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376 lines
18 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IX ZR 118/11
  5. Verkündet am:
  6. 15. Dezember 2011
  7. Preuß
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. InsO §§ 54, 129 Abs. 1, §§ 130, 142
  19. Die Vereinnahmung der Vergütung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter in
  20. einem
  21. nicht
  22. zur
  23. Eröffnung
  24. gelangten
  25. Verfahren
  26. kann
  27. in
  28. einem
  29. später eröffneten Insolvenzverfahren als kongruente Deckung anfechtbar sein.
  30. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2011 - IX ZR 118/11 - OLG Brandenburg
  31. LG Neuruppin
  32. -2-
  33. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  34. vom 15. Dezember 2011 durch den Richter Vill als Vorsitzenden, den Richter
  35. Raebel, die Richterin Lohmann und die Richter Dr. Fischer und Dr. Pape
  36. für Recht erkannt:
  37. Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 7. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 9. Februar
  38. 2011 und das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin vom 15. April 2010 aufgehoben.
  39. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.220,95 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. November 2006 zu zahlen.
  40. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
  41. Von Rechts wegen
  42. Tatbestand:
  43. 1
  44. Die Klägerin ist Verwalterin in dem auf Antrag des Finanzamts vom
  45. 25. Juli 2006 am 16. November 2006 eröffneten Insolvenzverfahren über das
  46. Vermögen der V.
  47. M.
  48. (im Folgenden: Schuldnerin). Sie begehrt von
  49. dem Beklagten Rückgewähr der Vergütung in Höhe 5.220,95 €, die dieser für
  50. seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter in einem früheren Insolvenzeröffnungsverfahren erhalten hat.
  51. -3-
  52. 2
  53. Der Beklagte war in dem auf Antrag einer gesetzlichen Krankenkasse
  54. eingeleiteten Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Schuldnerin zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt worden. Er wurde ermächtigt, Bankguthaben und sonstige Forderungen der
  55. Schuldnerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen. Nach
  56. Befriedigung der Antragstellerin erklärte diese ihren Eröffnungsantrag für erledigt. Mit Beschluss vom 9. Juni 2006 hob das Insolvenzgericht die vorläufige
  57. Insolvenzverwaltung auf und setzte die Vergütung des Beklagten für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter auf dessen Antrag mit Beschluss vom
  58. 28. Juli 2006 auf 5.520,95 € fest. Diesen Betrag überwies der Beklagte von einem Sonderkonto, das er im Rahmen der vorläufigen Verwaltung eingerichtet
  59. hatte, auf ein eigenes Konto. Das auf dem Sonderkonto befindliche Guthaben
  60. hatte er als vorläufiger Insolvenzverwalter für die Schuldnerin vereinnahmt.
  61. 3
  62. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg
  63. geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die
  64. Klägerin ihren Klageanspruch weiter.
  65. Entscheidungsgründe:
  66. 4
  67. Die zulässige Revision hat Erfolg. Der Beklagte ist antragsgemäß zu
  68. verurteilen.
  69. -4-
  70. I.
  71. 5
  72. Das Berufungsgericht hat gemeint, die Voraussetzungen eines Anfechtungstatbestandes, insbesondere des § 130 Abs. 1 InsO, lägen nicht vor, weil
  73. der Beklagte nicht Insolvenzgläubiger der Schuldnerin sei. Sein Vergütungsanspruch ergebe sich aus § 25 Abs. 2 Satz 1 InsO. Zwar sei die Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Schuldnerin nicht auf den Beklagten übergegangen gewesen. Die Vorschrift sei aber jedenfalls dann analog anzuwenden,
  74. wenn der vorläufige Insolvenzverwalter wie hier nach Anordnung des Insolvenzgerichts Vermögensbestandteile des Schuldners in Besitz zu nehmen gehabt habe. Der Beklagte habe entsprechend dieser Ermächtigung Erlöse der
  75. Schuldnerin auf dem von ihm eingerichteten Anderkonto entgegengenommen.
  76. Zu den von ihm zu berichtigenden Kosten hätte auch die vom Insolvenzgericht
  77. festgesetzte Vergütung gehört. Das folge aus § 54 Nr. 2 InsO, wonach die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters zu den Verfahrenskosten gehöre.
