Internetveröffentlichungen geschlossen. Diese Würdigung hält gleichfalls
  288. den Angriffen der Revision stand.
  289. 28
  290. aa) Beanstandungsfrei hat es dabei auf das Wissen der den Beklagten
  291. im Rechtsstreit mit der Schuldnerin zu 1 vertretenden Anwälte abgestellt, die
  292. - soweit sie ihr Wissen aus allgemein zugänglichen Quellen erlangt oder ihr
  293. Wissen über ihre Internetseite allgemein verbreitet haben - nach § 166 Abs. 1
  294. BGB Wissensvertreter des Beklagten waren (vgl. Jaeger/Henckel, InsO, § 130
  295. Rn. 123; MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 130 Rn. 41). Eine Wissenszurechnung kommt auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO in Betracht (vgl. BGH,
  296. Urteil vom 30. Juni 2011 - IX ZR 155/08, BGHZ 190, 201 Rn. 14 ff).
  297. 29
  298. bb) Die Kenntnis des Beklagten von der drohenden Zahlungsunfähigkeit
  299. der Schuldnerin zu 1 hat das Berufungsgericht im Rahmen seiner tatrichterlichen Verantwortung aus dem Gesamtvergleich, der verspäteten Zahlung, den
  300. höchstrichterlich bestätigten Ansprüchen der Anleger gegen die G.
  301. Gruppe und den Internetveröffentlichungen der Anwälte abgeleitet. Die Revisionsrügen bringen diese Würdigung nicht zu Fall.
  302. 30
  303. (1) Die schlechte wirtschaftliche Lage der Schuldnerin zu 1 und deren
  304. drohende Zahlungsunfähigkeit hat das Berufungsgericht entgegen den Ausführungen der Revisionsbegründung nicht allein aus dem Umstand der verspäteten
  305. - 16 -
  306. Zahlung hergeleitet, sondern insbesondere aus dem Umstand, dass die
  307. Schuldnerin zu 1 durch die nicht fristgerechte Zahlung die Chance vergeben
  308. hat, eine weitere Reduzierung der Forderung um runde 354.000 € zu erreichen.
  309. Auch hat das Berufungsgericht in der den Anwälten bekannten Herkunft der
  310. Zahlungsmittel ein gewichtiges Indiz für die fehlende Liquidität der Schuldnerin
  311. zu 1 gesehen. Diese musste zur Begleichung der Vergleichsforderung Anlagevermögen veräußern, wofür ihr nach dem Inhalt des Vergleichs ein Zeitraum
  312. von fünf Monaten zugestanden wurde, sie tatsächlich aber fast elf Monate benötigte.
  313. 31
  314. (2) Zutreffend hat das Berufungsgericht auf die in der ersten Hälfte des
  315. Jahres 2005 bekannt gewordenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu
  316. etwaigen Schadensersatzansprüchen von Anlegern der Schuldnerin hingewiesen. Den Entscheidungen war zu entnehmen, dass jedenfalls die Anleger, denen nach den vertraglichen Vereinbarungen das Auseinandersetzungsguthaben
  317. ratierlich ausgezahlt werden sollte, ihre Beteiligung kündigen durften, nachdem
  318. sich die Schuldnerin in einem Rechtsstreit mit dem Bundesaufsichtsamt für
  319. Kreditwesen in einem Prozessvergleich verpflichtet hatte, die Auseinandersetzungsguthaben nicht mehr ratierlich, sondern nur noch in jeweils einer Summe
  320. auszuzahlen (BGH, Urteile vom 21. März 2005 - II ZR 140/03, ZIP 2005, 753,
  321. 758; II ZR 310/03, ZIP 2005, 759, 762). Daraus hat das Berufungsgericht mit
  322. Recht geschlossen, dass der Schuldnerin zu 1 hierdurch erhebliche Liquidität
  323. entzogen wurde. Die Feststellung des Berufungsgerichts, dass aus diesem
  324. Grund die meisten, wenn nicht alle Anleger sich von ihrer Beteiligung trennen
  325. konnten, ist von der Revision nicht angegriffen.
  326. 32
  327. Zudem hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Anleger, die
  328. eine Beteiligung an der Schuldnerin zu 1 nach dem 1. Januar 1998 erworben
  329. - 17 -
  330. haben und denen die Schuldnerin zu 1 eine ratierliche Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens versprochen hatte, in jedem Fall die Einlage im
  331. Wege des Schadensersatzes wegen Verletzung der Aufklärungspflicht von der
  332. Schuldnerin zu 1 zurückverlangen konnten. Nach der Neufassung des § 1
  333. Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG durch die 6. KWG-Novelle hätte die Schuldnerin zu 1
  334. entweder für Klarheit sorgen müssen, ob das Stehenlassen eines Auseinandersetzungsguthabens möglicherweise als erlaubnispflichtiges Bankgeschäft aufgefasst werden konnte und deswegen die Gefahr bestand, dass die Aufsichtsbehörde - wie geschehen - gegen sie eine Verbotsverfügung erlasse. Alternativ
  335. hätte sie die Anlageinteressenten darauf hinweisen müssen, dass aufgrund der
  336. Gesetzesänderung rechtliche Bedenken gegen die ratierliche Auszahlung der
  337. Auseinandersetzungsguthaben bestehen könnten (BGH, Urteil vom 21. März
  338. 2005 - II ZR 149/03, ZIP 2005, 763, 765). Daraus hat das Berufungsgericht unbeanstandet geschlossen, dass ein maßgeblicher Teil der Anleger von der
  339. Schuldnerin zu 1 die Einlage zurückfordern konnte.
  340. 33
  341. Die Anwälte, die zumindest seit 2001 sich mit der Schuldnerin zu 1 und
  342. der G.
  343. Gruppe beschäftigten, etwa 400 Anleger gegen die Schuldnerin-
  344. nen vertraten und selbst wegen dieser Ansprüche für ihre Mandanten Prozesse
  345. führten, haben die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu dieser Frage
  346. aufmerksam verfolgt und die entsprechenden Schlüsse zeitnah gezogen. Dass
  347. sich daran ihre Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin schon im November 2005 anschloss, durfte das Berufungsgericht aus ihrem
  348. Internetauftritt vom 5. Juni 2007 schließen, wo diese mitgeteilt hatten, nach den
  349. zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs sei das Schicksal der G.
  350. Gruppe als Unternehmen besiegelt. Jedem, der seine Augen nicht völlig
  351. verschlossen habe, müsse klar sein, dass aufgrund der bisher getätigten Anlagen eine Erfüllung der Schadensersatzansprüche selbst dann nicht mehr mög-
  352. - 18 -
  353. lich sei, wenn sie nur von einem Bruchteil der Anleger geltend gemacht würden.
  354. Aus diesen Äußerungen und den Äußerungen der Anwälte in den vor 2005 erfolgten Internetauftritten ergibt sich, dass diese die Geschäftstätigkeit der G.
  355. Gruppe kritisch beobachtet haben und ihnen die desolate finanzielle und
  356. wirtschaftliche Lage bekannt war, sie insbesondere wussten, dass die Schuldnerin zu 1 sich im Wesentlichen nur über die Einlagen der Anleger finanzierte.
  357. 34
  358. (3) Gegen die Würdigung spricht nicht der Vortrag des Beklagten, die
  359. Anwälte seien davon ausgegangen, der Konzern der Schuldnerin zu 1 habe in
  360. der Vergangenheit bei den Anlegern mehr als 2 Milliarden € eingesammelt,
  361. weshalb die von ihnen repräsentierte Forderung von 1,7 Millionen € noch nicht
  362. einmal ein Promille dieser Summe decke. Selbst wenn die G.