  78. Dementsprechend gehöre die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters in
  79. Fällen der Nichteröffnung zu den nach § 25 Abs. 2 InsO zu berichtigenden Kosten. Andernfalls liefe der Vergütungsanspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters im Falle der Rücknahme des Eröffnungsantrags ins Leere.
  80. II.
  81. 6
  82. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
  83. 7
  84. Die Klägerin kann von dem Beklagten die Rückgewähr der Vergütung
  85. gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 143 Abs. 1 InsO verlangen.
  86. -5-
  87. 8
  88. 1. Anfechtbare Rechtshandlung des Beklagten ist die Überweisung der
  89. festgesetzten Vergütung von dem von ihm für Zwecke des Insolvenzeröffnungsverfahrens geführten Anderkonto auf sein eigenes Konto am 9. August
  90. 2006. Der Begriff der Rechtshandlung ist weit auszulegen. Rechtshandlung ist
  91. jedes von einem Willen getragene Handeln, das rechtliche Wirkungen auslöst
  92. und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann (BGH, Urteil vom 9. Juli 2009 - IX ZR 86/08, ZIP 2009, 1674 Rn. 21
  93. mwN). Diese Voraussetzungen sind hier offensichtlich gegeben.
  94. 9
  95. 2. Der Beklagte war in dem am 16. November 2006 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin Insolvenzgläubiger. Insolvenzgläubiger im Sinne des § 130 InsO sind solche Gläubiger, die ohne die erlangte Deckung in dem anschließenden Insolvenzverfahren in Bezug auf die
  96. befriedigte Forderung nur im Rang der §§ 38, 39 InsO teilgenommen hätten
  97. (BGH, Urteil vom 6. April 2006 - IX ZR 185/04, ZIP 2006, 1009 Rn. 12; HKInsO/Kreft, 6. Aufl., § 130 Rn. 10).
  98. 10
  99. Entgegen der Auffassung der Vordergerichte und der Revisionserwiderung sind die Vergütungsansprüche des Beklagten in dem eröffneten Verfahren
  100. keine Massekosten. Die §§ 53, 54 Nr. 2 InsO betreffen nur die Kosten des eröffneten und durchgeführten Verfahrens (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2007
  101. - IX ZR 196/06, BGHZ 175, 48 Rn. 10), nicht die Kosten anderer Insolvenzverfahren, auch nicht die Kosten vorausgegangener Eröffnungsverfahren, die nicht
  102. zur Eröffnung geführt haben und nach wirksam für erledigt erklärtem Insolvenzantrag auch nicht mehr zur Eröffnung führen konnten (BGH, Urteil vom
  103. 20. November 2001 - IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178, 181). Wäre es anders, dürften Insolvenzverfahren gemäß § 26 InsO nicht mehr eröffnet werden, wenn mit
  104. der Masse nicht auch die noch offenen Kosten früherer Verfahren gedeckt wä-
  105. -6-
  106. ren. Die Kosten früherer Verfahren müssten im Falle der Verfahrenskostenstundung von der Staatskasse getragen werden, soweit die Insolvenzmasse
  107. dafür nicht ausreicht, § 63 Abs. 2 InsO. Bei Masseunzulänglichkeit müssten
  108. zunächst auch die Kosten früherer Verfahren gedeckt werden, § 209 Abs. 1
  109. Nr. 1 InsO. Dass dies nicht gemeint sein kann, ist offensichtlich. Gedeckt sein
  110. müssen nur die Kosten des konkret durchgeführten Verfahrens.
  111. 11
  112. Der Beklagte wäre deshalb ohne die erlangte Befriedigung im eröffneten
  113. Verfahren Insolvenzgläubiger (BGH, Beschluss vom 20. September 2007
  114. - IX ZB 239/06, nv; vgl. auch OLG Celle, ZInsO 2007, 1048).
  115. 12
  116. Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn, wie die Revisionserwiderung
  117. meint, eine einheitliche materielle Insolvenz vorlag, also schon in dem früheren
  118. Eröffnungsverfahren ein Eröffnungsgrund vorlag und dieses Verfahren lediglich
  119. mangels zulässigen Gläubigerantrags nicht zur Eröffnung gelangte. Ob dies
  120. entsprechend dem Rechtsgedanken des § 139 Abs. 2 InsO (vgl. dazu BGH,
  121. Urteil vom 2. April 2009 - IX ZR 145/08, ZIP 2009, 921 Rn. 10 f; aber auch Urteil
  122. vom 20. November 2001, aaO S. 181) bejaht werden könnte, wenn mehrere
  123. zulässige und begründete Insolvenzeröffnungsanträge vorlagen, von denen
  124. einer zur Eröffnung führte, weshalb die anderen aus verfahrensrechtlichen
  125. Gründen für erledigt erklärt werden mussten, kann dahinstehen. In einem solchen Fall hätten auch die für erledigt erklärten Anträge zur Eröffnung geführt.
  126. Deshalb könnte es naheliegen, dort angefallene Vergütungen eines vorläufigen
  127. Insolvenzverwalters dem eröffneten und durchzuführenden Verfahren zuzurechnen. Der hier wegen Bezahlung des antragstellenden Gläubigers wirksam
  128. für erledigt erklärte Insolvenzantrag konnte jedoch nicht mehr zur Eröffnung
  129. führen (BGH, Urteil vom 20. November 2001, aaO S. 181). Allerdings hätte der
  130. -7-
  131. Beklagte durch Verweigerung seiner Zustimmung die Erfüllung der Gläubigerforderung durch den Schuldner verhindern können.
  132. 13
  133. 3. Ob der Beklagte eine kongruente oder inkongruente Deckung seines
  134. Vergütungsanspruchs erlangt hat, kann dahinstehen, weil jedenfalls schon die
  135. Voraussetzungen der Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO vorliegen. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Vergütung überhaupt vom Insolvenzgericht festgesetzt werden konnte, ob der Beschluss wirksam ist und ob
  136. der Beklagte berechtigt war, die Vergütung trotz der zwischenzeitlich bereits
  137. erfolgten Aufhebung der Sicherungsmaßnahmen in ausdehnender Anwendung
  138. des § 25 Abs. 2 InsO auch noch nach Aufhebung seiner Bestellung aus dem
  139. von ihm verwalteten Vermögen des Schuldners zu entnehmen. Die Entnahme
  140. wurde jedenfalls nach dem Antrag vorgenommen, der in dem neu eingeleiteten
  141. Verfahren zur Eröffnung führte. Dem Beklagten war, wie er auch in der Revision
  142. geltend macht, zu diesem Zeitpunkt die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin
  143. bekannt. Er hatte sie in seinem weitgehend fertig gestellten und beim Insolvenzgericht eingereichten Gutachten festgestellt.
  144. 14
  145. 4. Die nach § 129 Abs. 1 InsO stets erforderliche objektive Gläubigerbenachteiligung ist gegeben. Sie liegt vor, wenn die angefochtene Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt hat
  146. (BGH, Urteil vom 9. Juli 2009 - IX ZR 86/08, ZIP 2009, 1674 Rn. 25 mwN),
  147. wenn sich also die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die
  148. Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten
  149. (BGH, Urteil vom 9. Juli 2009, aaO, mwN). Dies war hier durch die Entnahme
  150. des Geldes vom Anderkonto und die Überführung in das Eigenvermögen des
  151. Beklagten gegeben. Die übrigen Insolvenzgläubiger der Schuldnerin konnten
  152. hierauf nicht mehr zugreifen.
  153. -8-
  154. 15
  155. a) Hieran ändert sich nichts durch den Umstand, dass der Beklagte für
  156. die Vereinnahmung der Gelder der Schuldnerin das Sonderkonto als echtes
  157. Anderkonto angelegt hatte. Daraus ergibt sich entgegen der Auffassung des
  158. Beklagten nicht, dass die Entnahme das Vermögen der Schuldnerin nicht betroffen hätte.
  159. 16
  160. Der Beklagte war zwar als Vollrechtsinhaber des von ihm eingerichteten
  161. Anderkontos allein der Bank gegenüber berechtigt und verpflichtet (BGH, Urteil
  162. vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 192/07, ZIP 2009, 531 Rn. 7; vom 12. Mai
  163. 2011 - IX ZR 133/10, ZIP 2011, 1220 Rn. 9). Auf das von einem Rechtsanwalt
  164. als Insolvenzverwalter eingerichtete Anderkonto eingehende Gelder gehören
  165. nicht zur Insolvenzmasse im Sinne des § 35 InsO. Nach dieser Vorschrift erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur
  166. Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens
  167. erlangt. Zahlungen, die auf einem Anderkonto des vorläufigen Insolvenzverwalters eingehen, fallen weder in die Masse noch in das Schuldnervermögen
  168. (BGH, aaO).