  363. Gruppe als
  364. Konzern seit Ende der achtziger und Beginn der neunziger Jahre bei den Anlegern Einlagen in einem Umfang von über 2 Milliarden € eingesammelt haben
  365. sollte, sagt dies nichts über die Liquidität des Konzerns und der Schuldnerin
  366. zu 1 sowie die Kenntnis des Beklagten von einer fehlenden Liquidität in November 2005, in Oktober 2006 und in April 2007 aus. Die Anwälte haben seit
  367. 2001 anhand der ihnen zugänglichen Informationen immer wieder in ihren vom
  368. Berufungsgericht in Bezug genommenen Internetauftritten darauf hingewiesen,
  369. dass das eingenommene Geld nicht mehr vorhanden war. Deswegen war ihnen
  370. wegen der Vielzahl der Anleger und des Umfangs der berechtigten Schadensersatzansprüche klar, dass die Schuldnerin zu 1 nicht alle berechtigten Forderungen der Anleger würde begleichen können.
  371. 35
  372. (4) Das Berufungsgericht hat den Vortrag des Beklagten nicht übergangen, die für die Schuldnerin zu 1 handelnden Vorstände hätten nach einem Sanierungsbeitrag des Beklagten gefragt und angegeben, dass sie neben den
  373. Einzahlungen von Anlegern eine Steuerrückzahlung erwarteten, das Geschäfts-
  374. - 19 -
  375. feld der Schuldnerin zu 1 neu ausrichten und dadurch das Unternehmen sanieren wollten. Denn es hat ausdrücklich die Frage nach einem Sanierungskonzept
  376. angesprochen. Aus diesem Vortrag des Beklagten musste es indes nicht den
  377. Schluss ziehen, der Beklagte habe keine Kenntnis von dem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt.
  378. 36
  379. Allerdings verlangt § 133 Abs. 1 InsO positive Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, das heißt für sicher gehaltenes Wissen. Steht in Rede, die (drohende) Zahlungsunfähigkeit sei behoben, genügt hierfür, dass der Anfechtungsgegner von dieser Möglichkeit ausging (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 2008 - IX ZR 98/07, NJW 2008, 2190
  380. Rn. 14). Doch kann eine anfechtbare Rechtshandlung nicht allein aufgrund eines "Gesinnungswandels" auf Seiten des Anfechtungsgegners zu einer unanfechtbaren werden. Vielmehr muss die Auffassung des Anfechtungsgegners,
  381. der Schuldner sei nunmehr (möglicherweise) nicht mehr (drohend) zahlungsunfähig, an eine ihm nachträglich bekannt gewordenen Veränderung der Tatsachengrundlage anknüpfen (vgl. BGH, aaO Rn. 15). Haben zunächst - wie im
  382. Streitfall - Umstände vorgelegen, die zwingend auf die (drohende) Zahlungsunfähigkeit schließen ließen, weshalb deren Kenntnis der Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit gleich stand, kommt der Wegfall der Kenntnis von der
  383. Zahlungsunfähigkeit nur in Betracht, wenn diese Umstände nicht mehr gegeben
  384. sind (BGH, aaO Rn. 17).
  385. 37
  386. Dazu fehlt es an jedem Vortrag des Beklagten. Die durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eröffnete Möglichkeit der Anleger, vereinbarte
  387. Zahlungen an die Schuldnerin zu verweigern und Einlagen zurückzufordern,
  388. bestand weiterhin. Mit den Einlagen neuer Anleger durften die Altanleger nicht
  389. ausbezahlt werden, weil diese - als Folge des jedenfalls dann vorliegenden
  390. - 20 -
  391. Schneeballsystems - wiederum Schadensersatzansprüche gegen die Schuldnerin zu 1 gehabt hätten, was die Anwälte wussten. Ebenso wenig hat der Beklagte dargetan, dass die erwartete Steuerrückerstattung die Liquiditätslage der
  392. Schuldnerin zu 1 durchgreifend verbessern würde. Dass die Anwälte darauf
  393. nicht vertraut haben, ergibt sich schon daraus, dass sie für ihre Mandanten eine
  394. (inkongruente) Sicherung haben erreichen wollen.