  169. 17
  170. Anderkonten sind jedoch offene Vollrechtstreuhandkonten (BGH, Urteil
  171. vom 12. Mai 2011 aaO). Die darauf eingegangenen Gelder sind Treugut des
  172. Insolvenzschuldners (MünchKomm-InsO/Ganter, 2. Aufl. § 47 Rn. 396). Bei Beendigung des Treuhandverhältnisses sind sie an den Treugeber herauszugeben, § 667 BGB.
  173. 18
  174. Das Tatbestandsmerkmal der Gläubigerbenachteiligung in § 129 Abs. 1
  175. InsO ist im Hinblick auf den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung in einem
  176. umfassenden Sinne zu verstehen und daher auch bei Rechtshandlungen gege-
  177. -9-
  178. ben, die lediglich mittelbar eine Gläubigerbenachteiligung bewirken (BGH, Beschluss vom 27. März 2008 - IX ZR 210/07, ZIP 2008, 747 Rn. 4 mwN). Für die
  179. Anfechtung nach § 130 InsO ist eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung ausreichend (BGH, Urteil vom 29. November 2007 - IX ZR 165/05, ZIP 2008, 372
  180. Rn. 27). Diese trat hier jedenfalls dadurch ein, dass der Beklagte das zuvor auf
  181. dem Anderkonto befindliche Geld, das er durch die Überweisung auf ein eigenes Konto für sich selbst vereinnahmt hatte, nicht mehr an die Schuldnerin oder
  182. die Klägerin auskehren konnte. Die Frage, ob in der Entnahme des Geldes bereits eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung lag, kann dahinstehen.
  183. 19
  184. Soweit der Beklagte gegen den entsprechenden Auszahlungsanspruch
  185. aufgerechnet hat, ist die Aufrechnung nach § 96 Abs. 1 Nr. 3, § 130 Abs. 1
  186. Satz 1 Nr. 2 InsO unwirksam.
  187. 20
  188. b) Die Anfechtung ist nicht nach § 142 InsO unter dem Gesichtspunkt
  189. des Bargeschäfts ausgeschlossen.
  190. 21
  191. Als Bargeschäft werden Leistungen privilegiert, für die unmittelbar eine
  192. gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners gelangt ist. Auch
  193. Dienstleistungen von Rechtsanwälten und Steuerberatern können Bargeschäfte
  194. sein (BGH, Urteil vom 13. April 2006 - IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 Rn. 32;
  195. vom 6. Dezember 2007 - IX ZR 113/06, ZIP 2008, 232 Rn. 20). Die Tätigkeit
  196. eines vorläufigen Insolvenzverwalters ist dem vergleichbar.
  197. 22
  198. aa) Der Senat hat allerdings angenommen, dass ein Bargeschäft nur
  199. vorliegt, wenn der Schuldner aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat (BGH, Urteil vom
  200. 29. November 2007 - IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 Rn. 41; vom 21. Januar
  201. - 10 -
  202. 2010 - IX ZR 65/09, BGHZ 184, 101 Rn. 13). Dem Tätigwerden des vorläufigen
  203. Insolvenzverwalters liegt nicht ein Vertrag mit dem Schuldner zugrunde, sondern die Bestellung durch das Insolvenzgericht nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
  204. InsO. § 142 InsO stellt jedoch nach seinem Wortlaut lediglich darauf ab, ob für
  205. die Leistungen des Schuldners unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in
  206. sein Vermögen gelangt ist. Insoweit erscheint erwägenswert, auch dem vorläufigen Insolvenzverwalter für seine Vergütung im nicht eröffneten Verfahren die
  207. Privilegierung des Bargeschäfts zu gewähren.
  208. 23
  209. bb) Auch die Annahme einer gleichwertigen Gegenleistung erscheint
  210. möglich. Denn der vorläufige Insolvenzverwalter hat wegen seiner Tätigkeit bei
  211. nicht eröffnetem Verfahren einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Vergütung
  212. und Auslagenersatz gegen den Schuldner (BGH, Urteil vom 13. Dezember
  213. 2007 - IX ZR 196/06, BGHZ 175, 48 Rn. 16 ff; 28 ff, 35 mwN; vgl. künftig § 26a
  214. InsO in der Fassung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung
  215. von Unternehmen, BR-Drucks. 679/11).
  216. 24
  217. cc) Die Voraussetzungen des Bargeschäfts lagen hier aber jedenfalls
  218. deshalb nicht vor, weil es an der Unmittelbarkeit des Leistungsaustausches
  219. fehlte.
  220. 25
  221. Für das anwaltliche Mandatsverhältnis hat der Senat die Annahme eines
  222. Bargeschäfts ausgeschlossen, wenn zwischen dem Beginn der anwaltlichen
  223. Tätigkeit und der Erbringung der Gegenleistung mehr als 30 Tage liegen. Bei
  224. Anforderung eines Vorschusses ist eine anfechtungsrechtliche Bargeschäftsausnahme nur dann anzunehmen, wenn in regelmäßigen Abständen Vorschüsse eingefordert werden, die in etwa dem Wert der inzwischen entfalteten oder in
  225. den nächsten 30 Tagen noch zu erbringenden Rechtsanwaltstätigkeit entspre-
  226. - 11 -
  227. chen. Ferner kann vereinbart werden, Teilleistungen gegen entsprechende Vergütungen zu erbringen (BGH, Urteil vom 13. April 2006, aaO, Rn. 35 ff; vom
  228. 6. Dezember 2007, aaO, Rn. 20 ff; Beschluss vom 18. September 2008 - IX ZR
  229. 134/05, Rn. 2).
  230. 26
  231. Der Beklagte hat seine Leistungen mit seiner Bestellung am 31. März
  232. 2006 begonnen. Seine Vergütung hat er jedoch der Schuldnerin erst am
  233. 8. August 2006 in Rechnung gestellt, nachdem er zuvor am 16. Juni 2006 seine
  234. Tätigkeit dem Amtsgericht gegenüber abgerechnet hatte. Die Entnahme erfolgte am 9. August 2006. Zwischen Beginn der Tätigkeit und Zahlung lagen mehr
  235. als vier Monate. Selbst wenn man für die Frage der Unmittelbarkeit auf die
  236. erstmalige Geltendmachung des Vergütungsanspruchs gegenüber dem Insolvenzgericht abstellen würde, weil der Beklagte davon ausging, vor der Festsetzung der Vergütung diese nicht beanspruchen zu können, wäre die 30-Tagefrist
  237. seit Beginn der Tätigkeit nicht gewahrt. An dieser Frist muss zur Vermeidung
  238. einer unangemessenen Ausdehnung des Bargeschäfts festgehalten werden.
  239. 27
  240. c) Eine Gläubigerbenachteiligung im eröffneten Verfahren kann schließlich nicht mit dem Argument verneint werden, der vorläufige Insolvenzverwalter
  241. sei letztlich im Interesse der Gläubiger tätig geworden, weshalb diese nicht benachteiligt sein könnten. Dies würde in unzulässiger Weise einen abstrakten
  242. Gläubigerbegriff zugrunde legen. Die Insolvenzgläubiger in einem später eröffneten Verfahren können andere sein als die Gläubiger zur Zeit eines früher
  243. durchgeführten Eröffnungsverfahrens. Sie können deshalb durch eine Tätigkeit
  244. für frühere Gläubiger benachteiligt werden.
  245. 28
  246. Schließlich ist der Anspruch auf Vergütung des vorläufigen Verwalters im
  247. nicht eröffneten Verfahren gegen den Schuldner gerichtet, nicht gegen die
  248. - 12 -
  249. Gläubiger. Hiermit stünde die Ablehnung der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger im eröffneten Verfahren im Widerspruch.
  250. III.
  251. 29
  252. Da die Aufhebung des Berufungsurteils nur wegen Rechtsverletzung bei
  253. Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach
  254. letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache
  255. selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).
  256. 30
  257. Der Klage ist aus den angeführten Gründen stattzugeben. Der Zinsanspruch besteht ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 16. November 2006
  258. (BGH, Urteil vom 1. Februar 2007 - IX ZR 96/04, BGHZ 171, 38 Rn. 14 ff).
  259. Vill
  260. Raebel
  261. Fischer
  262. Lohmann
  263. Pape
  264. Vorinstanzen:
  265. LG Neuruppin, Entscheidung vom 15.04.2010 - 3 O 265/09 OLG Brandenburg, Entscheidung vom 09.02.2011 - 7 U 91/10 -