  395. 38
  396. Ebenso wenig hat das Berufungsgericht den Vortrag des Beklagten
  397. übergangen, die Staatsanwaltschaft Braunschweig habe ein Ermittlungsverfahren gegen die Verantwortlichen der Schuldnerin zu 1 wegen Insolvenzverschleppung eingestellt. Es hat diesem Umstand nur nicht die Bedeutung beigemessen, die die Revision ihr beimessen will. Es hat zutreffend darauf verwiesen, dass die Anwälte sich durch die Einstellung des Verfahrens in ihrer Überzeugung über die schlechte finanzielle Lage der Schuldnerin zu 1 nicht hätten
  398. erschüttern lassen, wie die Internetauftritte der Anwälte belegen.
  399. 39
  400. b) Ein weiteres Beweisanzeichen für die Kenntnis des Beklagten vom
  401. Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin zu 1, welches das Berufungsgericht
  402. zu Lasten des Beklagten ebenfalls hätte berücksichtigen können, sind die inkongruente Verpfändung der Namensaktien und die inkongruenten Zahlungen
  403. (vgl. oben). Nach der Rechtsprechung des Senats bildet eine inkongruente Deckung ein Beweisanzeichen für die Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes,
  404. wenn die Wirkungen der Rechtshandlung zu einem Zeitpunkt eintraten, als zumindest aus der Sicht des Empfängers der Leistung Anlass bestand, an der
  405. Liquidität des Schuldners zu zweifeln (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012
  406. - IX ZR 117/11, ZInsO 2012, 2244 Rn. 13). Dies aber war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts der Fall (vgl. oben).
  407. - 21 -
  408. II.
  409. 40
  410. Das Berufungsurteil hat im Ergebnis auch Bestand, soweit das Berufungsgericht einen Zahlungsanspruch des Klägers zu 2 gegen den Beklagten
  411. aus § 143 Abs. 1 Satz 1, § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO bejaht hat. Dabei kann dahin
  412. stehen, ob das Berufungsgericht ausreichende Feststellungen zur Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zu 2 zu den maßgeblichen Terminen getroffen hat.
  413. Die angefochtene Entscheidung ist aus anderen Gründen richtig (§ 561 ZPO).
  414. Sowohl die Verpfändung der Namensaktien als auch die Zahlungen am
  415. 31. Oktober 2006 und 2. April 2007 waren inkongruente Leistungen, auf die der
  416. Beklagte keinen Anspruch hatte (vgl. oben). Als solche sind sie erhebliche Beweisanzeichen nicht nur für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin zu 2, sondern auch für die entsprechende Kenntnis des Beklagten, weil
  417. für ihn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zum Zeitpunkt der Verpfändung und der Zahlungen Anlass bestand, an der Liquidität auch der
  418. Schuldnerin zu 2 zu zweifeln (vgl. oben). Aus dem Gesamtvergleich ergab sich,
  419. dass auch die Schuldnerin zu 2 den Vergleichsbetrag nur durch die Veräußerung von Anlagevermögen aufbringen konnte. Sie konnte den vereinbarten Zah-
  420. - 22 -
  421. lungstermin nicht einhalten. Insoweit und auch im Übrigen gilt das zur Schuldnerin zu 1 Gesagte entsprechend.
  422. Kayser
  423. Vill
  424. Grupp
  425. Lohmann
  426. Möhring
  427. Vorinstanzen:
  428. AG München, Entscheidung vom 28.01.2011 - 121 C 30521/10 LG München I, Entscheidung vom 26.01.2012 - 6 S 4110/11 -